44 K O M P E T E N Z E N Kompetenzbasiertes Human Resource Management – Erfolgsfaktor der Strategieumsetzung Erfolgreiche Firmen unterscheiden sich von anderen dadurch, dass alle am Arbeitsprozess beteiligten Menschen die erforderlichen Kompetenzen einbringen, um die Unternehmensstrategie möglichst wirkungsvoll umzusetzen. Unterstützend wirkt dabei ein kompetenzbasiertes HRM. VON MARCEL OERTIG ___David McClelland löste 1973 mit seinem Artikel «Testing for competence rather than for intelligence» eine vertiefte Diskussion über Kompetenzen in der Psychologie aus. Seine Untersuchungen zeigten, dass traditionelle akademische Wissenstest sowie Schulnoten nur eine beschränkte Vorhersage über zukünftige Leistungen im Beruf oder Erfolg im Leben zulassen. Zudem benachteiligten diese Minoritäten, Frauen oder Personen aus unteren sozialen Abbildung 1: Was sind Kompetenzen? Von der Absicht zum Ergebnis Ergebnis Persönliche Charakteristika Verhalten Leistung im Beruf Beispiel Motivation, Dinge besser zu tun anspruchsvolle Ziele, nimmt Selbstverantwortung wahr, nutzt Feedback ▼ Aktion ▼ Absicht erhöht Qualität, Produktivität, Verkäufe und Profit Schichten. Dies führte McClelland dazu, nach Kompetenzen zu suchen, die für den Berufserfolg wesentlich aussagekräftiger und insgesamt weniger diskriminierend sind. Das Vorgehen ist grundsätzlich einfach: Man vergleicht Leute, die nachweisbare berufliche Erfolge hatten, mit denjenigen, die weniger erfolgreich waren, und identifiziert die Charakteristika, die den Erfolg bestimmen. Entscheidend ist nicht die Absicht, sondern die konkrete Handlung, die schliesslich zum gewünschten Ergebnis führt (Abbildung 1). Methodisch wird in der Erarbeitung der Kompetenzen das «Behavioral Event Interview» eingesetzt. Konkret gezeigtes Verhalten in erlebten kritischen Situationen («Critical Incidents») wird untersucht; nicht was jemand denkt oder sagt, was er/sie tut, sondern was er/sie tatsächlich tut, zählt. Was unterscheidet erfolgreiche Unternehmen von weniger erfolgreichen? Letztlich geht es darum, diejenigen Führungskräfte und Mitarbeitenden zu haben, die die richtigen Kompetenzen mitbringen, um die Strategie eines Unternehmens erfolgreich umzusetzen. Nur – welches sind die richtigen Kompetenzen? Neben der Mikro-Analyse – was unterscheidet unsere Top-Performer von den Average-Performern? – geht es auch um die Makro-Analyse: Welche Kompetenzen www.pspindex.ch K O M P E T E N Z E N 45 helfen uns, die gewünschte Strategie, Struktur und Kultur umzusetzen? In der strategischen Unternehmensanalyse werden (beispielsweise anhand des St. Galler Management-Konzepts) die Soll- und Ist-Profile einander gegenübergestellt. Entscheidend wird hier die Frage: Wie können wir die «Gaps» (Lücken) in den strategischen, strukturellen und kulturellen Charakteristiken der Profile überwinden? Welche Verhaltensweisen beziehungsweise Kompetenzen brauchen wird dazu? Diese Makro-Sicht (Top-down) wird ergänzt mit den Kompetenzen aus der Mikro-Sicht (Bottom-up). So entsteht ein Kompetenzmodell Abbildung 2), das einerseits die bisher erfolgreichen Verhaltenweisen der Top-Performer breiter in der Organisation verankert und andererseits diejenigen Kompetenzen fördert, die das Unternehmen auch in Zukunft stark machen und von den weniger erfolgreichen Wettbewerbern differenziert. Wie werden die Kompetenzen in das bestehende Human Resource Management integriert? Für den Erfolg der Umsetzung ist eine konsequente Ausrichtung der HR-Systeme und Instrumente auf das Kompetenzmodell unerlässlich. Dies beginnt bereits beim Personal-Marketing. Mit einem auf die Kompetenzen abgestimmten Auftritt in Stelleninseraten, beim Hochschulmarketing und so weiter wird das Employer Branding neu positioniert. Bei der Selektion werden die