Seite 3 - Nordsee

BILDUNG
Donnerstag, 19. Februar 2015
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Mit dem
Praktikum zum
Traumjob?
Ärger um
ausgefallene
Stunden
BURGWEDEL. Raum für Späße bietet die Planung des ersten Praktikums genug: Jungen scherzen mit
einer Bewerbung beim Porschehändler, Mädchen schwärmen
von zwei Schminkwochen bei der
Kosmetikerin. „Solche Praktika
machen sicher Laune, bringen
aber bei der Berufswahlfrage
nicht wirklich weiter“, sagt Karin
Weyler, Berufs-Coach aus Burgwedel. Weyler berät Jugendliche
bei der Frage, wie sie für ihre berufliche Zukunft frühzeitig die
richtigen Weichen stellen können. Mit einem Praktikum sammeln Jugendliche erste Eindrücke
von der Berufswelt – und können
eigene Vorstellungen überprüfen:
„Viele Jugendliche haben von ihrem vermeintlichen Traumjob Bilder im Kopf, die nicht immer der
Realität entsprechen“, sagt Beate
Jacobsen vom Bildungsbüro im
Landkreis Ludwigsburg.
BERLIN. Der Vorsitzende des
Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, hat
die Kultus- und Bildungsministerien der Länder in der Debatte
über Unterrichtsausfall zu mehr
Ehrlichkeit aufgerufen. Es gehe
nicht an, nur die beispielsweise
durch kurzfristige Erkrankung
eines Lehrers ersatzlos ausgefallenen Stunden in die Statistik
aufzunehmen, sagte er in Berlin.
Zur Abhilfe verlangte der Leiter
eines Gymnasiums im bayerischen Deggendorf „mobile und
integrierte Reserven“ von Lehrern, um Stundenausfall abfedern zu können.
„Die Ministerien wollen nur
wissen: Wie oft wurden die Kinder heimgeschickt, wann war
gar kein Lehrer in der Klasse?“,
kritisierte Meidinger. „Als Elternteil interessiert mich aber
doch auch, ob eine Mathematikstunde gar nicht wirklich erteilt wurde, weil ein Kunstlehrer
als Ersatz vor der Klasse stand,
ob also gar kein Fachunterricht
stattfand.“ Bei Schulstunden,
die nicht fachgemäß gegeben
wurden, werde Unterrichtsausfall „tausendfach“ verdeckt.
Echte Bedingungen prüfen
In einem Praktikum können
Schüler unter echten Bedingungen sehen, was der Beruf erfordere. Und zwar im Positiven wie
auch im Negativen: Manche
Schüler merkten schon im ersten
Praktikum, dass ihr vermeintlicher Traumjob eigentlich doch
nicht ihr Ding ist, andere sind
hellauf begeistert und bestärkt in
ihrer Idee. „Deshalb ist es sehr
wichtig, sich im Vorfeld gut zu
überlegen, welcher Betrieb für die
Praktikumswahl überhaupt sinnvoll ist“, sagt Weyler. Doch was
tun, wenn man noch gar nicht
weiß, was man werden will und
machen möchte? Daniela Wölfert
rät Schülern, sich inspirieren zu
lassen: „Fragt bei Freunden und
euren Eltern, welches Praktikum
sie sich für euch vorstellen können“, sagt die Verantwortliche für
die Berufsorientierung an der niedersächsischen
Grundund
Oberschule in Neuenkirchen.
Hilfreich kann auch ein Besuch
bei der Berufsberatung oder ein
Blick in die regionalen Gelben
Seiten sein. Welche Betriebe und
Arbeitgeber gibt es in der erreichbaren Nähe? Was spricht einen
davon an? Grundlage für die
Auswahl sind die eigenen Interessen und Fähigkeiten: Was kann
ich gut? Was macht mir Spaß?
Wo sehe ich mich?
Internetportal entwickelt
Beate Jacobsen hat für die Berufsorientierung das Internetportal
„Wegweiser Beruf“ entwickelt:
„Wir haben dort ganz viele Informationen und Videos zu einzelnen Berufen gebündelt und verlinkt, so dass Jugendliche sich einen Überblick verschaffen können.“ Denn: Unter vielen Berufsbezeichnungen können sich Mädchen und Jungen gar nichts vorstellen. Was ist ein Stuckateur?
Was leistet eine Chemielaborantin? Was macht ein Medientechnologe? Berufe kennenlernen
und erste Kontakte zu Arbeitgebern knüpfen, können Schüler
auch auf Gewerbeschauen oder
bei Tagen der offenen Tür, wie sie
viele Betriebe regelmäßig anbieten.
