MITTWOCH, 1. FEBRUAR 2017 KUNDENSERVICE 0 8 0 0 / 9 3 5 8 5 3 7 D 2,50 EURO B ** Zippert zappt Z KOMMENTAR M Angriff auf dden Euro artin Schulz hat seiner Partei neue Hoffnung gegeben. Aktuelle Umfragen sehen die SPD bei 23 Prozent, und das ist noch nicht der Spitzenwert. Experten trauen Schulz zu, dass er die SPD auf 24,2 Prozent führen kann, aber das wird ein harter Kampf. Schon heute ist Schulz der beliebteste sozialdemokratische Kanzlerkandidat des Jahres. Die werktätigen Massen jubeln ihm zu, wenn sie Zeit dafür finden, und die werkuntätigen Massen sind ebenfalls begeistert von dem Mann, der Martin Schulz heißt. Schulz ist ein charismatischer Arbeiterführer, der es aber auch versteht, die Sorgen und Nöte der Kapitalisten und Ausbeuter ernst zu nehmen. Schulz will sich erst mal draußen im Lande umhören, wie die Leute ihn so finden und ob sie schon mitbekommen haben, dass er der nächste Bundeskanzler werden möchte. Anne Will hat er es am Sonntag erzählt, und die fand das gar nicht so abwegig, aber die hat in ihrer Show schon die wahnsinnigsten Sachen gehört. Die SPD glaubt an den Neuen und startet ins Wahljahr unter dem Motto: „Uns ist alles schulzegal.“ THEMEN PANORAMA Wenn das Kleid für die Braut zum Gefängnis wird Seite 23 IMMOBILIEN Modernes Arbeiten: Unten die Büros, oben der Minigolfplatz Stickstoffdioxid verpestet die Städte Seite 20 FEUILLETON Sind die Migos die beste Band der Welt? OLAF GERSEMANN Let’s Talk About Sex V REUTERS/HANNIBAL HANSCHKE; GETTY IMAGES Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat Respekt für Schwule, Lesben oder Transsexuelle in der Bundeswehr verlangt. Es geschehe „immer noch zu häufig, dass Menschen mit einer anderen sexuellen Orientierung“ in der Truppe dies verleugnen müssten, sagte sie in Berlin. Angesichts des Skandals um Erniedrigungen in der Bundeswehr forderte sie einen offeneren Umgang mit Missständen. Seite 6 T Top-Berater von Trump nimmt sich Deutschland vor Bislang war China das größte Feindbild von Peter Navarro. Nun kritisiert der wirtschaftliche Einflüsterer des US-Präsidenten die Bundesregierung als „Ausbeuter“ der Europäischen Union N ach China und Mexiko nimmt sich die US-Regierung unter Donald Trump nun den nächsten Gegner vor: Deutschland. Die größte Volkswirtschaft der Euro-Zone nutze den Euro wie eine Art „implizite DMark“, kritisierte Trumps ökonomischer Chefberater Peter Navarro in einem Interview mit der „Financial Times“. W Währungsmanipulation zu betreiben. Bisher war vor allem China in dieser Hinsicht das erklärte Feindbild der Trump-Administration. Neu ist auch, dass sich die US-Regierung direkt in europäische Währungsffragen einmischt – und das ausgerechnet VON ANJA ETTEL Seite 17 WISSEN Nr. 27 Navarro, der den neugegründeten Nationalen Handelsrat leitet, sagte wörtlich, dass Deutschland den „deutlich unterbewerteten“ Euro nutze, um die USA und die eigenen EU-Partner „auszubeuten“. Bei den Verhandlungen über ein Handelsabkommen zwischen den USA und der EU sei Deutschland wegen seiner Ungleichgewichte im Handel mit anderen Ländern sogar das größte Hindernis gewesen. Es ist das erste Mal, dass Washington derart direkte Anschuldigungen an die Adresse der Bundesregierung richtet und Deutschland im Grunde vorwirft, gezielte Merkel verschärft ihre Kritik Kanzlerin Angela Merkel geht wegen der umstrittenen US-Einreisepolitik deutlich auf Distanz zu Präsident Donald Trump. „Ich habe meine Haltung noch einmal deutlich gemacht, dass der Kampf gegen Terrorismus so ein allgemeines Vorgehen gegen bestimmte Länder und Menschen mit einem bestimmten Glauben nicht rechtfertigt“, sagte sie nach einem Treffen mit Schwedens Regierungschef Stefan Löfven. Sie betonte: „Wir bemühen uns jetzt vor allen Dingen um Rechtsklarheit.“ in einer Zeit, in der sich Europa angesichts des Brexit ohnehin großen politischen Belastungen ausgesetzt sieht. Entsprechend deutlich wies Bundeskanzlerin Angela Merkel die US-Vorwürfe zurück. Deutschland habe immer dafür geworben, dass die Europäische Zentralbank (EZB) eine unabhängige Politik mache, genau wie die Bundesbank vor ihr. „Deshalb werden wir auf die Notenbank keinen Einffluss nehmen“, sagte Merkel nach einem Treffen mit der schwedischen Regierung in Stockholm. Auch die deutsche Industrie wehrte sich A gegen die Kritik. „Die jüngsten Einschätzungen der US-Regierung können wir nicht teilen“, sagte Anton Börner, Präsident des Groß- und Außenhandelsverbandes BGA, der „Welt“. „Wir sollten uns von Interventionen dieser Art in Europa nicht aauseinanderdividieren lassen.