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D31
Zweites Kapitel: Unternehmerpersönlichkeit
B. Das Leistungsmotiv und verwandte Konzepte
als wichtige Einflußfaktoren der
unternehmerischen Aktivität
Heinz Klandt
(Sonderdruck aus: Entrepreneurship - Innovative Unternehmensgründung als
Aufgabe, N. Szyperski/P. Roth (Hrsg.), C. E. Poeschel Verlag, Stuttgart 1990)
1.
Uberblick über den Beitrag
Der folgende Beitrag konzentriert sich auf das Leistungsmotiv, das in der
internationalen Erforschung von Gründermotiven im Vordergrund steht
und das als das unternehmerische Motiv betrachtet werden kann. Er geht
auch auf andere, in enger inhaltlicher Beziehung zum Leistungsmotiv
stehenden Aspekte wie der Konfession, der Selbständigkeit des Vaters und
das Machbarkeitsdenken (locus of control) ein.
2.
Das Leistungsmotiv-Konstrukt
2.1
Stand der Forschung
Zu keinem anderen Aspekt der Gründerperson liegt eine vergleichbare
Anzahl und Qualität empirischer Untersuchungen bis hin zu einer Vielzahl
auch experimenteller psychologischer Forschungsarbeiten vor, wie zum
Leistungsmotiv. Es ist auch festzustellen, daß im Gegensatz zu einer Vielzahl von anderen empirischen Forschungsergebnissen die Resultate zum
Leistungsmotiv sich bis auf wenige Ausnahmen durch ein erhebliches Maß
an Konsens auszeichnen 1 .
D.h. insbesondere, daß über eine Vielzahl von Staaten und Gesellschaften
--------------------
1. Vgl. Klandt, Heinz; Aktivität und Erfolg des Unternehmungsgründers. Eine empirische
Analyse unter Einbeziehung des mikrosozialen Umfeldes. Reihe: Gründung, Innovation
und Beratung, Band 1. Bergisch Gladbach 1984, S.139-152 und die dort aufgeführte Literatur.
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H. Klandt: Leistungsmotivation
hinweg, die von Industrienationen bis zu eher agrarisch ausgerichteten
Gesellschaften reichen, positive Korrelationen zwischen der Stärke des
Leistungsmotivs und der Gründungsaktivität festgestellt werden konnten;
dieser korrelative Beziehungszusammenhang wurde auch in der Bundesrepublik nachgewiesen. Darüber hinaus gibt es auch einige empirische Untersuchungen, die auf eine positive Beziehung zwischen Leistungsmotiv und
Gründungserfolg hinweisen.
2.2
Der Ansatz McClelland`s
Die Leistungsmotivforschung wurde ganz wesentlich von McClelland 1 und
seinen Schülern getragen (insbesondere Atkinson 2 , Winter 3 in den USA
und Heckhausen4 in Deutschland). McClelland selbst erhielt nach eigener
Aussage seinen entscheidenden Anstoß zur Konzeptionierung dieses
Konstruktes durch die bekannte Hypothese Max Webers zur Beziehung
zwischen der kalvinistischen Leistungsethik und dem Geist des Kapitalismus 5 . McClelland sieht in seinem Ansatz zum Leistungsmotiv eine Psychologisierung der soziologischen Hypothese Max Webers.
McClellands Betrachtungen liegen primär auf gesamtgesellschaftlicher
Ebene, d.h. er versucht, eine Verbindung traditioneller Psychologie einerseits und traditioneller Volkswirtschaft andererseits herzustellen. Im wesentlichen konzentriert er sich in seiner Forschungsarbeit auf den Beziehungszusammenhang zwischen leistungsthematischen Äußerungen in einer
1. McClelland, David C.; The Achieving Society. New York 1976 with a new introduction;
McClelland, David C.; McClelland, David C.; N Achievement and Entrepreneurship. A
Longitudinal Study. In: Journal of Personality and Social Psychology, Band 1, Nr.4, 1965, S.
389-392.
2. Vgl. Atkinson; John W.; Hoselitz; Bert F.; Leadership in Change, Entrepreneurship and
Personality. In: Smelser, N.J.; Smelser, W.T. (Hrsg.), Personality. S. 530-536.
3 . McClelland, David C.; Winter, David G.; Motivating Economic Achievement. New
York, London 1969.
4. Vgl. Heckhausen, Heinz.; Hoffnung und Furch in der Leistungsmotivation.
Meisenheim/Glan 1963.
