Großer Senat zeigt dem Sanierungserlass die rote Karte

Großer Senat zeigt dem Sanierungserlass die rote
Karte
[09.02.2017]
Von: Benjamin Rapp und Patrick Fischer
Unter den Voraussetzungen des sogenannten Sanierungserlasses war es bislang möglich,
dass Unternehmenssanierungen weitgehend steuerbegünstigt vorgenommen werden
konnten. Der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat jedoch nun mit aktuellem
Beschluss vom 08.02.2017 dem Sanierungserlass eine Absage erteilt.
Hintergrund
Werden einem Unternehmen Schulden ganz oder teilweise erlassen, so erhöht sich das
Betriebsvermögen und es entsteht zunächst ein steuerbarer Gewinn. Bis zum Veranlagungszeitraum 1997 waren Gewinne, die durch einen Schuldenerlass im Rahmen einer
Unternehmenssanierung entstanden (sogenannte Sanierungsgewinne), nach § 3 Nr. 66
EStG a. F. steuerfrei. Voraussetzung hierfür war die Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens, der volle oder teilweise Erlass seiner Schulden, die insoweit bestehende Sanierungsabsicht der Gläubiger sowie die Sanierungseignung des Schuldenerlasses.
Auf die Aufhebung der Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne nach § 3 Nr. 66 EStG hat
das Bundesministerium der Finanzen (BMF) seinerzeit mit dem sogenannten Sanierungserlass reagiert, der gegenüber den nachgeordneten Dienststellen eine entsprechende
Bindungswirkung entfaltet, auf welche sich der Steuerpflichtige grundsätzlich berufen
kann. Hierin hat das BMF im Wege einer Verwaltungsanweisung geregelt, dass Ertragsteuern auf Sanierungsgewinne unter ähnlichen Voraussetzungen wie unter der früheren
Rechtslage im Wege der Billigkeit erlassen werden können. Demnach ging die Verwaltung insbesondere bei Vorlage eines Sanierungsplanes davon aus, dass die Voraussetzungen für einen Erlass aus Billigkeitsgründen gegeben waren.
Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
Aufgrund divergierender Entscheidungen wurde dem Großen Senat des BFH schließlich
die Frage vorgelegt, ob der Sanierungserlass mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der
Verwaltung vereinbar ist. Dabei haben die Richter zunächst festgestellt, dass sich der
Gesetzgeber mit der Abschaffung der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 66 EStG ausdrücklich
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für die Besteuerung von Sanierungsgewinnen entschieden habe. Der Sanierungserlass
konterkariere insoweit diese gesetzgeberische Entscheidung, indem er die Besteuerung
von Sanierungsgewinnen – unter den im Sanierungserlass geregelten Voraussetzungen –
allgemein als sachlich unbillig erklärt und mithin de facto aus der Besteuerung ausnimmt. Dadurch nehme die Verwaltung im Ergebnis eine strukturelle Gesetzeskorrektur
vor und verstößt hierdurch gegen den verfassungsrechtlich verankerten (Art. 20 Abs. 3
GG) sowie verfahrensrechtlich (§ 85 S. 1 AO) normierten Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.
Ausblick: Künftig höhere Hürden für den Steuerpflichtigen
Den Ausführungen des BFH zufolge stört sich das oberste deutsche Steuergericht per se
nicht an der Möglichkeit, auf Basis einer Ermessensentscheidung im Einzelfall die Unternehmenssanierung steuerlich zu begünstigen. Der Stein des Anstoßes scheint vielmehr
darin begründet, dass die eigentlichen Voraussetzungen für eine Steuerbegünstigung im
Rahmen eines Verwaltungsschreibens geregelt wurden. Entsprechend sollte auch in Zukunft – vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung – eine Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne im Billigkeitswege möglich sein. Allerdings kann sich der Steuerpflichtige formal
künftig nicht mehr auf den Sanierungserlass sowie die damit einhergehende Selbstbindung der Verwaltung berufen.
Für die Praxis ist zu hoffen, dass sich die jeweils zuständigen Finanzbehörden bei der
Prüfung des Einzelfalls zumindest auch weiterhin an den – bisher schon umstrittenen –
Voraussetzungen des Sanierungserlasses orientieren und zum Vorteil des Steuerpflichtigen entscheiden. Endgültige Planungssicherheit kann jedoch nur der Gesetzgeber schaffen, der hier zeitnah für Abhilfe sorgen muss.
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