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Macro Perspective: TrumPutin – die neue Welt(un)ordnung und die Kristallkugel Börse - 11-18-2016
by Phil Amente - schweizeraktien.net - http://www.schweizeraktien.net
Macro Perspective: TrumPutin – die neue Welt(un)ordnung und
die Kristallkugel Börse
by Phil Amente - Freitag, November 18, 2016
http://www.schweizeraktien.net/blog/2016/11/18/marco-perspective-trumputin-die-neue-weltunordnungund-die-kristallkugel-boerse-11712/
"Es ist jedem erlaubt, zu sagen, was er will; aber es steht der Presse frei, davon Kenntnis zu nehmen oder
nicht. Sie kann jede Wahrheit zum Tode verurteilen, indem sie ihre Vermittlung an die Welt nicht
übernimmt. Es ist die furchtbare Zensur des Schweigens, die umso allmächtiger ist, als die Sklavenmasse
der Zeitungsleser ihr Vorhandensein gar nicht bemerkt .... An die Stelle der Scheiterhaufen tritt das
grosse Schweigen. Hier erfahren die Leserscharen nur noch, was sie wissen sollen. Das ist das Ende der
Demokratie." Oswald Spengler, 1880-1936, Kultur- und Geschichtsphilosoph
Die Würfel sind gefallen, und obwohl Hillary Clinton mehr Stimmen verbuchte, gewann Donald Trump
dank dem indirekten Wahlsystem. Seit der Wahl sind US-Government Bonds im freien Fall, der
Renditeanstieg der 10jährigen von 1,75% auf 2,35% in kaum einer Woche hat über 2 Billionen USD
Börsenwert vernichtet. Kein gutes Omen.
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Alle Bondmärkte haben gedreht. Schon seit Juli war ein leichter Anstieg der Renditen zu verzeichnen,
doch seit dem 9. November begann eine ausserordentliche Baisse. Lagen die Renditen für die 10jährigen
deutschen Staatsanleihen noch im Oktober unter der Null-Linie, so liegen sie jetzt bei 0,35%, die
italienischen Äquivalente rentierten noch vor kurzem mit knapp 1%, jetzt über 2%. Selbst die japanischen
10jährigen überschritten in der Woche nach der US-Wahl erstmals seit Jahresanfang wieder die NullLinie nach oben. In den Emerging Markets jedoch kommt der rapide und exorbitante Zinsanstieg einer
Katastrophe gleich. Noch vor kurzem waren gerade die Emerging Market Bonds gesucht.
Nach der Wahl von Trump zum US-Präsidenten sind die Zinssätze für US- Staatsanleihen stark
gestiegen. Quelle: sixId
Beschleunigter Dollaranstieg
Das Bild vervollständigt sich bei Betrachtung der Devisen- und Rohstoffmärkte. Der zuvor schon starke
Dollar befestigte sich weiter und der aus sechs Währungen bestehende USD-Index DXY nahm die
100-Punkte Marke. Der Euro, der im DXY-Index am höchsten gewichtet ist, verlor von 1,13 USD auf
1,06 USD.
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Der US-Dollar notiert auch wieder deutlich fester. Chart: sixID
Kupferpreis haussiert
Vielsagend ist die Entwicklung bei Kupfer und Eisenerz, den Rohstoffen für Industrie und Infrastruktur.
Weil beide unter Überkapazitäten und abgeschwächter Nachfrage litten, nahmen Kupfer und Eisenerz
kaum an der Trendwende an den Rohstoffmärkten seit Jahresanfang teil, die Gegenstand der Macro
Perspective von vor vier Wochen war. Seit dem 9. November jedoch legten Kupfer 11% und Eisenerz
14% zu. Entgegen den allgemeinen Erwartungen verloren Gold und Silber deutlich, doch das könnte
wenig mit Trump zu tun haben. Auch Öl verlor, nachdem, wie vor vier Wochen prognostiziert, die OPEC
im Gegensatz zu den Lippenbekenntnissen tatsächlich die Fördermengen sogar ausgeweitet hat.
