Protestwelle gegen Tsipras

Verschwörung
DAMIR SAGOLJ/REUTERS
Mit der Gründung der Gemeinschaft
Unabhängiger Staaten durch die
»Übereinkunft von Beloweschsk«
wurde vor 25 Jahren das Ende der
Sowjetunion besiegelt. Staatschef
Michail G
­ orbatschow unternahm
nichts d
­ agegen. Von Willi Gerns
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Heilige Spekulation
Reaktionäres Spektakel
Vor der Befreiung
Nach dem Putsch
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Überraschung: »Stuttgart 21« wird
noch einmal deutlich teurer als
angekündigt. Ein Interview
Zu Venezuelas Ausschluss aus dem
Wirtschaftsbündnis Mercosur.
Von André Scheer
Im syrischen Aleppo werden Dschihadisten weiter zurückgedrängt.
Siehe Seite 8
Brasiliens oberstes Gericht unterstützt
Rechtsbruch des Senatspräsidenten. Von Peter Steiniger
Zivilisten sterben bei
Luftangriffen auf IS
Gute Miene
zum Terror
Bagdad/Damaskus. Bei Luftangriffen
auf Gebiete unter Kontrolle der
Terrormiliz »Islamischer Staat« (IS)
in Syrien und im Irak sind lokalen
Quellen zufolge Dutzende Zivilisten
ums Leben gekommen. Bei der
Bombardierung der westirakischen
Stadt Al-Kaim sollen laut Aussagen
eines Krankenhausarztes 66 Menschen gestorben sein. Ein örtlicher
Abgeordneter sprach am Donnerstag
sogar von 120 Toten. Iraks Armeeführung wies die Meldungen hingegen als Propaganda des IS zurück.
Bei Luftangriffen auf IS-Gebiete
in Nordsyrien sollen nach Angaben
der – syrischen Regierungsgegnern
nahestehenden – »Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte«
mindestens 22 Zivilisten getötet worden sein. (dpa/jW)
E
in blutiger Krieg tobt seit März
2015 im Jemen. Nach UN-Angaben sind ihm bisher 4.100 Zivi­
listen zum Opfer gefallen, Zehntausende leiden Hunger. Saudische Kampfjets
attackieren schiitische Huthis und ihre
Rebellen. Und der Westen bombt mit.
In zwei Provinzen seien Überreste von
Waffen US-amerikanischer Bauart entdeckt worden, erklärte Human Rights
Watch (HRW) am Donnerstag. Mindestens eine eingesetzte Rakete sei nach
Beginn des Bürgerkrieges geliefert worden, hieß es weiter. HRW rief alle Regierungen auf, ihre Waffenliefe­rungen
an Saudi-Arabien zu stoppen. Die Organisation hatte dem Land bereits Anfang Oktober vorgeworfen, bei einem
Luftangriff auf eine Trauerfeier in der
Hauptstadt Sanaa mindestens eine USBombe eingesetzt zu haben. Dabei starben mehr als 130 Menschen.
Auch die deutsche ­Rüstungsindustrie
verdient am Terror Saudi-Arabiens
kräftig mit. 2015 wurden 17 Einzel-
genehmigungen für die Ausfuhr von
Kriegswaffen erteilt. Die Aufträge
waren 23,8 Millionen Euro Wert. Im
ersten Halbjahr 2016 wurden bereits
Güter im Wert von mehr als 480 Millionen Euro exportiert, wie tagesschau.
de am Donnerstag schrieb. Darunter
seien auch Teile für Kampfflugzeuge,
da die saudische Luftwaffe Tornados
und Eurofighter aus EU-Produktion
nutze – unter anderem für die Angriffe
im Jemen. Erst kürzlich genehmigte der
Bundessicherheitsrat, dem Kanzlerin
Angela Merkel und mehrere Minister
angehören, zudem laut dpa den Export
von 41.644 Artilleriezündern.
Gründe genug für Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU),
ihren Besuch in Saudi-Arabien am
Donnerstag nicht an die große Glocke
zu hängen. Von den über 150 Hinrichtungen, die es 2015 laut Amnesty International im Land gegeben hat, den
öffentlichen Auspeitschungen und der
Unterdrückung der Bevölkerung in dem
diktatorisch beherrschten Königreich
ganz abgesehen. Oder davon, dass die
Saudis in Syrien islamistische Kampfverbände ausrüsten und finanzieren.
In aller Heimlichkeit wurde die Visite
in Berlin vorbereitet, Proteste dagegen
sollten gar nicht erst aufkommen. »Jegliche Kooperation« mit Saudi-Arabien
werde in Deutschland mit »öffentlichkeitswirksam kritischem Interesse« verfolgt, zitierte Spiegel online aus einem
Memo des Ministeriums. Offiziell wird
herausgestellt, dass von der Leyen die
Menschenrechtslage ansprechen werde
und sowieso nur in Riad sei, um sich
von Kronprinz Mohammed bin Naif
Al Saud eine »Reformagenda« namens
»Vision 2030« vorstellen zu lassen. Und
auch mit saudischen Frauen treffe sie
sich im Goethe-Institut. Nur am Rande
erwähnt wird, wie bereits am Mittwoch
bekanntwurde, dass künftig saudische
Offiziere von der Bundeswehr ausgebildet werden und im Gegenzug deutsche
Soldaten in Riad mitmischen sollen.
Alexander S. Neu, Obmann der Linksfraktion im Verteidigungsausschuss,
forderte am Donnerstag die Bundesregierung auf, die Kooperation mit SaudiArabien nicht weiter zu intensivieren.