Kriterien für das Anforderungsprofil sowie die Fragen des Interviewleitfadens (nach der «Behavioral Event Interview»-Methode) an die Kompetenzen angepasst. Bei der Beurteilung finden die Kompetenzen Einfluss in die Mitarbeiter- und Vorgesetztenbeurteilung sowie die Potenzialbeurteilung zukünftiger Fach- und Führungskräfte. Durch die Koppelung von Performance Management und Lohnsystem beeinflussen die Kompetenzen indirekt auch die individuelle Lohnfindung. Die Anforderungen der Entwicklungsund Selektionsassessments müssen auf das neue Kompetenzmodell ebenfalls abgestimmt und die Massnahmen der Personal- und Managemententwicklung konsequent auf die Kompetenzentwicklung ausgerichtet werden. Sehr unterstützend bei der Einführung eines neuen Kompetenzmodells zeigt sich eine weitgehende Integration in ein E-HRM. Damit wird die Einführung eines Kompetenzmodells prozessmässig (idealerweise auf Workflow-Basis) wesentlich vereinfacht. Schliesslich muss ein strategisch ausgerichtetes Personal-Controlling den Erfolg des www.pspindex.ch 46 K O M P E T E N Z E N Abbildung 2: Kompetenzdefinition: Top-down- und Bottom-up-Prozess Abbildung 3: Kompetenzbasierte HRM-Integration von HR-Systemen Top-down PersonalGewinnung Strategie – Struktur – Kultur ➝ Gap-Analyse PersonalHonorierung Kompetenzmodell PersonalBeurteilung Kompetenzmodell PersonalEntwicklung Bottom-up Behavioral Event Interviews Personal-Controlling Kompetenzmodells messbar und damit «managebar» machen. Eine Möglichkeit besteht hier beispielsweise in einer jährlichen Analyse der Strategie-, Struktur- und Kultur-Profile, wie sie oben bereits erwähnt wurde. Auch eine periodisch durchgeführte Mitarbeiterumfrage (allenfalls verbunden mit einem externen Benchmark) kann interessante Hinweise auf den Umsetzungserfolg des Kompetenzmanagements geben. Was gilt es bei der Einführung zu beachten? Die Einführung eines Kompetenzmodells stellt hohe Anforderungen an die Führungskräfte. Mit einem interaktiven Training kann diese zielgerichtet unterstützt werden: Zunächst muss der übergeordnete Zusammenhang der Unternehmeskompetenzen sowie der angestrebten Führungsphilosophie geklärt werden, das heisst die Frage «Warum brauchen wird das?» muss eindeutig beantwortet werden können. Im zweiten Schritt geht es darum, das «Was» zu verstehen, also Struktur und Inhalt der Kompetenzen sowie deren Übertrag auf die Anforderungsprofile zu erkennen. Drittens wird das «Wie» entscheidend; wie wird ein Kompetenzvereinbarungsgespräch sowie eine Kompetenzbeurteilung der Mitarbeitenden in der Praxis durchgeführt. Letztlich muss im Kader ein «Commitment for Change» entstehen, und erst die konkreten Umsetzungsschritte werden den zukünftigen Erfolg des Kompetenzmodells sicherstellen. Die Einführung eines kompetenzbasiertes Human Resource Management ist eine strategische Initiative und erfordert auch ein entsprechendes Engagement des Top-Managements. Kompetenzen müssen aus der strategischen Ausrichtung von Strategie, Struktur und Kultur abgeleitet sein und in die HR-Architektur übersetzt werden. Schliesslich bringt erst die konsequente Umsetzung des Kompetenzmodells in allen HR-Systemen und -Instrumenten die notwendige Nachhaltigkeit, um den geforderten Beitrag zur erfolgreichen Strategieumsetzung zu leisten. ] Literaturhinweise: • Bleicher, Knut (1999): Das Konzept Integriertes Management, Visionen – Missionen – Programme • McClelland, David, C. (1973): Testing for competence rather than for intelligence, American Psychologist, 28, 1 bis 14 • Spencer, Lyle M./Spencer, Signe M. (1993): Competence at work, Models for superior performance Dr. MARCEL OERTIG ist Leiter Human Resources & Communications Swisscom Fixnet Wholesale www.pspindex.ch
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