Trendwende beim Dow-Jones
Seit September waren die US-Aktienmärkte in einem leichten Abwärtstrend, der sich in den zwei Wochen
vor der Wahl sichtlich beschleunigte. Die erste Reaktion auf das überraschende Wahlergebnis war, dass
die Börsen in Asien und Europa sowie die amerikanischen Index-Futures um 3% bis 5% verloren, doch
noch vor Eröffnung des Handels in New York am 9. November setzte eine Erholung ein, die den DowJones inzwischen auf historische Höchststände führte, den S&P 500 jedoch weniger beflügelte und die
Techbörse Nasdaq noch weniger.
Der "Trump-Trade"
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Ganz ähnlich wie beim Brexit-Votum hatte kaum jemand mit einem Wahlsieg Trumps gerechnet. Schon
als sich das Ergebnis abzuzeichnen begann, setzte ein, was nun als Trump-Trade bezeichnet wird und was
sich in oben skizzierten Bewegungen Ausdruck verlieh. Es ist eine hektische Portfolio-Repositionierung
entlang der Argumentationslinie "Höhere Infrastruktur-Ausgaben – Fiskaldefizite – Inflation – steigende
Zinsen – höhere Attraktivität des USD". Ob natürlich die Strassen, Brücken, Häfen, Highways, usw.
tatsächlich mit Investitionen von 1 000 Mrd. USD erneuert und modernisiert werden wie im Wahlkampf
versprochen, bleibt abzuwarten. Schon Bill Clinton hatte 1993 mit ähnlichen Versprechen operiert und
diese nur zu einem geringen Teil erfüllt.
Das war der einfache Teil, denn es war nur die Umsetzung – alle zur gleichen Zeit – von Annahmen, die
aus der Trump Wahlkampfwerbung hängen geblieben waren. Entsprechend heftig fielen für 6
Handelstage die Bewegungen an den Märkten aus. Damit beweist sich auch wieder ein Mal, dass die Wall
Street Trendwenden bei den wichtigsten Märkten in Gang setzt, die sich wie Töne auf Resonanzkörper
übertragen, die über den ganzen Globus verteilt sind. Leitbörse eben!
Einige der Bewegungen waren nur Fortsetzungen mit neuem Schub wie die Dollarstärke, die seit
geraumer Zeit andauert aufgrund von Kapitalflucht in die USA, einer hohen Zahl amerikanischer
Zielunternehmen im internationalen M&A-Markt wie Monsanto-Bayer sowie hoher Tilgungen von
Dollarkrediten durch nichtamerikanische Unternehmen, vor allem aus den Emerging Markets.
Auch die Zinswende hatte sich z.B. durch rapide gestiegene Interbanken-Dollarzinssätze während der
vergangenen Wochen angekündigt und zunächst kaum spürbar vollzogen. Je nach Betrachtungsweise
lässt sich der überraschend starke Anstieg der Preise bei Kupfer und Eisenerz auch als überfällig
bezeichnen, wobei die Wahl Trumps nach seinen Infrastrukturankündigungen eben eine plötzlich hohe
Nachfrage auf einen ausgetrockneten Markt treffen liess. Nach sechs Handelstagen, in denen die Märkte
einseitig den Trends hinterherliefen, hat nun eine erste Welle von Gewinnmitnahmen eingesetzt.
Handelsabkommen und Zölle
Auf der Makro-Ebene bleiben viele Fragen offen. Mit der Haltung die Handelsabkommen von NAFTA,
seit Anfang der 90er in Kraft, bis TTIP, noch in der Verhandlung, aufzukündigen oder nicht zu verfolgen
weht dem Welthandel und der Globalisierung und Liberalisierung nunmehr ein eisiger Wind ins Gesicht.
Der mexikanische Peso verlor schon vor der Wahl stark. China, das andere Lieblingsziel von Trump,
kündigte schon eine "tit-for-tat"_Haltung an. Trump will Zölle auf chinesische Waren erhöhen und
amerikanische Unternehmen, die in China produzieren dazu veranlassen, die "Manufacturing Jobs" nach
Amerika heimzuholen.