“ Börner machte aber auch deutlich, dass die Niedrigzinspolitik der EZB „mit Sicherheit nicht den finanzpolitischen Vorstellungen Deutschlands entspricht“. Deutschland sei ein starker Gegner dieser Politik. Tatsächlich gilt die ultralockere Geldpolitik als einer der wichtigsten Gründe für den Kursverfall des Euro. Kürzlich hatte die Bundesbank darauf hingewiesen, dass insbesondere die billionenschweren EZB-Anleihekäufe seit 2014 den Wert der Währung künstlich gedrückt haben. Für Trump, der dem USHandelsdefizit den Kampf angesagt hat, ist das im Zweifel eine willkommene Argumentationshilfe, um hart gegen Deutschland vorzugehen. Derzeit kaufen die Amerikaner rund 100 Milliarden Euro mehr Waren und Dienstleistungen in Europa ein, als sie selbst dort absetzen. Deutschland ist etwa die Hälfte des US-Handelsdefizits zuzurechnen. „Deutsche Produkte sind weltweit beliebt und werden gerne wegen ihrer Qualität gekauft. Kaufentscheidungen können nicht vorgeschrieben werden“, verteidigte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben das deutsche Erfolgsmodell Export. „Richtig ist aber auch, dass wir Investitionen in Deutschland steigern müssen. Das wäre gut für unseren Standort und würde auch die Importe erhöhen sowie den Handelsbilanzüberschuss reduzieren.“ Siehe Kommentar und Seite 13 or zwei Jahrzehnten formulierten die USA die „Politik des starken Dollar“: Es sei in Amerikas Interesse, den Außenwert des Greenback zu stabilisieren. Dieser Verzicht auf eine Weichwährungsstrategie war ein Ausweis von Selbst- und Verantwortungsbewusstsein. Die Regierung Trump bricht mit dieser Tradition, und das ist so bezeichnend wie alarmierend. Mehr noch, sie wirft Deutschland vor, es würde mithilfe eines „deutlich unterbewerteten“ Euro die Amerikaner und die Euro-Partner „ausbeuten“. Ein verqueres Verständnis von Marktwirtschaft scheint hier erneut durch: Internationaler Wettbewerb ist der US-Regierung ein Kampf, der nur zu gewinnen ist, wenn andere verlieren. Dass dabei Deutschland ins Visier gerät, macht die Sache noch schlimmer – und zu einer großen Herausforderung ffür die Bundesregierung. Wenn die eigene Währung gegenüber anderen hoch bewertet wird, ist das lästig, weil die Ausfuhrwirtschaft dann verstärktem Wettbewerb ausgesetzt ist. Manchen in Europa kann daher der Euro nicht schwach genug sein: den „Tauben“ in der EZB, den meisten Regierenden in Südeuropa und manchem deutschen Exporteur. In den USA gab es ebenfalls immer viele, die eine Abwertung des Dollar herbeisehnten. Aber hier wie dort fanden sich stets gewichtige Verfechter der ökonomischen Vernunft. Eine weiche Währung nämlich schwächt die Kaufkraft der Bürger. Und sie stimuliert Ausfuhren, ohne Ersatz für ein tragfähiges Geschäftsmodell zu sein. Gelingt es Washington, den Dollar herunterzureden, werden sich auch in Europa die Stimmen mehren, die ihrerseits den Euro schwächen wollen. Bis zu einem Abwertungswettlauf – ja einem Währungskrieg – ist es dann nicht mehr weit. Berlin täte gut daran, sich nicht auf die Weichwährungslogik einzulassen. Richtig ist zwar: Der Euro ist schwächer, als es die D-Mark (vermutlich) gewesen wäre – und das stützt die deutschen Exporte. Aber hinter der lockeren EZB-Politik (dem aktuellen Hauptgrund für den schwachen Euro) stecken weder Bundesbank noch Bundesregierung. Deutschland ist auch nicht Adressat dieser Politik. Die Vorwürfe aus Washington sind daher abwegig. Folgenlos sollten sie dennoch nicht bleiben. Die Bundesregierung sollte vorbauen für den Fall, dass der Euro mittelfristig wieder höher notiert. Der Kurswechsel in Washington sollte ein Grund mehr sein, wieder Strukturreformen anzugehen, die die Wettbewerbsfähigkeit festigen. Denn es stimmt, was Bundesbankchef Jens Weidmann oft über den Euro sagt: „Ist er zu stark, bist du zu schwach.“ [email protected] Seite 21 Im Minus Schon Napoleon sorgte für Fake News Seite 15 Jury von Sprachwissenschaftlern kürt den Begriff zum Anglizismus des Jahres DAX Dax Schluss Euro EZB-Kurs Dow Jones ��.