Deutsche Mittelstands Nachrichten

Ausgabe 45
18. November 2016
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Automobil
Mittelständische Zulieferer stehen am Scheideweg
Das Wachstum deutscher Automobilzulieferer ist so stabil, dass die Unternehmen eine neue Zukunftsstrategie benötigen
D
ie deutschen Automobilzulieferer legen ein robustes Wachstum
vor und sind in der Lage, ihre finanzielle
Schuldenlast signifikant zu reduzieren.
Die wirtschaftliche Performance der einzelnen Unternehmen ist jedoch sehr unterschiedlich und hängt vorwiegend von
ihrer Größe ab. Dies gilt insbesondere für
mittelständische
Automobilzulieferer,
die an Wachstum und Profitabilität zulegen müssen.
Das sind die zentralen Ergebnisse der
Global Automotive Supplier BenchmarkStudie der Managementberatung Oliver
Wyman zur weltweiten Automobilzulieferer-Industrie. Der Analyse zugrunde liegt
die wohl größte Datenbank über diese
Branche. Sie führt rund 650 Automobilzulieferer weltweit, differenziert nach
Regionen sowie Segmenten und verfügt
über historische Unternehmensdaten bis
ins Jahr 2000. Zehn betriebliche Schlüsselkennzahlen ermöglichen überdies den
Blick unter anderem auf Umsatz, Profitabilität und finanzielle Stabilität für jedes
dieser Unternehmen.
Viele Mittelständler stehen hinsichtlich ihres
Wachstums an einem Scheideweg.
Foto: Flickr/Thomas Schlosser/CC BY 2.0
Lars Stolz, Partner und Leiter Automotive
Supplier Team bei Oliver Wyman: „Unsere aktuelle Benchmark-Studie belegt, dass
die Unternehmensgröße bei Deutschen
Zulieferern eine signifikante Rolle für
ihre wirtschaftliche Performance spielt.“
So kommen hiesige Zulieferer mit mehr
als fünf Milliarden Euro Umsatz in dem
von den Beratern beobachteten Zeitraum
auf ein Wachstum von durchschnittlich
knapp 16 Prozent pro Jahr und einer EBITMarge von 7 Prozent. Zulieferer, kleiner als
eine Milliarde Umsatz, weisen ihrerseits
ein solides Wachstum von durchschnittlich fast 10 Prozent und einer EBIT-Marge
von ebenfalls knapp 7 Prozent auf. Mittelständische Unternehmen mit einem
Umsatz zwischen einer und fünf Milliarden Euro hingegen kommen nur auf
ein Wachstum und eine EBIT-Marge von
durchschnittlich etwa 5 Prozent jährlich.
„Große mittelständische Zulieferer stehen vor einer ganz grundsätzlichen Frage“, so Stolz. „Will ich in meinem Segment
verharren oder gegen die ganz Großen
konkurrieren?“
Den Beratern zufolge stehen gerade deutsche Unternehmen immer wieder an
diesem Scheideweg. Hierzulande seien
Zulieferer mit ihren Produkten oftmals so
erfolgreich, dass sie gezwungen werden,
für ihre weltweite Kunden neue Fabriken
aufzubauen und ihr Angebotsspektrum
zu erweitern. Überschreiten sie dabei die
„magische“ Umsatzgröße von ungefähr
eine Milliarde Euro erfordert dies aber
neue Organisationsstrukturen und Prozesse, um eine globale Supply Chain
und ein Portfolio aus verschiedenen Ge-
Analyse
Baubranche erhöht zum Jahresendspurt Umsatzprognose 2016
Das deutsche Baugewerbe profitiert
vom boomenden Immobilienmarkt und
peilt im nächsten Jahr den höchsten Umsatz seit 1996 an. „Die Baukonjunktur
läuft gut“, sagte der Präsident des Branchenverbands ZDB, Hans-Hartwig Loewenstein. Die Erlöse dürften um gut drei
Prozent auf knapp 110 Milliarden Euro
steigen. Auch für dieses Jahr legte der Verband die Latte höher und hob die Prognose für das Umsatzwachstum auf 5,5 (bisher 4,5) Prozent an. Als Wermutstropfen
bezeichnete Loewenstein, dass die Preise
für Bauleistungen derzeit nur moderat
um zwei Prozent zulegten. „Trotz guter
Konjunktur verbessert sich die Ertragslage der Unternehmen nicht in gleichem
Maße.“
Wachstumstreiber ist dank der niedrigen Zinsen der Wohnungsbau. Diese
Sparte dürfte um acht Prozent zulegen
und 2017 noch einmal um drei Prozent.
Loewenstein erwartet, dass im laufenden
Jahr 290.000 Wohnungen fertiggestellt
werden. Dies sei aber immer noch nicht
genug. Denn Verbände, Regierung und
Bau-Gewerkschaft gingen davon, dass
jährlich rund 350.000 bis 400.000 neue
Einheiten nötig seien. „Vor allem fehlen
Mietwohnungen in den Ballungsräumen
im bezahlbaren Bereich mit Mieten zwischen sieben und acht Euro“, sagte Loewenstein.
Beim Wirtschaftsbau dürfte es 2017
um drei Prozent nach oben gehen und
beim öffentlichen Bau um 3,5 Prozent.
Die Zahl der Beschäftigten werde um
rund 1,5 Prozent auf 775.000 steigen und
im nächsten Jahr noch einmal um ein
Prozent zulegen.