Tech Unternehmen eher Trump-kritisch
Dies betrifft in erster Linie die Techunternehmen, allen voran Apple. Der Techkonzern mit mehreren
hundert Mrd. USD Gewinnakkumulation ausserhalb der USA in Steueroasen ist schon länger Ziel von
Trumps Attacken. Die Techindustrie in den USA war überwiegend Trump-kritisch, weil seine Pläne, die
Immigration zu erschweren, die Suche nach Talenten erheblich erschwert. Die Techindustrie lebt von der
Kreativität und guten Ausbildung der Europäer, Inder, Lateinamerikaner, etc. und fürchtet um ihre
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Wettbewerbsfähigkeit.
Technologieaktien wie Apple gehören zu den Verlieren seit der US-Wahl. Chart: sixId
Merkel findet klare Worte
Auf der internationalen Bühne spricht bei nüchterner Betrachtung alles für sich selbst. Vladimir Putin war
der erste Gratulant. Der erste ausländische Politiker, mit dem Trump sprach war Nigel Farage, der den
Brexit jahrelang vorbereitet hat. Kanzlerin Merkel sagte, dass die USA und Deutschland durch
gemeinsame demokratische Werte verbunden seien und sie auf der Basis von Achtung vor dem Recht und
der Würde des Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller
Orientierung oder politischer Anschauungen mit Trump arbeiten würde.
Das bringt ziemlich klar die Verschattungen zur Sprache, die Trumps Weltbild prägen.
Frauenfeindlichkeit, irrationale Fremdenfeindlichkeit, Geringschätzung Behinderter. Seit der Wahl ist es
in vielen Teilen der USA zu massiven Übergriffen gegen Minoritäten gekommen, besonders widerwärtig
sind Attacken von Kindern gegen Kinder, was nicht nur die mangelnde Erziehung dokumentiert sondern
auch, wozu politische Brandstifter noch im 21sten Jahrhundert in der Lage sind. Zu den ersten ernannten
Team-Mitgliedern der Trump Administration zählt Stephen Bannon, ein erklärter Rassist und Anti-Semit,
was auch den amtierenden Präsidenten Obama bei seiner Europa-Reise dazu veranlasste in Athen nun
deutlichere Worte für die gefährlichen Tendenzen zu finden.
Neuralgische Punkte
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Die Liste der kritischen Punkte ist endlos lang. So kann sich die Immigrationsbehörde des Nachbarlandes
Kanada kaum noch vor Anträgen aus den USA retten. Die Fortschritte der Obama Administration bei der
Integration der zuvor Unversicherten in das Gesundheitssystem will Trump rückgängig machen, womit
bis zu 20 Mio. Amerikaner wieder ohne Gesundheitsversorgung dastehen werden. Auch die Regelung,
dass Kinder bis zum Alter von 26 Jahren über die Eltern versichert sind, soll beendet werden. Diese
Massnahmen treffen den Kern der Trump-Wählerschaft, allerdings negativ. Die Aktien der
Krankenversicherer sind daher unter Druck geraten. Umgekehrt legten die Aktien von Pharma-, Biotechund Medizingeräteherstellern deutlich zu, weil die Preiskontrollen, die in der Obama-Ära an Bedeutung
gewonnen hatten, wieder lockerer werden sollen. Das ist nicht gerade, was den Wohlstand der sich
zurückgesetzt fühlenden Trump-Wähler mehren wird.
