Zusammenfassung 22. Stunde

PD Dr. Falk Mylich
Methodenkurs zur VL Gesellschaftsrecht (WS 2016/2017)
Stunde 22: Kapitalaufbringung – Teil I (Allgemeine Regeln)
Bareinlage:
Nicht explizit in § 5 GmbHG und § 27 AktG geregelt, aber gilt als normale Form.
Wichtig: Muss zur freien Verfügung (§§ 36 Abs. 1, Abs. 2, 37 Abs. 1 Satz 2 AktG bzw.
§§ 8 Abs. 2 Satz 1, 7 Abs. 2 GmbHG) der Geschäftsleitung geleistet werden.
Verwendungsabreden, die nicht zu einem (mittelbaren) Rückfluss an den
Gesellschafter führen, sind in Ordnung; direkte Leistung an einen Gläubiger der
Gesellschaft hingegen nicht. Ebenso wenig wird die sofortige Weiterleitung der
Einlage in die GmbH an die KG in der GmbH & Co KG akzeptiert. Hingegen sind
schuldrechtliche Verwendungsabsprachen über das Geld zulässig; Bsp.:
Gesellschafterversammlung weist Geschäftsführer an, aus den eingezahlten Beträgen
vorrangig einen bestimmten Gläubiger zu befriedigen. Gleichwohl müssen auch in
dieser Situation andere Gläubiger zumindest irgendeine praktische Möglichkeit
haben, auf das Geld zuzugreifen.
Agio
Als Agio wird das Aufgeld bezeichnet. Bei einer Kapitalaufbringung bzw.
Kapitalerhöhung wird nicht immer nur der zur Deckung der Stammeinlage
erforderliche Betrag aufgebracht, sondern auch ein Betrag, der darüber hinausgeht
(siehe § 9 Abs. 2 AktG; Beispiel unter „Differenzhaftung“).
Beispiel: Die A-AG mit den Aktionären X, Y, Z hat ein Grundkapital von 800.000 €
und einen Marktwert von etwa 5.000.000 €. Nun soll Q aufgenommen werden, der
eine Immobilie einbringen soll, die mit 1.250.000 € bewertet worden ist. Die
Gestaltung sieht wie folgt aus: 5.000.000 € und 1.250.000 € ergeben 6.250.000 €. Davon
sind 1.250.000 € 20%. Folglich muss das Grundkapital so erhöht werden, dass Q in
Zukunft 20% hat. Das Grundkapital wird folglich um 200.000 € auf 1.000.000 €
erhöht. Die Immobilie hat aber einen Wert von 1.250.000 €. Die Differenz von
1.050.000 € bildet das Agio und wird in der Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1
HGB verbucht.
Wir unterscheiden zwischen korporativem und schuldrechtlichem Agio. Trotz der
hohen Praxisrelevanz sind viele (fast alle) Fragen ungeklärt; Rechtsprechung existiert
wenig. Das korporative Agio wird im Kapitalerhöhungsbeschluss festgesetzt und
gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB verbucht. Es trifft den Inferenten und einen möglichen
Erwerber als Anteilsinhaber. Zu einem möglichen Vergleich und zur (dafür
ausgeschlossenen) Ausfallhaftung der Mitgesellschafter in der GmbH siehe unter
„Differenzhaftung“. Die Verbuchung führt bei der AG dazu, dass diese Rücklagen
nicht zur Gewinnausschüttung zur Verfügung stehen (§ 150 Abs. 3, Abs. 4 AktG); für
die GmbH sind auch diese Rücklagen zur Ausschüttung geeignet. Man kann auch
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schuldvertraglich ein Agio vereinbaren. In welchem Rahmen das zulässig ist, ist
ungeklärt. Dann wird es als (auch für die AG) freie Rücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4
HGB verbucht. Weil es nicht mitgliedschaftlich, sondern schuldrechtlich angelegt ist,
trifft die Aufbringungspflicht nur den schuldrechtlich verpflichteten Gesellschafter.
