BuB-Monatsbrief er ich ndl u der e g r f un z t Mit AG ü t ank ers Unt redit B C Uni Nr. 12 • Dezember 2016 Inhaltsverzeichnis Allgemeines Bankrecht BGH, 18.3.2016 Allgemeines Leistungsstörungsrecht – Eigentümer-Besitzverhältnis – Konkurrenz OLG Frankfurt, 3.5.2016 Gewerbliches Immobilienrecht – Finanzierung – Abgrenzung zum Verbraucherrecht BGH, 21.10.2016 3 4 Verjährte Grundschuldzinsen – Vollstreckungsabwehrklage – Rechtsschutzbedürfnis 5 Gesellschaftsrecht – rechtliche Einheit eines Treuhand- und Anteilskaufvertrages 7 Gesellschaftsrecht BGH, 22.9.2016 Insolvenzrecht BGH, 16.6.2016 Insolvenzanfechtung – Deckungsanfechtung BFH, 16.3.2016 Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle 9 11 Wertpapier- und Kapitalmarktrecht BGH, 25.2.2016 Impressum 8 BGH 12.7.2016 Kapitalmarktrecht – Marktmanipulation – Einwirkung auf den Börsenpreis 12 Derivate – Negativer Marktwert – Aufklärungspflicht – Anlageberatungsvertrag – Kausalität 14 Autoren: P. Berger, Dr. M. Brass, H. Dunker, Dr. S. Fackler, A. Gelmroth, S. Herz, Dr. T. Kamm, M. Kaufmann, M. Kern, Dr. S. Straßburger; Dr. C. Wulfers FOTONACHLESE | ZAHLUNGSVERKEHR PSD II in der Praxis Technischer Wandel – und in dessen Folge die EU-Gesetzgebung – revolutioniert auch das fundamentalste Produkt des Bankgewerbes: das Girokonto. Neue Anbieter drängen an den Markt mit Angeboten, deren Risiko im Moment noch der Kunde allein trägt. Für mehr Sicherheit soll hier in naher Zukunft die Payment Service Directive (PSD II) sorgen. In diesem Spannungsfeld bewegte sich die 6. Fachtagung „Bankrecht und Bankpraxis“. Ilka Brian, Commerzbank AG. Thorsten Höche, Bundesverband deutscher Banken. Markus Tak, Kobil Systems. Uwe Schneiders, Landgericht Bonn. www.bub-fachtagung.de Prof. Dr. Sebastian Omlor, Universität Marburg. Prof. Dr. Stefan Perner, Universität Linz. Allgemeines Bankrecht Allgemeines Leistungsstörungsrecht – EigentümerBesitzerverhältnis – Konkurrenz Der Eigentümer einer Sache kann, wenn der bösgläubige oder verklagte Besitzer seine Herausgabepflicht nach § 985 BGB nicht erfüllt, unter den Voraussetzungen der § 280 Abs. 1 u. 3, § 281 Abs. 1 u. 2 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen. (BGH, Urt. v. 18.3.2016, Az. V ZR 89/15, WM 2016, S. 2227 ff.) Der BGH befasst sich in dieser Entscheidung mit der in Rechtsprechung und Literatur streitigen Frage, ob die Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts auf Schadensersatz aus den §§ 280, 281 BGB auch auf den dinglichen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB anwendbar sind. Während dies in Teilen der Literatur aus grundsätzlichen Erwägungen verneint wird, da der dingliche Herausgabeanspruch nur bezwecke, Eigentum und Besitz zusammenzuführen, das Eigentum jedoch nicht wie ein sonstiger Erfüllungsanspruch zugunsten der Wahl von Schadensersatz wegfallen könne, spricht sich die Gegenansicht für eine vorbehaltlose Anwendbarkeit der Vorschriften der §§ 280, 281 BGB auf den Herausgabeanspruch aus § 985 BGB aus. Der BGH schließt sich in obiger Entscheidung der vermittelnden herrschenden Auffassung an, wonach die Anwendbarkeit der §§ 280, 281 BGB auf den Herausgabeanspruch des § 985 BGB nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnis der §§ 987 ff. BGB in Betracht komme. Um die vom Gesetzgeber im Rahmen des EBV beabsichtigte Privilegierung des gutgläubigen, unverklagten Besitzers nicht zu unterlaufen, komme ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 u. 3, § 281 BGB nur gegenüber einem verschärft haftenden Besitzer, also im Falle der Rechtshängigkeit des Herausgabeanspruchs oder der Bösgläubigkeit des Besitzers, in Betracht. Unter dieser Maßgabe bestehe jedoch ein praktisches Bedürfnis für den Eigentümer, der gleichermaßen wie ein obligatorischer Herausgabegläubiger ein Interesse an der Möglichkeit eines rechtssicheren Übergangs vom Herausgabe zum Schadensersatzanspruch habe. [MB] Dr. Michael Brass, UniCredit Bank AG Personalsicherheiten Bürgschaft, Kreditauftrag, Garantie und Schuldbeitritt Artikel-Nr. 22.529-1600 ISBN 978-3-86556-480-1 250 Seiten, gebunden 65,00 € t Jetzllen te bes n@bank ie med rlag.de ve ›› Weitere Fachbücher in unserem Online-Shop: www.bank-verlag-shop.de BuB-Monatsbrief • Nr. 12 • Dezember 2016 3 Allgemeines Bankrecht Gewerbliches Immobilienrecht – Finanzierung – Abgrenzung zum Verbraucherkredit 1. Der Unternehmer, der sich für das konkrete Rechtsgeschäft auf die Schutzvorschriften des Verbraucherrechts beruft, genügt seiner Darlegungslast nicht, sofern er nur zu der inneren Tatsache des mit dem Rechtsgeschäft subjektiv verfolgten Zwecks ausführt. 