1 SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Cluster extra "Alle Jahre wieder..." Advents- und Weihnachtslieder (4) Die Könige Von Bettina Winkler Sendung: Redaktion: Freitag, 30. Dezember 2016 Bettina Winkler 15:05 – 16:00 Uhr Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de 2 Die Hirten waren die ersten, die zur Krippe kamen – die Heiligen Drei Könige dagegen sind die letzten – kein Wunder, sie hatten ja auch den längsten Weg. Aber wer waren diese Gestalten aus dem Morgenland? Wo liegt der Ursprung dieser Geschichte? Lassen wir die Herren doch erst einmal einmarschieren. Musik 1 Carl Orff Weihnachtsgeschichte - Einzug der Heiligen Drei Könige Die Oberammergauer Hirtenbuben Collegium pro musica Innsbruck Ltg: Gerhard Schmidt-Gaden Auch in Carl Orffs Weihnachtsgeschichte fragen sich die Oberammergauer Hirtenbuben, woher diese prächtigen Gestalten wohl kommen, die da dem göttlichen Kind ihre Referenz erweisen wollen. Die Ursprünge jener Erzählung, die wir im Matthäus-Evangelium finden, liegen weit zurück in der Vergangenheit: Der 6. Januar war das Datum des orientalischen Geburtsfestes Jesu Christi, denn in Ägypten feierten die Basilidianer, eine gnostische Sekte, bereits seit dem Anfang des 2. Jahrhunderts am 6. Januar die Taufe Jesu, zu Beginn des 4. Jahrhunderts wurde dieser Tag zum Fest der Erscheinung Gottes auf Erden, zur "Epiphanie". In Rom dagegen bestimmte man noch vor der Mitte des 4. Jahrhunderts den 25. Dezember als Datum des Weihnachtsfestes. Und so gab es zunächst ein gehöriges Durcheinander: der orientalische Geburtstermin nahm seinen Weg von Osten nach Westen, der römische dagegen von Westen nach Osten. Erst Ende des 6. Jahrhunderts einigte man sich darauf, den 25. Dezember als Geburtstermin Jesu zu feiern, den 6. Januar dagegen als Fest der Erscheinung der Magier aus dem Osten. Durch diese Terminierungen wurden gleichzeitig zwei antike Gottheiten in christliche Feste integriert: der 25. Dezember als Geburtsfest des römischen Sonnengottes Helios und der 6. Januar als Fest der Geburt des ägyptischen Horus aus seiner jungfräulichen Mutter Isis. Auch in der Bibel finden sich Belege für diese unterschiedlichen Traditionsstränge: im Lukasevangelium dominiert der römische Hintergrund, das Matthäusevangelium dagegen ist mit der Schilderung der Magier deutlich orientalisch geprägt. 3 Musik 2 Gregorianischer Gesang für das Kirchenjahr Messe zum Fest der Erscheinung des Herrn Graduale: Omnes de Saba Singphoniker "Omnes de Saba" – das Graduale aus der gregorianischen Messe zum Fest der Erscheinung des Herrn, gesungen von den Singphonikern. In der Bibel bei Matthäus lesen wir über die Magier, die Weisen aus dem Morgenland folgendes: "Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Bethlehem in Judäa geboren wurden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen. Als König Herodes das hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem. Er ließ alle Hohepriester und Schriftgelehrten des Volkes zusammenkommen und erkundigte sich bei ihnen, wo der Messias geboren werden solle. Sie antworteten ihm: 'In Behlehem in Judäa, denn so steht es bei dem Propheten: Du, Bethlehem im Gebiet von Juda, bist keineswegs die unbedeutendste unter den führenden Städten von Juda; denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen, der Hirt meines Volkes Israel.' Danach rief Herodes die Sterndeuter heimlich zu sich und ließ sich von ihnen genau sagen, wann der Sten erschienen war. Dann schickte er sie nach Bethlehem und sagte: Geht und forscht sorgfältig nach, wo das Kind ist; und wenn ihr es gefunden habt, berichtet mir, damit auch ich hingehe und ihm huldige. Nach diesen Worten des Königs machten sie sich auf den Weg. Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zum Ort, wo das Kind war. Dort blieb er stehen. Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt. Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter, da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar. Weil ihnen aber im Traum geboten wurde, nicht zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg heim in ihr Land." 4 Musik 3 Johann Sebastian Bach Weihnachtsoratorium Ausschnitt aus dem 6. Teil Juliane Banse, Sopran Markus Schäfer, Tenor Thomas Quasthoff, Bass Münchner Bachsolisten Leitung: Karl-Friedrich Beringer Ein Ausschnitt aus dem sechsten Teil von Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium mit Juliane Banse, Sopran, Markus Schäfer, Tenor, Thomas Quasthoff, Bass und den Münchner Bachsolisten unter der Leitung von Karl-Friedrich Beringer. Im Epiphaniasfest werden drei orientalische Mythen zusammen gefasst, denn die Nacht vom 5. auf den 6. Januar galt in Ägypten als geheiligte Nacht: 1. In Alexandria wurde die Geburt des Aion, einer Personifikation der Ewigkeit, in Verbindung mit der Geburt des göttlichen Horuskindes von seiner jungfräulichen Mutter Isis gefeiert. 2. Das Todesschicksal des Osiris im Wasser des Nils, aus dem er durch Isis wieder errettet und zu neuem Leben gebracht wurde, vollzogen die Ägypter ebenfalls alljährlich am 6. Januar kultisch nach. 3. Im Zuge der Hellenisierung der ägyptischen Mythen wurde der Osiris-Tag mit dem Festtag des griechischen Gottes Dionysos verbunden, dessen beim Fest der Lenäen gedacht wurde. Mit diesem Fest verband sich die Vorstellung, daß Dionysos in der Nacht zum 6. Januar auf Erden erscheine und in Orten, die er liebte, Wasser in Wein verwandelte. Diese drei Wunder, die Inhalt der Feiern am 6. Januar waren, nämlich die Geburt eines Gotteskindes, die Gabe des Lebenswassers und die Verwandlung von Wasser in Wein, prägten im Lauf der Zeit auch die christlichen Feste, die die Stelle der einstigen Mythenfeiern übernahmen: an die Stelle der Geburt des göttlichen HorusKindes trat zunächst am 6. Januar die Geburt Christi, die frommen Erwartungen, die sich mit dem Lebenswasser des Nils verbanden, übertrugen sich auf das Fest der Taufe Christi, und Dionysos' wundersame Verwandlungskünste, die Wasser zu Wein 5 werden ließen, fanden ihren Niederschlag im Weinwunder Jesu bei der Hochzeit zu Kanaa. Musik 4: Liturgie der koptisch-orthodoxen Kirche Weihnachten: "Aphini naf" - Gesang im Ton Wates zur Darbringung der Gaben Chor des Theologischen Seminars und der St. Markus Kathedrale der KoptischOrthodoxen Kirche in Kairo Der Chor des Theologischen Seminars und der St. Markus Kathedrale der KoptischOrthodoxen Kirche in Kairo mit einem Gesang zur Darbringung der Gaben aus der Liturgie der koptisch-orthodoxen Kirche. Eine besondere Erscheinung am Sternenhimmel setzt im Matthäus-Evangelium das Signal für ein herausragendes Ereignis - kein ungewöhnliches Bild in der Legendenbildung babylonischer Zeit. Und so fragt man sich, ob es zur Zeit Christi Geburt wirklich eine solche Sternkonstellation gab. Da man mittlerweile weiß, daß der eigentliche Geburtstermin Jesu im Jahre 7 vor dem Beginn unserer Zeitrechnung liegt, konnte man für diese Zeit eine Konjunktion der Planeten Jupiter und Saturn errechnen, was zur Folge hatte, daß es eine ungewöhnlich leuchtende Erscheinung am Himmel gab, die am 29. Mai, am 5. Oktober und Anfang Dezember zu sehen war. Bedenkt man dazu noch, daß der Planet Jupiter dem höchsten Gott der Babylonier zugeordnet war und Saturn nach babylonischer Auffassung das Schicksal der Juden bestimmte, so kann man leicht nachvollziehen, welche Bedeutung diese Konjunktion für die babylonischen Sterndeuter gehabt haben muß. Im griechischen Urtext der Bibel werden