5. Vgl. Weber, Max; Die protestantische Ethik. München 1965.
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Zweites Kapitel: Unternehmerpersönlichkeit
Gesellschaft (wie sie sich z.B. in den Medien, in Lesebüchern etc. manifestieren) und dem gesamtwirtschaftlichen Wachstum (z.B. gemessen in
Tonnen-Stahlproduktion, Energieverbrauch u.ä.).
Seine Schüler und eine Vielzahl anderer Autoren untersuchten in der Folge
das Leistungsmotiv intensiv auch auf einer individuellen bzw. einzelwirtschaftlichen Ebene. Diese Forschungsarbeiten richteten sich auch intensiv
auf experimentelle Ansätze z.B. zur Untersuchung des Leistungsmotivs im
Kontext mit dem Risikoverhalten aus.
2.3
Begriffliche Abgrenzung und verbundene Verhaltenstendenzen
Inhaltlich umschrieben wird der Begriff "Leistungsmotiv" am treffensten mit
dem "Streben nach Effizienz", also dem Wunsch, etwas besser, schneller
effizienter bzw. mit geringerer Anstrengung zu machen. Der Hochleistungsmotivierte setzt sich typischerweise häufig mit der - in ihrer zweifach
optimierenden Formulierung nicht ganz korrekten- Frage auseinander:
"How to get the most benefit (utility) for the least cost"? 1
Nach der Vorstellung McClellands (und dies konnte auch in diversen
empirischen Untersuchungen nachgewiesen werden) verbindet sich das
Leistungsmotiv mit den in der Tabelle 1 aufgeführten typischen Verhaltenstendenzen.
Greift man sich z.B. in der Tabelle den letzten Punkt heraus, so gewinnt
man einen Erklärungs-Ansatz für ein Phänomen, das einem Dritten, nichtLeistungsmotiv-Bestimmten ansonsten kaum verständlich ist: warum auch
ein Unternehmer, der bereits einen erheblichen wirtschaftlichen Erfolg hat
und dessen Bedürfnis nach materieller Versorgung offensichtlich auf
Lebenszeit schon abgedeckt ist, trotzdem weiterhin nach einer Verbesserung seiner Umsatz/Gewinnsituation durch fortlaufende unternehmerische
Aktivitäten sucht: Dieser strebt Geld oder Einkommen nicht an, um sich
damit den Zugang zu materiellen Gütern zu eröffnen, sondern sucht im
-------------------1. McClelland, David C.; The Achieving Society. New York 1976, Seite A.
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H. Klandt: Leistungsmotivation
finanziellen Erfolg weiterhin den Maßstab und eine wiederholte Bestätigung für seine persönliche Leistungsfähigkeit.
Tab. 1:
Typische Verhaltenstendenzen von stark
leistungsmotivierten Menschen
* mäßig schwierige aber erreichbare persönliche Ziele anzustreben,
* Suche nach persönlicher Leistung,
* Bevorzugung von Arbeitssituationen, die eine direkte Rückmeldung
über die erreichte Leistung ermöglichen,
* mit der Neigung, an Problemen zu arbeiten und sie nicht in ihrem
Ergebnis dem Zufall und Dritten zu überlassen,
* Arbeitspartner vor allen Dingen nach ihrer Qualifikation und nicht
nach persönlicher Sympathie auszusuchen,
* Geld als wichtigen Maßstab für die eigene Leistung anzusehen.
2.4
Wichtige Ergebnisse für die Gründungsforschung
Beim gegenwärtigen Stand der Forschung in diesem Bereich kann man zwei
wichtige einigermaßen gut abgesicherte Erkenntnisse festhalten:
* Unternehmungsgründer sind signifikant stärker leistungsmotiviert als
dies für die Bevölkerung generell gilt.
* Unter den Unternehmungsgründern sind wiederum diejenigen eher
erfolgreich, die ein besonders hohes Maß an Leistungsmotivation
besitzen.
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Zweites Kapitel: Unternehmerpersönlichkeit
Beziehung des Konstruktes "Leistungsmotiv"
zu anderen Aspekten der Persönlichkeitsstruktur
Das Leistungsmotiv steht in Beziehung zu einigen anderen Aspekten der
Struktur und der Genese der Persönlichkeit, zu denen zum Teil auch eine
größere Anzahl von empirischen Einzelergebnissen im internationalen
Bereich und in gewissem Umfang auch in der Bundesrepublik bzw. im
deutschsprachigen Raum vorliegen. Darauf soll nun in der Folge kurz
eingegangen werden.