PROBLEM Voreinzahlung
BGHZ 168, 201; aber auch BGHZ 158, 283 und BGHZ 145, 150
Vor dem satzungsändernden Gesellschafterbeschluss zur Erhöhung des
Stammkapitals ist bereits eine Gesellschafterleistung in das Kapital geschehen. Kann
diese Leistung als Einlageleistung gelten?
Grundsatz: Kapitalerhöhungsbeschluss ist die Zäsur; Leistungen aus der Zeit davor
an die Gesellschaft sind Forderungen gem. § 488 BGB oder § 812 BGB und können
nur im Wege der Sacheinlage eingebracht werden.
Ausnahme 1: Der Betrag ist noch unangetastet zum Zeitpunkt der Anmeldung
vorhanden. (Es muss nicht bis zur Eintragung gewartet werden, weil es eine
Vorbelastungshaftung bei der Kapitalerhöhung nicht gibt.)
Ausnahme 2: (BGHZ 168, 201) Verbrauchte Voreinzahlung kann dann als
Einlageleitung gelten, wenn folgende Merkmale erfüllt sind: (1) Zahlung mit
Sanierungswillen; (2) Gesellschaft war objektiv sanierungsfähig; (3) Die Zahlung war
auch zur Sanierung geeignet [d.h. kein Kleinbetrag nur zur Befriedigung eines
Gläubigers]; (4) Leistung muss für Dritte erkennbar mit dem Tilgungszweck der
Kapitalerhöhung verbunden sein; (5) enger zeitlicher Zusammenhang zwischen
Einzahlung und Kapitalerhöhungsbeschluss; (6) Offenlegung gegenüber dem
Registergericht bei Anmeldung der Kapitalerhöhung; (7) im Ergebnis durfte kein
anderer Weg möglich gewesen sein.
Der Grundsatz der effektiven Kapitalaufbringung
Der Grundsatz der effektiven Kapitalaufbringung besagt, dass aus Gründen des
Gläubigerschutzes der Gesellschaft das Kapital tatsächlich, d.h. effektiv zur
Verfügung gestellt werden muss. § 19 Abs. 2 GmbHG und § 66 Abs. 1 AktG zählen
auf: Es darf nicht befreit werden und es darf nicht aufgerechnet werden. § 19 Abs. 2
S. 3 AktG zählt noch die Unzulässigkeit anderweitiger Einreden auf – das gilt dem
Gedanken nach auch im Aktienrecht. In der Entscheidung BGHZ 191, 364 („Babcock
Borsig“) hat sich der BGH zur Möglichkeit eines Vergleichs geäußert. Da die
Sachlage nur bei Sacheinlagen unklar sein kann, wird das Problem auch in der
Übersicht zur Stunde 23 bei der Differenzhaftung behandelt. Die Gesellschaft darf
ihre Einlageansprüche abtreten, wenn sie effektiv den Einlagebetrag erhält – eine
Abtretung unter Wert ist nicht zulässig.
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Das Aufrechnungsverbot gilt strikt zu Lasten des Gesellschafters. Das
Aufrechnungsverbot gilt zwar auch zu Lasten der Gesellschaft, doch ist zugunsten
der Gesellschaft eine Ausnahme anerkannt: Die Gesellschaft kann aufrechnen,
wenn (1) Der Anspruch des Gesellschafters vollwertig ist (d.h. bei einer Liquidation
der Gesellschaft voll befriedigt würde; (2) Der Anspruch des Gesellschafters fällig ist
(bei fehlender Fälligkeit hat der Gesellschafter noch gar kein durchsetzbares
Gegenrecht); (3) Die Gesellschaft alle fälligen Ansprüche derzeit befriedigen kann
(d.h. die liquiden Mittel reichen zur Befriedigung aller gegenwärtig fälligen
Forderungen gegen die Gesellschaft).