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SWR Tagesgespräch
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nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an.
Norbert Spinrath (SPD), europapolitischer Sprecher
der Bundestagsfraktion, gab heute, 13.12.16, dem
Südwestrundfunk ein Interview zum Thema:
„EU und Türkei“.
Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Marion Theis.
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Mit freundlichen Grüßen
Zentrale Information
Datum:
13.12.2016
SPD-Abgeordneter Spinrath: Türkei nicht zum Märtyrer machen
Baden-Baden: Der europapolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Norbert Spinrath,
hat die Türkei ermahnt, zur Rechtsstaatlichkeit zurückzukehren. Die Regierung müsse
Augenmaß wahren und von willkürlichen Verhaftungen absehen, forderte Spinrath im SWR
(Südwestrundfunk). Diese Mahnungen von deutscher und europäischer Seite seien ein
deutliches Signal an Präsident Erdogan und die türkische Regierung, dass die Vorgänge in der
Türkei nicht akzeptabel seien.
Der SPD-Politiker warnte allerdings davor, die EU-Beitrittsgespräche auszusetzen. Das würde
den Menschen in der Türkei nicht weiterhelfen und Erdogan zum Märtyrer machen. Jetzt sei es
am türkischen Präsidenten, zu erklären, welche Art von Beziehung er zur EU haben wolle.
Spinrath räumte ein, dass die Verhandlungen abgebrochen werden müssten, wenn die Türkei
die Todesstrafe wieder einführen würde. Bis dahin solle aber der Dialog aufrechterhalten
werden. „Wir wollen nichts unversucht lassen, diesen Punkt eben nicht zu erreichen“, sagte der
SPD-Politiker wörtlich.
Wortlaut des Live-Gesprächs:
Theis: Österreich will die Beitrittsgespräche mit der Türkei aussetzen. EUKommissionspräsident Juncker will die Verhandlungen fortsetzen. Auf wessen Seite
stehen Sie?
Spinrath: Ich glaube, wir müssen jetzt vor allen Dingen ruhig und besonnen agieren. Es ist eine
schreckliche Situation in der Türkei nach den Anschlägen. Jetzt erneut hat es eine große
Verhaftungswelle gegeben. So sehr ich die Anschläge verurteile, an die Opfer dabei denke, so
sehr fordere ich aber auch die türkische Regierung auf, jetzt Augenmaß zu behalten und von
willkürlichen Verhaftungen abzusehen.
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Theis: Sie sagen ruhig und besonnen reagieren, das klingt ein bisschen nach gar nichts
tun, aber das haben Sie wahrscheinlich nicht gemeint, oder?
Spinrath: Das habe ich nicht gemeint. Nein. Gar nichts tun wäre auch falsch. Ich glaube, wir
sind auf der richtigen Linie, wenn wir seit Wochen, seit Monaten, auch nach dem Putschversuch
Herrn Erdogan dazu auffordern, zur Rechtsstaatlichkeit zurückzukehren, von Willkür abzusehen
und damit auch auf dem Boden zu bleiben, den die europäischen Werte bieten. Ich glaube,
dass wir in der derzeitigen Verfassung der Türkei große Schwierigkeiten haben, zu Ergebnissen
zu kommen. Deshalb eben die eindringliche Mahnung an die türkische Regierung, an den
türkischen Staatspräsidenten, hier einzulenken.
Theis: Wir mahnen schon seit Wochen und Monaten. Bisher hat das aber nichts
gebracht. Wäre da nicht einmal ein deutlicheres Zeichen angesagt?
Spinrath: Es ist, glaube ich, ein deutliches Zeichen, wenn wir darauf hinweisen, dass wir diese
Vorgänge dort nicht akzeptieren können. Wenn wir dazu auffordern, dem endlich ein Ende zu
machen. Aber ich glaube, wir müssen auch an die 74 Millionen Menschen in der Türkei denken
und daran, was mit ihnen geschieht, wenn jetzt Verhandlungen abgebrochen würden. Ich
glaube, Herr Erdogan wartet nur darauf, dass die EU einen solchen Schritt unternimmt. Es ist
an ihm jetzt, zu klären, wie es weitergeht. Wenn er den Kurs Richtung EU verlassen will, dann
muss er das tun. Sollten wir jetzt die Verhandlungen abbrechen, die Gespräche abbrechen,
dann machen wir Herrn Erdogan zum Märtyrer.
Theis: Aber andererseits: Macht sich die EU nicht unglaubwürdig, wenn sie mit einem
Staat Gespräche führt, der die Beitrittskriterien ganz klar nicht erfüllt?
Spinrath: Deshalb fordern wir ihn ja auf, dorthin zurückzukehren. Er erfüllt diese Beitrittskriterien
derzeit klar und deutlich nicht. Wir wollen aber den Dialog aufrecht erhalten, und auch die
türkische Opposition fordert uns dazu auf, bittet uns darum, diesen Dialog fortzusetzen, weil sie
noch viel Schlimmeres fürchtet, für den Fall, dass Europa der Türkei den Rücken kehrt.
Theis: Aber man kann doch trotzdem weiter reden, auch wenn man die
Beitrittsgespräche vorläufig einfriert, und das heißt ja auch noch nicht, sie formal zu
beenden. Wäre das nicht mal ein Signal?
Spinrath: Es ist ja bereits ein Signal, dass wir die Beitrittsgespräche zwar fortführen, aber
zurzeit keine weiteren Verhandlungskapitel eröffnen. Das ist ein deutliches Signal an Herrn
Erdogan, jetzt die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass eben nicht nur ein Prozess im
Raume steht, sondern auch ganz konkrete Gespräche und Verhandlungen geführt werden.
Theis: Wenn denn willkürliche Verhaftungen und Folter noch kein Grund sind, die
Gespräche zu beenden, was wäre denn dann ein Grund Ihrer Meinung nach? Wann ist
der Punkt erreicht, wo Sie sagen: „Jetzt nicht mehr?“
Spinrath: Willkürliche Verhaftungen und Folter sind ja bereits ein Grund dafür, dass wir so
deutlich auftreten. Auch Frank-Walter Steinmeier als unser deutscher Außenminister versäumt
es keinen Tag, entsprechend Druck zu entfalten und darauf hinzuweisen, dass das für uns nicht
hinnehmbar ist. Eine ganz klare Linie für uns, ein ganz klarer Bruch dann auch aller
Verhandlungsstränge und ein Ende der Verhandlungen wären erreicht, wenn Herr Erdogan, wie
beabsichtigt, die Todesstrafe wieder einführt.
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Theis: Und das ist sehr wahrscheinlich. Sie sagen: „wie beabsichtigt“. Und dann sind
Ihre ganzen Argumente obsolet, und dann stehen wir doch da ohne Gespräche. Und
dann?
Spinrath: Dann werden wir uns in einer Situation befinden, in der wir nicht weiter verhandeln
können, aber das würde für die Menschen in der Türkei, aber auch für die Interessen der EU
dann eben von besonders negativer Bedeutung sein. Deshalb wollen wir eben nichts
unversucht lassen, diesen Punkt eben nicht zu erreichen, sondern Herrn Erdogan dazu
aufzufordern, dann entsprechend rechtsstaatliche Verhältnisse wieder herzustellen.
- Ende Wortlaut -
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)