Zu wissen, warum sich das
Pauken und Büffeln lohnt, auch
das zeige das Praktikum häufig:
„Arbeitgeber oder Angestellte
können viel genauer erklären,
warum es wichtig ist, in bestimmten Fächern gute Noten zu haben
– auch im Hinblick auf eine Bewerbung“, erklärt Jacobsen. Um
den Wunsch-Praktikumsplatz zu
bekommen, empfehlen alle Experten, sich möglichst frühzeitig
zu kümmern. „In der Regel sind
die Praktikatermine schon ein
Jahr im Voraus bekannt“, sagt
Wölfert. Dann gelte es, sich mit
einer Bewerbungsmappe vorzustellen, am besten persönlich.
Mit anderen Augen sehen
Ein positiver Nebeneffekt des
Praktikums ist, dass viele Schüler
die Schule danach mit anderen
Augen sehen: „Wir erleben oft,
dass besonders bei Schülern, die
in der Schule nicht die besten
Noten haben und deshalb gefrustet sind“, sagt Jacobsen. „Das
Praktikum kann richtig motivieren, auch in der Schule noch mal
mehr Einsatz zu zeigen.“ (dpa)
Keine Steuererklärung, dafür Gedichtanalyse in vier Sprachen: Twitter-Nutzerin Naina sorgte für Wirbel in der Bildungslandschaft.
Foto Twitter
Streit um die Lehrinhalte
Zwischen Emilia Galotti und Kants Moralphilosophie: Muss Schule für späteres Arbeitsleben qualifizieren?
VON ALICIA LOHMANN
BREMERHAVEN. „Ich bin fast 18 und
hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich
kann ´ne Gedichtanalyse schreiben. In
vier Sprachen.“ Diesen Spruch twitterte eine 17-jährige Schülerin vor
einigen Wochen und stieß auf massenhafte Zustimmung.
Doch was ist eigentlich los mit
unseren Lehrplänen? Nach Befragung einiger Oberstufenlehrer
kamen vielfältige Antworten zu
der Frage, ob Lehrpläne sinnvoll
und zu befürworten seien. Einige
Lehrer plädierten für das Stoffangebot, das lediglich öfter überarbeitet werden sollte, um mit der
Zeit zu gehen. Man könnte
schließlich auch in großen Teilen
selbst entscheiden, denn es seien
nur Vorschläge.
Jedoch müssen einige Bücher
beispielsweise im Deutschunterricht behandelt werden, um den
Schülern im Abitur ein Grundwissen anzueignen. So wird
„Emilia Galotti“ von Lessing zum
Albtraum sämtlicher Schüler.
Aber was wäre denn eine bessere
Alternative?
Hier gehen die Meinungen auseinander. Den Wunsch „Harry
Potter“ im Unterricht zu behandeln können sicher nur wenige
teilen, einen intellektuellen Anspruch sollte es schon haben. Eine andere Lehrerin weist auf das
Mitspracherecht hin: „In Bremen
können wir im Fach Politik die
Lehrpläne mitgestalten und auf
Unstimmigkeiten
hinweisen.“
Freigeister an Lehrern hingegen
fühlen sich gezwungen, Thematiken zu lehren, die auf keinen großen Anklang stoßen. Da stellt
sich die Frage, wie das eigentlich
ist, diese Materie zu lehren, hinter der man selbst nicht steht.
Zurück in die 50er-Jahre
Man fühle sich zurückgeworfen
in die 50er-Jahre. All diese Strapazen führen durch die Massen
an Lernstoff dazu, dass nicht nur
Schüler überfordert sind. Eigene
Interessen bleiben nicht selten
auf der Spur, doch birgt beispielsweise Kants Moralphilosophie
auch Anregung, um sich in andere Bereiche einzulesen. Doch sei
der Nutzen der Schule nicht da-
rin, Alltagswissen zu vermitteln,
vielmehr übernehme sie die Aufgabe, die Schüler für ein späteres
Arbeitsleben zu qualifizieren. Sie
verfolgt nicht nur eine pädagogische Aufgabe, auch eine integrative und soziale. So bleibt die Hoffnung, dass die Elternhäuser selbst
nicht in Unwissenheit leben, sondern ihren Kindern einen unterstützten Start in die Selbstständigkeit ermöglichen.
Das ist Twitter
Twitter ist ein eine digitale Echtzeitanwendung, die bekannten Sozialen
Netzwerken ähnelt. Kommuniziert
wird über Gezwitscher, die sogenannten Tweets. Getwittert wird
weltweit.
Schüler sind gefragt wie nie
Leistungen unbenotet
Zahlreiche Schulleistungstests stehen 2015 auf der Tagesordnung
BERLIN. Das Jahr 2015 beschert
den deutschen Schulen einen
wahren Test-Marathon: Im Mai
kommt der neue internationale
PISA-Test für die 15-Jährigen mit
dem Schwerpunkt Naturwissenschaften. Zeitgleich werden für
einen erneuten großen LänderLeistungsvergleich die Deutschund Englischkenntnisse von über
40000 Neuntklässlern untersucht.
Schon im Februar gibt es für
die achten Klassen flächendeckende
VERA-Vergleichsarbeiten. Die Drittklässler aus der
Grundschule müssen im April ih-
FRAGE DES TAGES
re Kenntnisse im Rechnen, Lesen
und Sprachvermögen unter Beweis stellen.
