S SWR-Fernsehen Kaffee oder Tee 76522 Baden-Baden Servicezeit Essen und Trinken: Kulinarischer Städtetrip: Die Weltküche der Hansestädte von Martina Meuth und Bernd Neuner-Duttenhofer Sendung vom 13.02.2017 (ESD beim WDR am 13.04.2013) Dank der Kaufmanns- und Handelstradition, die in den Hansestädten bis ins Mittelalter reicht, gelten die Menschen dort gemeinhin als weltoffener, erfahrener und neugieriger als anderswo. Das lässt sich auch an ihrer Küche ablesen: Man benutzte schon früh Gewürze aus fernen Ländern. Exotische Zutaten und ungewöhnliche Zusammenstellungen findet man hier häufiger als sonst in Deutschland. Und mit dem Wohlstand, den der Handel mit sich brachte, wuchsen auch die Ansprüche. Tatsächlich lassen sich beim Blick auf die bürgerliche Tafel der drei klassischen Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck ganz besondere Spezialitäten finden. Zum Beispiel Oxtail-Suppe mit Welsh Rarebits oder die Hamburger Stubenküken. Oxtail-Suppe mit Welsh Rarebits Von Martina Meuth und Bernd Neuner-Duttenhofer In Hamburg war man sehr angelsächsisch orientiert und sprach statt von der vulgären Ochsenschwanzsuppe lieber weltläufig von der feinen Oxtail-Soup oder man sagte vornehm Mock-Turtle-Soup, „falsche Schildkrötensuppe“ dazu, denn seine geradezu cremig-dichte Konsistenz, die die Gallerte des Ochsenschwanz der Suppe verleiht, erinnert durchaus an diese schon damals verpönte, heute längst verbotene Suppe. Dazu reichte man elegante Käse-Toasts, die man Welsh Rarebits nannte. Diese englischen, mit Käse überbackenen Toastbrote sind ein hübscher Happen aus der Hand, die aus der klaren Suppe einen herzhaften Imbiss machten. Das klassische englische Rezept verlangt Cheddar, mit seiner charakteristischen orangenen Farbe – der Käse wird mit Annattosamen eingefärbt. Bei uns ist er aber nicht sehr gebräuchlich, und man kann natürlich auch andere Hartkäse verwenden. Wir nehmen Gouda – mit den Holländern haben die Hansestädter ebenfalls Handel getrieben und ihn deshalb sehr geschätzt. Wichtig ist die Würze: Englisches Senfpulver gibt der Käsecreme sein typisches Aroma. Ob man zusätzlich mit Bier abschmeckt (verleiht der Creme Bitterkeit) oder lieber mit Cidre (gibt säuerliche Frische) ist Ansichtssache. Wir würzen sie so: Zutaten für sechs bis acht Personen: 1 Ochsenschwanz (beim Metzger vorbestellen, in Stücke hacken lassen) je 1 Möhre, Zwiebel, Lauchstange, Petersilienwurzel 2-3 Selleriestangen 1 Stück Sellerieknolle je 1 EL Pfefferkörner und Senfkörner 2-3 Lorbeerblätter 3 Petersilienstiele nach Gusto 1 Chilischote Salz Für die Welsh Rarebits: 10 Baguettescheiben 200 g geriebener Käse (Bergkäse, alter oder mittelalter Gouda, oder Cheddar) 1 EL scharfes Senfpulver 1 gestrichener EL Paprikapulver ½ TL Currypulver 1 Ei ein guter Schuss Cidre (oder Bier) Schnittlauch Die Brühe am besten bereits am Vortag ansetzen: Die Ochsenschwanzstücke in einen großen Topf betten. Das geputzte, grob geschnittene Wurzelwerk und die Gewürze hinzufügen, ebenso die Petersilienstiele (die Blätter abzupfen und beiseitelegen). Mit Wasser bedecken und langsam ohne Deckel zum Kochen bringen. Den sich an der Oberfläche sammelnden Schaum nicht abschöpfen, sondern warten, bis er sich wieder gelegt hat, nachdem man die Hitze heruntergestellt hat. Er hilft, die Brühe zu klären. Deckel auflegen und die Brühe vier Stunden leise ziehen lassen, dann abfiltern und kalt stellen. Die Ochsenschwanzstücke ebenfalls abkühlen lassen, dann von den Knochen lösen und in kleine Würfel schneiden. Zum Servieren die Brühe entfetten – das Fett sitzt als feste Schicht obenauf und lässt sich einfach abheben. Die Brühe nochmals abschmecken und in Tassen servieren. Das gewürfelte Fleisch und die gehackte Petersilie als Einlage servieren. Beilage: Dazu heiße Welsh Rarebits reichen. Dafür die Baguettescheiben sanft toasten. Käse, Gewürze und Ei verrühren, soviel Cidre oder Bier hinzufügen, dass eine dicke Creme entsteht. Auf die Brotscheiben verteilen, dabei