Der mittelständisch geprägte ZDB
lehnt die von Bundesverkehrsminister
Alexander Dobrindt verstärkt geplanten
öffentlich-rechtlichen Partnerschaften
(ÖPP) bei Bauprojekten ab. Solche Vorhaben beim Bau von Autobahnen kämen
vor allem internationalen Großkonzernen zugute. „Sie schließen den Wettbewerb quasi aus“, betonte Loewenstein. Der
Bau-Mittelstand werde damit von einem
entscheidenden Aufgabenfeld verdrängt.
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schäftsbereichen zu führen. Nicht selten
werden dabei Verlustbringer nicht rechtzeitig identifiziert, Investitionen falsch gesteuert und die Liquidität des Unternehmens nicht abgesichert. „Viele ehemals
blühende Firmen sind so schon an ihrem
eigenen Wachstum erstickt“, erläutert Dr.
Lutz Jäde, Partner bei Oliver Wyman und
Leiter Restrukturierung. Gelingt hingegen die Transformation zu einem globalen Player, können sich die Zulieferer oft
als bevorzugte Lieferanten für die großen
Plattformen der Automobilhersteller etablieren und entsprechende Synergien in
ihrem Werksverbund realisieren. Die Oliver Wyman Benchmarking-Studie zeigt
hier sehr deutlich, dass ab einer Umsatzgröße von ungefähr fünf Milliarden Euro
stärkeres Wachstum oft auch mit höherer
Profitabilität verbunden ist. „Gerade stark
wachsende Unternehmen müssen sich
ständig fragen, ob sie reif für die nächste
Stufe der Firmenentwicklung sind. An-
sonsten droht ein schnelles Ende der Erfolgsgeschichte“, warnt Jäde.
Dies ist umso wichtiger, da das Marktumfeld der Automobilzulieferer trotz mancher globaler Unsicherheit eine Vielzahl
an Chancen verspricht. Gerade große Supplier haben hier dank ihrer Finanzkraft
die Möglichkeit, auch über Akquisitionen
zu wachsen und sich über Innovationen
in neuen Technologiefeldern weiter zu
entwickeln. So gehen die Oliver WymanExperten davon aus, dass der Wertschöpfungsanteil der Zulieferer am weltweiten
Automobilbau bis 2025 etwa 67 Prozent
(832 Milliarden Euro) betragen wird. Treiber dieser Entwicklung werden eine weiterhin positive Entwicklung des globalen Automarktes, eine Verschiebung der
Wertschöpfung in Richtung Zulieferer,
die wachsende Bedeutung von Software
im Auto sowie eine stärkere Regulierung,
die zu neuen Antriebs- und Materialtechnologien führt, sein. Stolz: „Von einem
18. November 2016
derart stabilen und aussichtsreichen Umfeld können klug aufgestellte Automobilzulieferer nur profitieren – allen voran
die deutschen Unternehmen dieser Branche.“
Insgesamt erzielten die zehn größten Autozulieferer 2015 weltweit 294 Milliarden
Euro Umsatz. Deutsche Unternehmen
stehen hier besonders gut da. So finden
sich unter den internationalen UmsatzSpitzenreitern allein drei deutsche Zulieferer unter den Top 5: Bosch Automotive,
Continental und ZF Friedrichshafen. Auf
den beiden verbleibenden Plätzen liegen
der japanische Zulieferer Denso und der
kanadisch-österreichische Automobilzulieferer Magna International. Somit stehen die drei größten deutschen Automobilzulieferer alleine für knapp zwei Drittel
(rund 110 Milliarden Euro) des Umsatzes
der weltweiten Top 5. Innerhalb der weltweiten Top 10 machen sie knapp 38 Prozent des Umsatzes aus.
Wirtschaft
Mittelstand setzt trotz Unsicherheiten auf Auslandsgeschäft
Trotz der Ungewissheit über die wirtschaftspolitische Zukunft, wollen mittelständische Unternehmen weiter expandieren
D
ie deutschen Mittelständler wollen
trotz zunehmender Unsicherheiten
und geopolitischer Krisen ihr Auslandsgeschäft fortsetzen. Fast jeder zweite
wolle in den nächsten drei bis fünf Jahren
an seiner Auslandsstrategie festhalten,
mehr als die Hälfte wollen ihre Aktivitäten sogar ausbauen, wie aus einer Studie
der DZ Bank hervorgeht. Nur ein Prozent
der Befragten plant demnach, im internationalen Geschäft kürzer zu treten.
„Vom Brexit, den Russland-Sanktionen,
den Spannungen in der Türkei und dem
Abflauen des Wirtschaftswachstums in
China ist insgesamt jedes dritte mittelständische Unternehmen mit Auslandsgeschäft betroffen.“
Als Konsequenz daraus hielten sich
die meisten Firmen mit Investitionen
zurück. Zudem liebäugelt jeder zweite
Mittelständler mit einer Verlagerung auf
andere Auslandsmärkte. Hier kommen
laut Umfrage am ehesten andere Staaten
in Europa infrage, gefolgt von Nordamerika, China und dem restlichen Asien.
„Größere Unternehmen spüren die
Für das Expansionsbestreben mittelständischer Unternehmen gibt es keinen Horizont.
Foto: Flickr/Nicki Mannix/CC BY 2.0
Folgen globaler Veränderungen und
Krisen deutlicher“, sagte Stefan Zeidler,
Firmenkundenvorstand der DZ Bank.
„Insbesondere die Russland-Sanktionen und der Brexit beschäftigen die
Unternehmen sowie die hieraus resul-
tierenden Unsicherheiten über wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen.“ Ökonomen gehen davon
aus, dass ein EU-Austritt Großbritanniens die deutschen Exporteure belasten
dürfte.