Der internationale PISA-Test
wird seit 2000 alle drei Jahre von
der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris veranstaltet. Das unerwartet miserable
deutsche Abschneiden beim ersten Test hatte in der Öffentlichkeit zum „PISA-Schock“ geführt
und eine stürmische, bis heute
anhaltende Schuldebatte ausgelöst. Bei PISA 2015 werden die
15-Jährigen erstmals einen Teil
der Aufgaben gemeinsam am PC
lösen müssen – um ihre „Teamkompetenz“ unter Beweis zu stellen, erläutert OECD-Bildungsexperte Andreas Schleicher. Nur etwa 8 der weltweit 76 teilnehmenden Staaten seien technisch noch
nicht soweit, um bei diesem computergestützten Leistungstest mitzumachen. Grundlage für die innerdeutschen Tests sind die bundesweit einheitlichen Bildungsstandards, die beschreiben, was
ein Schüler am Ende einer bestimmten Jahrgangsstufe in einem
Fach beherrschen muss. (dpa)
Eine Million Ausfälle
Der Verbandsvorsitzende bekräftigte die Einschätzung, dass
in Deutschland pro Woche
knapp eine Million Schulstunden ausfallen – etwas weniger als
bei einer Erhebung vor zwei Jahren, aber immer noch gut 8 Prozent des Unterrichts. Eine aktuelle Umfrage ergab, dass die Ministerien – falls sie zu dem Thema aktuelle Zahlen bereitstellen
– von 2 bis 3 Prozent ersatzlosem Unterrichtsausfall ausgehen,
die Angaben aus Thüringen und
Sachsen lagen etwas darüber.
Meidinger räumte ein, dass die
Zahlen des Philologenverbandes
auf fundierten Schätzungen beruhen, „die aber erheblich näher
an der Realität sind als jede Statistik eines Ministeriums“. Ernsthafte Bemühungen, Ausfälle zu
minimieren, bescheinigte Meidinger Hessen und Bayern – mithilfe sinnvoller Unterrichtsreserve-Regelungen.
Wer weiß was? Das Jahr 2015
wird für die Schüler ein Jahr der
Tests.
Foto Kahnert
In Brandenburg waren kürzlich
für Kinder an rund 20 Schulen
Fächer wie Religion, Physik
oder Biologie unbenotet geblieben – wegen des hohen Unterrichtsausfalls. In Berlin ist ebenfalls eine Debatte über ausgefallene und ohne echten Unterricht vertretene Schulstunden
im Gange. Auch dort ärgern
sich Eltern und Verbände über
angeblich schöngerechnete Statistiken. Mitglieder der Philologenverbände sind Lehrer an
Gymnasien,
Gesamtschulen,
Hochschulen sowie an anderen
Bildungseinrichtungen, die auf
das Abitur vorbereiten. (dpa)
Was haltet ihr von den Lehrplänen?
„Vorgaben
„Kaum
schränken ein“ anwendbar“
„Schlecht
durchdacht“
„Interessiert
mich nicht“
„Finde ich
super“
Der 18-jährige Felix Steimke aus
dem Landkreis sieht Lehrpläne generell
als praktisch an, jedoch schränken sie
auch die Lehrer in ihren Plänen ein. Seine Sorge ist, dass die Lehrer uns Lehrinhalte nahe bringen, die uns nichts nützen und ihnen selbst nicht zusagen.
Dies würde dann auch uns Schülern
schaden.
Philip Frischkorn aus Bremerhaven
(17) findet die Lehrpläne schlecht
durchdacht. Die Themen seien schlecht
gewählt und nicht das, was man Schülern eigentlich beibringen sollte.
Dominik Krömer (18, Langen) sieht
seine Interessen überhaupt nicht vertreten. Viel lieber würde er sich Themen
widmen, die ihm zusagen und denen er
mehr abgewinnen kann. Generell sei
ein Lehrplan aber keine schlechte Idee.
Die 19-jährige Laura Küsel aus Bramstedt ist der Meinung, dass die Lehrpläne sehr hilfreich in der Orientierung für
Lehrer und sicher auch für neue Referendare sind, die darin Leitlinien finden
können. Auch als Schüler kann man
sich durch Lehrpläne über die anstehenden Unterrichtsthemen informieren.
Jan Löschmann (18, Bremerhaven)
hat die Sorge, dass die erlernten Inhalte
ihm in seinem späteren Leben nicht
nützlich sind. Besonders in Mathe fällt
es ihm schwer, den Nutzen für das spätere Leben zu erkennen. Man könne
sich mehr an den Zukunftsaussichten
der Schülerschaft orientieren und somit
eine bessere Vorbereitung garantieren.
Die Themen seien teilweise sehr weit
hergeholt.