unser heutigen "Heiligen Drei Könige" als Magier bezeichnet. Weder ist hier jedoch von einer Dreizahl die Rede noch von Königen. Es gibt aber ein historisches Ereignis, das zumindest für den prachtvollen Aufzug dieser Gesandtschaft Pate gestanden haben mag. Um das Jahr 66 herum, also zur Zeit der Entstehung des Matthäus-Evangeliums, kam eine glänzende Gesandtschaft der Parther durch die Länder des Ostens von Armenien nach Rom gezogen, um dem Kaiser Nero zu huldigen, der gleich einem Gott verehrt wurde. Auf einem anderen Weg, als sie gekommen waren, zogen sie wieder in ihre Heimat zurück. Da der parthische König auch als Magier Tiridates bezeichnet wurde, drängt sich hier die historische Vorlage für den Bibelbericht auf. 6 Die Dreizahl der Gaben - Gold, Weihrauch und Myrrhe - führte dazu, daß von drei Darbringenden gesprochen wurde. Die Geschenke sind am verständlichsten in den "Gesta Romanorum" gedeutet: Das Gold bezeichnet den einem König gebührenden Weisheitsschatz, der Weihrauch das ergebungsvolle Opfer und Gebet, die Myrrhe die reinhaltende Kraft der Selbstbeherrschung. Mit der Zahl Drei wurde auch an Noah und seine drei Söhne Sem, Ham und Jafet erinnert, die in ihrer Dreizahl für die gesamte Menschheit standen, denn sie wurden zu den Stammvätern der semitischen, der afrikanischen und der indogermanischen Völker. Und so wurden die drei Magier zu Repräsentanten der drei damals bekannten Erdteile: Asien, Afrika und Europa. Musik 5 Franz Liszt "Adeste, fideles" - gleichsam als Marsch für die heiligen drei Könige aus der Suite "Der Weihnachtsbaum" für Klavier zu vier Händen Roberto Szidon und Richard Metzler Roberto Szidon und Richard Metzler spielten "Adeste fideles" gleichsam als Marsch für die heiligen drei Könige aus der Suite "Weihnachtsbaum" von Franz Liszt. In der "Legenda aurea" haben die drei Magier noch die hebräischen Namen Appelius, Amerius und Damascus und die angeblich griechischen Galgalat, Balthasar und Melchior. Eine Kindheitsgeschichte Jesu um 500 in armenischer Sprache benennt Melkan von Persien, Gaspar von Indien und Baltassar von Arabien. Auf dem berühmten Mosaik von Ravenna aus dem 6. Jahrhundert erscheinen die Namen Caspar, Balthasar und Melchior. Seit dem 9. Jahrhundert sind "Caspar" - persich: Der Schatzmeister, "Melchior" - Lichtkönig - und "Balthasar" – Gottesschutz/Der von Gott geschütze - üblich. Einer davon, zunächst überwiegend Kaspar, dann aber Melchior galt als "Mohr" und Vornehmster der Drei. In einem Text aus dem 12. Jahrhundert werden die drei Weisen im Gewand der Mithras-Priester dargestellt, die das Vorbild für die gelehrten Magier waren: "Magier sind es, welche dem Herrn Geschenke gegeben haben. Der erste soll Melchior gewesen sein, ein Greis mit grauem Haar und langem weißen Bart, in purpurroter Tunika und kurzem grünen Mantel und mit purpurrotem, weiß durchwirkten Schuhwerk, mit einer Mithrasmütze in bunt verschlungenen Farben 7 bedeckt. Gold brachte er dem Herrn als König. Der zweite mit Namen Caspar, ein bartloser Jüngling von frischer Gesichtsfarbe, mit grünlicher Tunika, mit rotem kurzen Mantel und mit purpurrotem Schuhwerk bekleidet, ehrte Christus mit dem Weihrauch, der ihm als Gott gebührenden Gabe. Der dritte, gebräunt, mit dunklem Haar und vollbärtig, Balthasar mit Namen, trug eine rote Tunika, mit einem weißlichen kurzen Mantel, und war mit grünlichem Schuhwerk bekleidet; durch die Myrrhe legte er das Bekenntnis von dem künftigen Tod des Menschensohnes ab." Mehrere symbolische Deutungen finden sich in diesem kurzen Text: Jesus wird als König, als Gott und als Mensch verehrt. Die drei Magier repräsentieren neben denen ihnen zugeordneten Erdteilen auch die drei Lebensalter: Greis, Jüngling und im besten