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Finanzen
EU erleichtert Vergabe von Krediten an den Mittelstand
Die EU will den kleinen Banken in Europa mehr Spielraum bei Krediten an den Mittelstand einräumen
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ie EU-Kommission will kleineren
Banken Freiräume bei der Vergabe
von Krediten für den Mittelstand lassen.
Einem Reuters am Dienstag vorliegenden
Entwurf zufolge können diese Institute
Darlehen an kleinere und mittelgroße Unternehmen (KMU) weiterhin mit weniger
Eigenkapital unterlegen. So sind wie bisher
23,8 Prozent bei der Hinterlegung abzugsfähig, wenn der Kredit unter 1,5 Millionen
Euro liegt. Bei größeren Darlehen sollen
15 Prozent der verbleibenden Summe abgezogen werden können. Der deutsche
Sparkassenverband begrüßte, dass der
sogenannte KMU-Skalierungsfaktor beibehalten werden soll. Verbandschef Georg
Mittelständler sollen es zukünftig einfacher bei der Kreditvergabe haben.
Foto: Flickr/Sean MacEntee/CC BY 2.0
Fahrenschon forderte in Brüssel aber zudem ein generelles Umdenken, indem die
internationalen Großbanken von den regional aufgestellten Geldhäusern getrennt
werden.
Die EU-Kommission will die Pläne
für die Überarbeitung der Eigenkapitalverordnung (CRR) und der Eigenkapitalrichtlinie (CRD) kommende Woche präsentieren, die noch unter dem britischen
Finanzmarktkommissar Jonathan Hill
auf den Weg gebracht wurden. Hill war
nach dem Brexit-Votum seiner Landsleute im Sommer zurückgetreten. Seine
Aufgaben hat EU-Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis übernommen.
Der Lette kündigte in einer Rede zudem an, den bürokratischen Aufwand für
kleinere Banken bei den Bonus-Regeln
für Manager dort zu lockern, wenn dies
möglich sei. Im Gegensatz zu Großbanken sind viele kleine Institute nicht börsennotiert und zahlen nur geringe Boni,
müssen aber die gleichen Regeln befolgen und entsprechende Nachweise erbringen.
Wirtschaft
US-Wahl: Radikale Zäsur für die Weltwirtschaft
Donald Trumps Sieg ist ein ‚game-changer’ für die USA, die Weltpolitik und die Finanzmärkte – aber besonders für Europa.
D
onald Trump hat im Wahlkampf einen Bruch mit allen Konventionen
und politischer Korrektheit vollzogen. Er
hat sich aggressiv mit dem republikanischen Establishment, mit der globalisierten Wirtschaftselite und mit den Medien
angelegt. Er hat alle Ebenen der amerikanischen Institutionen angegriffen und
lächerlich gemacht. Er ging offensichtlich
unvorbereitet in die erste von drei national übertragenen Auseinandersetzungen
mit Hillary Clinton, wo er seiner Kontrahentin weit unterlegen war. Er setzte sich
durch, obwohl er Frauen, Minderheiten,
Behinderte, Kriegsinvalide wie selbst den
Vietnamkriegsveteranen John McCain
mehrfach aufs übelste beleidigte und offen rassistische Parolen anschlug.
Die Gründe sind eine Grundwelle,
die er als einziger früh wahrgenommen
und in eine Wahlkampfkampagne umgesetzt hat. In den Vereinigten Staaten
stagnieren die Reallöhne seit 40 Jahren.
Für breite Kreise der ehemaligen Mittelklasse sind sie rückläufig. Die Beschäftigung vor allem in der Industrie und
in zahlreichen vorgelagerten Branchen
und Wirtschaftszweigen hat drastisch
abgenommen. Viele haben sich vom Arbeitsmarkt zurückgezogen. Für sie gab es
keine Hoffnung mehr auf Verbesserung,
sie sind die Globalisierungsverlierer.
Weder das republikanische noch das demokratische Establishment haben ihnen
irgendeine glaubwürdige Perspektive
bieten können. Trump hat nicht wegen
seiner Brillanz, Konsistenz oder Expertise gewonnen, sondern weil er Codewörter im richtigen Zeitpunkt gesetzt hat.
Er hat damit diejenigen eingefangen,
welche alle Hoffnung verloren haben.
Seine Gegenspielerin war diesbezüglich
schwach: Verräterisch war ihre abschätzige Bemerkung über die ‚deplorables’, welche Trump mit zur Wahl verholfen haben. Dies war eine unvorstellbar dumme
Bemerkung, die aber die ganze Arroganz
der amerikanischen Elite, Republikaner
wie Demokraten, gegenüber der eigenen
Bevölkerung unverhüllt zum Ausdruck
bringt.
‚It is the economy, stupid’. Eine Zahl
fasst vieles zusammen. Über die Hälfte
der amerikanischen Haushalte haben
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keine 1.000 Dollar Liquidität auf dem
Konto. Sie könnten ihre monatlichen
Rechnungen nicht zahlen, sollte irgendetwas Unvorhergesehenes passieren.
Im Zustand einer solchen Unsicherheit
verlieren alle Parolen, geschliffenen Redewendungen und optisch verbesserten
Zahlen an Glaubwürdigkeit. Der Arbeitsmarkt ist eben dann nicht gut, sondern
bedrohlich.
Was weiß man über das Wirtschaftsprogramm von Trump? Politik-Unsicherheit wird für einige Zeit vorherrschen. Angesichts seines ‚track-records’
in Bezug auf Konsistenz könnte man
Trump wohl attestieren, dass er sich um
sein Geschwätz von gestern nicht viel zu
scheren braucht. Doch Trump hat zweifellos ein feines politisches Gespür.
