Burnout | S C H W E R P U N K T Ist Burnout therapierbar? Aktuelle Forschungsergebnisse zur Therapierbarkeit von Burnout Text: Dieter Korczak Zur Behandlung eines Burnout-Syndroms werden unterschiedliche Therapien angeboten. Im Rahmen eines evidenzbasierten wissenschaftlichen Systematischen Reviews sind die in den Jahren 2006 bis 2011 veröffentlichten Therapiestudien zum Burnout-Syndrom analysiert worden. Sie be legen die Wirksamkeit der Kognitiven Verhaltenstherapie sowie der Therapie mit Rosenwurz. Insgesamt ist die Forschungslage zur Wirksamkeit von Burnout-Therapien unbefriedigend. Das gesellschaftliche Umfeld hat auf diese erhebliche gesundheitspolitische, ökonomische und individuelle Problematik mit den verschiedensten Therapieangeboten reagiert. Praxen für Burnout-Prävention und -Therapie schiessen aus dem Boden. Bei dieser Entwicklung ist auffällig, dass gleichartige oder ähnliche Interventionen unterschiedlich etikettiert werden. Vergleichbare Angebote heissen einmal Burnout-Intervention, Burnout-Therapie oder werden als Massnahme zur Vorbeugung oder Linderung von Stress bzw. stressbedingten Krankheiten bezeichnet. Von hoher Relevanz für den Einsatz therapeutischer Massnahmen ist die Definition und Diagnostik eines Burnout-Syndroms. Auf die damit verbundene Problematik ist ausführlich in einem systematischen Review hingewiesen worden.1 Komplexe Diagnostik Jede eingesetzte Therapie des Burnout-Syndroms hängt wesentlich davon ab, als was Burnout verstanden wird. Ist es ein eigenständiges Krankheitsbild, ist es die Vorstufe einer Depression, ist es eine mit einer Depression assoziierte Komorbidität oder ist es nur eine andere Bezeichnung für Erschöpfung, Arbeitsüberlastung oder Druck am Arbeitsplatz durch Kollegen und/oder Vorgesetzte? Von daher gibt es keine Standardtherapie des Burnout-Syndroms. Die eingesetzte Therapie sollte sich immer an der Diagnostik orientieren. Vielfach wird unter Burnout ein arbeitsbezogenes Syndrom mit den Dimensionen «Emotionale Erschöpfung», «Depersonalisation bzw. Zynismus» sowie «Verminderte Leistungsfähigkeit» verstanden. Dieser Ansatz geht im Wesentlichen auf die Arbeiten von Herbert Freudenberger2 und die empirische Umsetzung in Form eines Fragebogens durch Maslach et al.3 zurück. Dieser Maslach Burnout Inventory (MBI) genannte Fragebogen ist jedoch nicht klinisch validiert. Maslach et al. betonen selbst, dass der MBI weder als diagnostisches Instrument noch als Indikator für die Notwendigkeit einer Intervention eingesetzt werden sollte. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) hat versucht, durch eine klare Kategorisierung die im Zusammenhang mit Arbeitsbelastung auftretenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Übereinstimmung mit der International Classification of Diseases ICD-10 zu differenzieren. Laut dem DGPPN-Papier kann von Burnout gesprochen werden, wenn sich ungewöhnliche Anforderungen der Arbeitswelt in vegetativen Stresssymptomen äussern, die mehrere Wochen bis Monate anhalten und sich nicht in kurzen Er holungsphasen zurückbilden. Burnout sollte deshalb in der ICD-10 durch eine Kodierung unter der Ziffer Z 73.0 berücksichtigt werden. Nach diesem Verständnis sind vorbeugende Massnahmen zur Verhinderung des Auftretens von Burnout am Arbeitsplatz erforderlich. Burnout wird als R isikozustand