2. […] (OLG Frankfurt, Urt. v. 3.5.2016, Az. 10 U 152/15, WM 2016, S. 2217 ff.) Der Entscheidung des OLG Frankfurt lag folgender Fall zu Grunde: Der Kläger, der ein umfangreiches Immobilienvermögen besitzt, eine Immobilienverwaltung betreibt und für die insoweit anfallenden Bürotätigkeiten einen Mitarbeiter beschäftigt, verklagte die Bank auf Rückzahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von ca. 20.000 €. Dieser Anspruch resultierte nach Ansicht des Klägers aus einem Baufinanzierungskreditvertrag aus dem Jahr 2008 über 00.000 €, der mit Grundschulden auf dem finanzierten Objekt sowie zwei weiteren Liegenschaften besichert wurde. Zeitgleich nahm der Beklagte bei der beklagten Bank zwei weitere Darlehen zur Finanzierung zweier weiterer Objekte auf. Im Jahr 2011 veräußerte der Kläger eines der Beleihungsobjekte zu dem verfahrensgegenständlichen Baufinanzierungskreditvertrag und führte das Darlehen unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung in der o.g. Höhe vorzeitig zurück. Im Jahr 2014 widerrief der Kläger schließlich seine Willenserklärung zum Abschluss des Baufinanzierungskreditvertrags mit der Begründung, er habe bei Abschluss dieses Kreditvertrages mit einer verbraucherrechtlichen Zwecksetzung agiert und das Objekt zur langfristigen Pflege seines Vermögens sowie als Altersvorsorge erworben. Das OLG Frankfurt hatte hier im Wesentlichen zu entscheiden, ob die vom Kläger geltend gemachte und in der 1. Instanz mit einem Beweisangebot versehene verbraucherrechtliche Zwecksetzung ausreichend ist, um ihn als Verbraucher i.S.d. § 13 BGB zu qualifizieren. Das OLG Frankfurt erkennt den Kläger in seinem Urteil nicht als Verbraucher an. In seiner Urteilsbegründung führt das OLG Frankfurt zunächst aus, dass nach den allgemeinen prozessualen Grundsätzen im Zivilverfahren derjenige die Darlegungs- und Beweislast trage, der sich auf den Schutz einer ihm günstigen Rechtsnorm beruft. Deshalb müsse grundsätzlich derjenige, der sich auf seine Verbrauchereigenschaft beruft, darlegen und beweisen, dass er das Rechtsgeschäft zu einem Zweck abgeschlossen hat, der weder seiner gewerblichen noch seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden könne (so die Legaldefinition des Verbrauchers in § 13 BGB), sondern dass er mit dem Geschäft objektiv einen privaten Zweck verfolgt habe. Bei etwaigen Zweifelsfällen sollen die Schutzvorschriften des Verbraucherrechts nicht anzuwenden sein (vgl. BGH, Urteil v. 11.7.2007, Az.: VIII ZR 110/06). Das OLG Frankfurt zitiert in seiner Urteilsbegründung den BGH, wenn es festhält, dass über die Zuordnung zum privaten oder unternehmerischen Bereich nicht der innere Wille des Handelnden entscheide, sondern die objektiv zu bestimmende Zweckrichtung seines Verhaltens. Diese objektive Zweckrichtung ist – wie üblich – auch unter Berücksichtigung der Begleitumstände zu ermitteln (BGH, Urteil v. 15.11.2007, Az.: III ZR 295/06). Im hiesigen Fall, so das OLG Frankfurt, habe der Kläger im Jahr 2008 unstreitig als Unternehmer mit der Beklagten über die Finanzierung von Anlageobjekten verhandelt. Der Kläger habe weiterhin unstreitig zwei Objekte im Rahmen seiner selbständigen beruflichen Immobilientätigkeit finanziert. Da er zeitgleich auch den verfahrensgegenständlichen Baufinanzierungskreditvertrag abgeschlossen hatte, musste es sich zum damaligen Zeitpunkt objektiv so darstellen, dass er auch insoweit in Verfolgung seiner unternehmerischen Tätigkeit handelte. Letzteres werde nach Auffassung des OLG Frankfurt auch dadurch belegt, dass der Baufinanzierungskredit nicht alleine über das finanzierte Objekt, sondern über zwei weitere Liegenschaften gesichert wurde und damit nicht als singuläres Geschäft, sondern als in seine Immobilientätigkeit eingewoben erscheine. [Wu] Dr. Christian Wulfers, UniCredit Bank AG BuB-Monatsbrief • Nr. 12 • Dezember 2016 4 Allgemeines Bankrecht Verjährte Grundschuldzinsen – Vollstreckungsabwehrklage – Rechtsschutzbedürfnis Erhebt der Schuldner während eines laufenden, aufgrund einer Sicherungsgrundschuld betriebenen Zwangsversteigerungsverfahren eine Vollstreckungsabwehrklage, die er auf die Verjährung eines Teils der Grundschuldzinsen stützt, kann das Rechtsschutzbedürfnis ausnahmsweise zu verneinen sein. Dies setzt voraus, dass der Gläubiger nicht wegen der verjährten Zinsen vollstreckt; ferner müssen Indizien vorliegen, die in einer Gesamtwürdigung den sicheren Schluss erlauben, dass die Vollstreckungsabwehrklage ausschließlich prozesszweckfremden Zielen dient. (BGH, Urt. v. 21.10.2016, Az. V ZR 230/15) In seinem Urteil hatte sich der BGH mit der Zulässigkeit einer Vollstreckungsabwehrklage, insbesondere dem Rechtsschutzbedürfnis, zu befassen. Hintergrund war eine von der beklagten Bank aus zwei Sicherungsgrundschulden betriebene Zwangsversteigerung, wobei die Bank die bereits verjährten, auf den Zeitraum vor dem 1.1.2008 entfallenden Grundschuldzinsen ausdrücklich von ihrem Vollstreckungsauftrag ausgenommen hatte und später – nach dann bereits erhobener Vollstreckungsabwehrklage – zudem auf die verjährten Grundschuldzinsen verzichtet hatte. Unmittelbar vor Klageerhebung hatte sich die Klägerin, die der Bank zusammen mit ihrem Ehegatten die beiden streitgegenständlichen Grundschulden gestellt hatte, mit Schreiben vom September 2013 erstmals auf die Verjährung der bis Ende 2007 entstandenen Grundschuldzinsen berufen und dies kurz vor dem bereits anberaumten Versteigerungstermin. Das LG hatte die Klage als unbegründet abgewiesen, die Zulässigkeit jedoch bejaht. Die gegen die Klageabweisung gerichtete Berufung der Klägerin hat das OLG als unzulässig verworfen. Kurz zuvor war am 29.1.2015 der Zuschlag erteilt und der Verteilungstermin für den 26.3.2015 anberaumt