Verschwörung DAMIR SAGOLJ/REUTERS Mit der Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten durch die »Übereinkunft von Beloweschsk« wurde vor 25 Jahren das Ende der Sowjetunion besiegelt. Staatschef Michail G orbatschow unternahm nichts d agegen. Von Willi Gerns SEITEN 12/13 GEGRÜNDET 1947 · FREITAG, 9. DEZEMBER 2016 · NR. 288 · 1,50 EURO (DE), 1,70 EURO (AT), 2,20 CHF (CH) · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT WWW.JUNGEWELT.DE Heilige Spekulation Reaktionäres Spektakel Vor der Befreiung Nach dem Putsch 2 3 6 7 Überraschung: »Stuttgart 21« wird noch einmal deutlich teurer als angekündigt. Ein Interview Zu Venezuelas Ausschluss aus dem Wirtschaftsbündnis Mercosur. Von André Scheer Im syrischen Aleppo werden Dschihadisten weiter zurückgedrängt. Siehe Seite 8 Brasiliens oberstes Gericht unterstützt Rechtsbruch des Senatspräsidenten. Von Peter Steiniger Zivilisten sterben bei Luftangriffen auf IS Gute Miene zum Terror Bagdad/Damaskus. Bei Luftangriffen auf Gebiete unter Kontrolle der Terrormiliz »Islamischer Staat« (IS) in Syrien und im Irak sind lokalen Quellen zufolge Dutzende Zivilisten ums Leben gekommen. Bei der Bombardierung der westirakischen Stadt Al-Kaim sollen laut Aussagen eines Krankenhausarztes 66 Menschen gestorben sein. Ein örtlicher Abgeordneter sprach am Donnerstag sogar von 120 Toten. Iraks Armeeführung wies die Meldungen hingegen als Propaganda des IS zurück. Bei Luftangriffen auf IS-Gebiete in Nordsyrien sollen nach Angaben der – syrischen Regierungsgegnern nahestehenden – »Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte« mindestens 22 Zivilisten getötet worden sein. (dpa/jW) E in blutiger Krieg tobt seit März 2015 im Jemen. Nach UN-Angaben sind ihm bisher 4.100 Zivi listen zum Opfer gefallen, Zehntausende leiden Hunger. Saudische Kampfjets attackieren schiitische Huthis und ihre Rebellen. Und der Westen bombt mit. In zwei Provinzen seien Überreste von Waffen US-amerikanischer Bauart entdeckt worden, erklärte Human Rights Watch (HRW) am Donnerstag. Mindestens eine eingesetzte Rakete sei nach Beginn des Bürgerkrieges geliefert worden, hieß es weiter. HRW rief alle Regierungen auf, ihre Waffenlieferungen an Saudi-Arabien zu stoppen. Die Organisation hatte dem Land bereits Anfang Oktober vorgeworfen, bei einem Luftangriff auf eine Trauerfeier in der Hauptstadt Sanaa mindestens eine USBombe eingesetzt zu haben. Dabei starben mehr als 130 Menschen. Auch die deutsche Rüstungsindustrie verdient am Terror Saudi-Arabiens kräftig mit. 2015 wurden 17 Einzel- genehmigungen für die Ausfuhr von Kriegswaffen erteilt. Die Aufträge waren 23,8 Millionen Euro Wert. Im ersten Halbjahr 2016 wurden bereits Güter im Wert von mehr als 480 Millionen Euro exportiert, wie tagesschau. de am Donnerstag schrieb. Darunter seien auch Teile für Kampfflugzeuge, da die saudische Luftwaffe Tornados und Eurofighter aus EU-Produktion nutze – unter anderem für die Angriffe im Jemen. Erst kürzlich genehmigte der Bundessicherheitsrat, dem Kanzlerin Angela Merkel und mehrere Minister angehören, zudem laut dpa den Export von 41.644 Artilleriezündern. Gründe genug für Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), ihren Besuch in Saudi-Arabien am Donnerstag nicht an die große Glocke zu hängen. Von den über 150 Hinrichtungen, die es 2015 laut Amnesty International im Land gegeben hat, den öffentlichen Auspeitschungen und der Unterdrückung der Bevölkerung in dem diktatorisch beherrschten Königreich ganz abgesehen. Oder davon, dass die Saudis in Syrien islamistische Kampfverbände ausrüsten und finanzieren. In aller Heimlichkeit wurde die Visite in Berlin vorbereitet, Proteste dagegen sollten gar nicht erst aufkommen. »Jegliche Kooperation« mit Saudi-Arabien werde in Deutschland mit »öffentlichkeitswirksam kritischem Interesse« verfolgt, zitierte Spiegel online aus einem Memo des Ministeriums. Offiziell wird herausgestellt, dass von der Leyen die Menschenrechtslage ansprechen werde und sowieso nur in Riad sei, um sich von Kronprinz Mohammed bin Naif Al Saud eine »Reformagenda« namens »Vision 2030« vorstellen zu lassen. Und auch mit saudischen Frauen treffe sie sich im Goethe-Institut. Nur am Rande erwähnt wird, wie bereits am Mittwoch bekanntwurde, dass künftig saudische Offiziere von der Bundeswehr ausgebildet werden und im Gegenzug deutsche Soldaten in Riad mitmischen sollen. Alexander S. Neu, Obmann der Linksfraktion im Verteidigungsausschuss, forderte am Donnerstag die Bundesregierung auf, die Kooperation mit SaudiArabien nicht weiter zu intensivieren. »Wer Islamisten und Dschihadisten unterstützt, kann diese nicht gleichzeitig bekämpfen und für Stabilität und Frieden im Nahen Osten sorgen«, erklärte er. »Es wurde bereits genug Blut vergossen.