SHAREHOLDER ACTIVISM – TYPISCHE HANDLUNGSWEISEN AKTIVISTISCHER AKTIONÄRE, ANGEMESSENE VORBEREITUNG UND MÖGLICHE REAKTION DER ZIELGESELLSCHAFT Das Auftreten aktivistischer Aktionäre bei börsennotierten Unternehmen hat in den letzten Jahren stark zugenommen. In der jüngeren Vergangenheit haben etwa die Leerverkaufsattacken auf STRÖER und WIRECARD für großes Aufsehen gesorgt, bereits zuvor die Beteiligungen von CEVIAN an BILFINGER und THYSSENKRUPP, die aktive Rolle von ELLIOTT bei den Übernahmen von KABEL DEUTSCHLAND und CELESIO, nicht zuletzt auch die Beteiligungen von KNIGHT VINKE an E.ON und von TCI an VW. Seit Anfang Mai dieses Jahres liegt STADA im Clinch mit dem Investor ACTIVE OWNERSHIP CAPITAL, auch GUY WYSER-PRATTE hat STADA ins Visier genommen. Die Bedeutung aktiver Investoren wird in den nächsten Jahren noch deutlich steigen, und dies unabhängig von der Größe und Marktkapitalisierung des jeweiligen Unternehmens. Zum einen versprechen langfristige Strategien eine attraktivere Rendite als alternative Investments. Zum anderen erfährt insbesondere der operative Aktivismus – mit dem Ziel einer Optimierung des Unternehmenswerts durch strategische Maßnahmen – eine zunehmende Akzeptanz auf Seiten der institutionellen Anleger, der Presse und der Aufsichtsbehörden. Das verwaltete Vermögen, das für aktivistische Beteiligungen zur Verfügung steht, hat seit der Finanzkrise stark zugenommen, und grundlegende Herausforderungen sowie strukturelle Veränderungen der Märkte verlangen nach einer schnellen Anpassung bestehender Geschäftsmodelle, mit denen sich das bisherige Management oftmals schwer tut. Nicht zuletzt fügt sich das Erscheinungsbild des aktiven und interessierten Anlegers auch gut in die öffentliche Corporate Governance-Diskussion ein, man denke an die Kritik von TCI an den Bonuszahlungen für das Management von VW. Die Verwaltungsorgane börsennotierter deutscher Aktiengesellschaften und SEs sind gut beraten, sich mit dem Phänomen aktivistischer Aktionäre frühzeitig auseinanderzusetzen. Es gilt, sich auf einen möglichen Angriff angemessen vorzubereiten und im Ernstfall richtig zu reagieren. Investoren beschränken sich nicht mehr darauf, die ihnen nach dem Gesetz zustehenden aktienrechtlichen (Minderheits-)Rechte auszuüben; sie versuchen zunehmend, auch auf anderen Wegen Einfluss auf die Verwaltung zu nehmen, um ihre Ziele zu erreichen. 1. Mögliche Zielsetzungen aktivistischer Aktionäre Die möglichen Zielsetzungen aktivistischer Aktionäre sind vielfältig. Im Wesentlichen lassen sich zwei Kategorien unterscheiden: a. Operativ Der Fokus kann auf der Geschäftsentwicklung und Geschäftsstrategie der Zielgesellschaft liegen. Aktivistische Investoren verfolgen hier das Ziel, durch strategische und operative Veränderungen den Unternehmenswert zu steigern. Anfällig sind insoweit insbesondere Unternehmen mit einer unterdurchschnittlichen Performance gegenüber Wettbewerbern, Unternehmen mit hohen Cash-Positionen oder unklaren Geschäftsstrategien, Konglomerate sowie Unterneh- men, die am Kapitalmarkt unterbewertet sind. In einem freundlichen Szenario kann der aktivistische Aktionär versuchen, in Absprache mit dem Vorstand unternehmerisch sinnvolle Änderungen durchzusetzen. In einem feindlichen Szenario geht es oftmals um die Zerschlagung des Unternehmens oder die Ausschüttung einer „Superdividende“. b. M&A Daneben treten aktivistische Aktionäre zunehmend auch im Rahmen von M&A-Aktivitäten auf, namentlich bei öffentlichen Übernahmeangeboten mit anschließenden Strukturmaßnahmen. Verfügt einerseits der Investor über eine Sperrminorität bei