worden. Mit der vom OLG zugelassenen Revision will die Klägerin unverändert erreichen, dass die Zwangsvollstreckung hinsichtlich der vor dem 1.1.2008 fällig gewordenen Grundschuldzinsen für unzulässig erklärt wird. auf die unverjährten Grundschuldzinsen noch ein Verzicht auf dieselben für sich genommen geeignet seien, das Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsabwehrklage entfallen zu lassen, sondern dieses grundsätzlich so lange fortbestehe, wie der Gläubiger den Vollstreckungstitel noch in Händen hält. Dies gelte, so der Senat unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung selbst dann, wenn zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner Einigkeit darüber besteht, dass eine Zwangsvollstreckung aus dem streitgegenständlichen Titel nicht mehr in Betracht kommt. Dies entspreche der Rechtsnatur der Vollstreckungsabwehrklage, die sich nicht gegen eine einzelne Vollstreckungsmaßnahme richte, sondern dazu diene, einem Vollstreckungstitel die Vollstreckungsfähigkeit schlechthin zu nehmen. Infolgedessen könne die Zulässigkeit einer Vollstreckungsabwehrklage auch nicht davon abhängen, ob aktuell Vollstreckungsmaßnahmen drohen. Vor einer aus Sicht des Gläubigers überflüssigen Vollstreckungsabwehrklage könne dieser sich durch ein sofortiges Anerkenntnis hinreichend schützen. Benötigt der Gläubiger den Titel weiter, um im Übrigen rechtmäßig zu vollstrecken, könne er auch eine weitere – beschränkte – vollstreckbare Ausfertigung nach § 733 ZPO erwirken und dem Schuldner den weitergehenden ursprünglichen Titel aushändigen, so dass es ggfs. nicht zu einer Vollstreckungsabwehrklage kommt. Der BGH wies die Vollstreckungsabwehrklage als unzulässig ab und bestätigte damit die Entscheidung des Berufungsgerichts. In der Urteilsbegründung stellte der BGH heraus, dass weder die bloße Einschränkung des Vollstreckungsauftrags Ein Rechtsschutzbedürfnis sei nur dann ausnahmsweise zu verneinen, wenn eine Vollstreckung unzweifelhaft nicht mehr droht. Dem wäre, so der BGH weiter, nach den vorgenannten Grundsätzen nicht der Fall gewesen, da die be›› BuB-Monatsbrief • Nr. 12 • Dezember 2016 5 Allgemeines Bankrecht Verjährte Grundschuldzinsen – Vollstreckungsabwehrklage – Rechtsschutzbedürfnis klagte Gläubigerin den Titel unverändert in Händen hielt. Auch wenn die Zwangsversteigerung zwischenzeitlich beendet gewesen sein sollte, hätte dies nichts daran geändert, dass die Gläubigerin hinsichtlich der bereits verjährten Grundschuldzinsen aus dem Titel vollstrecken könnte, da die Klägerin für das Grundschuldkapital nebst Zinsen im Rahmen der Grundschuldbestellungsurkunde auch die persönliche Haftung übernommen hatte. Grundsätzlich sei es daher erforderlich, so der BGH, dass sich der Schuldner in solchen Fällen nicht nur auf die Einrede der Verjährung berufen kann, sondern auch eine darauf gestützte Vollstreckungsabwehrklage erheben dürfe. Im Besprechungsfall sah der BGH das Rechtsschutzbedürfnis jedoch ausnahmsweise als nicht gegeben an, da einerseits der Grundschuldgläubiger nicht wegen der verjährten Zinsen vollstreckte und andererseits Indizien vorlagen, die in einer Gesamtwürdigung den sicheren Schluss erlaubten, dass die Vollstreckungsabwehrklage ausschließlich prozesszweckfremden Zielen diente. Ausschließlich prozesszweckfremde Ziele verfolge der Schuldner dann, so der Senat, wenn er die Vollstreckungsabwehrklage nicht erhebt, um die Abgabe eines Anerkenntnisses durch den Grundschuldgläubiger oder aber eine Herausgabe des Titels zu erreichen, sondern um die Zwangsvollstreckung aus dem Kapital und den unverjährten Grundschuldzinsen zu behindern. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die Vollstreckungsabwehrklage zur Unzeit erhoben wird, also die Klageerhebung letztlich nur der Verhinderung des Versteigerungstermins betreffend die Vollstreckung wegen Kapital und unverjährter Grundschuldzinsen dienen soll. Dies deshalb, da der Gläubiger dem Ansinnen des Schuldners freiwillig nur dadurch nachkommen kann, indem er vom Versteigerungsgericht den Titel herausverlangt und damit eine erhebliche Verzögerung des Versteigerungsverfahrens in Kauf nimmt. Der vollstre- ckende Gläubiger muss dann nämlich eine weitere – beschränkte – vollstreckbare Ausfertigung des Titels erwirken, um die Zwangsvollstreckung aus dem Kapital und den unverjährten Grundschuldzinsen weiter betreiben zu können. Kurz vor einem bereits anberaumten Versteigerungstermin wird dies, so der BGH, rein tatsächlich nicht möglich sein, da beim Versteigerungstermin und bei Erteilung des Zuschlags die neu erlangte Teilausfertigung nebst Zustellungsnachweis bereits vorliegen muss. Daher sei es aufgrund des resultierenden Zeitdrucks nicht zumutbar, den Schuldner solchermaßen freiwillig klaglos zu staellen. Ebenso, so der BGH, könne der Gläubiger auch nicht darauf verwiesen werden, dass er stattdessen ein Anerkenntnis betreffend die Vollstreckungsabwehrklage abgeben könne, da dies mit erheblichen Kosten verbunden ist. Jedoch ließ der BGH allein die Klageerhebung zur Unzeit als Indiz für eine ausschließlich prozesszweckfremden Zielen dienende Vollstreckungsabwehrklage nicht genügen. Dies könne sich jedoch in der