Bankenregulierung soll gelockert werden
Auch die Bankenregulierung nach 2008 soll in weiten Teilen rückgängig gemacht werden, weswegen die
Bankaktien die grössten Gewinner an der Börse sind. Auch diese Massnahme ist gar nicht AntiEstablishment sondern vielmehr eine Fortsetzung des alten republikanischen Kurses, der erst zu dem
weiten Auseinanderklaffen von oberen und unteren Gesellschaftsschichten und der Eliminierung der
Mittelklasse in den USA geführt hat. Es wird nicht lange dauern, bis nicht nur Ökonomen klar sein wird,
dass Versprechungen und Handlungen bei Trump weit auseinander liegen. In der Investment-Welt hat
Bond-Guru Bill Gross darauf hingewiesen, dass die Trump-Wähler am meisten unter dem Wahlergebnis
leiden werden. Das wird schon in dem inkohärenten Team offensichtlich. Als Treasury Secretary ist der
Goldman Sachs Banker Mnuchin im Gespräch, der zuletzt als Board Member bei Relativity Media 50
Mio. USD von Goldman Sachs kurz vor der Insolvenz rettete während alle sonstigen Geschädigten
weitgehend leer ausgehen. Das ist ein weiterer Schlag ins Gesicht der Wähler, die sich von den Eliten
ausgebootet fühlen.
Ausstieg aus den Pariser Klimaverpflichtungen
Da Trump zu den Leugnern des Treibhauseffektes und der Erderwärmung zählt, ist auch sehr
wahrscheinlich, dass die zuletzt bemerkenswerten Schritte der USA in Richtung Umwelt- und
Klimaschutz wieder zurückgedreht werden, wogegen sich starke Opposition manifestiert. Die in die
Kritik gekommene Öl- und Gasindustrie wittert Morgenluft, sogar die Kohlewirtschaft schöpft neue
Hoffnung. Es wird spannend zu beobachten sein, wie die Ermittlungen der Generalstaatsanwälte in New
York und Kalifornien sowie der Aufsichtsbehörde SEC gegen Exxon Mobil weiter gehen, nun, da der
politische Wind gedreht hat. Wegen der zuletzt wieder schwachen Ölpreise konnten Energie-Aktien nur
unterdurchschnittliche Kursgewinne verbuchen.
Trumponomics-Gewinner
Weitere Gewinner von Trumponomics, so die Annahmen der Anleger, sind die Luftfahrt- und
Verteidigungsindustrie, die Bauindustrie, sowie, wiederum bezeichnend, die Waffenhersteller und die
privaten Gefängnisbetreiber. Unter Trump werden die Waffengesetze bestimmt nicht verschärft, eher
gelockert. Die Entscheidung während der Amtszeit der Obama Administration, das Modell der privaten
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Gefängnisse wieder aufzugeben, dürfte unter Trump ebenfalls rückgängig gemacht werden. Die zuvor
stark gefallenen Prison Stocks zählten zu den Favoriten.
Geo-Politik vor neuer Unordnung
Neben all den aufgelisteten Spannungsfeldern bleibt noch das Verhältnis zu Russland und die Situation
im Nahen und Mittleren Osten. Es ist bekannt, dass Trump die globale Schutzmachtposition der USA
reduzieren will, die Situation in Syrien, Irak, Afghanistan würde er anderen überlassen, d.h. konkret
Putin. Der vergewisserte sich im Gespräch mit Trump, dass er seine Schritte in Syrien billige. Schwer
vorstellbar, dass das amerikanische Militär und die allmächtigen Geheimdienste damit einverstanden
sind, dass amerikanische Interessen und Einflusssphären nun den Russen überlassen werden sollen.
Die gesamte Balance in den Konfliktzonen, sofern man davon überhaupt sprechen kann, wird durch
Trumps Ankündigungen vor neue Tatsachen gestellt. Wie werden die schwer kalkulierbaren und um
Vormacht ringenden Regionalmächte Iran und Saudi-Arabien agieren? Ohne amerikanische
Hegemonialmacht-Präsenz und Entschiedenheit am Golf ist mehr als wahrscheinlich, dass Saudi-Arabien
unter der neuen Führung die Sache selbst in die Hand nimmt und sich in ein weiteres militärisches
Abenteuer stürzt, was schnell eine Eskalation auslösen kann.