gesehen, der Folgekrankheiten wie z. B. Depressionen, Angsterkrankungen oder Tinnitus hervorrufen kann. Burnout wird in diesem Schema aber auch als eigenständige Folgeerkrankung einer andauernden Risiko situation bezeichnet. Nach herrschender Auffassung ist das Endstadium eines Burnout-Syndroms vom Vollbild einer Depression nicht mehr zu unterscheiden. Dieter Korczak, Dr. rer.pol., Medizinsoziologe, leitet die GP Forschungsgruppe in München. Grosse Bandbreite von Therapien Auf dem Gesundheitsmarkt wird gegenwärtig eine grosse Bandbreite von Therapien offeriert. Diese Therapien reichen von dem Einsatz von Psychopharmaka oder pflanz lichen Substanzen über Kognitive Verhaltenstherapie und Körperpsychotherapien bis hin zu Physio- und Kunsttherapien. Eine objektive Bewertung der Wirksamkeit der verschiedenen Therapieangebote kann meines Erachtens nur über das Instrumentarium der evidenzbasierten Medizin Das Burnout-Syndrom hat in den letzten Jahren eine hohe gesellschaftliche Aufmerksamkeit erzielt. Mehrere Personen der Zivilgesellschaft wie die Fussballtrainer Ottmar Hitzfeld und Rolf Rangnick, der Fernsehkoch Tim Mälzer, der Schriftsteller Frank Schätzing oder die Kommunika tionsprofessorin Miriam Meckel haben sich öffentlich dazu bekannt, ein Burnout zu haben, und sind deshalb in Therapie gegangen. Aufgrund der häufigen Thematisierung von Burnout-Phänomenen in den Massenmedien entsteht der Eindruck, dass Burnout bereits zu einer Volkskrankheit geworden ist. In diese Richtung könnten die Ergebnisse einer Repräsentativerhebung aus dem Jahr 2011 interpretiert werden, nach denen bei rund 1,9 Millionen Menschen ab 14 Jahren in Deutschland ein Arzt schon einmal ein Burnout-Syndrom diagnostiziert haben soll. Praxen für Burnout-Prävention und -Therapie schiessen aus dem Boden Nr. 9_September 2014 | SozialAktuell 23 S C H W E R P U N K T | Burnout 24 erfolgen. Dabei wird als erster Schritt eine umfassende Literaturrecherche in verschiedenen Datenbasen durchgeführt, um die wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu ermitteln, die sich in den letzten Jahren mit der Therapie des Burnout-Syndroms befasst haben. In einer von Korczak et al.4 im Jahr 2011 durchgeführten Literaturrecherche wurden 314 einschlägige Artikel identifiziert. Diese Artikel wurden danach überprüft, ob in i hnen Metaanalysen, Systematische Reviews, Randomisierte Klinische Studien oder Kohortenstudien beschrieben worden sind und sie den wissenschaftlichen Kriterien der evidenzbasierten Medizin entsprechen. Nach dieser Prüfung verblieben 17 Studien, die mit einem wissenschaftlichen Design die Wirksamkeit von Therapien des Burnout-Syndroms untersucht haben. Damit liegt die bislang umfangreichste Übersicht zu dieser Fragestellung vor. Generell wird in der wissenschaftlichen Literatur beklagt, dass eine zu geringe Anzahl qualifizierter Studien zur Therapie des Burnout-Syndroms vorhanden sei und dass mehr Forschung zu diesem Thema notwendig sei. Trotz einer Reihe von Studien mit hohen Evidenzleveln haben deshalb Aussagen zur Wirksamkeit von BurnoutTherapien vorläufigen Charakter und sind von begrenzter Reichweite. Die zentralen Ergebnisse dieser Studien für die einzelnen Therapieformen werden im Folgenden dargestellt. Auf Detailangaben zu den Autoren der einzelnen Studien wird aus Platzgründen