Denn die politische Ausgangslage
ist eindeutig. Trump profitiert von der
durch ihn und nur durch ihn ermöglichten republikanischen Mehrheit in beiden
Häusern. Diese wird nicht notwendig auf
Dauer der Fall sein. Typisch für die USA
ist ein System von ‚checks and balances’.
Obama verpasste es vor 2010, eine analoge Mehrheit der Demokraten zu nutzen. Er hat damals die Verschuldungslimite nicht genügend und für längere
Zeiträume angehoben und war dann für
den Rest seiner Präsidentschaft der Obstruktionspolitik der Republikaner in
der Finanzpolitik hilflos ausgeliefert.
Auf das republikanische Establishment
kann Trump sich längerfristig nicht verlassen. Bei vielen Themen, etwa in Bezug
auf den Freihandel, wird er sich mit ihm
anlegen müssen. Trump hat einen riesigen Überraschungs-Coup gelandet. Er
muss die Aufbruch-Stimmung einerseits
und die Schockstarre seiner innerparteilichen Kontrahenten andererseits jetzt
nutzen – später wird vieles nicht mehr
möglich sein.
Im Kern seines Wirtschaftsprogrammes werden die Infrastruktur-Investitionen stehen. Straßen, Brücken, Bahnen,
Schulen, Leitungen, Netzwerke – alles
muss von Grund auf erneuert oder neu
geschaffen werden, nachdem es seit den
Zeiten von Ronald Reagan arg vernachlässigt worden ist. Trump ist ein Baulöwe
und weiß besser als viele Ökonomen aus
Erfahrung, was für massive makroökonomische Effekte die Bautätigkeit auslösen
kann. In der Fachsprache nennt man sie
Koppelungseffekte. Es ist aber eine traditionelle Forderung der Obama-Administration, welche die Republikaner unter
Boehner immer ausgehebelt haben. Nur
jetzt, mit dem Momentum seiner Bewegung und auch mit Unterstützung der
Demokraten in Senat und Repräsentantenhaus, kann er ein groß angelegtes und
mehrjähriges Programm durchsetzen.
Infrastruktur-Investitionen
lösen
Rückwärts- und Vorwärts-Koppelungseffekte (engl. ‚backward and forward
linkages’) aus. Keine andere Branche beeinflusst so viele vor- und nachgelagerte
Branchen über ein breites Spektrum hinweg wie die Bautätigkeit. Die Multiplikatoren sind vor allem für vorgelagerte
Branchen enorm hoch. Die spezialisierte Bauzulieferindustrie (etwa Zement-,
Stahl- oder Aluminiumindustrie) wie
auch ein breites Spektrum anderer Industrien (Metall-, Maschinenbau, Holz-,
Kunststoff- und chemische Industrie),
aber auch viele Dienstleistungen wie
Planungs- und Ingenieursbüros, Architektur, Groß- und Detailhandel, Finanzindustrie, andere Unternehmens-Dienstleistungen) werden davon profitieren.
Dabei sind diese Koppelungseffekte auf
die Binnenwirtschaft konzentriert, es
fließt sehr wenig ins Ausland. Das unterscheidet die Bautätigkeit etwa von
der verarbeitenden Industrie, die häufig
viele Vorleistungen und Zwischenprodukt aus dem Ausland bezieht. Auch sind
schnelle und massive Erfolge möglich,
wenn zunächst auf Reparaturen und Renovationen bestehender Infrastrukturen
gesetzt werden kann. Die Vorlaufphasen
für Neubauprojekte sind hingegen komplett anders. Dort kann es sehr lange
dauern, bis alle rechtlichen und planerischen Voraussetzungen überhaupt erfüllt werden können und die eigentliche
Bautätigkeit einsetzen kann. Im Kern ist
dieser Schwerpunkt auf ein groß angelegtes Infrastruktur-Programm ökonomisch komplett richtig. Und dafür wird
Trump auch Mehrheiten erhalten. Auch
die Demokraten werden dies unterstützen.
Infrastruktur-Investitionen
als
Schlagwort tönen wohlklingend. Doch
die Schwierigkeiten auf der Ebene der
Umsetzung sind weitreichend. Viele In-
18. November 2016
frastrukturen sind nicht vom Bundesstaat, sondern von den Einzelstaaten
und Städten oder Gemeinden bereitgestellt. Gerade im ‚Rust belt’ und anderen
Krisenregionen ist es um deren Finanzkraft nicht zum Besten gestellt. Viele leiden unter schwachen Steuereinnahmen,
haben unterfinanzierte Pensionskassen
und sind gar nicht fähig, erhöhte Infrastruktur-Investitionen
vorzunehmen.
Eine Gesamtplanung und -finanzierung
zu finden, dürfte angesichts regionaler
Disparitäten und Interessenkonflikte gar
nicht so einfach sein. Der Republikaner
Boehner wollte nicht nur als Republikaner, sondern als Repräsentant einer wirtschaftsstarken Region nicht für andere
bezahlen. Hier wird es viel politisches
Fingerspitzengefühls und Durchsetzungsvermögens bedürfen.
Ein zweiter Sektor betrifft die Energie. Trump wird, mindestens nach seinen
Ankündigungen, manche Projekte der
Obama-Administration umstülpen. Er
wird die umstrittene Keystone-Pipeline
und die Kohlekraftwerke wieder aus der
Versenkung holen, das Fracking und die
Exploration erleichtern, Umweltschutzvorschriften abschaffen und generell die
Beschränkungen für den Energiesektor
aufheben. Auch damit wird die traditionelle Industrie, und zwar die inländische
Industrie, stimuliert – allerdings regional
sehr unterschiedlich. Mit der Ausnahme
der Appalachen, wo der Kohlebergbau
konzentriert ist, sind dies die wachstumsstarken Regionen der letzten 15 Jahre, und nicht unbedingt der ‚Rust belt’.