« Nach ihrer Visite in Saudi-Arabien geht es für die Ministerin weiter nach Bahrain, in dessen Gefängnissen selbst Kinder misshandelt und gefoltert werden. Für den Abschluss ihrer Tour durch den Nahen Osten hat von der Leyen für den Sonnabend eine Bescherung eingeplant. In Amman wird sie der jordanischen Armee 24 neue Marder-Schützenpanzer (Hersteller Rheinmetall) und 28 Maschinenkanonen im Wert von 12,8 Millionen Euro als Geschenk überreichen – Friedenspolitik à la Bundesregierung. Protestwelle gegen Tsipras Griechenland: Generalstreik gegen Kürzungspolitik der Regierung M it einer Streikwelle und Demonstrationen protestieren Griechenlands Arbeiter erneut gegen den Sozialabbau der Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras. Für Donnerstag hatten die großen Dachverbände ADEDY und GSEE sowie die kommunistisch orientierte Gewerkschaftsfront PAME zu einem Generalstreik aufgerufen, an dem sich Tausende beteiligten. Die Aktionen richten sich gegen den vom Kabinett für 2017 vorgelegten Haushalt, der weitere Verschlechterungen für die Bevölkerung vorsieht und am Samstag verabschiedet werden soll. Unter anderem sind im Entwurf neue Steuererhöhungen bei Autos, Telefon, Bezahlfernsehen, Benzin, Tabak und Bier vorgesehen, die Einnahmen von gut einer Milliarde Euro bringen sollen. Staatsausgaben für Gehälter und Renten werden um 5,7 Milliarden Euro gekürzt. Zudem sollen das Streikrecht eingeschränkt sowie Entlassungen erleichtert werden. Dabei liegt die Erwerbslosigkeit in Griechenland nach den am Donnerstag veröffentlichten offiziellen Zahlen für September noch immer bei 23,1 Prozent. Die Regierung plant zudem weitere Privatisierungen öffentlichen Eigentums, darunter den Verkauf von 14 Regionalflughäfen, darunter Thessaloniki, an den deutschen Flughafenbetreiber Fraport. Die Proteste hatten vergangenen Freitag mit einem Streik der Seeleute begonnen, der am heutigen Freitag zu Ende gehen soll. Am Donnerstag kam es dann im Nahverkehr zu mehrstündigen Arbeitsniederlegungen. U-Bahnen und die Stadtbahn von Athen sowie die Busse in mehreren Städten des Landes fuhren nicht, ebenso wie die Eisenbahn. Ministerien und zahlreiche staatliche Schulen wurden bestreikt. Die Ärzte behandelten in staatlichen Krankenhäusern nur Notfälle, teilten ihre Verbände mit. Auch Zeitungen erschienen am Donnerstag in Griechenland nicht, weil die Journalisten am Vortag gestreikt hatten. Deshalb hatte es am Mittwoch auch keine Nachrichten in Radio und Fernsehen gegeben. Die Regierung wiegelte ab. Ein namentlich nicht genannter Kabinettssprecher wertete gegenüber der Nachrichtenagentur dpa die Streiks als »Aktionismus der Gewerkschaften«. (dpa/ANA-MPA/AFP/jW) Berlin: Müller (SPD) wiedergewählt BERND VON JUTRCZENKA/DPA Herzlicher Empfang in Riad: Der saudische Vizeverteidigungsminister General Mohammed bin Abdullah Al-Ajesch mit Amtskollegin Ursula von der Leyen RAINER JENSEN/DPA-BILDFUNK Von der Leyen in Saudi-Arabien: Kooperation mit dem Königreich der Kriegstreiber. Von Michael Merz Berlin. Die Fraktionen von SPD, Linkspartei und Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus haben den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) für fünf weitere Jahre zum Regierungschef gewählt. Rund drei Monate nach der Abgeordnetenhauswahl erhielt Müller am Donnerstag im ersten Wahlgang 88 Stimmen bei 81 benötigten. Die Fraktionen der drei Parteien kommen zusammen auf 92 von 160 Sitzen. Es ist Müllers zweite Amtszeit nach zwei Jahren an der Spitze einer Zweierkoalition mit der CDU. Wie aus der neuen Koalition verlautete, übernimmt die SPD die Ressorts Inneres, Finanzen, Bildung und Gesundheit. Müller führt zudem künftig den Senat für Wissenschaft. Die Grünen stellen die Senatoren für Wirtschaft, Justiz und Verkehr. Die Linke übernimmt die Ressorts Wohnen und Stadtentwicklung, Kultur und Europa sowie Arbeit und Soziales. Staatssekretär im Stadtentwicklungsressort wird der Soziologe Andrej Holm. Er gilt als einer der härtesten Kritiker der bisherigen Stadtpolitik des Senats. (AFP/jW) wird herausgegeben von 1.967 Genossinnen und Genossen (Stand 6.12.2016) n www.jungewelt.de/lpg
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