Zur Occupy

Zur Occupy-Bewegung
(deutsch.llco.org)
In letzter Zeit sind in verschiedenen Teilen der USA und Europa vielfältige
Protestaktionen entstanden. Die größte davon ist Occupy Wall Street in New
York. Von den Medien ist diesen Protestaktionen relativ viel Aufmerksamkeit
geschenkt worden. Es gibt die Behauptung, dass diese Ereignisse den Anfang
einer Revolution bilden würden, woraus ein richtiger Hype entstanden ist. Es ist
deshalb wichtig, dass man das Wesen dieser Ereignisse versteht. Es ist wichtig,
dass man sich nicht von den liberalen Bewegungen verwirren lässt. Es ist wichtig,
dass man diesen Hype durchschaut.
1. Vielfalt. Die Proteste sind vielfältig, aber insgesamt ist die Bewegung
imperialistisch und populistisch. Wie in anderen bekannten Protesten ist
ein breites Spektrum an Kräften in die Ereignisse involviert. Während es
unter den Demonstranten Kräfte gibt, die sich als Kommunisten und
Antiimperialisten ausgeben, machen diese Kräfte nicht im Entferntesten
die Mehrheit der Demonstranten aus. Rechtspopulistische Spinner und
Verschwörungstheoretiker haben an manchen Orten gewaltigen Einfluss
auf die Proteste ausgeübt. Unter den amerikanischen Demonstranten
finden sich aber auch traditionellere Kräfte der US-Demokraten, die sich
die „New American Dream Movement“ nennen. Die Forderungen der
verschiedenen Strömungen sind ebenfalls vielfältig. Während eine kleine
Minderheit versucht, Bewusstsein über den Imperialismus und seine
Opfer zu schaffen, bleibt der ökonomische Populismus und amerikanische
Patriotismus die dominante Ausdrucksweise der Demonstranten. Eine
Forderung beinhaltet eine „linke“ Version der Tea Party, um die
Demokratische Partei zurückzugewinnen. Es gibt auch typisch
sozialdemokratische Forderungen nach einem verbessertem
Sozialhilfesystem. Manchmal werden auch öffentliche Rufe von weißen
Rechtsextremen und Nazis gehört und von den Demonstranten positiv
aufgenommen. Mancherorts ist trotz der Polizeibrutalität gegenüber den
Demonstranten eine Pro-Polizei- und Pro-Militär-Mentalität spürbar, was
offensichtlich viele Nicht-Weiße und Jugendliche davon abhält, an den
Protesten teilzunehmen. Der imperialistische und teilweise faschistische
Einfluss hat zur Folge, dass viele nationale Befreiungskräfte und NichtWeiße die Proteste boykottieren und sich davon fernhalten. Viele
betrachten die Occupy-Bewegung momentan mit Skepsis: „Occupy Wall
Street? Wall Street wird doch schon [von den USA] okkupiert.“
2. Verschwörung? Aus der Sichtweise der Demonstranten ist es „das Volk
gegen die Bankster“. In den Protesten wird verkündet, es stünden „99%
gegen 1%“. Dies widerspiegelt die generelle Einstellung von vielen, die in
die Proteste involviert sind. Sie sehen nicht die antagonistischen
Gesellschaftskräfte, sondern die Intrigen unter den Eliten und
„Bankstern“ als das Hauptproblem, nicht die Erste Welt, nicht die globale
Bourgeoisie. Insgesamt betrachten sie nicht den Kapitalismus als Feind.
Vielmehr wird eine weitgehend unsichtbare, mysteriöse Elite als Feind
betrachtet. Die vorherrschende Sichtweise ist nicht einmal die typische
Sichtweise des Durchschnittsrevisionisten. Ein derart begrenztes Konzept
des Feinds macht die Frage nach den Freunden und Feinden beinahe
bedeutungslos. Er erlaubt einen scheußlichen Opportunismus von beinahe
allen rechten Kräften.
3. Die Flammen schüren… wovon und wozu? Bei den sogenannten
„Linksradikalen“ gibt es eine Art Zwang, sich um jeden Preis
zusammenzuschließen. Innerhalb des linksradikalen amerikanischen
Populismus manifestiert sich dieser Zwang im Unvermögen, zwischen
imperialistischen und antiimperialistischen Kämpfen zu unterscheiden. Es
herrscht die Mentalität einer unkritischen Unterstützung von allem und
jedem. Unter den Revisionisten gab es die Vorstellung, dass es der Job
eines Revolutionärs sei, entstehende „Steppenbrände“ aufzuspüren und
dann die Flammen weiter zu schüren. Die Frage, die sich
notwendigerweise stellt, ist „wovon und wozu die Flammen schüren”? Es
ist nicht progressiv, eine reaktionäre soziale Basis mit ökonomisch
nationalistischen Parolen zu politisieren. Dies ist das übliche Vorgehen
der Revisionisten, der Linksradikalen in der Demokratischen Partei und
gemeinnützigen Organisationen im politischen Raum. Dies umfasst auch
Revisionisten, die vom Sozialismus, Kommunismus und sogar vom
Volkskrieg und Antiimperialismus sprechen, gleichzeitig aber den
ökonomischen Nationalismus der Ersten Welt verbreiten, der ihnen dann
als ideologische Rechtfertigung des Imperialismus dient. Einerseits sagen
sie den Leuten in der Ersten Welt, dass diese ihren überzogenen
Lebensstandard verdient hätten – welcher tatsächlich aber auf
Ausbeutung basiert und nicht nachhaltig ist. Andererseits sagen sie, dass
sie diejenigen unterstützen, die gegen das ankämpfen, was den Lifestyle
der Ersten Welt überhaupt erst möglich macht: die Ausbeutung der
Dritten Welt durch den Imperialismus – üblicherweise mit leerem
Solidaritätsgerede oder mit selbstgefälligem revolutionären Tourismus.
