Einstein lässt grüßen P räsident Erdoğan will aus seinem Land eine streng islamische Selbstherrschaft machen. Um das durchzusetzen, lässt er bekanntlich Zeitungen schließen, Andersdenkende verhaften, die Armee „säubern“, entließ Tausende Lehrer, Staatsanwälte sowie Richter und führte per Gesetz das Kopftuch wieder ein. Seine Partei hat soeben 18 Verfassungsartikel geändert, und im April gibt es eine Volksabstimmung über ein neues Grundgesetz, das das Ende der modernen Türkei besiegeln wird. Dann besteht eine islamistische Autokratie vor Europas offenen Scheunentoren. Die „Wieder-Islamisierung“ eines der wichtigsten NATO-Staaten wird von einer aberwitzigen staatlichen Umerziehungskampagne begleitet: Geradezu legendär ist die Forderung von Bülent Arinc (dem ehemaligen Parlamentspräsidenten und Erdoğan-Vize), dass „Frauen in der Öffentlichkeit nicht mehr laut lachen sollen“. Oder die ulkige These von Ahmet Davutoğlu (bis vor kurzem türkischer Premierminister), wonach „die Selbstmordrate in Europa so hoch ist, weil dort Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau herrscht“. Und Präsident Erdoğan 16 K R O N E BUNT Illustration: Kamensky Neuigkeiten vom künftigen EU-Mitglied Türkei: Aus allen türkischen Schulbüchern soll die bahnbrechende Evolutionstheorie von Charles Darwin verbannt werden. Der epochale Naturwissenschafter darf nicht einmal mehr zitiert werden. Dies, um die Schüler zu „guten Muslimen“ zu erziehen. höchstpersönlich erklärte seinen Landsleuten in einer Fernsehansprache, „nicht Christoph Kolumbus, sondern Muslime hätten Amerika entdeckt“. Es sei ein muslimischer Ur-Kontinent. Der neueste Streich der regierenden „Partei für Gerechtigkeit und Fortschritt“ ist, die Evolutionstheorie von Charles Darwin aus türkischen Schulbüchern zu verbannen. Kurz gesagt: Für den türkischen Bildungsminister Ismet Yilmaz hat es die Evolution nie gegeben! Darwins Lehre sei „veraltet und verfault“. Der Mensch hat sich für Yilmaz nicht über Jahrtausende vom Affen zum heutigen Homo sapiens entwickelt. Für ihn stammt ein Pudel auch nicht vom Wolf ab, sondern alle Menschen und Tiere seien – ganz genau so, wie sie heute sind – von Allah in einem Akt erschaffen worden. Das ist naturwissenschaftlich natürlich völliger Unsinn. Aber die bizarre Wissenschaftsfeindlichkeit streng islamistischer Staaten ist nicht neu. Seit dem 15. Jahrhundert sabotierten islamische Gelehrte die Einführung der Druckerpresse – jener Maschine, die in Europa das epochale Zeitalter der bis heute dauernden Neuzeit eingeleitet hat. Der Grund? Neben dem Koran durfte kein anderes Buch gedruckt werden. Erst mit 300-jähriger Verspätung konnte die erste Druckerei gegründet werden. Die islamistisch-arabischen Staaten geben nur 0,2% ihres Bruttosozialprodukts für Bildung und Forschung aus. Der Anteil der Bücher, die in der arabischen Welt gedruckt werden, liegt bei bloß 0,8% der Weltproduktion. Fast noch bestürzender als die Entwicklung in der Türkei ist die Reaktion der außenpolitischen Spaziergänger in Brüssel: Sie sehen in all dem nichts Beunruhigendes oder gar Gefährliches und führen mit Ankara munter EU-Beitrittsgespräche – als ob nichts wäre. Da fällt einem nur noch der Satz des Physikgenies Albert Einstein ein, den man in allen Schulbüchern der EU und Türkei drucken sollte: „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“
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