schön aufhäufen und festdrücken. Im Backofen bei 220 Grad Celsius (Heißluft; 240 Grad Celsius Ober- und Unterhitze) etwa fünf bis acht Minuten überbacken, bis die Creme schmilzt und zart gebräunt ist. Einige Schnittlauchröllchen auf der Oberfläche verteilen und zur Suppe servieren. Getränk: zur Suppe natürlich klassischerweise einen Sherry, nicht den hellen Fino, sondern den dunklen Amontillado. Dabei darauf achten, dass er schön trocken ist. Tipp: Solche Brothappen machen nicht viel Mühe. Man kann die Zutaten immer im Haus haben, und es steht damit ohne viel Aufwand schnell eine köstliche Kleinigkeit auf dem Tisch – mit oder ohne Suppe. Auch einfach aus der Hand zu einem Glas Wein, Bier oder Sekt. Austern mit Chesterbrottürmchen Von Martina Meuth und Bernd Neuner-Duttenhofer Zum gepflegten Gabelfrühstück durfte diese Köstlichkeit in der Hansestadt natürlich nicht fehlen: Austern „schlampampen“ – wie einst der Schriftsteller Heinrich Heine sie liebte. Austern genießt man am besten pur. Natürlich muss man wissen, wie man sich den hermetisch verschlossenen Schalentieren nähert: mit einem Austernöffner, einem kurzklingigen Messer, das man am Scharnier zwischen die beiden Hälften schiebt und dort versucht, den Muskel, der sie zusammenhält, zu durchtrennen. Dann öffnen sie sich ganz von alleine. Zum Schutz der Handfläche ist ein robuster Handschuh ratsam. Die Auster mit der flachen Klinge von der unteren Schale lösen. Dabei aufpassen, dass nichts von dem köstlichen Wasser verloren geht, in dem sie liegt. Auf einer großen Platte, die mit zerstoßenem Eis bedeckt ist, anrichten. Dazu reicht man hanseatisch weltläufig Champagneressig oder, wie Heine es liebte, Zitronensaft, der mit winzigfein geschnittenen Schalotten gewürzt ist. Und kleine Chesterbrottürmchen. Sie sehen hübsch aus und schmecken auch denen, die vielleicht keine Austern mögen. Zutaten für vier Personen: 8 Scheiben Pumpernickel oder Vollkornbrot Butter 7 Scheiben Chesterkäse oder junger Gouda Sieben Brotscheiben buttern, jeweils mit einer Käsescheibe belegen, aufeinanderstapeln, die Oberseite der Brotscheibe ebenfalls buttern. Zum Schluss mit der leeren, nur auf einer Seite gebutterten Brotscheibe abdecken. Senkrecht in jeweils drei Streifen schneiden, diese quer in Türmchen legen. Getränk: natürlich gehört der richtige Wein dazu – ein knackiger, sehr trockener Weißburgunder aus der Pfalz etwa oder, wie Heine es mochte, ein Rheinwein, zum Beispiel ein Riesling. Hamburger Stubenküken Von Martina Meuth und Bernd Neuner-Duttenhofer Die berühmten Stubenküken sind ein Klassiker. Die jungen Hühnchen nennt man so, weil man sie früher tatsächlich in der Stube, in der Nähe des warmen Kamins aufgezogen hat. Heute versteht man darunter einfach junge Hühnchen von rund 450 Gramm. Sie sind besonders zart und wohlschmeckend. Natürlich kommen solche Spezialitäten nicht aus der Massentierhaltung. Man muss sie beim Geflügelhändler bestellen, meist werden sie aus Frankreich importiert. Sie sind ganz einfach zuzubereiten, denn sie brauchen weder aufwendige Würze noch beanspruchen sie viel Mühe. Zutaten für vier bis fünf Personen: 3 Stubenküken (à 450 g) Salz Pfeffer Saft und Schale 1 Zitrone 250 g Möhren 1-2 Lauchstangen 1 Zwiebel 3-4 Knoblauchzehen 150 g Langkornreis 1 daumendickes Stück Ingwer 2-3 Chilischoten 1-2 Zitronengraskolben 2 Sternanis 2 Nelken je 6 Kardomomkapseln und Pimentbeeren je 1 EL Koriander und Pfefferkörner 2-3 EL thailändische Fischsoße Salz 1 TL Zucker Die Stubenküken innen und außen mit Salz, Pfeffer, Zitronenschale und -saft einreiben. Das Gemüse putzen. Für die Füllung jeweils zwei Esslöffel linsengroße Würfel zurechtschneiden. Mit dem Reis mischen. Auch winzig fein gewürfelten Ingwer, Chili ohne Samen und Zitronengras untermischen und in den Kükenbauch füllen. Die Küken in einen ausreichend großen Topf setzen. Das in große Stücke geschnittene restliche Gemüse und die restlichen Halme vom Zitronengras daneben verteilen – ebenso alle Gewürze. Soviel