Zusammenschau mit weiteren Indizien ergeben, etwa daraus, dass der zu erwartende Vollstreckungserlös nicht annähernd die Summe aus Kapital und unverjährten Grundschuldzinsen erreicht und die Verhältnisse des Schuldners auch im Übrigen eine erfolgreiche Vollstreckung nicht erwarten lassen. Ausreichend könne es aber auch sein, wenn der Gläubiger – so hier – gemäß § 1178 Abs. 2 BGB auf die verjährten Grundschuldzinsen verzichtet bzw. in Bezug auf eine etwaige mit übernommene persönliche Haftung einen Erlass gemäß § 397 BGB anbietet. Liegt eines dieser weiteren Indizien vor, so ergibt sich nach Auffassung des BGH aus der Zusammenschau mit einer Klageerhebung zur Unzeit in der Regel, dass es dem Schuldner ausschließlich um die Verzögerung der Zwangsversteigerung geht. Entsprechend verneinte der BGH im vorliegenden Fall das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin. [TK] Dr. Thomas Kamm, UniCredit Bank AG BuB-Monatsbrief • Nr. 12 • Dezember 2016 6 Gesellschaftsrecht Gesellschaftsrecht – rechtliche Einheit eines Treuhand- und eines Anteilskaufvertrages Eine rechtliche Einheit im Sinne von § 139 BGB zwischen einem Geschäftsanteilsübertragungsvertrag und einem hiermit wirtschaftlich verknüpften Treuhandvertrag kann zu verneinen sein, wenn die Beteiligten von der erforderlichen Beurkundung des Treuhandvertrages bewusst absehen, den Geschäftsanteilsübertragunsvertrag aber gleichwohl – in Kenntnis der Formnichtigkeit des Treuhandvertrages – ordnungsgemäß beurkunden lassen. In diesem Fall berührt die Formnichtigkeit des Treuhandvertrages die Wirksamkeit des Geschäftsanteilsübertragungsvertrages nicht. (BGH, Urt. v. 22.9.2016, Az. III ZR 427/15, NZG 2016, S. 1312 ff.) Der BGH hat sich in seinem Urteil mit der Frage der rechtlichen Einheit zweier Verträge nach § 139 BGB und dem Durchschlagen der Formnichtigkeit eines der beiden Verträge auf die Wirksamkeit des anderen Vertrages befasst. Nach § 139 BGB führt die Unwirksamkeit eines Teils eines Rechtsgeschäfts zur Nichtigkeit des gesamten Rechtsgeschäfts, wenn nicht anzunehmen ist, dass dieses auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre (m.a.W.: wenn beide Teile eine „rechtliche Einheit“ darstellen). Hintergrund war folgender Fall: Ein Treuhänder hatte im Auftrag seines Treugebers als Alleingesellschafter eine GmbH gegründet. Als der Treuhänder schwer erkrankte, wurde der Geschäftsanteil an der GmbH auf Bitten des Treugebers vom Treuhänder durch notariell beurkundeten Anteilsübertragungsvertrag auf einen Dritten übertragen. Beim Beurkundungstermin war auch der Treugeber anwesend. Es wurde einvernehmlich festgelegt, dass der Dritte den Geschäftsanteil ebenfalls lediglich treuhänderisch für den Treugeber halten sollte. Obwohl der Notar darauf hinwies, dass auch der Treuhandvertrag wegen § 15 Abs. 4 GmbHG einer Beurkundung bedarf (weil darin unter bestimmten Voraussetzungen eine Pflicht zur Rückübertragung des Anteils an den Treugeber vorgesehen war), verzichteten alle Beteiligten auf eine Beurkundung des (neuen) Treuhandvertrages. Der Treugeber äußerte, er vertraue dem neuen Treuhänder aufgrund der jahrelangen guten Zusammenarbeit. Nach Anteilsübertragung bestellte sich der neue Treuhänder zum Geschäftsführer und übertrug Vermögen und Grundstücke der GmbH auf sich und seine Frau. Die Verträge wurden später angefochten; die GmbH hat zudem Haftungsansprüche gegen den beurkundenden Notar geltend gemacht. Der BGH hat in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen eine „rechtliche Einheit“ zwischen dem Anteilsübertragungsvertrag und dem (neuen) Treuhandvertrag verneint. Der Anteilsübertragungsvertrag sei beurkundet worden und deshalb (bis zu seiner Anfechtung) wirksam gewesen. Die neue Treuhandvereinbarung zwischen dem Treugeber und dem neuen Treuhänder sei mangels Beurkundung nach § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG, § 125 Satz 1 BGB wegen Formmangels unwirksam. Die Formunwirksamkeit des Treuhandvertrages schlage jedoch nicht auf die Wirksamkeit des Anteilsübertragungsvertrages durch, da beide Verträge keine rechtliche Einheit im Sinne des § 139 BGB darstellten. Für ein „einheitliches Rechtsgeschäft“ im Sinne des § 139 BGB sei ein Einheitlichkeitswille nötig, der vorliege, wenn das eine Geschäft nicht ohne das andere gewollt sei und also beide Geschäfte „miteinander stehen und fallen“ sollten. Entscheidend sei ein rechtlicher Zusammenhang und nicht lediglich eine wirtschaftliche Verknüpfung. Ein einheitliches Rechtsgeschäft könne auch dann vorliegen, wenn einzelne Rechtsgeschäfte in mehreren Urkunden niedergelegt seien, unterschiedlichen Geschäftstypen angehörten und an ihnen zum Teil verschiedene Personen beteiligt seien. Im entschiedenen Fall habe zwar eine wirtschaftliche Verknüpfung zwischen den Verträgen bestanden. Diese korrespondiere jedoch nicht mit einem rechtlichen Zusammenhang, weil es an einem ›› BuB-Monatsbrief • Nr. 12 • Dezember 2016 7 Gesellschaftsrecht Gesellschaftsrecht – rechtliche Einheit eines Treuhand- und eines Anteilskaufvertrages diesbezüglichen Parteiwillen gefehlt habe. Alle Beteiligten seien geschäftserfahren gewesen und hätten trotz Belehrung durch den Notar