verzichtet, sie können in Korczak et al, 2012, nachgelesen werden. behandelnden Hausärzte. Über den konkreten Erfolg des Einsatzes bei der Therapie des Burnout-Syndroms sagt die Studie nichts aus. Therapie des Burnout-Syndroms mit Psychopharmaka Zur Therapie von Symptomen des Burnout-Syndroms wie z. B. Erschöpfung/Müdigkeit, Schlafstörungen oder Stressregulation können Psychopharmaka vorübergehend und symptomatisch zur Unterstützung der Behandlung eingesetzt werden. In einer finnischen Studie sind der Zusammenhang zwischen Burnout und der Teilnahme an einer entweder a rbeitsplatzbezogenen oder individualspezifischen Intervention sowie die Verordnung von Psychopharmaka ermittelt worden. In dieser Studie hat jede dritte Person mit einem schweren Burnout Antidepressiva verordnet bekommen. Nach Einschätzung der Autoren ist diese Ver ordnungsquote wahrscheinlich das Ergebnis einer Über diagnostizierung von depressiven Störungen durch die Kognitive Verhaltenstherapie Zur Therapie des Burnout-Syndroms werden vor allem Kognitive Verhaltenstherapien (KVT) in psychosomatischen Kliniken sowie Arzt- und psychotherapeutischen Praxen angeboten und eingesetzt. Die Techniken der KVT erscheinen insbesondere dann Erfolg versprechend, wenn bisherige Einstellungen und Verhaltensweisen gegenüber der Arbeit verändert und günstigere Bewältigungsstrategien im Umgang mit Stressoren am Arbeitsplatz erarbeitet werden sollen. In mehreren Studien konnte belegt werden, dass die KVT vor allem den Grad der emotionalen Erschöpfung reduziert. Durch eine Kombination von KVT mit Entspannungs- und Physiotherapie ist die nachhaltige Senkung der Symptome im Falle von schwerem Burnout beobachtet worden. SozialAktuell | Nr. 9_September 2014 Therapie mit pflanzlichen Substanzen Zur Phytotherapie des Burnout-Syndroms gibt es bislang kaum Berichte. Diskutiert wird jedoch die Anwendung von sogenannten Adaptogenen wie zum Beispiel Koreanischem Ginseng, Schlafbeere, Süssholz und Rosenwurz. Das sind breit und unspezifisch wirkende Pflanzen, die die Widerstandsfähigkeit gegen physische, chemische oder biologische Stressoren erhöhen und zur allgemeinen Stabilisierung beitragen. In einer Studie aus Schweden wird die Wirksamkeit von Rosenwurz (Rhodiola rosea, Extrakt SHR-5) bei stressbedingter Erschöpfung untersucht. Die Ergebnisse der Studie weisen auf eine Wirksamkeit des Phytopharma- Eine objektive Bewertung der Wirksamkeit der Therapieangebote kann nur über das Instrumentarium der evidenz basierten Medizin erfolgen kons bei verschiedenen Burnout-Symptomen hin. In der 28-tägigen Testphase wirkte sich die Einnahme günstig auf Aufmerksamkeit, Lebensqualität sowie auf Erschöpfungs- und Depressionssymptome bei Patienten mit stressbedingtem Erschöpfungssyndrom aus. Stressmanagementtraining Das Stressmanagement dient zum Erlernen und Umsetzen von Strategien zur Bewältigung von Stressoren, wie kritischen Lebensereignissen oder andauernden Alltags- oder Arbeitsplatzbelastungen. Die Studienlage zur Wirksamkeit von Stressmanagementtraining ist uneinheitlich, sodass hier keine weiteren Aussagen zur Wirksamkeit getroffen werden können. Qigong-Therapie Methoden der chinesischen Atemtherapie sind unter dem Namen Qigong bekannt. Im Kontext einer Burnout-Therapie kann Qigong dazu beitragen, den Übenden zu befähigen, mit