Eine energiepolitische Kehrtwende
dürfte zwei globale Implikationen haben.
Sie dürfte die Aussicht auf ein globales
Überangebot im Erdöl- und Energiesektor verstärken, wenn in den USA und in
Kanada statt weniger wieder mehr Erdöl und Kohle produziert wird. Die Entscheidungsfindung und Koordination
in der OPEC und mit anderen großen
Produzentenländern würde eine solche
Energiepolitik nicht erleichtern. Zudem
wäre eine derartige Kehrtwende mit einem sehr hohen langfristigen Preis verbunden: Im Wahlkampf hat Trump angekündigt, das Klimaschutzabkommen
zu kippen. Politisch kann er dies locker
mit den Republikanern durchsetzen. Die
C02-Emissionen und die globale Klima4
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erwärmung werden langfristig im Land
der größten Umweltverschmutzung wieder zusätzlich angeheizt – mit unabsehbaren Folgen. Andere werden sich nicht
mehr bemüßigt fühlen, an ambitiösen
Zielen festzuhalten, die globale Klimaerwärmung wird aus dem Ruder laufen,
usw.
Ein dritter Hebel, die Industrie zu
stärken, betrifft die Steigerung der Verteidigungsausgaben. Auch dies ist in den
USA eine primär inländische Industrie
mit breitem Spektrum von Vorleistungen. Wenig von diesen Ausgaben wird
ins Ausland abfließen. Es ist eine High
Tech-Industrie, die im Kongress genügend Lobbyisten hat, in beiden Parteien.
Nur repräsentiert dies die zweite große
diskretionäre Ausgabenexpansion. Sie
würde einen Sektor mästen, der ohnehin schon fett und übergewichtig ist und
eigentlich dringend abgespeckt werden
müsste. Politisch ist eine Ausgabenexpansion mit den Republikanern einfach
zu bewerkstelligen.
Am schwierigsten wird es fallen,
die klassische für den privaten Sektor
arbeitende verarbeitende Industrie in
den USA wiederaufzubauen. Mit dem
WTO-Beitritt im Jahr 2001 ist China sukzessive zur Werkbank der Welt geworden.
Viele verarbeitende Industrien sind dort
konzentriert und haben darüber hinaus
gewaltige Überkapazitäten – auch und
gerade in den High Tech-Bereichen. Zudem sind traditionelle Industrien nach
Mexiko oder Kanada abgewandert – so
vor allem die Autoindustrie. Typisch ist
also eine Struktur, wo in den USA Forschung und Entwicklung, andere zentrale Funktionen wie Verwaltung, Finanzen,
Marketing und anderes mehr konzentriert sind. Die eigentliche Produktion
wurde aber weitgehend ausgelagert.
Nicht nur die Arbeitskosten, sondern
auch Umweltauflagen können so umgangen werden. Oberflächlich betrachtet
erscheint eine Trendumkehr als einfach,
wenn man etwa die Handelsbilanz der
USA mit China betrachtet. Die Vereinigten Staaten exportieren sehr wenig nach
China, sind aber sehr große Importeure
und verzeichnen aufgrund der hohen
Importe ein massives Defizit in der Handelsbilanz mit China. Das Defizit mit
China macht den Großteil des amerika-
USA: Nominelle Handelsbilanz mit VR China.
nischen Handelsbilanz-Defizits aus. Hier
protektionistisch zu werden, scheint verlockend. Nur: Die Importe aus China bestehen hauptsächlich aus Exporten von
amerikanischen Firmen aus China. Diese
amerikanischen Firmen wiederum produzieren in China auch und teilweise sogar primär für den chinesischen Markt.
Sie sind somit auf den Goodwill der chinesischen Regierung angewiesen. Hier
die Investitionen in Kapazitäten wieder
nach Amerika umzulenken, wird sehr anspruchsvoll sein. Nicht nur werden amerikanische Unternehmen lobbyieren,
dass nichts zu ihrem Nachteil geschieht.
Die chinesische Regierung ihrerseits hat
gewaltige Hebel in der Hand, um amerikanischem Druck zu begegnen. Angesichts eines riesigen Marktes von knapp
1.5 Milliarden Einwohnern dürften es
amerikanische Produzenten nicht mit
der chinesischen Regierung verderben
wollen.
Zudem kommt die Roboterisierung
und Automatisierung der Industrie hinzu – Stichwort Industrie 4.0 etwa. Selbst
wenn ein gewisses Maß an Produktion
in der verarbeitenden Industrie zurückkehren sollte, so werden die Beschäftigungseffekte möglicherweise begrenzt
sein und nicht wie in der Vergangenheit
ausfallen. Es werden dann nicht arbeitsintensive Fabriken wieder angesiedelt,
sondern möglicherweise hoch kapitalintensive Neubauten mit nur wenig Perso-
18. November 2016
Quelle: United States Census Bureau
nal.
Bei Mexiko und Kanada sind die Verhältnisse noch etwas komplizierter. Mexiko und Kanada sind zwei der wichtigsten Exportmärkte der amerikanischen
Industrie. Die Defizite in der Handelsbilanz sind viel weniger ausgeprägt als
gegenüber China. Mit Kanada haben die
USA eine praktisch ausgeglichene Handelsbilanz, mit Mexiko eine defizitäre.
