Musikstunde: Geigenbauer I

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Musikstunde
Komponist, Verleger, Klavierfabrikant.
Die erstaunliche Karriere des Ignaz
Joseph Pleyel.
Ein Harmonischer Krieg in London
(4)
Von Wolfgang Scherer
Sendung:
Redaktion:
Donnerstag 17. November 2016
(Wiederholung von 2012)
9.05 – 10.00 Uhr
Ulla Zierau
Bitte beachten Sie:
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SWR2 Musikstunde mit Wolfgang Scherer
Komponist, Verleger, Klavierfabrikant.
Die erstaunliche Karriere des Ignaz Joseph Pleyel (4)
SWR 2, 14. November - 19. November 2016, 9h05 – 10h00
SWR2 Musikstunde
„... mit Wolfgang Scherer: Komponist, Verleger, Klavierfabrikant. Die erstaunliche
Karriere des Ignaz Joseph Pleyel.
Teil 4: Ein Harmonischer Krieg in London
Als sich Mozart von seinem väterlichen Freund Joseph Haydn verabschiedete, da
standen Tränen in beider Augen, und Mozart meinte: „Wir werden uns wohl das
letzte Lebewohl in diesem Leben sagen!“ Und damit Willkommen zur Musikstunde.
Was war geschehen? Am 28. September 1790 war Fürst Nikolaus Esterhazy,
Haydns Dienstherr auf Schloss Eszterhaza, nach kurzer Krankheit verstorben.
Haydn behielt zwar seinen Titel als Kapellmeister und bezog eine Jahrespension
von eintausend Gulden, aber jetzt hielt ihn nichts mehr am Hof des verstorbenen
Fürsten. Zumal dessen Nachfolger binnen weniger Tage nach dem Tod seines
Vaters die Hofkapelle und die Sänger vor die Tür setzte. Fürst Anton Esterhazy
verlegte seinen Sitz nach Eisenstadt und die prachtvolle Schlossanlage in
Eszterhaza, das ungarische Versailles, war bald so gut wie gar nicht mehr
bewohnt. Haydn zog nach Wien. In einer Zeitung in Köln las Johann Peter
Salomon, Impressario der berühmten Hanover Square Concerts in London, vom
Tod des Fürsten und beschloss, sofort nach Wien zu Haydn aufzubrechen. Bisher
hatte der Meister alle Angebote abgelehnt, für eine Reihe von Konzerten nach
London zu kommen. Und nun, da Haydn frei war, wollte er seinen Vorschlag
erneuern. Haydn sträubte sich zuerst, er könne kein Englisch und sei das weite
Reisen nicht gewohnt, aber zuletzt überzeugte ihn das lukrative Honorar von
fünftausend Gulden, und er unterzeichnete den Vertrag.
Bei einem Abschiedsessen warnte Mozart: „Du wirst es nicht lange aushalten, und
wohl bald wieder zurückkommen, denn Du bist nicht mehr jung. Außerdem
kannst Du kein Englisch.“ Darauf Haydn: „Meine Sprache versteht man in der
ganzen Welt.“ Am 15. Dezember 1790 bricht er mit Salomon auf nach London.