Autokraten unter sich
Die nun offen autokratische Türkei, zwischen NATO und Russland-Freundschaft und mit gefrässigem
Landhunger, dazu ein Bürgerkrieg im Land, ist ein Fall für sich. Zwar hat sich Trump im Gespräch mit
Obama zur NATO bekannt, doch was bedeutet das schon, wenn alles im Umbruch ist und das Feindbild
Russland nun durch eine Männerfreundschaft Trump-Putin ersetzt wird? Was bedeutet das für Europa?
Deutschland beispielsweise hat gerade erst eine Militärdoktrin ersonnen, in der Russland das Feindbild
ist. Was bedeutet es für Europa, dass russische Banken die einzigen waren, die dem Front National Kredit
gewährten kurz vor der Parteipleite? Es ist bekannt, dass Putin zu autokratischen Herrschern wie Orban
und jetzt auch Trump gute Beziehungen unterhält. Wenn die Wahlen in Frankreich im Frühjahr so
ausfallen, wie zu befürchten ist, zeichnet sich eine ganz neue internationale Architektur ab, die dann im
Herbst bei den Wahlen in Deutschland die Katastrophe auslösen könnte, die von den etablierten Parteien
geradezu verzweifelt zu vermeiden gesucht wird.
Anti-Globalisierung
Was nach dem Brexit-Votum zunächst wie ein vereinzelter Tiefpunkt in der AntiGlobalisierungsbewegung aussah, ist mit der Wahl Trumps zu einem Trend geworden, wobei der
Tiefpunkt nun noch tiefer liegt. Bedenkt man, dass die Briten im Grunde bis heute keinen Exit-Plan
haben, wird es auch in den USA einige Zeit dauern, bevor wirklich klar wird, was überhaupt, und wann
und wie geschehen wird. Da die Republikaner jedoch beide Kammern kontrollieren, werden die
Blockaden, die Obama konfrontierte, verschwinden. Auf gesetzgeberischer Seite könnte somit ziemlich
viel in den nächsten Jahren passieren.
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Offene Fragen
Aber was passiert oder nicht passiert ist noch weitgehend Spekulation oder bestenfalls Extrapolation.
Trump ist unberechenbar und muss nicht unbedingt das verfolgen, was er sagt. Ob also die gewaltigen
Infrastrukturmassnahmen wirklich angegangen werden, bleibt abzuwarten. Ob es zu der versprochenen
Anhebung des Mindestlohns kommen wird, ebenfalls. Während die Schätzungen für illegale Immigranten
in den USA bei bis zu 20 Mio. liegen, hat Trump inzwischen die geplanten Deportationen auf 2 bis 3
Mio. beziffert. Für die "Mauer" zu Mexiko sollen jetzt auch Zäune reichen.
Budgetdefizite in Sicht
Wenn die Einkommensteuer für Unternehmen tatsächlich auf 15% abgesenkt wird, hat das viele Aspekte.
Gut für die Wirtschaft sind die gesteigerten Anreize, doch die Budgetdefizite würden zwangsläufig zu
sehr viel höheren Zinsen führen, was dem Dollar zunächst weitere Schubkraft verleihen wird. Zeigt sich
dann in den nächsten 2 bis 3 Jahren, dass der revisionistische Trump-Kurs nicht zu dem versprochenen
neuen Wohlstand für die Massen führt, dürfte der Dollar schwächeln, denn dann wäre die aktuelle
wirtschaftliche Vormachtstellung verloren.
Für einen Staat von der Grösse der USA ist das eine gefährliche Politik, zumal Trump ja auch als
Unternehmenslenker viel Expertise bei Insolvenzen zulasten seiner Anleger aufgebaut hat. Er dagegen ist
trotz der Pleiten Multimilliardär. Das Forbes Magazin schätzt das Trump Vermögen auf 3,5 Mrd. USD.
Nicht auszuschliessen, dass er zu Putin aufholen will oder den sogar übertrumpfen. Die Schätzungen
reichen bis zu 30 Mrd. USD Nettovermögen bei Putin. Ganz beachtlich für einen ehemaligen KGBSpion, der in Dresden den Tarnnamen "Motte" trug.