Die USA könnten sich ins eigene Fleisch
schneiden, wenn sie einfach die Importe
einschränken wollen. Hier eine Lösung
Die Förderung neuer Klimaabkommen war nicht
Teil von Trumps Wahlkampagne.
Quelle: Thomas Max Müller/pixelio.de
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zu finden, ist anspruchsvoll und mag
sehr zeitraubend ausfallen.
Das wahrscheinliche Wirtschaftsprogramm von Donald Trump kann die
Industrie ganz erheblich direkt und indirekt anheizen. Es gibt effektiv mächtige
Hebel. Vor allem ein langfristig angelegtes Infrastruktur-Programm hat ganz
massive Konjunktureffekte und könnte
effektiv einen kumulativen Wachstumsschub auslösen, auch mit strukturell
erhöhtem Produktivitätswachstum. Ein
solches Programm richtig zu planen und
aufzugleisen, ist aber politisch sehr anspruchsvoll. Die Energiewende und Rüstungsausgaben – politisch viel einfacher
durchzusetzen – sind dagegen höchst
problematisch.
Die nach China, Vietnam oder den
Philippen sowie Mexiko oder Kanada
abgewanderte verarbeitende Industrie
zurückzuholen, könnte sich überdies
als sehr schwierig oder sogar als Illusion erweisen. Das große Fragezeichen
der beiden diskretionären Ausgabenprogramme betrifft die Finanzierung,
18. November 2016
und die Risiken und Nebenwirkungen
der gesamten Politik. Es könnten makroökonomische Effekte anfallen, die mit
dieser einfachen additiven Logik nicht
zu fassen sind. Wird wirklich ausgabenseitig mit Infrastruktur- und Rüstungsprogrammen von großer Dimension
zugelangt, wird es eine Zinswende geben.
Diese könnte praktisch einen Ausbruch
aus dem Abwärtstrend der Zinsen seit
den frühen 1980er Jahren und eine weitere langfristige Festigung des Dollars
mit sich bringen.
Mittelstand
Maschinenbau: Unternehmer fürchten nicht um US-Geschäft
Der deutsche Maschinenbau erwartet nach der Wahl Donald Trumps keinen Einbruch beim Export in die USA
in den USA tätig. „Das puffert das Problem ein bisschen ab.“ Es könne aber
sein, „dass wir gezwungen
werden, die Produktion in
Amerika auszubauen“.
Im vergangenen Jahr
wurden aus Deutschland
Maschinen und Anlagen
im Wert von rund 17 Milliarden Euro in die USA
geliefert, das waren 11
Prozent des Gesamtvolumens. Dieser Wert überstieg erstmals seit 2008
wieder das Exportvolumen nach China.
VDMA-Chefvolkswirt
Ralph Wiechers erläuterte, gemessen an den Auslandsinvestitionen seien
die USA der Hauptstützpunkt. Jeder vierte Euro,
Die Maschinenbau-Branche blickt gelassen auf den Ausgang der US-Wahl..
Quelle: Flickr/Gage Skidmore/CC BY-SA 2.0
den der deutsche Maschinenbau im Ausland investiere, fließe in die Vereinigoch ist nicht klar, welche Wirt- nur mit Blick auf die USA Nationalis- ten Staaten. Für 2017 blieb Wiechers bei
schaftspolitik der künftige US- mus und Protektionismus energisch be- seiner Prognose von real einem Prozent
Präsident Donald Trump machen wird. kämpfen. Neue Zölle, für die sich Trump mehr Wachstum in der Branche.
Der VDMA vertritt mehr als
Der deutsche Maschinenbau macht sich in Wahlkampf ausgesprochen hatte,
keine allzu großen Sorgen. Dafür gibt es würden die Exporteure aller Staaten 3100 Maschinen- und AnlagenbauGründe: „Ich bin sicher, dass wir in den gleichermaßen treffen, sagte Festge.
er in Deutschland. Die Branche kam
USA weiterhin gute Geschäfte machen
Die deutsche Industrie habe aber im vergangenen Jahr auf 218 Milliwerden“, sagte der scheidende Verbands- schon heute eine starke Position in den arden Euro Umsatz. Sie beschäftigt
USA. Mehr als 1000 Unternehmen des in Deutschland rund eine Million
präsident Reinhold Festge in Berlin.
Die Bundesregierung müsse nicht deutschen Maschinenbaus seien direkt Menschen.
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18. November 2016
Finanzen
USA stehen vor einer Explosion der Staats-Schulden
Unter Donald Trump wird sich die Staatsverschuldung massiv erhöhen. Der Grund sind die geplanten Steuersenkungen
D
ie Steuerpläne von Donald Trump
werden zu einer drastischen Erhöhung der Staats-Schulden führen. Bisher
hatten die Republikaner Präsident Barack
Obama immer daran gehindert, die Verschuldung anzuheben oder neue Steuern
einzuführen.
ein Satz von 2,6 Prozent des Brutto-Sozialprodukts ergibt. Durch eine neuerliche
Steuersenkung würde das Defizit wieder
explodieren.
Republikaner hatten 2010 die Mehrheit im Kongress und 2014 die Mehrheit im Senat erobert
Die Einkommensteuer ist die bestimmende Ertragsquelle des Bundesstaats.
