Solti, der Unbekannte

Sonntag, 13. November 2016
15.04 – 17.00 Uhr
Georg Solti.
Von Kai Luehrs-Kaiser
20. Folge: Solti, der Unbekannte:
Unveröffentlichte Aufnahmen und Mitschnitte
Herzlich willkommen, meine Damen und Herren. Heute mit einer Sendung voller
Trouvaillen, voll unbekannter – oder lange vergessener Aufnahmen – Georg Soltis.
1
Decca
LC 00171
478 3706
Track 603
und 605
Zoltan Kodaly
Tänze aus Galánta
V. Allegro vivace
London Philharmonic Orchestra
Ltg. Georg Solti 1952
4’20
Allegro con moto grazioso und Allegro vivace, der dritte und fünfte der Tänze aus
Galánta von Zoltan Kodaly, gespielt 1952 vom London Philharmonic Orchestra und
dirigiert Georg Solti; vielleicht keine ganz unbekannte Aufnahme, aber doch eine
der wenigen, die aus Anlass des 100. Geburtstages von Georg Solti 2012 neu
wieder ans Licht gebracht wurden.
Und damit eine jener unbekannten Aufnahmen, deren Zahl wir in der heutigen
Folge unserer Solti-Sendereihe ein wenig erhöhen wollen.
Tief ist der Brunnen der Sendeanstalten, in denen Aufnahmen aus vielen
Jahrzehnten lagern; wo sie gut (und manchmal lange) verwahrt bleiben, bevor sie
wieder mal ans Tageslicht gezogen werden. Von Georg Solti, so würde man sich
vorstellen, ist alles doppelt und dreifach veröffentlicht worden; schon allein
deswegen, weil sich Solti selber um die Marktgerechtigkeit und Verkäuflichkeit
seiner Aufnahmen selber gut gekümmert hat.
Die folgenden Aufnahmen aber, so denke ich, sind Solti selber unbekannt geblieben.
Tschaikowskys Sechste etwa dirigierte Georg Solti im Jahr 1994 als Gast bei den
Berliner Philharmonikern. Es existiert ein Mitschnitt. Nachdem Solti zu Karajans
Lebzeiten nur selten nach Berlin eingeladen worden war, merkt man im Final-Satz:
Adagio lamentoso – Andante, dass Solti etwas beweisen wollte. Sie werden hören:
Im Anschluss an die finsteren Schlusstakte des Werkes kriegt es der damals 81Jährige zustande, dass das Publikum mehr als 10 Sekunden wartet, bevor es zu
applaudieren wagt und das erste Bravo folgt. Die erstaunliche Aufnahme stammt
vom 9. März 1994.
2
Eigenaufnah Peter Tschaikowsky
me
Symphonie Nr. 6 h-Moll op. 74 “Pathétique”
Track 004
Berliner Philharmoniker
Ltg. Georg Solti Live, 9. März 1994
10’15
Georg Solti – 20. Folge
Seite 2 von 9
Der Schlusssatz der „Pathétique“, also der 6. Symphonie h-Moll op. 74 von Peter
Tschaikowsky. Georg Solti bei einem seiner wenigen Gastspiele als Dirigent der
Berliner Philharmoniker. Die Live-Aufnahme entstand am 9. März 1994.
Wie nicht selten bei Gastdirigenten der Philharmoniker wirkt die Interpretation
runder und fülliger als wenn der Chef dirigiert (denn dieser kann die Konturen in
beständiger Arbeit besser schärfen und die Durchhörbarkeit des Orchesters
optimieren). Insgesamt scheint Solti sich nicht zu wehren gegen das Klischee eines
Gewürzweltmeisters aus Ungarn. Freilich, die Live-Aufnahme stammt aus einer
Zeit, in der Soltis Ruf nicht nur gefestigt war, sondern in der er seinen Rang als
letzter Vertreter einer grand tradition, also der goldenen Ära unbeschränkter PultAutoritäten, in vollen Zügen genießen konnte.