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Musikstunde 4 / Musik 1
M0042327 01-A-008
5´27
Joseph Haydn
„Finale. Presto assai“ aus
Sinfonie Nr. 97 C-Dur Hob I:97 (1. Londoner Sinfonie)
Österreichisch-Ungarische Haydn-Philharmonie
Leitung: Adam Fischer
Das „Finale“ aus der 1. Londoner Sinfonie von Joseph Haydn war das. Adam
Fischer leitete die Österreichisch-Ungarische Haydn-Philharmonie. In Calais
gingen Haydn und Salomon an Bord des Schiffes, das sie nach Dover bringen
sollte. „Während der ganzen Überfahrt“, schrieb Haydn, „blieb ich oben auf dem
Schiff, um das ungeheure Tier, das Meer, sattsam zu betrachten. Solange es
windstill war, fürchtete ich mich nicht, zuletzt aber, da der stärkere Wind
ausbrach und ich die heranschlagenden ungestümen hohen Wellen sah, überfiel
mich eine kleine Angst, und mit dieser eine kleine Übelkeit. Doch überwand ich
alles und kam, ohne zu brechen glücklich an das Gestad. Da ich aber nach
London kam, wurde ich erst die Beschwer der Reise gewahr. Ich brauchte zwei
Tage, um mich zu erholen. Nun bin ich wieder frisch und munter, und betrachte
die unendlich große Stadt London, welche wegen ihrer verschiedenen
Schönheiten und Wunder ganz in Erstaunung versetzt.“ London war damals vor
Paris die wichtigste europäische Metropole, die mit gut einer Million Einwohnern
Wien fast um das Vierfache übertraf. Und bot ein öffentliches Konzertleben, das
damals seinesgleichen suchte. Von den anderen europäischen Musikzentren
unterschied sich das Londoner Konzertleben vor allem dadurch, dass es nicht von
Hof und Adel, sondern von bürgerlichen Abonnenten getragen wurde. Die Musik,
die hier in den großen Konzertreihen gespielt wurde, war unabhängig vom
Geschmacksdiktat von Fürsten und Königen. Es war das zahlende bürgerliche
Publikum, das darüber entschied, ob eine bestimmte Musik Erfolg hatte. Und
Haydns Musik hatte hier, längst bevor er selbst nach London gereist kam, größte
Erfolge gefeiert. Etwa seine Sinfonie Nr. 53. Die war in den Konzerten in den
Hanover Square Rooms so beliebt geworden, dass bald die vornehmen Damen
Londons das Stück auf dem Klavier klimperten.
Musikstunde 4 / Musik 2
M0042342 01-A-007
3´38
Joseph Haydn
3.Satz „Menuet – Trio“ aus
Sinfonie Nr. 53 D-Dur Hob I:53
Österreichisch-Ungarische Haydn-Philharmonie
Leitung: Adam Fischer
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Salomons Konzertreihe im Hanover Square, mit Haydn als Komponist und Dirigent
und mit ihm selbst als Konzertmeister, wurde ein durchschlagender Erfolg. Die
Eintrittspreise zu diesen anregenden gesellschaftlichen Ereignissen waren mit
umgerechnet etwa 200 Euro pro Person zwar ziemlich hoch, aber das Haus war
stets ausverkauft. Salomons Rechnung war aufgegangen, und Haydn war jetzt
ein umjubelter Komponist, den die Londoner High Society wie einen Weltstar
feierte. Die Damenwelt lag ihm zu Füßen, in Oxford ernannte man ihn zum
Ehrendoktor, er durfte exklusiv vorm Königshaus musizieren und wurde zu
Festbanketten, Pferderennen und allerhand Gesellschaften eingeladen.
Salomons geschäftlicher Erfolg mit Haydn wurde von seinem Konkurrenten
Wilhelm Cramer, dem Impressario der Professional Concerts, mit Neid und
Missgunst betrachtet. Alle Versuche, Haydn durch ein bedeutend höheres
Honorar für seine Professional Concerts zu gewinnen, hatte der Maestro aus Wien
abgelehnt. Daraufhin startete Cramer, von der Presse flankiert, eine Kampagne.
Der Altmeister sei schon zu schwach und unfähig, Neues hervorzubringen, hieß es
da; Haydn sei längst ausgeschrieben und aus Geistesmangel gezwungen sich zu
wiederholen. Man sähe sich daher genötigt, seinen Schüler Ignaz Josef Pleyel
nach London zu holen. Haydn lasse nach. In Wahrheit sei dieser wunderbare
Komponist doch nur ein geringer Spieler. Sein Schüler Pleyel habe vielleicht
weniger Wissen, aber seine Werke seien von einer Eleganz und Lieblichkeit und
böten häufiger Melodien. Er sei darum ein weit populärerer Komponist. Pleyel, der
im fernen Ittenwiller bei Straßburg gerade eine Einladung aus London bekommen
hat, ahnt noch nicht, dass er in der englischen Metropole, wo seine Musik längst
in Mode gekommen ist, seinen Lehrer Haydn beim Publikum ausstechen soll. Und
längst als härtester Konkurrent Haydns aufgebaut worden ist. Schon Wochen vor
seiner Ankunft in London wird er dort angekündigt als „der gefeierte Komponist
und Schüler des großen Haydn, der mit der Zeit sogar noch berühmter sein wird
als sein Lehrer.“ Genau ein Jahr nach Haydn bricht Pleyel auf nach London, das
er am Vorabend des Heiligen Abends 1791 in Begleitung seines Schülers
Pfeffinger erreicht.