3.1
Die These Max Webers: Erziehungs-Konfession
Bereits eingangs wurde erwähnt, daß der Ausgangspunkt zur Konzeptionierung des Leistungsmotivkonstruktes für McClelland in der bekannten
These Max Webers lag. Es geht bei dieser These um die Beziehung zwischen der protestantischen oder besser kalvinistischen Leistungsethik und
dem wirtschaftlichen Verhalten von Individuen und der Gesellschaft bzw.
den daraus resultierenden ökonomischen Erfolgen.
Die "Gnadenwahl" und das "Prädestinationsdogma" des Kalvinismus beinhalten die Vorstellung, daß sich der einzelne Mensch in harter Arbeit Gott
nähert und der wirtschaftliche Erfolg ein Indiz des Ausgewähltseins darstellt (Prädestination). Dagegen bietet der Katholizismus primär durch
Empfang der Sakramente die Möglichkeit, am Heil teilhaftig zu werden 1 .
Es muß betont werden, daß bei Max Webers Thesen-Formulierung nicht
der Protestantismus sondern primär die kalvinistische Leistungsethik Pate
stand, die allerdings gewisse Ähnlichkeiten mit den Vorstellungen des Protestantismus allgemein beinhaltet und sich dieser insgesamt darin wesentlich vom Katholizismus abhebt.
International liegen eine Vielzahl von stützenden empirischen Befunden zu
dieser These vor.
--------------------
1. Weber, Max; Die protestantische Ethik. München 1965, insbesondere S. 115-140.
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H. Klandt: Leistungsmotivation
Es fragt sich nun, ob auch heute noch in der Bundesrepublik, in der der
Kalvinismus selbst nur eine geringe Rolle spielt, und in der starke Tendenzen zur Profanisierung existieren, die These Max Webers eine Bestätigung
finden kann 1 .
Verschiedene zeitlich zurückliegende Untersuchungen in der Bundesrepublik haben den Zusammenhang zwischen unternehmerischer Aktivität und
der Erziehungskonfession in dem Sinne belegt, daß die evangelisch erzogenen Bevölkerungsteile deutlich stärker unternehmerisch engagiert sind als
dies für die katholische Bevölkerung gilt.
Dieses Ergebnis konnte auch in jüngerer Zeit in einer Untersuchung des
Autors belegt werden; zumindest war eine klare Unterrepräsentiertheit der
katholischen Bevölkerung bei der Gründungsaktivität festzustellen (33,3 %
versus 45,2 % der Stichprobe), wenn auch die Überrepräsentiertheit der
evangelischen Bevölkerungsteile nicht signifikant war 2 .
Von der Frage der konfessionellen Unterschiede beim Umfang unternehmerischer Aktivitäten ist die Frage nach dem Erfolg dieser Anstrengungen
klar zu trennen. Belege für den größeren Erfolg von protestantisch erzogenen Unternehmern gegenüber den katholisch erzogenen lassen sich bisher
nicht klar erkennen; es wurden allerdings auch kaum Untersuchungen zu
dieser Frage realisiert.
--------------------
1. Vgl. zu folgenden Uberlegungen Klandt, Heinz; Aktivität und Erfolg des Unternehmungsgründers. Eine empirische Analyse unter Einbeziehung des mikrosozialen Umfeldes.
Reihe: Gründung, Innovation und Beratung, Band 1. Bergisch Gladbach 1984, S. 242-246.
2.Vgl. Klandt, Heinz; Aktivität und Erfolg des Unternehmungsgründers. Eine empirische Analyse
unter Einbeziehung des mikrosozialen Umfeldes. Reihe: Gründung, Innovation und Beratung, Band 1. Bergisch Gladbach 1984, S. 233 und 243-244.
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H. Klandt: Leistungsmotivation
selbständigen Elternhaus der Fall ist .
3.3
Locus of control: Machbarkeitsdenken
Schließlich soll auf einen Ansatz eingegangen werden, der innerhalb der
Differenziellen Psychologie von Rotter 2 entwickelt wurde und sich auf den
"internal versus external locus of control" (Machbarkeitsdenken) bezieht.
Mit dieser Dimension wird beleuchtet, inwieweit die jeweilige Person davon
überzeugt ist, auf für sie wichtige Ergebnisse Einfluß nehmen zu können.
