Das Leser-Forum - Deutsches Ärzteblatt

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BRIEFE
Das Leser-Forum
ÄRZTE GESUCHT
Zur Randnotiz über die medizinische Personalnot von Polizei und Justiz in Hessen (DÄ
46/2016: „Leichenschau – Facebook hilft“ von
Thorsten Maybaum).
Nicht verwunderlich
Es ist nicht verwunderlich, dass Kollegen
die Leichenschau im Polizeidienst unattraktiv finden: Die Aufgabe ist aufwendig und oft sehr unangenehm, nichts für
zarte Gemüter. Schließlich werden die
Aufgefundenen eben nicht durch den Notarzt oder den KV-Notdienst gesehen: Der
Todeszeitpunkt liegt meist sichtbar weiter
zurück. Offenbar hat niemand die Person
vermisst. Oft finden sich die Leichen im
Zustand der Verwesung bis hin zur Mumi-
fizierung/Skelletierung. Auch olfaktorisch
problematisch. Die Auffindeorte sind häufig nur umständlich zu erreichen: Oberste
Etagen, abgelegene Gebäude, Keller oder
Orte in der freien Natur. Nicht selten ist es
dort extrem verdreckt, oft gibt es Ungeziefer.
Immerhin kann bei der polizeilichen Leichenschau die Festlegung auf die natürliche/nichtnatürliche Todesart meist der
Kripo beziehungsweise einem Pathologen
überlassen werden. Nach der eigentlichen
Arbeit müssen dann oft noch mit Angehörigen, Nachbarn oder Auffindern erklärende Gespräche stattfinden. Nicht einmal die
Vergütung von maximal 51 Euro ist sicher: Von Angehörigen wird die Rechnung
oft einfach ignoriert. Für mich waren die
Umstände der Leichenschau der Grund,
mich ganz aus dem Polizeidienst zurückzuziehen.
Dr. med. Nikolaus Koneczny, Internist, 58313 Herdecke
Einfacher Satz
Auch das Polizeipräsidium Mittelhessen
honoriert ärztliche Leistungen nach GOÄ,
allerdings nur zum einfachen Satz. Es ist
davon auszugehen, dass alle hessischen
Polizeipräsidien so verfahren, denn seit
Prüfung durch den Hessischen Rechnungshof beruft man sich auf § 11 GOÄ
und nicht mehr auf das JVEG.
Wundert sich da noch jemand, warum sich
keiner findet, der für 14,57 Euro eine Leichenschau macht? Auf das Problem ist sowohl die Landesärztekammer Hessen als
auch die hessische Polizei bereits Ende
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BRIEFE
2014 hingewiesen worden – immerhin hat
man nach zwei Jahren Facebook als Problemlöser gefunden.
Dr. med. Ortwin Schuchardt, 35260 Stadtallendorf
Neue Kollegen
Seit über zehn Jahren unterstütze ich die
Polizei im Rhein-Berg-Kreis im Blutprobendienst als Honorarärztin, und auch wir
merken den Nachwuchsmangel. Als ich
den Dienst begann, waren wir zwölf Kollegen, die sich den Dienst teilten … Jetzt
sind wir nur noch vier Ärzte.
Auch wir können noch engagierte Ärzte
brauchen. Der Dienstplan ist Mo bis Do
von 19 bis 7 Uhr und Fr 19 Uhr bis Mo 7
Uhr. Leichenschauen gibt es dort allerdings keine, hauptsächlich Blutproben und
Gewahrsamsfähigkeiten, die an drei
Standorten in Bergisch Gladbach durchgeführt werden. Wenn Ihr Beitrag uns neue
Kollegen beschert, würde sich unser kleines Team sehr freuen.
Dr. med. Caroline Weynans, 51465 Berg. Gladbach
BLUTTRANSFUSIONEN
Der Hartmannbund hat den Film „Gefährliche
Bluttransfusionen – Was hilft gegen das Risiko?“ von Ulrike Gehring mit seinem diesjährigen Fim- und Fernsehpreis ausgezeichnet. Im
Mittelpunkt des Films ... stehen das hohe Risiko und die schwerwiegenden Folgen von Bluttransfusionen (DÄ 46/2016: „Was hilft gegen
das Risiko“).
Eigenblutdepot
Dieser Film zu „Patient Blood Management“ akzentuiert Bestrebungen, die mir
noch aus meiner Berufstätigkeit vor etwa
20 bis 30 Jahren erinnerlich sind. Zu präoperativen Maßnahmen gehörte bei geeigneten Fällen auch, ein Eigenblutdepot
zwecks möglicher Retransfusion anzulegen, was in dem Filmbeitrag leider überhaupt keine Rolle spielte.
Mögliche immunologische und koagulatorische Prozesse nach einer Bluttransfusion
sind in dem Film dargestellt worden. So
wird eindrucksvoll eine In-vivo-Reaktion
als Folge von Blutspende gezeigt.