Einige Staaten und Gemeinden kassieren
eine ergänzende Einkommensteuer. Für
Europäer klingen die Sätze wie aus einem
Märchen. Die Sätze wirken zudem nicht
in vollem Ausmaß, weil relativ großzügige
Abschreibungs- und Absetzungsmöglichkeiten gegeben sind. Hier zwei Beispiele
der Bundes-Sätze:
»In Einkommenskategorien, die in Europa schon als hoch gelten und mit Steuern in der Größenordnung von 50 Prozent belegt sind, zahlt man in den USA
25 Prozent: Genau gilt dieser Satz für
Einkommen zwischen 37.651 und 91.150
US-Dollar bei Einzelpersonen, zwischen
75.301 und 151.900 bei Verheirateten
und zwischen 50.401 bis 130.150 bei einem Haushaltsvorstand.
»Ab 415.050 Dollar beträgt die Einkommensteuer 39,6 Prozent, ein Satz der in
Europa schon die Bezieher niedriger
Löhne trifft. Bei Verheirateten beginnt
dieser Höchstsatz ab 466.950 Dollar, bei
Haushaltsvorständen ab 441.000 Dollar.
Somit bewegt sich die durchschnittliche Belastung mit Einkommensteuer weit
unter 30 Prozent.
Der Bund rechnet momentan mit
2.200 Milliarden Dollar. Die Zuschläge der
Staaten und der lokalen Behörden werden
etwa 440 Milliarden bringen, sodass man
im Schnitt – jeder Staat, jede Kommune
agiert autonom – immer noch von weniger als 30 Prozent ausgehen kann.
Aus Obamas Sicht, der mit Mühe 2013
den Satz der Spitzenverdiener von 35 auf
39,6 steigern konnte, wäre eine Anhebung
der Einkommensteuer angesichts der besseren Konjunktur und der auf 4,99 Prozent
gesunkenen Arbeitslosigkeit zu rechtfertigen: Eine Anhebung auf tatsächlich 30
Die Republikaner im Parlament haben in den vergangenen Jahren stets Einsparungen im Staatshaushalt eingefordert
und den Demokraten im Weißen Haus unter Druck gesetzt.
Zur Erinnerung: Der Demokrat Bill
Clinton hat in seiner Amtszeit das Langzeitdefizit beseitigt. In den vier Jahren der
zweiten Periode wies das Budget sogar
deutliche Überschüsse auf. Unter dem Republikaner George W. Bush explodierten
in den folgenden acht Jahren ab 2002 die
Defizite.
Eine der Ursachen waren Bushs umfangreiche Steuersenkungen.
Als 2009 Barack Obama das Amt übernahm, befand sich die Welt in der Schreckstarre nach der im September 2008 ausgebrochenen Finanzkrise. In dieser Situation
wollte Obama keine Steuererhöhungen
vornehmen, um die Wirtschaft nicht zusätzlich zu bremsen.
Als sich die Wogen geglättet hatten,
war es zu spät: Im November 2010 verloren die Demokraten bei den sogenannten
„Mid-term-elections“ die Mehrheit im
Kongress an die Republikaner, die in der
Folge jede Steuererhöhung verhinderten.
Die Position der Republikaner wurde 2014
zusätzlich mit der Eroberung der Mehrheit im Senat gestärkt, sodass Obama in
beiden Kammern des Parlaments von der
Opposition gebremst wurde.
Jetzt hat Trump angekündigt, er würde die Steuern nicht nur nicht erhöhen,
sondern halbieren.
Mit Mühe und mit enormen Einsparungen wurde das Defizit auf die erwähnten 503 Milliarden gedrückt, womit sich
Die Einkommensteuer in den USA
wirkt für Europäer wie ein Traum
oder 31 Prozent würde mehr als 200 Milliarden bringen und das Defizit halbieren.
Dies wurde durch die Republikaner verhindert und Trump spricht nun von einer
spektakulären Senkung.
Ein Trost für Europäer am Rande: Die
Amerikaner jammern über die Steuerlast
in den gleichen Tönen wie die Europäer.
Ein Hinweis auf die aus europäischer Sicht
geradezu paradiesischen Zustände bleibt
ohne Wirkung.
Die Besteuerung von Benzin und Diesel ist minimal. Jeder Versuch einer Anhebung wird heftig bekämpft.
Die USA hätten zudem auch andere
Steuerquellen, die nicht genutzt werden.
Treibstoffe werden extrem niedrig besteuert. Der Bund hebt bei Benzin 18,4 Cent je
Gallone ein, bei Diesel sind 24,4 Cent. Die
Staaten kassieren im Schnitt weitere 24
Cent, wobei die Sätze stark variieren. Aus-
Noch-Präsident Barack Obama und sein gewählter Nachfolger Donald Trump.
Quelle: Official White House Photo/Pete Souza
zugehen ist von etwa 42 Cent je Gallone,
das sind rund 10 Cent je Liter. Im Vergleich
zu europäischen Mineralölsteuern kann
man von Bagatellsteuern reden.
Auf Bundesebene fließen die 18,4 Cent
in den Highway Trust Fund, der für den
Bau und die Erhaltung der Autobahnen
zuständig ist. Aufgrund der geringen Einnahmen leidet der Fonds ständig unter
Geldnot und musste bereits mehrfach
durch Zuwendungen aus dem Bundesbudget vor der Insolvenz bewahrt werden.
Trump will nun, wie bereits Obama,
die in den USA mangelhafte Infrastruktur
ausbauen, wobei der Zustand des Straßen7
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MittelstandsNachrichten
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Ausgabe |45/16
netzes neben anderen ein zentrales Thema
ist. Die hierfür notwendige Besteuerung
der Treibstoffe wird aber vehement von
der Bevölkerung abgelehnt. Daran haben
auch der aktuell niedrige Ölpreis und die
daraus resultierenden Erleichterungen für
den Endkonsumenten nichts geändert.