Karajan und Bernstein waren abgetreten und gestorben. In diesem Vakuum
gelangte nicht nur die Karriere Soltis sprunghaft zu neuem Glanz. Es entstand
geradezu eine Art Altmeister-Welle. Spätkarrieren von Dirigenten entwickelten sich,
die zuvor kaum wahrgenommen worden waren, z.B. Soltis Jahrgangskollegen
Günter Wand, Sandor Vegh und auch Sergiu Celibidache. Auch für Pierre Boulez
oder Nikolaus Harnoncourt begann in diesen Jahren, ab Anfang der 90er, die Zeit
der Ernte.
Diese 90er Jahre, die zugleich auch die letzten ganz großen Jahre der
Schallplattenindustrie waren, reichten sogar aus, um aus Carlos Kleiber – bis dahin
eher ein Geheimtipp – den totalen Überflieger, das unerreichbare Idol kommender
Dirigentengenerationen zu machen, als welches er bis heute gilt.
Kommen wir zu zwei weiteren Trouvaillen in der Karriere von Georg Solti. Zunächst
eine Aufnahme, die lange Jahre höchstens in irgendwelchen obskuren Billig-Boxen
anzutreffen war; dort aber in meist akustisch fürchterlicher Form. Die folgende
Wiedergabe von Rossinis „L’italiana in Algeri“-Ouvertüre klingt weit besser als
gewohnt; denn sie wurde direkt von der Schallplatte abgenommen. Sie stellt eine
der seltenen (und nur punktuellen) Begegnungen Soltis mit jenem Komponisten dar,
der ihm – aller rhythmischen Knusprigkeit unerachtet – anscheinend sonst wenig
bedeutete. Das Orchester des Royal Opera House Covent Garden, London, im Jahr
1958.
3
Decca
Gioacchino Rossini
LC 02654 Ouvertüre zu “L’italiana in Algeri”
6567/68 Orchestra of the Royal Opera House Covent Garden,
9929812
London
Track 001 Ltg. Georg Solti
1958
7’20
Die Ouvertüre zu „Italienierin in Algir“ von Gioacchino Rossini mit dem Orchester
des Royal Opera House Covent Garden. Die Leitung hatte Georg Solti; die
Aufnahme entstand 1958.
© kulturradio vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb)
www.kulturradio.de
Georg Solti – 20. Folge
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Noch einmal zurück zum Thema Solti in Berlin – und damit zur zweiten, großen und
unbekannten Aufnahme Soltis heute. Einen großen Tag in der Zusammenarbeit
zwischen Georg Solti und den Berliner Philharmonikern gab es im Jahr 1979. Solti
hatte damals bereits zahlreiche seiner Mahler-Aufnahmen fertiggestellt. Es war
auch das Jahr, in dem Leonard Bernstein einmaligerweise zu den Berliner
Philharmonikern eingeladen wurde.
Auch Karajan hatte mit der schrittweisen Beschäftigung mit dem Werk Mahlers
begonnen. Er hatte nur nur sehr zögerlich damit angefangen – und kam
vergleichsweise nicht sehr weit. Für November desselben Jahres (1979) allerdings
hatte Karajan ein Mahler-Großprojekt für sich selber avisiert, welches auch
tatsächlich seine größte Tat in Bezug auf Mahler werden sollte; nämlich eine
Aufnahme der Neunten Symphonie von Gustav Mahler.
Im vorbereitenden Zusammenhang auf diesen Kraftakt ist, so würde ich denken,
nicht nur die Einladung an Bernstein im Jahre 1979 zu sehen; denn auch Bernstein
ja dirigierte die Neunte – und bereitete so das Orchester gleichsam für Karajan vor.
Auch die Tatsache, dass Karajan sich für 1979 noch einen zweiten Ruck gab und
einen weiteren Erzkonkurrenten, nämlich Solti, nach Berlin einlud, dürfte im
Zusammenhang mit der Mahler-Großwetterlage stehen.