der Zielgesellschaft, und sieht andererseits das Übernahmeangebot eine Mindestannahmeschwelle vor, muss sich der Bieter mit dem Investor zu einem hohen Preis einigen, um die Mindestannahmeschwelle erreichen zu können und so eine nachfolgende Strukturmaßnahme – regelmäßig den Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages – zu ermöglichen. Unterhalb der Schwelle einer Sperrminorität treten aktivistische Investoren oftmals auch im Rahmen von Spruchverfahren in Erscheinung, um nach dem Abschluss einer Strukturmaßnahme eine höhere Abfindung zu erstreiten. Eine besondere Konstellation stellte die Übernahme von CELESIO durch MCKESSON dar, bei der ein aktivistischer Hedge-Fonds nachträglich erfolgreich eine höhere Gegenleistung aus dem bereits abgeschlossenen Übernahmeangebot geltend gemacht hat. 2. Typische Handlungsweisen aktivistischer Aktionäre a. Ausübung von Aktionärsrechten Das aktienrechtliche Instrumentarium, das aktivistischen Aktionären zur Wahrnehmung ihrer Interessen zur Verfügung steht, ist umfangreich. Zu den wesentlichen Aktionärsrechten zählt insbesondere die Möglichkeit, die Einberufung der Hauptversammlung oder eine Ergänzung der Tagesordnung einer bereits einberufenen Hauptversammlung zu verlangen; typischerweise handelt es sich bei den Beschlussgegenständen um die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern, den Vertrauensentzug gegenüber Mitgliedern des Vorstands, Satzungsänderungen, die Bestellung von Sonderprüfern sowie die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber der Verwaltung. Im Aktionärsforum des Bundesanzeigers kann der Aktionär andere Aktionäre auffordern, gemeinsam einen Antrag oder ein Minderheitsverlangen zu stellen oder das Stimmrecht auszuüben. Eine Minderheit kann die Einzelentlastung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats verlangen, und jeder Aktionär kann privilegierte Vorschläge zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern unterbreiten, über die vor dem Wahlvorschlag des Aufsichtsrats abzustimmen ist, wenn die erforderliche Minderheit dies verlangt. Ist der Aufsichtsrat unterbesetzt, kann der Aktionär einen Antrag auf gerichtliche Bestellung des fehlenden Aufsichtsratsmitglieds stellen und dem Gericht einen Kandidaten vorschlagen, der seinen Interessen nahesteht. b. Einflussnahme jenseits des Aktienrechts Über die im Aktiengesetz verankerten Rechte hinaus ergreifen aktivistische Aktionäre regelmäßig auch weitere Maßnahmen, um ihre Ziele durchzusetzen. In einer Vielzahl der Fälle er2 wirbt ein aktivistischer Aktionär zunächst eine Sockelbeteiligung von bis zu 3%, um eine Offenlegung seiner Beteiligung zu vermeiden. Sodann wendet sich der Aktionär mit einem – oftmals sehr freundlich und konstruktiv gehaltenen – Schreiben an den Vorstand und bittet um ein persönliches Gespräch, in dem strategische und operative Aspekte besprochen werden sollen und in dem der Aktionär seine Haltung zur Leitung des Unternehmens durch den Vorstand zum Ausdruck bringt; der Aktionär kann hier den Vorstand bereits erheblich unter Druck setzen und eine Weiterverfolgung seiner Interessen durch eine öffentliche Kampagne androhen. Der Gang an die Öffentlichkeit erfolgt oftmals durch das Überschreiten einer gesetzlichen Meldeschwelle oder durch die Bekanntgabe der Beteiligung in der Presse; hierdurch sollen andere Aktionäre zunächst auf verschiedene Aspekte aufmerksam gemacht werden. Im weiteren Verlauf erfolgt typischerweise eine Pressekampagne, die dazu dient, in der Öffentlichkeit Druck auf das Management auszuüben und den Forderungen Nachdruck zu verleihen. Der