Musikstunde 4 / Musik 3
CD take 12
Ignaz Joseph Pleyel
4.Satz „Rondo. Allegro“ aus
Sinfonie d-Moll Ben 147
London Mozart Players, Leitung Matthias Bamert
CHAN 10628(5)X
4´12
Das „Rondo“ aus der Sinfonie d-Moll, die Pleyels Musik in London bekannt
gemacht hat, noch bevor er selbst in die Themsestadt gereist war. Matthias
Bamert dirigierte die London Mozart Players. In London angekommen, bezieht
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Pleyel ein nobles Quartier, schräg gegenüber von Haydns fürstlichem Logement
in der Great Pulteney Street am Golden Square. Wir wissen nicht genau, wie sich
die beiden gegenüber getreten sind. Fest steht: Am Abend des 24. Dezember
haben sie miteinander in schönster Eintracht bei Pleyel gespeist. Den
Silvesterabend verbrachten sie zusammen im Pantheon-Theater und waren
offenbar entschlossen, sich von den Parteigängern der konkurrierenden
Konzertreihen nicht gegeneinander ausspielen zu lassen. Bald heißt es in den
Zeitungen: „Wir stellten besonders fest, und das mit großer Freude, dass die zwei
großen Helden der baldigen Kampagne, wir meinen die Herren Haydn und
Pleyel, den ganzen Abend zusammen saßen, nicht als streitende Rivalen, sondern
als Anführer, die dasselbe Interesse verfolgen.“ Und Haydn berichtet an seine
Freundin Marianne von Genzinger in Wien: „Allein, mir scheint, es wird bald Allianz
werden, weil mein Kredit zu fest gebaut ist. Pleyel zeigte sich bei seiner Ankunft
gegen mich so bescheiden, dass er neuerdings meine Liebe gewann, wir sind
sehr oft zusammen, und das macht ihm Ehre, und er weiß seinen Vater zu
schätzen. Wir werden unseren Ruhm gleich teilen und jeder vergnügt nach Hause
gehen.“ Der von Haydn so genannte „blutige harmonische Krieg zwischen dem
Meister und dem Schüler“ würde also weniger blutig als sportiv ausfallen. Und so
geschah es dann auch. Pleyel schenkte Haydn ein nobles Passe-partout aus
Elfenbein für alle seine Professional Concerts und eröffnete das erste Konzert am
13. Februar 1792 zur Überraschung aller mit einer Sinfonie seines Lehrers Haydn.
Und der saß in der ersten Reihe, applaudierte und erklärte, nie habe er diese
Sinfonie in einer besseren Aufführung gehört. Dann dirigierte Pleyel eine seiner
konzertanten Sinfonien.
Musikstunde 4 / Musik 4
CD take 3
Ignaz Joseph Pleyel
3.Satz „Presto assai“ aus
Sinfonie concertante F-Dur Ben 115 für Violine, Klavier und Orchester
Cornelia Löscher, Violine; William Young, Klavier
Camerata pro Musica
Leitung: Paul Weigold
3´23
Cornelia Löscher, Violine; William Young, Klavier; und die Camerata pro Musica
spielten unter der Leitung von Paul Weigold den letzten Satz der Sinfonie
concertante F-Dur von Ignaz Joseph Pleyel. Dass die beiden Musik-Rivalen Haydn
und Pleyel in London so gut miteinander auskamen, heißt nicht, es hätte
zwischen ihnen keinerlei Konkurrenz geherrscht. Im musikalischen Wettstreit gerät
Haydn unter Druck und kommt mit dem Komponieren kaum mehr nach. „Kein
Tag, ja gar keinen Tag bin ich ohne Arbeit“, stöhnt er. „Meine Arbeiten
erschweren sich durch die Ankunft meines Schülers Pleyel. Er kam mit einer
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Menge neuer Kompositionen, welche er schon lange vorhero gefertigt hat. Er
versprach demnach, alle Abende ein neues Stück zu geben.“ Um mit Pleyel
gleich zu ziehen, schreibt nun auch Haydn eine Sinfonia concertante. Und was