Solti dirigierte die 2. Symphonie von Mahler, ein Werk, das in Berlin einst vom
Komponisten selbst geleitet worden war; mit dem sich Karajan allerdings niemals
öffentlich beschäftigen sollte. Vielleicht war es damals noch anders geplant...
Karajan musste jedenfalls mit der Tatsache leben, dass Georg Solti im Jahr 1979
von den Berliner Medien gleichsam wie ein Mahler-Prophet begrüßt wurde. Und als
ein Schallplatten-Großmeister – wie wir sogleich in dem hier in diesem Haus
aufgezeichneten Gespräch mit Klaus Lang hören werden.
Hören wir einen Ausschnitt aus dem Jahr 1979 – und danach Georg Solti am Pult
der Berliner Philharmoniker mit dem 2. Satz: Andante moderato: Sehr gemächlich.
Nie eilen im März 1979. Das Gespräch, das damals aufgezeichnet wurde, führte der
damalige Redakteur im SFB, Klaus Lang.
O
6
6
Georg Solti über
seine Arbeit (=
Nr. 20, Sign.
0902896)
Track 001, ab
59:40 bis
1:01:35
Interview Georg Solti 1979 (mit Klaus Lang)
KL: Sie sind, soweit ich orientiert bin, der
erfolgreichste Schallplattendirigent, den es
überhaupt gibt, mit den meisten
Auszeichnungen. Wie stark interessieren Sie sich
für die Aufnahmetechnik. Sind Sie vertraut mit
Decibel usw. Oder gehen Sie rein und
interessieren sich ausschließlich für den Klang?
GS: Ja. Das bedeutet natürlich nicht, dass ich,
bevor wir anfangen, dass ich den Leuten
bestimmte sage und dass man sich gegenseitig
hilft. Ich höre mir die Sachen an und sage, ob es
mir gefällt.
KL: Ein konkretes Beispiel, die Tanz-Suite von
Bartok, wenn die Bläsereinsätze kommen, ist ja
© kulturradio vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb)
1’50
www.kulturradio.de
Georg Solti – 20. Folge
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auffällig, dass da offensichtlich der Toningenieur
am Regler gesessen hat…
GS: Soll ich Ihnen ein Geständnis machen? Ich
habe diese Platte seit 20 Jahren nicht gehört.
Ich weiß es nicht.
KL: Wenn Sie eine Schallplattenaufnahme
fertiggestellt haben, ist sie für Sie erledigt?
GS: Fast immer. Nicht immer. Aber fast immer.
KL: Also auch im Falle der 2. Mahler-Symphonie?
Haben Sie sich, bevor Sie jetzt in Berlin an die
Arbeit gegangen sind, die alte Aufnahme von
Ihnen mit dem London Symphony Orchestra
nicht noch einmal gehört?
GS: Ich habe sie angehört. Um mal zu sehen, was
ich vermeiden soll.
4
Eigenaufnah Gustav Mahler
me
Symphonie Nr. 2 “Auferstehung”
LC 00171
II. Andante moderato: Sehr gemächlich. Nie eilen
Berliner Philharmonisches Orchester
Track 102
Ltg. Georg Solti
Live, 3./4. März 1979
11’20
Der 2. Satz: Andante moderato: Sehr gemächlich. Nie eilen aus der Symphonie Nr.
2, der “Auferstehungs”-Symphonie, von Gustav Mahler. Georg Solti am Pult des
Berliner Philharmonischen Orchesters im März 1979.
Übrigens, der Satz dauert mit 11 Minuten und 20 Sekunden fast eine Minute länger
als in Soltis 1966 produzierter Vorgängeraufnahme mit dem London Symphony
Orchestra; vielleicht ein Zeichen dafür, dass Solti die klanglichen Wonnen des
Berliner Orchesters eine Spur genüsslicher auskostete als zuvor in London – dass er
die Freuden ein kleines Momentchen länger hinauszögerte.