Aktionär äußert Kritik an der Unternehmensstrategie, der Finanzierungs- und Dividendenpolitik sowie der Corporate Governance, etwa in Interviews oder durch die Veröffentlichung sogenannter White Papers; letztlich geht es dabei immer um die Frage, ob das Unternehmen in der bisherigen Form fortbestehen kann und soll. Parallel versucht der Aktionär, auch andere Aktionäre für sein Vorhaben zu gewinnen und in zulässigem Rahmen, teilweise auch über Stimmrechtsberater (Proxy Advisors), Einfluss auf ihr Stimmverhalten zu den geäußerten Kritikpunkten zu nehmen. Häufig werden die Maßnahmen durch Leerverkäufe oder – umgekehrt – durch einen schnellen weiteren Beteiligungsaufbau flankiert. Im letzten Stadium versucht der Aktionär, direkten Einfluss auf die Geschicke der Zielgesellschaft zu nehmen. Typischerweise steht die Forderung nach einem Sitz im Aufsichtsrat und, noch weitergehend, im Prüfungsausschuss im Raum. Daneben versucht der Aktionär, gezielt Druck auf einzelne Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats auszuüben, um konkrete Maßnahmen durchzusetzen. 3. Angemessene Vorbereitung und Reaktion der Zielgesellschaft Die Verwaltung einer börsennotierten Aktiengesellschaft sollte auf den Fall einer aktivistischen Attacke gut vorbereitet sein. Regelmäßig entwickelt eine einmal losgetretene Kampagne eine deutliche Eigendynamik, sodass bloße Reaktivmaßnahmen oftmals zu spät kommen; der fahrende Zug ist in der Mehrzahl der Fälle nicht mehr aufzuhalten. a. Vorbeugender Schutz – Prävention Ein wesentlicher Baustein der Prävention gegen aktivistische Aktionäre ist eine aktive und transparente öffentliche Kommunikation. Zum einen bedarf es einer stringenten Darstellung der Unternehmensstrategie und der wesentlichen Ereignisse im Unternehmen nach außen. Zum anderen sollte die Verwaltung kritische Äußerungen am Kapitalmarkt ernst nehmen, um etwaigen Angriffspunkten frühzeitig entgegen zu wirken. Der Vorstand sollte den regelmäßigen Kontakt mit Großaktionären, Stimmrechtsberatern und Analysten suchen und insbesondere in der Kommunikation nach außen stets eine einheitliche Meinung kundtun – ein uneiniges Management stellt ein leichtes Ziel für die Pressekampagne eines aktivistischen Aktionärs dar. 3 Regelmäßige Analysen der Stimmrechtsmitteilungen und größerer Handelsbewegungen am Kapitalmarkt können dabei helfen, rechtzeitig zu erkennen, dass sich ein oder mehrere Aktionäre in Stellung bringen. Entsprechendes gilt für den Einstieg von Investoren bei anderen Unternehmen in derselben Branche; weist das eigene Unternehmen eine vergleichbare Struktur – und möglicherweise vergleichbare Probleme – auf, besteht das Risiko, dass das eigene Unternehmen ebenfalls im Fokus steht. Nicht zuletzt sollte auf der obersten Management-Ebene ein Notfallteam gebildet werden, das im Bedarfsfall schnell reagieren kann. Neben den unternehmensinternen Schlüsselpersonen sollte das Team aus externen Beratern bestehen, namentlich aus Rechtsanwälten, Kommunikationsberatern und Investmentbankern. Das Team erarbeitet ein Defense Manual, das eine umfassende Reaktions- und Abwehrstrategie sowie konkrete Abläufe und Zuständigkeiten enthält, um im Ernstfall koordiniert, schnell und effizient reagieren zu können; insbesondere eine umsichtige und bereits zuvor sorgsam abgewogene Kommunikation nach außen kann im Ernstfall von entscheidender Bedeutung sein. Die Mitglieder des Notfallteams sollten in regelmäßigem Kontakt zueinander stehen und in periodischen Abständen „Notfallübungen“ abhalten. b. Im Ernstfall – Reaktion Tritt ein aktivistischer Aktionär in