für eine. Sie ist gesetzt für Violine, Violoncello, Oboe, Fagott und Orchester. Hier ist
daraus der zweite Satz:
Musikstunde 4 / Musik 5
M0042329 01-A-010
5´35
Joseph Haydn
2. Satz „Andante“ aus
Sinfonia concertante für Violine, Violoncello, Oboe, Fagott und Orchester B-Dur
Hob I:105
Österreichisch-Ungarische Haydn-Philharmonie
Leitung: Adam Fischer
Dass Haydn im musikalischen Wettstreit oder im harmonischen Krieg mit seinem
ehemaligen Schüler eines seiner schönsten Werke komponierte –, ein größeres
Kompliment hätte er Pleyel gar nicht machen können. Und Pleyel erklärt denn
auch artig: „Haydn ist der Größere, er ist der Vater von uns allen.“ Und Haydn
ergänzt: „Er ist ja auch mein Schüler, ich hoffe, das vergisst man nicht.“ Seine
Sinfonia concertante ist übrigens nicht das einzige populäre Werk, das während
dieses musikalischen Wettstreits in London entsteht. Am 23. März 1792 wurde im
Rahmen der Salomon-Konzerte in den Hanover Square Rooms die Sinfonie Nr. 94
uraufgeführt. In dem Saal, der offiziell achthundert Personen Platz bot, drängten
sich an die fünfzehnhundert Zuhörer. Zu dieser Aufführung bemerkt Haydn: „Ich
war daran interessiert, das Publikum mit etwas Neuem zu überraschen, und einen
brillanten Beginn zu machen, damit mein Student Pleyel mich nicht übertreffen
könne. Der Enthusiasmus erreichte seinen Höhepunkt beim Andante mit dem
Trommelschlag. Encore! Encore! kam es aus allen Kehlen, und Pleyel selbst
beglückwünschte mich zu meiner Idee.“ Hier ist dieses Andante aus der „Sinfonie
mit dem Paukenschlag“.
Musikstunde 4 / Musik 6
M0242857 01-A-002
5´27
Joseph Haydn
2.Satz „Andante“ aus
Sinfonie Nr. 94 G-Dur Hob I:94
RSO Stuttgart
Leitung: Roger Norrington
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Das „Andante“ aus Haydns berühmter „Sinfonie mit dem Paukenschlag“ – im
völlig überfüllten Konzertsaal war in London doch tatsächlich eine Dame in
Ohnmacht gefallen und musste nach draußen gebracht werden. Ein Umstand,
den die Parteigänger Pleyels von den Professional Concerts dann wieder gegen
die Musik Haydns ins Feld führten. Fünf Monate blieb Pleyel insgesamt in London,
dann verabschiedete er sich von Haydn. Er war jetzt ein gemachter Mann. Mit
gut zwölfhundert Pfund in der Tasche trat er die Heimreise an.
Musikstunde 4 / Musik 7
M0084487 01-A-008
3´05
Ignaz Joseph Pleyel
4.Satz „Rondo“ aus
Sextett für 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner Es-Dur, mit Kontrabass
Consortium Classicum
Das Consortium Classicum mit einem „Rondo“ für Bläsersextett von Ignaz Joseph
Pleyel. Während der fünf Monate, in denen Pleyel in London gewesen war, hatte
sich in seiner Heimat vieles verändert. Jetzt herrschte dort wirklich Krieg, und die
Revolution war voll im Gange. Nur wenige Wochen vor seiner Rückkehr nach
Ittenwiller hatte die Guillotine ihre blutige Arbeit aufgenommen. Tobias Schmidt,
ein deutscher Klavierbauer, der in Paris lebte, hatte sie konstruiert. Viele Bekannte
von Pleyel befanden sich nun auf der Flucht. Einigen bot er Unterschlupf auf
seinem Gut Ittenwiller. Und die politische Situation spitzte sich von Tag zu Tag zu.
Auch Pleyel musste nun um sein Leben bangen. Bei den öffentlichen
Kundgebungen wurde nun nicht mehr das „Te Deum“, sondern die Marseillaise
seines Freundes Rouget de Lisle gesungen. Nicht weniger als siebenmal wurde er
beim Komitee für öffentliche Sicherheit angezeigt und in Straßburg denunziert.