Kommen wir noch einmal kurz auf das Gespräch mit Klaus Lang zurück (in unserer
heutigen Sendung mit Funk-Trouvaillen zu Georg Solti). Als Solti 1979 nach
längerer Abwesenheit am Pult der Berliner Philharmoniker erstmals wieder
erschien, hatte sich nicht nur die Karriere des damals 66-jährigen machtvoll
entwickelt. Auch erste Zerwürfnisse lagen bereits zurück; besonders eines, bei dem
Berlin indirekt eine Rolle gespielt hatte.
An der Pariser Oper hatte Georg Solti drei Jahre früher mit den beiden
Schaubühnen-Regisseuren Peter Stein und Klaus Michael Grüber ein “Ring”-Projekt
gestartet, also eine zyklische Aufführung von Wagners “Ring des Nibelungen”. Nach
dem 2. Abend, also nach der “Walküre”, hatte Solti das Projekt entnervt
hingeschmissen. Nicht nur zwischen ihm und den beiden Regisseuren war es zum
Krach gekommen. Auch einige Sänger, darunter Christa Ludwig, hatte mit
Kraftausdrücken gegen einzelne Ideen von Klaus Michael Grüber reagiert, die in
Paris durchaus nicht an der Tagesordnung sind.
© kulturradio vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb)
www.kulturradio.de
Georg Solti – 20. Folge
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Klaus Lang, damals im SFB zuständig für Orchestermusik und ebenso für die vorhin
gehörte Übertragung, Klaus Lang also ließ die Gelegenheit, über den Skandal in
Paris mit Solti zu sprechen, nicht ungenutzt vorübergehen. Man muss bei alldem
bedenken, dass die Schaubühnen-Leute Peter Stein und Grüber 1979 in Berlin
bereits auf der Höhe ihrer Anerkennung angekommen waren: Stein seit dem
legendären “Peer Gynt” 1971, Grüber seit den “Bakchen” 1974 – beides mit Bruno
Ganz.
Solti indes gab sich im Rückblick auf die Affaire: unbefangen wie eh und je.
O
6
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Georg Solti über
seine Arbeit (=
Nr. 20, Sign.
0902896)
Track 001, ab
ca. 33:25 bis
36:25
Interview Georg Solti 1979 (mit Klaus Lang)
(über Stein, Grüber, und Berlin):
Klaus Lang: Es ist ja in der letzten Zeit (mit der
Regie) auch einmal schief gegangen, nämlich an
der Pariser Oper mit Stein und Grüber, unseren
Berliner Schaubühnen-Leuten. Warum?
Solti : Ist der Herr Stein hier ? (Gelächter.)
KL : Ich glaube, die Berliner haben glaube ich ein
Anrecht zu wissen, warum der « Ring » nach
zwei Vorstellungen abgebrochen wurde ?
GS : Ich glaube, das ist abgebrochen worden…
ohne zu polemisieren, das sind beides
hochbegabte Menschen… Das stand nie zur
Debatte. Was zur Debatte stand, war der Stil
einer Auffühurung. Und wir haben darüber lange
diskutiert. So lange, wie ich noch nie in meinem
Leben über ein Stück diskutiert habe. Und ich
habe angenommen, dass diese Diskussion zu
meinen Gunsten entschieden wird. Das heißt, mit
anderen Worten, ich wollte einen romantischen
Wagner wiederherstellen. Ich hab von diesem
maschinellen Wagner genug gehabt. Absolut
genug. Und ich finde, dass es ist höchste Zeit,
allerhöchste Zeit, dass man einen romantisches
Wagner-Bild wiederherstellt. (Applaus.)