Mannesalter. Damit verbindet sich ein Anspruch auf Universalität: der gesamte Erdkreis und die gesamte Menschheit aller Altersstufen huldigt dem Kind im Schoße der Gottesmutter. Musik 6 Peter Cornelius "Die Könige" aus den Weihnachtsliedern op. 8 Nr. 3 Peter Schreier, Tenor Norman Shetler, Klavier "Die Könige" aus den Weihnachtsliedern von Peter Cornelius mit Peter Schreier und Norman Shetler. Die Verwandlung der Magier zu Königen geschah im Laufe des 10. Jahrhunderts. Durch die Liturgie der katholischen Kirche wurde die Erinnerung an das Vorbild des Mithraspriester schnell ausgelöscht und durch die Figuren der Könige ersetzt und in die Legende von den Heiligen Drei Königen verwandelt. Und so beginnt denn auch die Meßliturgie an Epiphanias zum Einzug des Klerus mit dem Introitus aus Psalm 72: "Gott, gib dein Gericht dem König und deine Gerechtigkeit des Königs Sohn" umrahmt von der Antiphon: "Siehe, nun kommt der Herr, der Herrscher, und in seiner Hand ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit". Und in der Epistellesung aus Jesaja 60 wird die Verheißung laut: "Die Völker werden in deinem Lichte wandeln und die Könige im Glanz, der über ihnen aufgeht. Sie werden aus Saba alle kommen, Gold und Weihrauch bringen und des Herrn Lob verkündigen." 8 Musik 7 Johann Sebstian Bach "Sie werden aus Saba alle kommen" BWV 65, Eingangschor Bach Collegium Japan Leitung: Masaaki Suzuki Das Bach Collegium Japan unter Masaaki Suzuki mit dem Beginn von Johann Sebastian Bachs Epiphanias-Kantate "Sie werden aus Saba alle kommen" BWV 65. Die Entdeckung der Reliquien der Heiligen Drei Könige durch Kaiser Friedrich Barbarossa in Mailand und ihre Überführung nach Köln, wo sie am 23. Juli 1164 eintrafen, bilden den Höhepunkt der Dreikönigslegende. Durch diesen Reliquienschatz wuchs der Ruhm der Stadt Köln erheblich. Der Dreikönigsschrein im Dom zu Köln wurde zum Ausgang weiterer Fabeln, die sich wiederum in den beliebten "Dreikönigsspielen" niederschlugen. Dabei spielten besonders die Motive des Sterns, das der Könige mit ihrem orientalisch-prächtigen Gefolge, die Träume der drei und das, was ihnen aufgrund der Träume wiederfuhr, eine wichtige Rolle Motive wie aus der Märchenwelt von 1001 Nacht. Im Laufe der Zeit wurden die Dreikönigsspiele allmählich zu Kinderspielen und fanden ihren festen Platz im bürgerlichen Bildungs- und Unterhaltungsprogramm. Übriggeblieben sind von diesen Spielen noch die Sternsinger, die am Dreikönigstag von Haus zu Haus ziehen. Und geblieben ist auch der Schabernack, mit dem um Gaben gebeten wird, die bei den heutigen Sternsingern freilich für wohltätige Zwecke eingesetzt werden. Schon Johann Wolfgang von Goethe nahm diese Umzüge 1781 zum Anlaß für eine kleine Persiflage auf ein altbekanntes Sternsingerlied. Hugo Wolf hat es vertont. Musik 8 Hugo Wolf "Epiphanias" Peter Schreier, Tenor Norman Shetler, Klavier "Epiphanias" von Hugo Wolf, gesungen von Peter Schreier, begleitet wurde er von Norman Shetler. 9 Und so ziehen die Heiligen Drei Könige weiter auf ihrer Reise. Das Bild der Reise kann auch als Suche verstanden werden, die unter einem guten Stern steht. Und so begriff man bis in die Neuzeit hinein den 6. Januar auch als Beginn eines neuen Jahres und als Aufbruch in ein neues Jahr der Lebensreise. Ob man auf diesem Weg das findet, was man sucht, bleibt offen. Auch Heinrich Heine hat die drei Könige auf die Reise geschickt, nicht ohne den ihm eigenen ironischen Unterton. Richard Strauss hat diesen Text vertont – weniger ironisch, aber üppigen, schwärmerischen Klängen. Musik 9 Richard Strauss "Die heiligen drei Kön'ge aus Morgenland" op. 56 Nr. 6 Soile Isokoski, Sopran RSO Berlin Ltg: Marek Janowski
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