Erna de Vries

NDR 2 Moment mal
Montag bis Freitag 18:15 Uhr, Samstag und Sonntag 9:15 Uhr
Eva Schumacher, Hochschulseelsorgerin in Lingen
Mittwoch, 1. Februar 2017
Als Erna de Vries 19 Jahre alt ist, kauert sie nachts auf dem Boden des Todesblocks
in Auschwitz. Am nächsten Morgen soll sie ermordet werden. Sie betet: Lieber Gott,
ich möchte leben, aber wie Du willst. Und sie hat einen letzten Wunsch: einmal noch
die Sonne sehen.
Erna de Vries wird in letzter Sekunde gerettet und überlebt. Sie erzählt ihre
Geschichte, so oft sie darum gebeten wird, und so lange sie noch kann. Und wie sie
erzählt. Obwohl der Hörsaal der Hochschule in Lingen aus allen Nähten platzt, ist es
mucksmäuschenstill. Es ist wohl die Autorität der Leidenden, von der der Theologe
Johann Baptist Metz spricht, die in diesem Moment spürbar wird. Alle hören der
liebenswerten kleinen alten Dame gebannt zu. Rachegedanken hatte sie nie, und
den jungen Menschen möchte sie als Rat mitgeben, nie die Mitmenschlichkeit zu
vergessen und den Anderen stets zu achten. Ich glaube, viele verstanden an dem
Abend, dass man die Geschichte, besonders die schreckliche, kennen muss, um als
mündiger Teil der Gesellschaft Zukunft gestalten zu können.
Heute Abend wird Frau de Vries mit ihren 93 Jahren wieder vor Firmlingen sprechen:
um 19:30 Uhr in Lingen-Bramsche im Pfarrzentrum St. Gertrudis. Sie tut es auch,
weil ihre Mutter beim endgültigen Abschied auf der Lagerstraße in Auschwitz zu ihr
sagte: Du wirst überleben und erzählen, was man mit uns gemacht hat.
Katholisches Rundfunkreferat – www.ndr.de/kirche