(34 :40) Nun, das hört sich leicht an. Und ich war
der Meinung, dass ich mich ganz deutlich
ausgedrückt hatte mit Herrn Stein und Herrn
Grüber. Und wann wir dann auf die Bühne
zurückgekommen sind, ich war ein halbes Jahr
in Amerika und ich habe nicht gesehen, was da
geschehen ist – es ist auch meine Schuld –, da
habe ich wieder eine maschinelle Produktion vor
mir. Absolut maschinell. Nun können Sie sich
vorstellen, dass ich nicht glücklich war. Und als
ich dann den zweiten maschinellen Teil der
« Walküre » gesehen habe, alles hochbegabt,
aber meiner Meinung nach falsch, da habe ich
gefunden : Jetzt habe ich genug. Das ist die
© kulturradio vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb)
3’00
www.kulturradio.de
Georg Solti – 20. Folge
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ganze Geschichte. (35 :23).
KL : Halten Sie es für denkbar, dass ein
Regisseur, der von der Sprechbühne kommt,
eine gute Arbeit in der Oper macht ?
GS : Oh ja. Kennen Sie Max Reinhardt ? (Lachen.)
« Ariadne auf Naxos », das muss hinreißend
gewesen sein. Ich bin kein Pedant. (…) Ich habe
mich nicht gegen Talente gewält. Ich habe mich
gegen einen Stil gewehrt.
Noch ein Werk führte Solti mit den Berliner Philharmonikern auf, bei dem man von
einer Idealbegegnung sprechen kann. Die Aufnahme ist hochinteressant, stammt
sie doch noch früheren Zeiten, genauer gesagt: aus Furtwänglers Zeiten, aus dem
Jahr 1953. Gemeint ist „Petruschka“ von Igor Strawinsky. Wenn es eine Aufnahme
gibt, die der Wiederveröffentlichung wert wäre: hier ist sie. Nicht nur wegen Soltis
Extraladung Temperament, sondern auch wegen des dunklen, furtwängleresken
Klanges der Berliner Philharmoniker, denen hier noch nichts vom gleißenden
Schmelz Karajans eignet.
Solti in Berlin – mit „Petruschka“ von Igor Strawinsky (in der Fassung von 1947).
Das Berliner Philharmonische Orchester live am 6. Januar 1953. Die Aufnahme live
aus dem Titania-Palast dauert etwa eine halbe Stunde. Und die lohnt sich.
5
Eigenaufnah Igor Strawinsky
me
Petruschka (Fassung 1947)
Berliner Philharmonisches Orchester
Track 004
Ltg. Georg Solti
Live, 6. Januar 1953 (4./5. Januar 1953?)
31’40
Petruschka von Igor Strawinsky in der Fassung von 1947. Georg Solti am Pult des
Berliner Philharmonischen Orchesters, live im Januar 1953 im Titania Palast. Es
war übrigens keineswegs sein Debüt bei diesem Orchester; das hatte schon 1947
stattgefunden. Aber es ist dennoch ein erstaunliches Dokument aus einer ganz
anderen Zeit der Berliner Philharmoniker. An dem dunkel schroffen Klang des
Orchesters hört man erst recht, wie sehr das Orchester später von Karajan
internationalisiert (und amerikanisiert) wurde.
Karajan, ich habe es schon an anderer Stelle hervorgehoben, blieb die Karriere in
Amerika versagt (sie beschränkte sich auf wenige, lukrativ entlohnte Gastspiele).
Solti hingegen hatte sich in den 70er Jahren zum mächtigsten Dirigenten in den
USA (neben Leonard Bernstein) gemausert.
Hören wir noch einmal einen ganz kurzen Schlagabtausch zwischen Solti und dem
damaligen SFB-Redakteur Klaus Lang… Diesmal die Frage betreffend, ob Solti sich
vorstellen könne, auch einmal Herbert von Karajan nach Chicago einzuladen?
© kulturradio vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb)
www.kulturradio.de
Georg Solti – 20. Folge
O
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Georg Solti über
seine Arbeit (=
Nr. 20, Sign.
0902896)
Track 001, ab
47:15 bis max.
48:00
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Interview Georg Solti 1979 (mit Klaus Lang)
(über seine Kompetenzen in Chicago):
KL: Wer bestimmt, wer in Chicago dirigiert. Das
sind Sie als Generalmusikdirektor?