arbeitsplatzbezogenen Belastungen besser umzugehen und selbstwirksam zu handeln. Methoden und Prinzipien des Qigong dienen auch dazu, die Einheit zwischen Körper und Geist herzustellen. Auch hinsichtlich des Einsatzes der Qigong-Therapie ergeben sich in den untersuchten Studien keine eindeutigen Effekte. Musiktherapie Musiktherapeutische Interventionen dienen zumeist der Milderung stressbezogener Reaktionen und Symptome und werden in der Regel unterstützend in Kombination mit anderen Therapien eingesetzt. Es gibt Hinweise da rauf, dass sich Musiktherapien günstig auf stressbezogene Reaktionen und Symptome auswirken können. Insgesamt liegen zur Wirksamkeit der Musiktherapie jedoch keine einheitlichen Studienergebnisse vor. Arbeitsplatzbezogene Interventionen Die Kombination von KVT mit organisationsorientierten Interventionen führt in mehreren Studien zu einem signifikanten Rückgang des Burnouts, der auch mindestens ein Jahr anhält. So zeigt sich bei der Kombination von KVT und einer partizipatorischen Intervention, in der zusätzlich zur KVT Vorgesetzte der Patienten oder Arbeitsmediziner hinzugezogen werden, dass sich der Zeitdruck am Arbeitsplatz reduziert, sich das Arbeitsklima verbessert und das Burn- out reduziert werden kann. Zu beachten ist jedoch, dass die Bereitschaft zur Teilnahme an arbeitsplatzbezogenen Interventionen mit Zunahme der Schwere des Burnouts sinkt. Die Wirksamkeit arbeitsplatzbezogener verhaltenstherapeutischer Interventionen hängt auch stark von der Arbeitsplatzsituation ab. Krankenschwestern mit dauerhaft bestehenden Arbeitsplatzkonflikten zeigen beispielsweise keine Reduktion der emotionalen Erschöpfung. Die Wirkung von Arbeitsstrukturen, -klima, -abläufen, -prozessen und -verdichtung wird in den Therapiestudien insgesamt zu wenig bzw. überhaupt nicht berücksichtigt oder thematisiert. Studienergebnisse zeigen jedoch, dass die Veränderung von Stressoren wie Arbeitszeitplänen und Arbeitsa nfall, die Einführung partizipatorischer Arbeitsstrukturen und von Programmen zur arbeitsplatzbezogenen Stressbewältigung sowie eine stärkere Unterstützung durch die Firmenleitung effektiv sind. Fazit Die im Titel gestellte Frage, ob ein Burnout-Syndrom therapierbar ist, kann daher bejaht werden, wenn die Ursachen, die die Symptomes eines Burnout hervorgerufen haben, diagnostisch sauber differenziert werden. Es gilt auch, neben dem individuellen Verhalten die Arbeitsverhältnisse im Blick zu haben. Nach der derzeitigen Studienlage bewirken die Verhaltenstherapie und die Rosenwurz-Therapie eine Reduktion des Burnouts. Diese Wirkung kann aber jederzeit konterkariert werden, wenn sich Arbeitsplatzverhältnisse, die mit zum Burnout geführt haben, nicht ändern oder sogar noch verschärft werden. Fussnoten 1 D ieter Korczak, Christine Kister, Beate Huber: Differentialdiagnostik des Burnout-Syndroms, 2010, Köln, DIMDI, HTA278 2 Z . B. H. Freudenberger, G. North: Burn-out bei Frauen. Über das Gefühl des Ausgebranntseins, 1994, Frankfurt/Main, Fischer 3 C . Maslach, SE Jackson, MP Leiter: Maslach Burnout Inventory, 1996, 3rd ed. Pall Alto, CA, Consulting Psychologists Press 4 D ieter Korczak, Monika Wastian, Michael Schneider: Therapie des Burnout-Syndroms, 2012, Köln, DIMDI, HTA 120 Nr. 9_September 2014 | SozialAktuell 25
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