ausdrücklich auf eine Beurkundung der Treuhandvereinbarung verzichtet. Sie seien sich bewusst gewesen, dass die Treuhandvereinbarung formnichtig und deshalb rechtlich unverbindlich gewesen sei. Der Treugeber habe zum Ausdruck gebracht, dass er dem neuen Treuhänder vertraue, er deshalb „auf eine rechtliche Verbindlichkeit der Treuhandvereinbarung verzichten könne und ihm eine gleichsam nur ‚moralische’ Verpflichtung genüge“. Da die Beteiligten nach den objektiv erkennbaren Umständen in dem Bewusstsein der Formnichtigkeit der Treuhandvereinbarung handelten und dennoch den rechtswirksamen Übergang des GmbH-Geschäftsanteils vom alten auf den neuen Treuhänder erklärtermaßen herbeiführen wollten, sei der Schluss gerechtfertigt, dass die Beteiligten eine rechtliche Einheit zwischen beiden Verträgen nicht beabsichtigten. Die Formunwirksamkeit des Treuhandvertrages führe daher nicht auch zur Unwirk-samkeit des Anteilsübertragungsvertrages nach § 139 BGB. [SFa] Dr. Stephan Fackler, UniCredit Bank AG Impressum Verlag und Redaktion: Bank-Verlag GmbH Postfach 450209, 50877 Köln Wendelinstraße 1, 50933 Köln Tel. 0221/54 90-0 Fax 0221/54 90-315 E-Mail: medien@ bank-verlag.de Geschäftsführer: Wilhelm Niehoff (Sprecher) Michael Eichler Matthias Strobel Gesamtleitung Kommunikation und Redaktion: Dr. Stefan Hirschmann Tel. 0221/54 90-221 E-Mail: stefan.hirschmann@ bank-verlag.de Bereichsleitung Medien: Bernd Tretow Layout & Satz: Cathrin Schmitz Tel. 0221/54 90-132 E-Mail: cathrin.schmitz@ bank-verlag.de Mediaberatung: Alexander May Tel. 0221/54 90-603 E-Mail: alexander.may@ bank-verlag.de Redaktion: Caroline Serong Tel. 0221/54 90-118 E-Mail: caroline.serong@ bank-verlag.de Erscheinungsweise: 12 x jährlich Kein Teil dieser Publikation darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags vervielfältigt werden. 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BuB-Monatsbrief • Nr. 12 • Dezember 2016 8 Insolvenzrecht Insolvenzanfechtung – Deckungsanfechtung Kündigt der Schuldner dem Gläubiger einer in den Vormonaten deutlich angewachsenen fälligen Forderung an, im Falle des Zuflusses neuer Mittel die Verbindlichkeit nur durch eine Einmalzahlung und zwanzig folgende Monatsraten begleichen zu können, offenbart er dem Gläubiger seine Zahlungsunfähigkeit. (BGH, Urt. v. 16.6.2016, Az. IX ZR 23/15, ZIP 2016, S. 1388 ff.) Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 6.9.2011 am 1.11.2011 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. GmbH (Schuldnerin). Die Schuldnerin, ein Tiefbauunternehmen, stand mit der Beklagten, die Spezialtiefbaugeräte herstellt und vermietet, in langjähriger Geschäftsbeziehung. Spätestens ab Anfang 2011 geriet die Schuldnerin in stetig anwachsende wirtschaftliche Schwierigkeiten. Ende Juni 2011 betrug ihr Zahlungsrückstand bei der Beklagten mind. 200.000 €, weshalb die Beklagte am 11.7.2011 einen Lieferstopp gegen die Schuldnerin verhängte, die fristlose Kündigung bestehender Mietverträge androhte und einzelne Mietverträge fristlos kündigte. Die Schuldnerin erklärte daraufhin gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 27.7.2011, gegen Erfüllung nicht näher bezeichneter Auflagen für das Geschäftsjahr 2012 weiter finanziert zu sein, und kündigte an, auf ihre Rückstände bei der Beklagten nach einem Liquiditätszufluss eine Einmalzahlung i.H.v. 50.000 € und monatliche Ratenzahlung i.H.v. je 40.000 € zu erbringen. Mitte August 2011 benötigte die Schuldnerin, deren Zahlungsrückstände bei der Beklagten sich auf inzwischen rd. 800.000 € erhöht hatten, die Auslieferung eines Kraftdrehkopfes durch die Beklagte, wozu sich diese nur gegen eine – von der Schuldnerin geleisteten – Abschlagszahlung von 200.000 € und Stellung einer Bankbürgschaft bereit erklärte. Mit seiner Klage begehrt der Kläger unter dem Aspekt der Deckung- und Vorsatzanfechtung Erstattung des an die Beklagten überwiesenen Abschlagsbetrages. Das LG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das OLG hat sie auf die Berufung des Beklagten abgewiesen. Hiergegen richtet sich mit Erfolg die Revision des Klägers. Die vom Berufungsgericht zur Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit getroffenen Feststellungen halten nach Auffassung des BGH einer revisionsrechtlichen Kontrolle nicht stand. Mit seiner Würdigung, der 2011 eingetretene sich stetig erhöhende Zahlungsrückstand sei mit dem in früheren Jahren aufgetretenen Zahlungsverzug vergleichbar, habe das Berufungsgericht ebenso gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen wie mit der Außerachtlassung des Umstandes, dass die Schuldnerin im Schreiben vom 27.7.2011 ihre dauernde Zahlungsunfähigkeit ausdrücklich eingestanden habe. Das der Beklagten bekannte sprunghafte Anwachsen der Zahlungsrückstände in den Monaten Juni bis August 2011 trotz einzelner Zahlungen stelle schon für sich gesehen ein wichtiges Indiz für die Kenntnis der Zahlungseinstellung dar und lasse nur den Schluss zu, dass Mitte 2011 eine deutliche Liquiditätsverschlechterung eintrat, die sich aus der Sicht der Beklagten von früheren Zahlungsengpässen bei der Schuldnerin grundlegend unterschied. Für die Beklagte habe sich das Bild einer am