Obwohl ohne größere Nachteile für die
Bevölkerung beträchtliche Einnahmen zu
lukrieren wären, dürfte diese Steuerquelle
nicht genutzt werden. Somit muss der angekündigte Ausbau der Infrastruktur das
Defizit ebenfalls ansteigen lassen.
Geradezu ein Treppenwitz der Geschichte: Bill Clinton hat als Gouverneur
von Arkansas die Kraftfahrzeugsteuer
angehoben, um den Straßenbau zu finanzieren und verlor in der Folge 1980 (!) die
Wiederwahl.
Die Möglichkeiten einer Besteuerung
der Umsätze bleiben ungenutzt
Die USA lassen nicht nur die Möglichkeiten der Mineralölbesteuerung ungenutzt. Auch die Umsatzsteuer ist eine
kaum erschlossene Finanzierungsquelle.
Dieser Bereich liegt in der Kompetenz
der Einzelstaaten, wobei viele gar keine
Besteuerung der Waren- und Dienstleistungsumsätze vornehmen. Das gesamte
Aufkommen an Umsatzsteuer aller Staaten ist für 2016/17 mit 460 Milliarden
Dollar budgetiert. In Europa sind die Einnahmen aus der Umsatzsteuer meist mit
den Einnahmen aus der Einkommensteuer vergleichbar. In den USA klafft
zwischen der Einkommensteuer mit fast
2.650 Milliarden und den 460 Milliarden
der Umsatzsteuer eine enorme Differenz. Der Bund, der keine Umsatzsteuer
einhebt, könnte mit einem Aufkommen
nur im Ausmaß der Erlöse der Staaten
das Gesamtdefizit im Wesentlichen beseitigen.
Niedrige Steuern lassen Schuldenstand
auf über 23.300 Milliarden US-Dollar
anwachsen
Die USA werden im laufenden Budgetjahr auf Bundesebene einen Schuldenstand von mehr als 20.000 Dollar
erreichen, berücksichtigt man auch die
Schulden der Staaten und der lokalen
18. November 2016
Behörden so ergibt sich ein Betrag von
23.300 Milliarden Dollar. Das gesamte
Bruttoinlandsprodukt dürfte knapp 19.303
Milliarden betragen, sodass die Schulden
mehr als 100 Prozent einer Jahreswirtschaftsleistung entsprechen werden.
Diese Daten sind in Relation zu den
geschilderten, niedrigen Steuern zu sehen: Die USA leisten sich den Luxus einer
Steuerquote von geschätzt etwa 33 Prozent
des BIP gegenüber beinahe 50 Prozent in
Europa. Mit einer nur leichten Anhebung
der Steuern wäre das aktuelle Jahresdefizit
von 500 Milliarden einfach zu beseitigen.
In der Folge könnte mit dem Abbau der
Schulden begonnen werden. Nun kündigt
sich mit Trump eine Explosion des Defizits
und der Schulden an.
***
Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist
einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift “Der Volkswirt“ sowie
Moderator beim ORF.
Digitalisierung
Bundesregierung legt Fahrplan für Internet der Zukunft vor
Für die Digitalisierung der Wirtschaft ist eine leistungsfähige und vor allem flexible Infrastruktur nötig
D
ie Bundesregierung hat sich mit Vertretern der Wirtschaft beim Internetausbau auf einen Fahrplan in die sogenannte Gigabit-Gesellschaft verständigt.
Eine „gigabitfähige konvergente Infrastruktur“ solle bis Ende 2025 stehen, sagte Verkehrsminister Alexander Dobrindt
nach einem Treffen der sogenannten Netzallianz in Berlin. Mit Gigabit-Gesellschaft
ist eine nahtlos vernetzte Gesellschaft gemeint, die Daten in Echtzeit und mit hoher Bandbreite, über intelligente Netze,
sicher und energieeffizient zur Verfügung
hat. Die Infrastruktur solle dann flexibel, je
nach den Bedürfnissen und Anwendungen
der Nutzer zur Verfügung stehen, sagte
der CSU-Politiker.
Die erste Phase des Netzausbaus
läuft bis Ende 2018 und beinhaltet wie
im Koalitionsvertrag von Union und
SPD vorgesehen als Zwischenschritt
eine flächendeckende Versorgung aller
Haushalte mit einem Internet mit einer
Geschwindigkeit von 50 Megabit pro Sekunde. „Wir sind hier auf einem exzellenten Weg“, sagte Dobrindt und verwies auf
Investitionen der Netzbetreiber von je
acht Milliarden Euro in den Jahren 2015
und 2016 sowie auf vier Milliarden Euro
des Bundes.
In Phase II gehe es darum, bis Ende
2019 Gewerbegebiete mit Hilfe eines
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Redaktion: Anika Schwalbe, Nicolas Dvorak. Sales Director:
Kurfürstendamm 206, D-10719 Berlin. HR B 105467 B. Telefon:
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Mittelstand
mit höheren Bandbreiten auszustatten und so gerade kleine Firmen an ein
schnelles Internet anzuschließen. In Phase III sollen bis Ende 2020 die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, um das
geplante neue 5G-Mobilfunknetz umzusetzen.
In Eckpunkten der Netzallianz sagt
der Bund zu, „angesichts der Bedeutung der digitalen Infrastruktur für die
Zukunfts- und Innovationsfähigkeit
Deutschlands“ seine Fördermittel „bedarfsgerecht“ weiter zu erhöhen. So müsse es in der vierten Phase „wirkungsvolle
Förderkulissen“ geben, sagte Dobrindt.
Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV).
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