Erscheinung, etwa durch ein Schreiben an den Vorstand mit der Bitte um ein persönliches Gespräch, muss umgehend das Notfallteam informiert werden und zusammenkommen. Die angesprochenen Personen sollten es in jedem Fall vermeiden, durch eine Kurzschlussreaktion und unüberlegte Aussagen dem Aktionär weiteres Material für seine Kampagne zu liefern. Es besteht keine Notwendigkeit, auf die Ansprache sofort zu reagieren; vielmehr ist es Aufgabe des Notfallteams, die Position des Aktionärs zunächst zu analysieren und – mit der gebotenen Eile – eine konkrete Gegenstrategie zu entwickeln. Hierzu kann im Einzelfall ein persönliches Treffen mit dem Aktionär unter Hinzuziehung der erforderlichen Berater zählen, um eine öffentliche Eskalation zu vermeiden. Ist der Aktionär mit seinen Forderungen bereits an die Öffentlichkeit getreten, bedarf es einer entsprechenden Gegenäußerung. In diesem Zusammenhang muss die Glaubwürdigkeit des Managements in jedem Fall durch ein einheitliches Auftreten nach außen gewahrt bleiben. Den Angriffen des Aktionärs ist mit vernünftigen, wirtschaftlich und juristisch fundierten Argumenten entgegenzutreten. Je eher es dem Management gelingt, durch eine glaubwürdige Darstellung seiner eigenen Position und Strategie das Vertrauen der Anleger, Mitarbeiter und Geschäftspartner aufrecht zu erhalten, desto weniger wird es dem Aktionär gelingen, seine Ziele durchzusetzen. Auch die Unterstützung durch einen oder mehrere wohlgesonnene Ankeraktionäre kann dabei helfen. Letztlich ist eines von entscheidender Bedeutung: Wenn auch die Auseinandersetzung mit einem Aktionär viel Zeit und Ressourcen in Anspruch nehmen wird, so bleibt eine starke und positive Geschäftsentwicklung die beste Verteidigung gegen einen aktivistischen Angriff. Einer Fokussierung des Managements auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens wird ein feindlich gesinnter Investor in der Regel wenig entgegenzusetzen haben. 4 4. Zusammenfassung und Ausblick Das Auftreten aktivistischer Aktionäre bei börsennotierten Unternehmen wird in den kommenden Jahren noch deutlich zunehmen. Zur Durchsetzung ihrer Forderungen beschränken sie sich nicht mehr auf die Ausübung der gesetzlich verankerten Minderheitsrechte, einen wesentlichen Baustein ihrer Strategie stellt vielmehr zugleich auch die medienwirksame Auseinandersetzung mit dem Unternehmen in der Öffentlichkeit dar. Unternehmen sollten sich rechtzeitig auf einen möglichen Angriff vorbereiten, namentlich durch die kritische Analyse und Korrektur eigener Schwachstellen. Im Ernstfall ist eine wohl durchdachte, zielgerichtete Abwehrstrategie von entscheidender Bedeutung. Neben der Abstimmung einer einheitlichen Darstellung nach außen kann auch die Ansprache freundlich gesonnener Ankeraktionäre dem Management den erforderlichen Rückhalt bieten; das effektivste Abwehrmittel gegen eine aktivistische Attacke wird allerdings stets der Verweis auf die eigene positive Geschäftsentwicklung sein. **** Wenn Sie Fragen haben, sprechen Sie uns bitte jederzeit sehr gerne direkt an: Dr. Bernd Graßl, LL.M. (Wellington) Dr. Tobias Nikoleyczik Rechtsanwalt, Partner Rechtsanwalt, Partner Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Kontakt: T: +49 89 89 05 89-236 [email protected] Kontakt: T: +49 89 89 05 89-233 [email protected] Dr. Philip Peitsmeyer Rechtsanwalt, Partner Kontakt: T: +49 89 89 05 89-266 [email protected] GLNS Rechtsanwälte Steuerberater mbB Karolinen Karree | Karlstraße 10 80333 München T: +49 89 89 05 89-20 F: +49 89 89 05 89-299 www.glns.de **** 5
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