Rande des wirtschaftlichen Abgrundes handelnden Schuldnerin ergeben. Dem Umstand, dass die Beklagte die Bitte der Schuldnerin um Auslieferung des Kraftdrehkopfes genutzt habe, um die nachträgliche Besicherung ihrer Forderungen und eine Abschlagszahlung, die weit über dem von der Schuldnerin angekündigten Teilzahlungsbetrag lag, zu erzwingen, komme ebenfalls indizielle Bedeutung für die Kenntnis der Zahlungseinstellung zu. ›› BuB-Monatsbrief • Nr. 12 • Dezember 2016 9 Insolvenzrecht Insolvenzanfechtung – Deckungsanfechtung Ein Gläubiger, dem der Schuldner nach Eintritt der Zahlungseinstellung Ratenzahlungen zur Abwendung der allein aus seiner Forderung herzuleitenden Insolvenz anbietet, könne regelmäßig nicht davon ausgehen, dass die Forderungen anderer Gläubiger, mit denen bei einem gewerblich tätigen Schuldner immer zu rechnen sei, in vergleichbarer Weise bedient werden wie seine eigenen. Diese Grundsätze gelten auch für den hier gegebenen Fall einer erzwungenen einmaligen Abschlagszahlung in erheblicher Höhe, welche aber den bestehenden Zahlungsrückstand längst nicht abdeckt. [PB] Patricia Berger, UniCredit Bank AG 8. überarbeitete Auflage Bankgeheimnis und Bankauskunft in der Praxis Artikel-Nr. 22.116-1600 ISBN 978-3-86556-477-1 260 Seiten, gebunden 49,00 € t Jetzllen te bes bank ›› ien@ med rlag.de ve Weitere Fachbücher in unserem Online-Shop: www.bank-verlag-shop.de BuB-Monatsbrief • Nr. 12 • Dezember 2016 10 Insolvenzrecht Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle Ist ungewiss, ob eine angemeldete Forderung besteht oder nicht, kann der Insolvenzverwalter sie nicht als „auflösend bedingt“ zur Insolvenztabelle feststellen. (BFH, Beschl. v. 16.3.2016, Az. V B 41/15, ZIP 2016, S. 1393 ff.) Die spätere Insolvenzschuldnerin und das Finanzamt stritten sich darüber, ob eine Leistung der Umsatzsteuer unterlag oder nicht. Gegen den vom FA unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Umsatzsteuer-Jahresbescheid erhob die Schuldnerin Einspruch. Am 1.6.2012 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Der Verwalter lehnte eine Aufnahme des anhängigen Einspruchsverfahren wegen seines Erachtens mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses ab und stellte vielmehr die vom Finanzamt angemeldete USt-Forderung wie folgt zur Tabelle fest: „Festgestellt: als auflösend bedingt i.H.v. … € aufgenommen“. Der BFH lehnte eine Zulassung der Revision ab. Die Frage, „ob eine Forderung als auflösend bedingt zur Insolvenztabelle festgestellt werden kann“, sei nicht von grundsätzlicher Bedeutung, weil sie sich unmittelbar aus dem Gesetz beantworten lasse und sich zudem im Streitfall nicht stelle. Gemäß § 42 InsO werden im Insolvenzverfahren auflösende Bedingungen, solange die Bedin- gung nicht eingetreten ist, wie unbedingte Forderungen berücksichtigt. Da der Gläubiger einer auflösend bedingten Forderung die Leistung vor Eintritt der Bedingung wie eine unbedingte verlangen kann, werden sie im Insolvenzverfahren als unbedingte Forderungen angemeldet und auch unbedingt festgestellt. Im Übrigen gehe es dem Kläger vorliegend nicht um die Feststellung einer „auflösend bedingten“ Forderung i.S.d. § 42 InsO i.V.m. § 158 BGB, der voraussetzte, dass der Fortbestand einer Forderung von einem ungewissen zukünftigen Ereignis abhängt. Hierunter falle nicht die Ungewissheit, ob die Forderung selbst überhaupt bestehen. Nach Anmeldung einer Forderung zur Insolvenztabelle müsse sich der Insolvenzverwalter im Rahmen seiner Prüfungspflicht entscheiden, ob er die Forderung uneingeschränkt feststellt oder ob er sie bestreitet und zur Beseitigung der Unsicherheit ein nicht abgeschlossenes Einspruchs- oder Klageverfahren aufnimmt. Er kann die Klärung nicht durch einen Feststellungsvermerk „als auflösend bedingt“ offen lassen. [PB] Patricia Berger, UniCredit Bank AG BuB-Monatsbrief • Nr. 12 • Dezember 2016 11 Wertpapier- und Kapitalmarktrecht Kapitalmarktrecht – Markmanipulation – Einwirkung auf den Börsenpreis 1. Das Tatbestandsmerkmal „sonstige Täuschungshandlungen“ im Sinne des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG entspricht bei einer am Inhalt der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) sowie der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG vom 22. Dezember 2003 orientierten Auslegung dem Bestimmtheitsgebot des Grundgesetzes. 2. Zur Feststellung einer Einwirkung auf den Börsenpreis im Sinne des § 38 Abs. 2 Nr. 1 WpHG. (BGH, Beschl. v. 25.2.2016, Az. 3 StR 142/15, NJW 2016, S. 3459 ff.) Das Landgericht Kleve hatte die Angeklagten wegen Marktmanipulation gemäß der §§ 38 Abs. 2, 39 Abs. 1 Nr. 2, 20 a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpHG verurteilt. Die diesbezügliche Revision hat der BGH zurück gewiesen – lediglich soweit sich die Revision auf die Anordnung des Verfalls von Wertersatz gerichtet hat, hat der BGH das Urteil aufgehoben und an eine andere Strafkammer des Landgerichtes zurück verwiesen. Nach den Feststellungen des Landgerichtes organisierten die Angeklagten für Dritte die Gründung einer Aktiengesellschaft und erhielten im Gegenzug hierfür einen Teil der Aktien. Später bewarben die Angeklagten die im Freiverkehr