05-2017 Urteil - Klage gg. VW wg

LANDGERICHT HILDESHEIM
DIE PRÄSIDENTIN
17. Januar 2017
Urteil zur Abgasmanipulation - Zivilklage gegen
Volkswagen AG auf Kaufpreiserstattung erfolgreich
HILDESHEIM. Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim unter Vorsitz von Dr.
Wolfhard Klöhn hat mit Urteil vom 17.01.2017 der Klage des Käufers eines Skoda Yeti
gegen die Volkswagen AG auf Erstattung des Kaufpreises stattgegeben (Az. 3 O
139/16).
Der Kläger hatte im Jahr 2013 von einem Autohaus in Gifhorn einen PKW Skoda Yeti
2.0 TDI Elegance Plus Edition zum Neupreis von 26.499,99 € erworben. Das Fahrzeug
ist mit einem von der Beklagten entwickelten Dieselmotor ausgestattet.
1) Nach den Feststellungen der Kammer ist die Motorsteuerung des PKW so
programmiert, dass der Wagen bei der Messung der Schadstoffemissionen auf einem
Prüfstand diese Situation erkennt und weniger Stickoxide abgibt als im „Echtbetrieb“ auf
der Straße. Hierbei handelt es sich nach Auffassung der Kammer um eine
gesetzeswidrige Manipulation der Motorsteuerung, die gegen europäische Vorgaben
zur Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen verstößt. Der Ansicht der Beklagten, wonach
es auf die Emissionswerte des Fahrzeuges im normalen Straßenbetrieb nicht
ankomme, sondern allein auf die Emissionswerte unter Laborbedingungen im
Prüfbetrieb, schließt sich die Kammer nicht an: Es liege „auf der Hand“, dass eine
Schadstoffmessung auf dem Prüfstand nur korrekt erfolgt, wenn das zu testende
Fahrzeug auf dem Prüfstand genauso arbeite, wie im Echtbetrieb. Eine ausschließlich
auf den Testzyklus zugeschnittene Programmierung der Abgasbehandlung könne
Nr. 05/2017 / Felix Muntschick
Pressestelle
Kaiserstraße 60, 31134 Hildesheim
Tel.: (05121) 968-472
Fax: (05121) 968-218
www.landgericht-hildesheim.niedersachsen.de
E-Mail: LGHI-Verwaltungspoststelle@
justiz.niedersachsen.de
2
deshalb nur „als unzulässige Umgehung der einschlägigen Vorschriften“ angesehen
werden.
2) Durch diese Manipulation habe die Beklagte dem Kläger in einer gegen die guten
Sitten verstoßenden Art und Weise (§ 826 BGB - Wortlaut der Vorschrift s.unten) einen
Schaden zugefügt und darüber hinaus den Tatbestand des Betruges verwirklicht: Kein
verständiger Kunde würde ein Fahrzeug mit einer nicht gesetzeskonformen
Motorsteuerungssoftware erwerben - der Kläger habe nicht das bekommen, was ihm
aus dem Kaufvertrag zustand, nämlich ein technisch einwandfreies, den gesetzlichen
Bestimmungen entsprechendes Fahrzeug.
Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte müsse davon ausgegangen werden, dass
die Beklagte die Softwaremanipulation vorsätzlich vorgenommen habe. Die Beklagte
habe im Prozess nicht dargelegt, wie es zur Entwicklung und zum Einbau der Software
gekommen sei, wer dies entschieden oder zumindest davon gewusst habe. Der Vortrag
„man kläre gerade die Umstände auf“, ohne dass bereits konkrete Ergebnisse
vorliegen, sei schon in Anbetracht des Zeitablaufs seit Entdeckung der Manipulation
unzureichend
und
im
Übrigen
auch
unglaubhaft.
Bei
dem
Einsatz
der
Motorsteuerungssoftware handele es sich um eine Entscheidung mit enormer
wirtschaftlicher Reichweite, bei der kaum anzunehmen sei, dass sie von einem am
unteren Ende der Betriebshierarchie angesiedelten Entwickler in eigener Verantwortung
getroffen wurde.
Keinesfalls könne das Vorgehen der Beklagten als „Kavaliersdelikt“ oder als „lässliche
Sünde“ angesehen werden. Es handele sich um eine Verbrauchertäuschung, die als
ebenso verwerflich einzustufen sei, wie in der Vergangenheit etwa die Beimischung von
Nr. 05/2017 / Felix Muntschick
Pressestelle
Kaiserstraße 60, 31134 Hildesheim
Tel.: (05121) 968-472
Fax: (05121) 968-218
www.landgericht-hildesheim.niedersachsen.de
E-Mail: LGHI-Verwaltungspoststelle@
justiz.niedersachsen.de
3
Glykol in Wein oder von Pferdefleisch in Lasagne. Die Beklagte habe mit Hilfe der
scheinbar umweltfreundlichen Prüfstandwerte Wettbewerbsvorteile erzielen wollen.
3) Der Kläger hat nach Auffassung der Kammer Anspruch auf Erstattung des
Kaufpreises und nicht nur eines etwaigen Minderwertes. Die technischen Folgen der
Softwaremanipulation und des dadurch erforderlich gewordenen Updates seien nicht
abzuschätzen. Das Risiko eines erhöhten Wartungsaufwandes oder von vorzeitigen
Motorschäden sei nicht auszuschließen. Gegenteilige Erklärungen habe die Beklagte
nicht abgegeben. Daher müsse sie die wirtschaftlichen Folgen des Kaufes dadurch
ungeschehen machen, dass sie den Kaufpreis gegen Rückgabe des Fahrzeuges
erstatte.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich
Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
Felix Muntschick
Pressesprecher
Die Presseinformationen des Landgerichts Hildesheim finden Sie auch im
Internet auf der Internetseite des Landgerichts Hildesheim unter der Rubrik
„Aktuelles\Presseinformationen“.
Nr. 05/2017 / Felix Muntschick
Pressestelle
Kaiserstraße 60, 31134 Hildesheim
Tel.: (05121) 968-472
Fax: (05121) 968-218
www.landgericht-hildesheim.niedersachsen.de
E-Mail: LGHI-Verwaltungspoststelle@
justiz.niedersachsen.de