Wasser angießen, dass die Küken mit der Brust noch herausschauen. Langsam zum Kochen bringen. Fischsoße, Zucker und Salz hinzufügen. Sobald der dicke Schaum, der sich an der Oberfläche bildet, wieder weniger wird, die Hitze herunterschalten. Auf kleinem Feuer die Hühnchen leise eine gute Stunde simmern lassen. Servieren: Die Hühnchen herausheben. Mit einem großen Messer oder mit der Geflügelschere längs halbieren. Eventuell auch noch jede Hälfte schräg in zwei Stücke schneiden. Der Reis aus dem Inneren, jetzt schön aufgequollen und duftend, ist die Beilage. Außerdem das Gemüse aus dem Sud dazu reichen. Den durch ein Sieb gefilterten Sud in einer Suppentasse getrennt servieren. Beilage: frisches Baguette. Getränk: einen anständigen Rotspon, wie er in den Hansestädten schicklich wäre (also einen Bordeaux), oder einen herzhaften, üppigen Weißwein – zum Beispiel ein Chardonnay oder eine Riesling Spätlese von der Nahe. Marzipan-Apfel im Schlafrock Von Martina Meuth und Bernd Neuner-Duttenhofer Die Spezialität der Hansestadt Lübeck ist das feine Marzipan – es ist die ideale Zutat für unser Dessert. Zutaten für vier Personen: 4 gleich große Äpfel 1 Zitrone 1 Paket TK-Blätterteig (quadratische Platten mit Butter) 100 g Marzipan etwas Butter 3 EL Orangenmarmelade 1 Eigelb 1/8 l Milch Die Äpfel schälen, das Kerngehäuse herausstechen. Schnittflächen mit Zitronensaft einpinseln, damit sie schön hell bleiben. Zuerst ein Stück Marzipan in die Apfelmitte stopfen, sodass die Öffnung unten verschließt. Darauf ein Stückchen Butter setzen, einen Löffel Orangenmarmelade geben und mit Marzipan abschließen. Die Blätterteigplatten auftauen lassen. Jede Platte mit dem bemehlten Nudelholz ein bisschen dünner walzen, gerade so viel, dass ein Apfel damit bequem eingehüllt werden kann. Den Apfel jeweils in die Mitte setzen, die Teigecken hochnehmen und über dem Apfel locker übereinanderlegen und gut festdrücken. Auf ein mit Backpapier belegtes Blech setzen und mit Eigelb, das mit Milch glatt gequirlt ist, einpinseln. Bei 180 Grad Celsius (Heißluft; 200 Grad Celsius Ober- und Unterhitze) etwa 35 bis 40 Minuten goldbraun backen. Beilage: Mit einem dicken Klecks halbsteif geschlagener, ungezuckerter Sahne oder säuerlicher Crème fraîche anrichten. Noch warm servieren. Getränk: ein trockener deutscher Winzersekt, vorzugsweise aus Weiß- oder Spätburgunder gekeltert. Ananas-Bowle Von Martina Meuth und Bernd Neuner-Duttenhofer Man liebte Exotisches in den Hansestädten. Und die Bowle war für gesellschaftliche Anlässe ein begehrtes Getränk – so zum Beispiel die Bremer Ananas-Bowle: Sie ist wunderbar erfrischend und aromatisch, vor allem, wenn man kleine, duftende Babyananas dafür verwendet. Zutaten für vier Personen: 1 duftende, also reife Babyananas 4-5 EL Kokoslikör 1 Flasche erstklassiger Sekt einige Minzeblätter Eiswürfel Die Ananas so schälen, dass die sogenannten schwarz bewimperten Augen entfernt werden. Das geht am besten folgendermaßen: Zunächst das Wurzelende kappen, die Frucht auf diese Schnittfläche stellen, am Schopf fassen und mit einem großen Messer rundum die Schale so dünn wie möglich abschneiden. Dann in einer schrägen Linie die schwarz bewimperten Augen keilförmig herausschneiden. Danach die Frucht vierteln, den harten, oft holzigen Kern herausschneiden. Die Ananasviertel in Würfel oder Stückchen schneiden, in einer Schüssel mit Kokoslikör tränken und zugedeckt zwei Stunden im Kühlschrank marinieren. Eiswürfel in die Schüssel füllen und dann immer zwei Löffel marinierte Ananas und Eis in Sektschalen verteilen. Endlich mal die richtige Gelegenheit, diese für trockenen Sekt oder Champagner sonst ungeeigneten Gläser einzusetzen, weil sie das Parfum und die Süße der Bowle am schönsten zur Geltung bringen. Mit einem guten trockenen Rieslingsekt auffüllen. Jetzt erst jeweils ein bis zwei zerriebene Minzeblätter pro Glas dazugeben – nicht mehr, sonst schmeckt die Minze zu sehr hervor.
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