unter anderem der Frankfurter Börse gehandelten Wertpapiere in der Absicht, für diese einen Markt zu schaffen und dadurch – wenn möglich – eine Kurssteigerung hervorzurufen, um einen möglichst großen Gewinn bei deren Verkauf zu erzielen. Dies geschah zum einen durch den Versand von Mitteilungen über elektronische Börsenbriefe, zum anderen durch Telefonmarketing seitens einer Finanzgesellschaft, deren Vorstand einer der Angeklagten angehörte. Die Börsenbriefe enthielten ein Impressum, in dem dargelegt war, dass der Herausgeber Positionen an der fraglichen Aktie halten könne. Im Nachgang zu diesen Maßnahmen tätigten die Angeklagten Verkäufe der von ihnen gehaltenen Aktien. Das Landgericht ist, unbeanstandet vom BGH, zum Ergebnis gekommen, dass die Angeklag- ten durch eine „sonstige Täuschungshandlung“ i.S.d. § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG auf den Börsenpreis im Sinne des § 38 Abs. 2 Nr. 1 WpHG eingewirkt haben. Hinsichtlich § 20 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG hat der BGH keine Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit dieser Norm, insbesondere ist das Tatbestandsmerkmal der „sonstige Täuschungshandlung“ nach seiner Auffassung ausreichend bestimmt im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG. Zumindest im Wege der richtlinien-konformen Auslegung der RL 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Markmanipulation erlangt die Vorschrift die erforderliche Klarheit, insbesondere aus den in der Durchführungsrichtlinie aufgeführten Beispiele. Als Beispiel nennt die Richtlinie ausdrücklich die Ausnutzung eines gelegentlichen oder regelmäßigen Zugangs zu den traditionellen oder elektronischen Medien durch Abgabe einer Stellungnahme zu einem Finanzinstrument, wobei zuvor Positionen bei diesem eingegangen wurden, ohne dass der Öffentlichkeit gleichzeitig dieser Interessenkonflikt auf ordnungsgemäße und effiziente Weise mitgeteilt wird, unabhängig davon, ob die Empfehlung für sich betrachtet sachgerecht war. Auch die Feststellungen des erforderlichen Taterfolges – die Einwirkung auf den Börsenpreis – gemäß § 38 Abs. 2 Nr. 1 WpHG sind nach Ansicht des BGH rechtsfehlerfrei. Entscheidend ist nach dem BGH, dass die manipulative Handlung ›› BuB-Monatsbrief • Nr. 12 • Dezember 2016 12 Wertpapier- und Kapitalmarktrecht Kapitalmarktrecht – Markmanipulation – Einwirkung auf den Börsenpreis kausal für die weitere Preisentwicklung ist. Für die tatrichterliche Überzeugungsbildung gilt § 261 StPO, hiernach ist die rechtsfehlerfreie richterliche Überzeugung die subjektive Gewissheit auf hinreichender Tatsachengrundlage. Auf deren Basis müssen die vom Tatgericht gezogenen Schlüsse möglich, nicht dagegen zwingend sein. Die diesbezügliche Argumentation des Landgerichts ist nach Ansicht des BGH ohne weiteres nachvollziehbar. Sie beruht auf der Überlegung, dass die empfohlenen Aktien weitgehend unbekannt waren und somit nur in geringem Umfang gehandelt wurden. Nachdem in unmittelbarer zeitlichen Folge zu den Werbemaßnahmen für die Aktie Umsatz und Käuferzahlen um mindestens das Doppelte anstiegen, ist der Schluss auf einen Zusammenhang mit den Tätigkeiten der Angeklagten und den Preisentwicklungen nicht nur möglich, sondern auch naheliegend. Dies umso mehr, als dass das Landgericht dargelegt hatte, dass andere Ursachen für eine solche Preisentwicklung nicht zu erkennen waren. [HD] Heike Dunker, UniCredit Bank AG BuB-Monatsbrief • Nr. 12 • Dezember 2016 13 Wertpapier- und Kapitalmarktrecht Derivate – Aufklärungspflicht über anfänglich negativen Marktwert bei Swaps – Anlageberatungsvertrag als Voraussetzung und mögliche Anhaltspunkte für fehlende Kausalität 1. Nur bei Zustandekommen eines Anlageberatungsvertrages trifft die zum Abschluss eines Swap-Vertrages im Zweipersonenverhältnis ratende Bank aus dem Gesichtspunkt des schwerwiegenden Interessenkonflikts eine Verpflichtung, die Einpreisung einer Bruttomarge und deren Höhe zu offenbaren. Es handelt sich nicht um eine Nebenpflicht aus dem mit dem Swap-Vertrag begründeten Austauschverhältnis. 2. Die Kenntnis des Klägers von der Tatsache, dass die Bank eine Bruttomarge in die Bedingungen eingepreist hat, kann im Rahmen der Kausalität und im Rahmen von § 199 I Nr. 2 BGB eine Rolle spielen. 3. Ebenso kann für die Frage der Kausalität entscheidend sein, ob ein vom Kunden gewünschtes Anlageziel nur mit dem empfohlenen Produkt oder auch mit anderen Anlagen mit vergleichbar eingepreister Bruttomarge erreicht werden kann. In letzterem Fall kann das Einpreisen eines anfänglich negativen Marktwertes mangels vorhandener Alternativen für eine Anlageentscheidung unmaßgeblich sein. (BGH, Urt. v. 12.7.2016, Az. XI ZR 150/15; davor OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 12.3.2015, Az. 16 U 228/13; LG Frankfurt am Main, Urt. v. 20.11.2013, Az. 2-12 O 155/12) Die Klägerin hatte eine ständige Geschäftsverbindung mit der Beklagten. Mit dieser schloss die Klägerin am 29.7.2007 einen Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte. Die Klägerin war Darlehensnehmerin einer mit der Beklagten im genossenschaftlichen Kreditverbund stehenden Bank. Am 3.9.2008 vereinbarten