�� Uhr ��.���,�� �,���� ��.���,�� Punkte US-$ Punkte –�,��% ↘ +�,��% ↗ –�,��% ↘ ANZEIGE REISE ZUM MARS DER ROTE PLANET WIRD EROBERT E ine Jury von Sprachwissenschaftlern hat „Fake News“ zum Anglizismus des Jahres gekürt. Die weiteren Plätze belegten „Darknet“ und „Hate Speech“. „Mit ‚Fake News‘ gab es einen Kandidaten, der 2016 eine so plötzliche und massive Präsenz im öffentlichen Diskurs erlangt hat, dass es am Ende doch keine ernsthafte Alternative gab“, sagte Jurysprecher Anatol Stefanowitsch. Zwar tauche der Begriff bereits seit einigen Jahren in deutschen Texten auf. Doch erst durch die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten im November habe „Fake News“ einen plötzlichen und heftigen Durchbruch in den allgemeinen Sprachgebrauch geschafft. HEUTE UM 19.30 UHR VON MATTHIAS HEINE Wir twittern Diskutieren live aus dem Sie mit uns Newsroom: auf Facebook: twitter.com/welt facebook.com/welt „Die Welt“ digital Lesen Sie „Die Welt“ digital auf allen Geräten – unter edition.welt.de, auf Smartphone oder Tablet. Attraktive Angebote finden Sie auf welt.de/digital oder auch mit den neuesten Tablets auf welt.de/bundle. Das Wort bezeichnete zunächst vor allem bewusste Falschmeldungen in sozialen Netzwerken, für die sich vorher schon die Anglizismen „Hoax“ oder „Hoax-Meldung“ etabliert hatten. Als Beispiel da- für nannte Stefanowitsch die 2014 verbreitete Nachricht, Nationaltorhüter Manuel Neuer werde für das WM-Finale ausfallen. Der Durchbruch hat nun mit einer Bedeutungsverengung zu tun: Fake bezeichne im Englischen inzwischen wieder eine Art von Manipulationsabsichten und Wunschvorstellungen getriebene Propaganda, erklärt der Jurysprecher. Diese Bedeutung hatte es schon, als es im 19. Jahrhundert zum ersten Mal benutzt wurde. Die früheste Verwendung, die Stefanowitsch finden konnte, stammt aus der Zeitschrift „American Historical Register“ vom November 1894. In einer Diskussion über die Rolle und Qualität von Lokalzeitungen in den USA wird eine Meldung über eine (angebliche) Flucht Napoleons nach Florenz beschrieben. Die Autorin stellt dann fest, dass Napoleon zur betreffenden Zeit auf der Höhe seines Erfolges war und dass es außer den Wunschvorstellungen seiner Gegner keine Belege für die beschriebenen Ereignisse gibt. Rhetorisch fragt sie: „Or was it ‚fake news‘?“ DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410 Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet. Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen. Telefon 030 / 25 91 0 Fax 030 / 25 91 71 606 E-Mail [email protected] Anzeigen 030 / 58 58 90 Fax 030 / 58 58 91 E-Mail [email protected] Kundenservice DIE WELT, Brieffach 2440, 10867 Berlin Telefon 0800 / 93 58 537 Fax 0800 / 93 58 737 E-Mail [email protected] A 3,40 & / B 3,40 & / CH 5,00 CHF / CZ 96 CZK / CY 3,40 & / DK 26 DKR / E 3,40 & / I.C. 3,40 & / F 3,40 & / GB 3,20 GBP / GR 3,50 & / I 3,40 & / IRL 3,20 & / L 3,40 & / MLT 3,20 & / NL 3,40 & / P 3,40 & (Cont.) / PL 15 PLN / SK 3,40 € © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DIE WELT BERLIN-2017-02-01-swonl-86 2d1b1dca20e17e0d279bae720b5d31d5 Zum feststehenden Begriff sei „Fake News“ in Amerika erst seit den 90ern geworden. Dort habe es meistens satirische Nachrichtensendungen und -magazine wie Jon Stewarts „The Daily Show“ oder „The Onion“ bezeichnet, das Vorbild für deutsche Satireportale wie „Glasauge“ oder „Der Postillon“. Ins öffentliche Bewusstsein und in den allgemeinen Sprachgebrauch sei „Fake News“ sowohl im Englischen als auch im Deutschen durch Diskussionen über die Ursachen des Trump-Wahlerfolgs gelangt. Dieser sei angeblich auf Fake News zurückzuführen gewesen. Seitdem Trump Präsident ist, benutzt er das Wort regelmäßig in seinen Tweets, um damit Enthüllungen seiner politischen Gegner und kritische Medien abzuwerten. Das Wort „Fake News“ – im Deutschen Fake-News oder manchmal sogar Fakenews geschrieben – fülle eine Lücke zwischen den etablierten Wörtern „Falschmeldung“ und „Propaganda“, erklärte die Jury. Anders als die Falschmeldung, die ja sowohl absichtlich als auch unaabsichtlich falsch sein kann, sind Fake News immer absichtlich falsch. ISSN 0173-8437 27-5 ZKZ 7109
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