Man hielt ihn für einen ausländischen Spion, für einen gefährlichen Aristokraten,
dann wieder für einen Mann der Kirche, schließlich war er ja Münsterkapellmeister
gewesen. Und hatte er nicht noch Kontakte zu dem geflohenen Bischof von
Straßburg? Woher kam überhaupt das viele Geld, mit dem er die Jahresraten für
sein Gut bezahlen konnte? Pleyel musste fliehen, um sich vor dem sicheren Tod zu
retten. Aber besorgt um seine Familie, kehrte er nachts heimlich nach Hause
zurück. Wurde aber sofort verraten, verhaftet und im Großen Seminar in
Straßburg, das nun als Kerker diente, gefangen gehalten. Jetzt drohte ihm die
Guillotine. Um seinen Kopf zu retten, komponierte er unter strengster Bewachung
und in sieben Tagen und Nächten eine gewaltige Hymne auf die Revolution vom
10. August. So sollte er seine revolutionäre Gesinnung unter Beweis stellen. Das
blutrünstige Libretto verfasste ein unbekannter fanatischer Septembrist. Pleyel
arrangierte eine monströse Revolutionskantate. An den Straßenrändern von
Straßburg lagen an die 900 konfiszierte Kirchenglocken, die zu Kanonen und
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Münzen umgegossen werden sollten. Pleyel wählte sieben aus und ließ sie wieder
ins Münster hängen. Dort wurde dann seine „Hymne auf die Revolution vom 10.
August“ zum Jahrestag an drei hintereinander liegenden Abenden aufgeführt.
Dazu wurden alle arbeitsfähigen Musiker und Choristen des Departements nach
Straßburg zitiert. Chor und gewaltiges Orchester ergänzten Kavallerietrompeten,
Pfeifen und Trommeln, dazu wurden Kanonenschüsse und Gewehrsalven
verschiedener Kaliber abgefeuert. Das gigantische Werk wurde mit Begeisterung
aufgenommen. Pleyel wusste genau, worauf es den Sansculotten der Terreur
ankam. Leider kann ich Ihnen heute Morgen keinen Ausschnitt aus diesem Werk
vorspielen. Meines Wissens nach gibt es davon keine Aufnahme. Hören Sie dafür
von Francois-Joseph Gossec, dem Komponisten der Revolution, die „Hymne an
die Freiheitsstatue“, die am 10. August 1793 auf der Place de la Revolution in Paris
intoniert wurde:
(ca. 3´18)
Musikstunde 4 / Musik 8
M0254471 01-A-006
1´58
Francois-Joseph Gossec
Hymne à la statue de la Liberté, chanté place de la Revolution, le 10 aout 1793
Choeur und Orchestre du Capitole de Toulouse
Leitung: Michel Plasson
Revolutionsmusik von Francois-Joseph Gossec, die „Hymne an die Freiheitsstatue,
gesungen am 10. August 1793 auf der Place de la Revolution“, so der
vollständige Titel. Mit seiner monströsen Revolutions-Hymne hatte Pleyel seinen
Kopf vor der Guillotine gerettet. Jetzt jubelten ihm die Revolutionäre zu. Aber in
seiner alten Heimat Österreich galt er nun als Vaterlandsverräter und war persona
non grata. Pleyel hat die Nase voll von der Revolution. Als die
Schreckensherrschaft mit dem Sturz Robespierres im Juli 1794 zu Ende geht,
beschließt er, sein Landgut in Ittenwiller zu verkaufen. In Paris will er ein neues
Leben beginnen. Ein Leben als Musikunternehmer.
Musikstunde 4 / Musik 9
M0106538 01-A-002
4´12
Ignaz Joseph Pleyel
„Adagio – Presto“ Ben 617 aus
Recueil de trois pièces für Klavier oder Harfe
Wolfgang Brunner, Hammerklavier
9
Wolfgang Brunner spielte auf einem Hammerklavier„Adagio – Presto“ aus:
Receuil de trois pièces für Klavier oder Harfe, heute zum Schluss der Musikstunde
mit Wolfgang Scherer.