GS: Selbstverständlich. (…)
KL: Als wäre es theoretisch möglich, dass Sie
Herbert von Karajan nach Chicago einladen
könnten?
GS: Natürlich.
KL: Würden Sie es tun?
GS: Mit Vergnügen.
(Gelächter.) Mit ganz großem Vergnügen.
0’30
Schwer zu sagen, was davon ernst – und was süffisanter Ulk, ja was boshaft
gemeint war.
Das selbe Konzert im Jahr 1953, bei dem wir zuletzt hielten, enthielt neben
Strawinskys « Petruschka » auch noch eine Darbietung des d-Moll-Konzertes von
Mozart, bei dem Solti nicht nur als Dirigent des Berliner Philharmonischen
Orchesters, sondern zugleich als dessen Solist fungierte. Am Klavier. Die Aufnahme
ist eine besondere Rarität; und dass Solti ihre Veröffentlichung gern mit angesehen
hätte, ist keineswegs gewiss. Sagen wir nur so viel: Soltis spätere Äußerungen in
Bezug auf seinen eigenes Klavierspiel gingen dahin, er habe mit demselben
aufgehört : « wegen pianistischer Unfähigkeit ».
Wir sind hier aber trotzdem indiskret genug – und von Soltis Souveränität
hinlänglich überzeugt - , um dieses Dokument einer interessierten Öffentlichkeit
nicht vorzuenthalten.
Hören Sie den 2. Satz: Romanze, aus dem d-Moll-Klavierkonzert Nr. 20 KV 466 von
Wolfgang Amadeus Mozart. Georg Solti dirigiert – vom Klavier aus – das Berliner
Philharmonische Orchester, live im Januar 1953.
Nobody is perfect.
6
Eigenaufnah Wolfgang Amadeus Mozart
me
Klavierkonzert Nr. 20 d-Moll KV 466
II. Romanze
Track 002
Georg Solti, Klavier
Berliner Philharmonisches Orchester
Ltg. Georg Solti
Live, 6. Januar 1953 (4./5. Januar 1953?)
9’20
Der 2. Satz: Romanze aus dem Klavierkonzert Nr. 20 d-Moll KV 466 von Wolfgang
Amadeus Mozart. Georg Solti als Solist und Dirigent der Berliner Philharmonischen
Orchesters live am 6. Januar 1953.
© kulturradio vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb)
www.kulturradio.de
Georg Solti – 20. Folge
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Die Sendung heute ist ein Griff tief in die Archiv-Kiste von Aufnahmen, die bislang
nicht einmal auf dem Schwarzmarkt zu kriegen waren. Im Fall des zuletzt gehörten
Dokumentes vielleicht zurecht: Nicht so sehr wegen eines antiquierten MozartBildes, sondern wegen des leicht nebulös gestaltenden, technisch nicht ganz
souveränen Mannes am Klavier. Mal versteckt er sich, dann hoppelt und stoppelt er
munter übers unebene Feld. Irgendwie: auf dem Holzweg. Macht aber nichts, auch
im philharmonischen Alltag kann nicht alle Tage Sonntag sein. Und selbst in einer
schwachen Stunde wird man Solti niemals der Süßlichkeit oder der blanken
Oberflächlichkeit zeihen können.
Noch eine letzte Trouvaille aus Berliner Beständen haben wir hier anzubieten. Als
Solti 1994 am Pult der Berliner Philharmoniker erschien – die Tschaikowsky-Hälfte
des Konzerts haben wir vorhin ausschnittweise kennengelernt –, da dirigierte er
ausschließlich russisches Repertoire. Das war damals keineswegs alltäglich; denn
erst der damalige Chef der Philharmoniker, Claudio Abbado, hatte russisches
Repertoire schrittweise zu einem etwas selbstverständlicheren Bestandteil des
Repertoires erhoben.