Wahlversprechen sind unrealistisch
Es ist insgesamt eher unwahrscheinlich, dass die Wahlversprechen erfüllt werden können und die
gutbezahlten Industriearbeitsplätze in die USA zurückkehren. Joseph Stiglitz analysiert richtig, dass zwar
Arbeitsplätze zurückkommen können, aber nicht die gutbezahlten und die gutbezahlten, die
zurückkommen können, sind wenige. Hauptursache ist, dass durch die technologischen Fortschritte
einfach sehr viel weniger Industriearbeitsplätze vorhanden sind als beispielsweise vor 50 Jahren.
Bewertungsaspekte
Kurzfristig sind steigende Zinsen nicht unbedingt negativ für die Aktienmärkte, sofern der Zinsanstieg
durch eine Konjunkturbelebung verursacht ist. Das scheint die Wall Street mit der Serie von historischen
Rekordhochs beim Dow-Jones vorwegzunehmen. Dabei sind die Aktienbewertungen mit dem 20fachen
Jahresgewinn schon recht ambitioniert und angesichts von 5 Quartalen mit leicht rückläufigen Gewinnen
vielleicht sogar überbewertet. Was viele Investoren vergessen, weil sie seit über 30 Jahren nur sinkende
Zinsen und steigende Gewinnmultiples kennen, ist, dass nun steigende Zinsen zu einer
Multiplekompression führen, vielleicht nicht morgen oder im Dezember, aber nach 6 bis 9 Monaten mit
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Sicherheit.
Investitionsklima
Es bleibt auch fraglich, ob die Unternehmen ihre Billionen an Auslandsvermögen repatriieren werden,
selbst mit einem Tax-Holiday, wie 2004 von George Bush jun. angeboten. Würden die Unternehmen eine
Rendite auf das für zusätzliche Investitionen eingesetzte Kapital erwarten, hätten sie ihre Cash-Berge
schon abgebaut. Stattdessen haben die Unternehmen angesichts der historisch niedrigen Zinsen während
der vergangenen Jahre Rekordsummen durch Bondemissionen aufgenommen, mit denen sie Aktien
zurückkaufen, Dividenden bezahlen und Akquisitionen tätigen. Exxon beispielsweise erzielte in den
ersten 9 Monaten 2016 nur 1 Mrd. USD Free Cash-Flow. 2011 hatte die Grösse noch bei über 24 Mrd.
USD gelegen. Die 9,3 Mrd. USD Dividendenausschüttung im bisherigen Jahresverlauf sind somit nahezu
vollständig kreditfinanziert. Die Verschuldung von Exxon hat sich in den letzten Quartalen auf 46 Mrd.
USD verdoppelt. Insgesamt hat Exxon im Zeitraum 1997 bis 2015 die gewaltige Summe von 260 Mrd.
USD für Aktienrückkäufe verwendet und damit mehr als für Betriebsinvestitionen, die sich auf 245 Mrd.
USD summierten.
Ermittlungen gegen Trump University
Exemplarisch für Trump ist seine Trump University. Teilnehmer zahlten fünfstellige Beträge für
angebliche Seminare, bei denen sie nicht dazulernten und erhielten Zertifikate, die von niemand
anerkannt wurden. Das hatte zu Ermittlungen und Sammelklagen geführt. Jetzt wollen die TrumpAnwälte die Anhörung verschieben lassen, wegen den umfangreichen Vorbereitungen auf das
Präsidentenamt.
Auf Trump scheint mehr als auf seine Vorgänger zuzutreffen, was Oswald Spengler so formulierte: "Die
privaten Mächte der Wirtschaft wollen freie Bahn für ihre Eroberung grosser Vermögen. Keine
Gesetzgebung soll ihnen im Wege stehen. Sie wollen die Gesetze machen, in ihrem Interesse, und sie
bedienen sich dazu eines selbstgeschaffenen Werkzeugs, der Demokratie, der bezahlten Partei."
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