die Klägerin und die beklagte Bank einen Zinssatzswap für die Laufzeit vom 01.09.2009 bis zum 1.9.2018. Die Klägerin verpflichtete sich zur halbjährlichen Zahlung von Zinsen in Höhe 4,65 % p.a. auf den Bezugsbetrag in Höhe von zunächst € 5 Mio. Die Beklagte leistete im Gegenzug auf den gleichen Bezugsbetrag Zinsen in Höhe des 6-MonatsEuribors. Außerdem vereinbarten die Parteien am gleichen Tag einen Zins-und Währungsswap mit einer Laufzeit vom 5.9.2008 bis zum 31.12.2012. Die Klägerin sollte insgesamt ca. CHF 5,3 Mio. in halbjährlichen Raten und Zinszahlungen in Höhe von 3,25 % an die Beklagte zahlen, während die Beklagte gesamt ca. € 3,3 Mio. und Zinsen hierauf in Höhe des 6-Monats-Euribors an die Klägerin zahlen sollte. In beide Swap-Verträge preiste die beklagte eine Bruttomarge ein, so dass aus Sicht der Klägerin die Swaps anfänglich negative Marktwerte aufwiesen. Jedenfalls über die Höhe dieses anfänglichen negativen Marktwertes belehrte die Beklagte die Klägerin nicht. Der Zinssatz-Swap wurde am 22.12.2011 vorzeitig gegen eine Ausgleichszahlung der Klägerin in Höhe von € 751.000 aufgelöst. Der Zins- und Währungsswap lief am 31.12.2012 mit einem negativen Saldo zu Lasten der Klägerin aus. Diese macht nun Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte in Höhe von gesamt € 2.352.047,45 geltend. Ob die Swap-Verträge auf Empfehlungen der Bank im Rahmen einer Anlageberatung beruhten, ist streitig. Das Berufungsgericht ging davon aus, dass diese Frage irrelevant sei, da eine Pflicht zur Aufklärung über die Höhe des anfänglich negativen Marktwertes unabhängig davon bestanden hätte, ob ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen sei. Eine solche Pflicht bestünde schon als „Nebenpflicht zur Empfehlung des eigenen Produkts im Rahmen der Finanzdienstleistung“. Dieser Feststellung ›› BuB-Monatsbrief • Nr. 12 • Dezember 2016 14 Wertpapier- und Kapitalmarktrecht Derivate – Aufklärungspflicht über anfänglich negativen Marktwert bei Swaps – Anlageberatungs-vertrag als Voraussetzung und mögliche Anhaltspunkte für fehlende Kausalität ist das Revisionsgericht entgegengetreten. Über den anfänglich negativen Marktwert ist nur bei Zustandekommen eines Anlageberatungsvertrages aufzuklären, da die Pflicht gerade aus dem Gesichtspunkt des schwerwiegenden Interessenskonflikts resultiert. Nachdem der BGH nicht in der Sache selbst entscheiden konnte, hob er das Urteil des Berufungsgerichtes auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück. Hierbei gab es in Bezug auf den Anlageberatungsvertrag zu bedenken, dass nach ständiger Rechtsprechung in Fällen, in denen der Kunde an die Bank oder die Bank an den Kunden herantritt, um über den Abschluss von Swap-Verträgen beraten zu werden bzw. zu beraten, das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrags stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs angenommen wird. Der BGH stellte weiter fest, dass das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft zur Frage der Kausalität einer Pflichtverletzung entscheidungserhebliches Vorbringen der Beklagten übergangen hat, unterstellt es lag eine Beratungspflichtverletzung vor. Die Beklagte hatte vorgebracht, dass die Klägerin Kenntnis davon gehabt habe, dass die Bank eine Bruttomarge in die Bedingungen des Swap-Vertrages einpreise. Ist dies der Fall, kann dies nach den Umständen des Einzelfalls den Schluss zulassen, dass wenn der Kunde auch ohne Kenntnis des Umfangs der Bruttomarge das Geschäft dennoch geschlossen hat, er auch im Falle einer Unterrichtung über die Höhe des eingepreisten anfänglich negativen Marktwertes den Swap abgeschlossen hätte. Die Beklagte hatte dies vorgetragen und hierfür Beweis angeboten. Mit diesem Vorbringen hat sich das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft nicht auseinandergesetzt. Schließlich hat das Berufungsgericht sich fälschlicherweise nicht mit dem Vortrag der Beklagten befasst, dass das von der Klägerin gewünschte Anlageziel nur mit dem empfohlenen Produkt oder anderen Anlagen mit vergleichbar eingepreister Bruttomarge erreicht werden konnte, so dass das Einpreisen eines anfänglich negativen Marktwertes mangels vorhandener Alternativen für die Anlageentscheidung unmaßgeblich war. Für das weitere Verfahren wies der BGH neben den Ausführungen zu den Voraussetzungen des Anlageberatungsvertrages u.a. darauf hin, dass vorliegend die Aufklärungspflicht nicht aufgrund eines konnexen Gegengeschäfts entfalle. Ein solches hätte allenfalls vorliegen können, wenn auch das Darlehen der Klägerin mit der Beklagten abgeschlossen worden wäre, nicht nur der Swap-Vertrag. Darlehensgeber war hier aber eine andere Bank. Außerdem kann die Beklagte der Klägerin nicht den Einwand der Mitschuld im Sinne von § 254 I BGB entgegenhalten, weil sie Kenntnis von der Einpreisung einer Bruttomarge hatte. Dies kann nur im Rahmen der Kausalität oder hinsichtlich § 199 I Nr. 2 BGB relevant sein. [MK] Martina Kern, UniCredit Bank AG BuB-Monatsbrief • Nr. 12 • Dezember 2016 15 BuB – für alle Fälle Bankrecht und Bankpraxis gilt seit über 30 Jahren als führendes Standardwerk im Bankwesen. 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