»Wer Islamisten und Dschihadisten
unterstützt, kann diese nicht gleichzeitig bekämpfen und für Stabilität und
Frieden im Nahen Osten sorgen«, erklärte er. »Es wurde bereits genug Blut
vergossen.«
Nach ihrer Visite in Saudi-Arabien
geht es für die Ministerin weiter nach
Bahrain, in dessen Gefängnissen selbst
Kinder misshandelt und gefoltert werden. Für den Abschluss ihrer Tour durch
den Nahen Osten hat von der Leyen für
den Sonnabend eine Bescherung eingeplant. In Amman wird sie der jordanischen Armee 24 neue Marder-Schützenpanzer (Hersteller Rheinmetall)
und 28 Maschinenkanonen im Wert
von 12,8 Millionen Euro als Geschenk
überreichen – Friedenspolitik à la Bundesregierung.
Protestwelle gegen Tsipras
Griechenland: Generalstreik gegen Kürzungspolitik der Regierung
M
it einer Streikwelle und Demonstrationen protestieren
Griechenlands Arbeiter erneut gegen den Sozialabbau der Regierung von Ministerpräsident Alexis
Tsipras. Für Donnerstag hatten die
großen Dachverbände ADEDY und
GSEE sowie die kommunistisch orientierte Gewerkschaftsfront PAME zu einem Generalstreik aufgerufen, an dem
sich Tausende beteiligten.
Die Aktionen richten sich gegen
den vom Kabinett für 2017 vorgelegten Haushalt, der weitere Verschlechterungen für die Bevölkerung vorsieht
und am Samstag verabschiedet werden
soll. Unter anderem sind im Entwurf
neue Steuererhöhungen bei Autos, Telefon, Bezahlfernsehen, Benzin, Tabak
und Bier vorgesehen, die Einnahmen
von gut einer Milliarde Euro bringen
sollen. Staatsausgaben für Gehälter
und Renten werden um 5,7 Milliarden
Euro gekürzt. Zudem sollen das Streikrecht eingeschränkt sowie Entlassungen erleichtert werden. Dabei liegt die
Erwerbslosigkeit in Griechenland nach
den am Donnerstag veröffentlichten
offiziellen Zahlen für September noch
immer bei 23,1 Prozent. Die Regierung
plant zudem weitere Privatisierungen
öffentlichen Eigentums, darunter den
Verkauf von 14 Regionalflughäfen,
darunter Thessaloniki, an den deutschen Flughafenbetreiber Fraport.
Die Proteste hatten vergangenen
Freitag mit einem Streik der Seeleute
begonnen, der am heutigen Freitag zu
Ende gehen soll. Am Donnerstag kam
es dann im Nahverkehr zu mehrstündigen Arbeitsniederlegungen. U-Bahnen
und die Stadtbahn von Athen sowie
die Busse in mehreren Städten des
Landes fuhren nicht, ebenso wie die
Eisenbahn. Ministerien und zahlreiche
staatliche Schulen wurden bestreikt.
Die Ärzte behandelten in staatlichen
Krankenhäusern nur Notfälle, teilten
ihre Verbände mit. Auch Zeitungen erschienen am Donnerstag in Griechenland nicht, weil die Journalisten am
Vortag gestreikt hatten. Deshalb hatte
es am Mittwoch auch keine Nachrichten in Radio und Fernsehen gegeben.
Die Regierung wiegelte ab. Ein
namentlich nicht genannter Kabinettssprecher wertete gegenüber der
Nachrichtenagentur dpa die Streiks als
»Aktionismus der Gewerkschaften«.
(dpa/ANA-MPA/AFP/jW)
Berlin: Müller (SPD)
wiedergewählt
BERND VON JUTRCZENKA/DPA
Herzlicher Empfang in Riad: Der saudische Vizeverteidigungsminister General
Mohammed bin Abdullah Al-Ajesch mit Amtskollegin Ursula von der Leyen
RAINER JENSEN/DPA-BILDFUNK
Von der Leyen in Saudi-Arabien:
Kooperation mit dem Königreich
der Kriegstreiber. Von Michael Merz
Berlin. Die Fraktionen von SPD,
Linkspartei und Grünen im Berliner
Abgeordnetenhaus haben den Regierenden Bürgermeister Michael
Müller (SPD) für fünf weitere Jahre
zum Regierungschef gewählt. Rund
drei Monate nach der Abgeordnetenhauswahl erhielt Müller am
Donnerstag im ersten Wahlgang
88 Stimmen bei 81 benötigten. Die
Fraktionen der drei Parteien kommen zusammen auf 92 von 160 Sitzen. Es ist Müllers zweite Amtszeit
nach zwei Jahren an der Spitze einer
Zweierkoalition mit der CDU.
Wie aus der neuen Koalition
verlautete, übernimmt die SPD
die Ressorts Inneres, Finanzen,
Bildung und Gesundheit. Müller
führt zudem künftig den Senat für
Wissenschaft. Die Grünen stellen
die Senatoren für Wirtschaft, Justiz
und Verkehr. Die Linke übernimmt
die Ressorts Wohnen und Stadtentwicklung, Kultur und Europa
sowie Arbeit und Soziales.
Staatssekretär im Stadtentwicklungsressort wird der Soziologe
Andrej Holm. Er gilt als einer der
härtesten Kritiker der bisherigen
Stadtpolitik des Senats.
(AFP/jW)
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