Wie wird in einem solchen Falle eine
Spätreaktion erklärt, wenn fremde Blutbestandteile bereits nach einigen Tagen abgebaut wurden? Wie wird in einem solchen Falle eine Sofortreaktion erklärt,
wenn eine solche in der Kreuzprobe nicht
A 2268
erkennbar gewesen ist? Ist die moderne
Kreuzprobentechnik unzureichend (Inkubationsdauer, Molsiebtechnik, maschinelle
Auswertung)? Wie kann ein Organversagen auf eine Bluttransfusion gesichert zurückgeführt werden, wenn diese lege artis
durchgeführt wurde? Welche Zusammenhänge zum Organversagen bestehen im
Falle von Spätreaktionen, insbesondere
unter Beachtung von bestehenden Grunderkrankungen, OP-Traumata oder exogenen Noxen?
In dem Filmbeitrag wurde die berühmtberüchtigte Storchenstatistik kritisch zitiert. Allerdings ohne zu erwähnen, dass
sie stellvertretend für eine falsche Beweisführung und/oder falsche Zusammenhänge und somit für einen Trugschluss steht.
Sind also immunologische und koagulatorische Prozesse tatsächlich nur auf das
„fremde“ Blut zurückzuführen, was zunächst naheliegend scheint, oder gibt es
weitere, möglicherweise bedeutsamere
Noxen, die jedoch nicht (ausreichend)
untersucht wurden?
Während meiner ersten Berufsjahre waren
noch Blutkonserven in Gasflaschen in Gebrauch. Von Kunststoffen hört man immer
wieder, dass diese toxisch wirkende Weichmacher (Phthalate) enthalten. Im vorhergehenden Ärzteblatt (DÄ 45/2016) wurde beispielsweise ein solcher Artikel publiziert.
Wie hoch ist der Anteil an Weichmachern
in den jetzt verwendeten Blutbeuteln? Wie
hoch ist der Gehalt von Weichmachern im
Blut/EK nach Lagerung? Gibt es dazu gesicherte Erkenntnisse? Welche Wirkungen
auf Immunsystem, Koagulation und Organe können diese Weichmacher bei mehrfacher Infusion entfalten (Schwellenwert,
Summationseffekt, Giftung)? Gibt es zu
dieser Frage gesicherte Erkenntnisse?
Mit welcher Berechtigung wird im Film
auf ein erhöhtes Krebsrisiko durch Bluttransfusion hingewiesen, wenn es sich
doch dabei um Entwicklungen handelt, die
einen langen Vorlauf haben und von einer
Reihe teils noch unbekannter Faktoren beeinflusst oder überlagert werden und einer
Bluttransfusion wohl kaum zweifelsfrei
zugeordnet werden können (kanzerogene
Viren ausgenommen).
Wenn von einem erhöhten Infektionsrisiko
gesprochen wird, stellt sich die Frage nach
der Spenderauswahl, den derzeitigen Eignungskriterien, insbesondere deren internistischer und laborseitiger Überprüfung.
Solange diese Fragen nicht abschließend
geklärt sind, erscheint es verfrüht, die im
Film behaupteten negativen Auswirkun-
gen der Transfusion von „Bösem Blut“ als
einziger Ursache darzulegen, während
mögliche andere Zusammenhänge bis hin
zur gleichzeitigen Infusion von Weichmachern außer Acht bleiben.
Ungeachtet offener Frage sind die im Film
gezeigten präoperativen Vorbereitungen
zur Vermeidung von Bluttransfusionen in
jedem Falle begrüßenswert.
Dr. E. Jacobsohn, 16321Bernau
AUTOPSIE
Die Gründe für eine sinkende Sektionsquote
sind überwiegend struktureller und ökonomischer Art. Im Krankenhausstrukturgesetz ist
nun die finanzielle Förderung der klinischen
Sektion festgeschrieben (DÄ 46/2016: „Lässt
sich der Trend sinkender Sektionsraten umkehren?“ von Prof. Dr. phil. Robert Jütte et al.).
Unverzichtbar
Als langjähriger Kliniker überwiegend an
Universitätskliniken habe ich den hohen
Erkenntnisgewinn aus regelmäßigen Sektionen sehr schätzen gelernt. Für die effektive Ausbildung der Medizinstudenten
auch an den akademischen Lehrkrankenhäusern sind möglichst häufige Sektionen
unverzichtbar. Der dramatische Rückgang
der Sektionsrate ist ein Skandal. Als Grund
werden meist mangelhafte Finanzierung
oder das fehlende Einverständnis der Angehörigen angegeben. Nach meiner Erfahrung lässt sich das Einverständnis der Angehörigen fast immer erreichen, wenn man
vernünftig mit ihnen spricht. Dasselbe gilt
für die Finanzierung. Es fehlt also offenbar
am guten Willen bei den Beteiligten. Deshalb sollte man eine Sektionsquote von
mindestens 50 Prozent für Universitätskliniken und akademische Krankenhäuser zur
nachzuprüfenden Pflicht machen, um eine
optimale klinische Aus- und Weiterbildung
zu garantieren.
Dr. med. Karl-Heinz Gebhardt, 76228 Karlsruhe
Wesentlich komplexer
Das Fragezeichen im Titel ist mehr als berechtigt, die vorgelegte Bestandsaufnahme
der vergangenen zehn Jahre zum Thema
klinische Obduktionen gibt mehr Anlass
zur Sorge als zur Hoffnung. Seit über 25
Jahren beruflich im Seziersaal tätig, erfahre
ich den Niedergang der klinischen Obduktion täglich hautnah. Die Gründe für die
Misere und damit mögliche Ansatzpunkte
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 49 | 9. Dezember 2016