Für Personen mit starkem "Machbarkeitsdenken" ist typisch, daß ein bestimmtes Ereignis als abhängig von ihrem eigenen Verhalten oder aber von
ihren Eigenschaften betrachtet wird. Personen hingegen mit geringem
Machbarkeitsdenken ("external locus of control") betrachten die Auslösung
eines Ereignisses eher im Sinne von Glück oder Schicksal, bzw. als durch
Dritte verursacht oder als in einem sehr komplexen Umfeld nicht vorhersehbar an.
Es finden sich in der Literatur verschiedene andere Ansätze, die ähnlich
ausgerichtet sind (z.B. personal causation von de Charmes, der zwischen
pawns und origins unterscheidet). 3
Konkret auf die Unternehmungsgründung bezogen bezieht sich das
Machbarkeitsdenken darauf, in welchem Maße der Erfolg einer zukünftigen Gründungsaktivität als kontrollierbar, gestaltbar empfunden wird, bzw.
- in der Formulierung des extremen Gegenpols - inwieweit solche Erfolge in
-------------------1. Bei Klandt, Heinz; Aktivität und Erfolg des Unternehmungsgründers. Eine empirische
Analyse unter Einbeziehung des mikrosozialen Umfeldes. Reihe: Gründung, Innovation
und Beratung, Band 1. Bergisch Gladbach 1984, S. 218 findet sich sogar eine signifikante
negative Korrelation.
2. Vgl. Rotter, Julian B.; Generalized Expectancies for Internal versus External Control of
Reinforcement. In: Psychological Monographs: General and Applied, Vol. 80, No 1, Whole
No 609, 1966, S. 1-28.
3. Vgl, Klandt, Heinz; Aktivität und Erfolg des Unternehmungsgründers. Eine empirische
Analyse unter Einbeziehung des mikrosozialen Umfeldes. Reihe: Gründung, Innovation
und Beratung, Band 1. Bergisch Gladbach 1984, S.188-191 und die dort zitierte Literatur.
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Zweites Kapitel: Unternehmerpersönlichkeit
der Vorstellung des Gründers eher von externen Kräften - Konjunktur,
Konkurrenz etc.- bestimmt werden oder sogar nur reine Zufallsprodukte
sind.
Für den Zusammenhang zwischen Gründungsaktivität und Machbarkeitsdenken finden sich einige wenige empirische Belege, u.a. auch eine Untersuchung aus dem deutschsprachigen Raum 1 . Danach darf man vermuten,
daß Gründungsunternehmer wesentlich stärker als die Vergleichsgruppe
von der Machbarkeit der sie betreffenden Ereignisse überzeugt sind. Zur
Erklärung des unternehmerischen Erfolgs durch das Machbarkeitsdenken
sind leider keine empirischen Studien bekannt.
Offensichtlich finden sich erhebliche Uberschneidungen der beiden Konstrukte "Leistungsmotiv" und "Machbarkeitsdenken". Insgesamt betrachtet
ist allerdings das Konstrukt des Leistungsmotivs umfassender und vollständiger ausgebaut bzw. in empirischen Untersuchungen generell und besonders in experimentellen Untersuchungen in seinen Ausprägungen und
Auswirkungen deutlich besser erfaßt.
Bestimmte Phänomene kann das Konstrukt des Machbarkeitsdenkens nicht
erklären: so z.B. die Tatsache, daß Hochleistungsmotivierte sowohl Situationen mit extrem hohen Risiken als auch Situationen mit extrem niedrigen
Risiken zu vermeiden suchen. Hier wird vom Ansatz des locus of control
aus zwar der Aspekt der Vermeidung hoher Risiken mit abgedeckt, nicht
aber der der Vermeidung niedriger Risiken; denn hohe Risiken wären zwar
als externe Kontrolle im Sinne der Zufallsstreuung zu interpretieren,
extrem niedrige Risiken müßten aber im hohen Maße bevorzugt werden, da
sie eine völlige interne Kontrolle gewährleisten; dieser Zusammenhang
deckt sich hingegen mit den Vorstellungen des Leistungsmotiv-Konstruktes
sehr gut.
--------------------
1. Vgl. Zoihsl, Viktor; Der Gründungsprozeß technischer Unternehmungen, Analyse und
Lösungsansätze, unveröffentlichte Diss. Graz 1975, S. 277 und 280f.
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