So war Soltis Wiedergabe der Neunten von Dmitri Schostakowitsch eine gewiss
willkommene Bereicherung im philharmonischen A la carte-Menü. Wir hören aus der
Symphonie Nr. 9 Es-Dur op. 70 von Dmitri Schostakowitsch die Sätze 1 bis 3:
Allegro, Moderato und Presto. Die Berliner Philharmoniker live unter Georg Solti am
9. März 1994.
7
Eigenaufnah
me
Track 001,
bis 15:57
Dmitri Schostakowitsch
Symphonie Nr. 9 Es-Dur op. 70
I. Allegro
II. Moderato
III. Presto
Berliner Philharmonisches Orchester
Ltg. Georg Solti
Live, 9. März 1994
14’10
Die Sätze 1 bis 3 aus der Symphonie Nr. 9 Es-Dur op. 70 von Dmitri
Schostakowitsch. Die Satzbezeichnungen: Allegro, Moderato und Presto. Georg
Solti in einer unveröffentlichten Aufnahme am Pult des Berliner Philharmonischen
Orchesters, live am 9. März 1994.
Man bewundert die Elastizität, Heiterkeit und Flüssigkeit dieser Musik, so wie sie
hier dargeboten wird. Wenig genug ist zu bemerken von den ideologischen Härten,
unter denen auch diese Symphonie entstand; es ist ein Versuch, Schostakowitsch
als ebenbürtigen Klassiker in den Reihen symphonischer Granden zu etablieren.
Das Repertoire Soltis wurde in den letzten Jahrzehnten insgesamt ausgiebig und
flächendeckend exploriert und kommerziell ausgepresst. Auch von
Schostakowitschs Neunter, da Solti schon sie nun einmal ‘drauf’ hatte, machte er
selbstverständlich auch eine industrielle Aufnahme (mit den Wiener
Philharmonikern).
© kulturradio vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb)
www.kulturradio.de
Georg Solti – 20. Folge
Seite 9 von 9
Bei dem letzten Titel für heute handelt es sich um den Bestandteil eines skurrilen
Projekts, das zwar auf CD erschien, aber an eher entlegener Stelle: als Teil des
Soundtracks zu dem Film „Anna Karenina“ von Leo Tolstoi. Der Film von Bernard
Rose (mit Sophie Marceau in der Hauptrolle) mag längst wieder gnädig vergessen
sein. Der Soundtrack aber mit Georg Solti am Pult der St. Petersburger
Philharmoniker – spukt immer noch gelegentlich irgendwo herum. Auch bei uns. Wir
hören Serge Prokofieffs Lied über Alexander Newsky. Der St. Petersburger
Kammerchor und die St. Petersburger Philharmoniker unter ihrem Gastdirigenten
Georg Solti.
8
Decca
LC 00171
455 360-2
Track 015
Serge Prokofieff
“Lied über Alexander Newsky“
St. Petersburger Kammerchor
St. Petersburger Philharmoniker
Ltg. Georg Solti
1996
3’09
Prokofieffs Lied über Alexander Newsky mit dem St. Petersburger Kammerchor
und die St. Petersburger Philharmoniker unter Georg Solti (im Jahr 1996); ein
Ausschnitt aus dem von Solti dirigierten Soundtrack zum Film „Anna Karenina“ von
Bernard Rose (nach dem Roman von Leo Tolstoi).
Dies war eine Sendung mit meistenteils unveröffentlichten oder entlegen
publizierten Aufnahmen Georg Soltis. Text und Musiklisten dieser Sendereihe
finden Sie wie jedesmal im Internet unter kulturradio.de – immer, sobald eine Folge
vorüber ist.
In der nächsten Woche, im letzten Teil unser Sendereihe über Georg Solti, holen wir
zu einem finalen Rundumschlag aus. «Warum können alle nicht einfach so sein wie
ich: Georg Solti, ein Resümee ». Dann noch einmal mit einer Fülle von OriginalInterviewbeiträgen des großen Dirigenten.
Bis dahin, Ihnen noch einen schönen Tag und eine schöne Woche, Ihr KLK.
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