Kleine Anfrage 5438

LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode
Drucksache
16/13796
14.12.2016
Kleine Anfrage 5438
der Abgeordneten Henning Höne und Marc Lürbke FDP
Kommunalpolitiker kapitulieren und ziehen sich aus Angst aus der Politik zurück – Ein
Alarmzeichen mit Signalfunktion!?
Jetzt hat der Vorsitzende der Bocholter Sozialdemokraten Konsequenzen aus den seit
Monaten anhaltenden und auf ihn gerichteten Hassmails gezogen und angekündigt, sich aus
der Kommunalpolitik zurückzuziehen.
Als Stadtverbandsvorsitzender der Bocholter SPD sah er sich schon in der Vergangenheit
gezwungen, einen örtlichen Parteitag abzusagen, da ihm gedroht wurde, dass ihm sein
„Judenschädel abgeschlagen“ (ZEIT ONLINE, 7. Oktober 2016) werde. Innen- und
Kommunalminister Ralf Jäger (SPD) erklärte daraufhin auf seiner Facebook-Seite am
7. Oktober 2016: „Wir werden nicht zulassen, dass die Errungenschaften unserer freiheitlich
demokratischen Grundordnung mit Füßen getreten werden. Thomas, du hast meine absolute
Solidarität.“
Bereits im April diesen Jahres haben sich Abgeordnete der FDP-Landtagsfraktion nach dem
Ausmaß der Gewalt gegenüber Kommunalpolitikern in Nordrhein-Westfalen bei der
Landesregierung erkundigt (vgl. Kleine Anfrage 4646 vom 6. April 2016). In der Antwort auf
die Kleine Anfrage erklärte Minister Ralf Jäger, dass mit Stichtag 8. April 2016 für das Jahr
2016 „zwei Bedrohungen zum Nachteil von Amts- und Mandatsträgern“ (Drs. 16/11928)
gemeldet wurden. „Bedarf an einem Aktionsplan von Bund und Ländern wird […] derzeit nicht
gesehen“ (Drs. 16/11928), führt der Minister auf Nachfrage aus und erteilt damit
entsprechenden Forderungen aus der kommunalen Familie eine Absage.
Zur Sitzung des Ausschusses für Kommunalpolitik am 4. November 2016 hat die FDPLandtagsfraktion einen weiteren schriftlichen Bericht der Landesregierung zum Ausmaß der
Gewalt gegenüber kommunalen Amts- und Mandatsträgern beantragt. In dem dargelegten
Bericht erklärt Minister Jäger, dass mit Stichtag 12. September 2016 bereits 20 Meldungen mit
Bezug zu Gewalt und Bedrohungen gegenüber kommunalen Amts- und Mandatsträgern in
diesem Jahr zu verzeichnen waren (vgl. Vorlage 16/4403).
„In Nordrhein-Westfalen erörtern die Sicherheitsbehörden und das Justizministerium
gemeinsam das Thema Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger und prüfen fortwährend,
Datum des Originals: 14.12.2016/Ausgegeben: 15.12.2016
Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des
Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der
kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter
www.landtag.nrw.de
LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode
ob über die bereits bestehenden Maßnahmen
Handlungsbedarf besteht“ (Vorlage 16/4403).
Drucksache 16/13796
hinaus
weiterer
konzeptioneller
Der Rücktritt des engagierten Kommunalpolitikers ist ein erneutes Alarmsignal für alle
Demokraten und muss Anlass dafür geben, über die Strategie zum Schutz der
Kommunalpolitiker in Nordrhein-Westfalen nachzudenken. Denn die Grundwerte der
Demokratie stehen auf dem Spiel. Insbesondere in den Kommunen engagieren sich zahlreiche
Bürger ehrenamtlich und zumeist mit sehr viel Herzblut für bessere Lebensbedingungen in
ihrem direkten Lebensumfeld.
Der SPD-Kommunalpolitiker begründet den Rücktritt auch mit Verweis auf seine
Verantwortung gegenüber seiner Lebensgefährtin und seiner Tochter:
„Die Verfasser der Hassmails haben aber nunmehr eine Grenze überschritten, die ich so auf
keinen Fall hinnehmen kann“ (Westfälische Nachrichten, 13. Dezember 2016), so der
Bocholter. Nach seinen Angaben haben sich die Hassmails auch auf seine Lebensgefährtin
und seine Tochter bezogen: „Da habe ich als Familienvater gegenüber meiner kleinen und
jungen Familie eine besondere Pflicht und Verantwortung“ (Westfälische Nachrichten, 13.
Dezember 2016).
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
1.
Welche Entwicklungen sind hinsichtlich der Gewalt und Bedrohungslage gegenüber
Kommunalpolitikern in Nordrhein-Westfalen seit dem 12. September 2016 zu
verzeichnen? (Bitte detailliert angeben.)
2.
Wie bewertet die Landesregierung die vorgetragene Argumentation, dass ein Rücktritt
vom kommunalpolitischen Ehrenamt auch aus Vorsorge zum Schutz der Familie
begründet wird?
3.
Inwiefern nimmt die Landesregierung den Rücktritt als Alarmzeichen mit Signalfunktion
für die Demokratie wahr, dass sich auch andere ehrenamtlich Aktive in NordrheinWestfalen aus Angst vor Übergriffen auf die eigene Person oder das persönliche Umfeld
womöglich gänzlich aus dem Ehrenamt zurückziehen?
4.
Inwiefern steht die Landesregierung mit den kommunalen Spitzenverbänden
kontinuierlich im Austausch, um sich über die Entwicklungen hinsichtlich der Gewalt und
Bedrohungslage gegenüber kommunalen Amts- und Mandatsträgern auszutauschen
bzw. erkennbaren Handlungsbedarf zu konkretisieren?
5.
Inwiefern sieht die Landesregierung konzeptionellen Handlungsbedarf vor dem
Hintergrund der Entwicklungen in der politisch motivierten Kriminalitätsstatistik in
Nordrhein-Westfalen?
Henning Höne
Marc Lürbke
2