Wenn die „linksradikalen“ Sekten ihre Versprechen wie immer nicht
erfüllen können, wendet sich ihr Publikum dem Nächstbesten zu, der
Demokratischen Partei, oder sie suchen sich ihre Antworten in
offenkundig faschistischen Organisationen.
4. Keine Führung, keine Neue Macht. Sogar wenn die Regierung gestürzt
werden könnte, würde das zur Zeit nur in kosmetischen Veränderungen
resultieren, weil noch keine Neue Macht, keine Gegenmacht existiert. Es
existiert keine Führung. Ohne die Neue Macht, ohne Führung wird es
keine Revolution geben. Die unabhängigen Institutionen, die benötigt
werden, um das Vakuum zu füllen, welches beim Sturz des alten Staats
entsteht, fehlen schlichtweg. Leute, die noch nicht lange aktiv sind,
tendieren dazu, die Bedeutung von Demonstrationen zu überschätzen.
Nimm Ägypten als Beispiel. Die Straßenproteste haben letztlich dem
Regime erlaubt, sich wieder neu zu bilden. Der Protest gehört nicht zur
wichtigsten revolutionären Arbeit. Die Proteste in den USA und Europa
sind höchstens eine Art Straßentheater.
5. Der Aufstieg eines offenen, militanten Faschismus? Mit dem jüngsten
ökonomischen Abschwung haben die Widersprüche in der amerikanischen
und europäischen Gesellschaft zugenommen, die Widersprüche innerhalb
der globalen Bourgeoisie haben zugenommen. Diese Widersprüche sind
aber noch immer nicht antagonistisch. Die Beziehung zwischen den
unteren 99% und dem oberen 1% in der Ersten Welt ist keineswegs
antagonistisch. Sie werden in naher Zukunft innerhalb des Systems eine
Lösung dafür finden. Gesamthaft ist die Situation dergestalt, dass es eine
größere Einigkeit als Uneinigkeit in der amerikanischen und
europäischen Bevölkerung als Ganzes gibt. Das kann auf den hohen
Lebensstandard, welcher durch den globalen Kapitalismus-Imperialismus
ermöglicht wird, zurückgeführt werden. Wir sollten im Moment den
potentiellen Aufstieg eines offenen, militanten Faschismus hierzulande
nicht überschätzen. In den ärmeren Teilen der Ersten Welt hingegen ist
das Potenzial dafür viel größer.
6. Proletariat? Man kann keine proletarische, sozialistische, kommunistische
Revolution haben ohne ein Proletariat. Es gibt für eine kommunistische
Revolution in der Ersten Welt einfach keine signifikante gesellschaftliche
Basis. Es ist geradezu lachhaft, zu erwarten, dass die Bevölkerung der
USA sich erheben und den Sozialismus oder Kommunismus einführen
wird. Wir können uns den Weg zum Kommunismus nicht erschwindeln,
indem wir Bewegungen infiltrieren, die aus uns entgegengesetzten
Gesellschaftskräften bestehen. Wir können uns nicht einfach an die Macht
tricksen. Obwohl wir uns jedem Werkzeug aus dem Werkzeugkasten
bedienen dürfen, einschließlich Verschwörung und Intrige, müssen wir
verstehen, dass der globale Volkskrieg und die Neue Macht des
Proletariats die wichtigsten Mittel zur Macht sind.
7. Anomalien finden. Auch wenn die Proteste selber nicht progressiv sind, ist
es sehr wahrscheinlich, dass man darunter eine kleine Minderheit finden
kann, die für den LL-Kommunismus und antiimperialistische Positionen
gewonnen werden können. Stell die Vision des LL-Kommunismus in den
Mittelpunkt. Anders gesagt, finde jene Individuen, die den Lifestyle der
Ersten Welt vollständig ablehnen, die den Ökonomismus ablehnen, das
Erstweltlertum ablehnen, den erstweltlerischen Feminismus ablehnen.
Appelliere an ihren Kopf und an ihr Herz. Appelliere an ihre Intelligenz
und an ihren Altruismus. Suche nach den Intelligentesten, den
Militantesten, den Einfühlsamsten. Suche nach Leuten, die eine neue Welt
wollen. Gleichheit. Altruismus. Nachhaltigkeit. Mitgefühl.
8. Denke im großen Maßstab. Es ist nicht genug, sich dem 1%
gegenüberzustellen, wir müssen uns der ganzen Ersten Welt
gegenüberstellen. Die Occupy-Bewegung ist keine Bewegung, die wir im
Moment führen können. Ihr Programm, das auch nur andeutungsweise
vorhanden ist, ist zu reaktionär und erstweltlerisch. Das bedeutet aber
nicht, dass wir nicht versuchen sollten, die Leute an den Protesten zu
beeinflussen. Wir müssen das Erstweltlertum, den Ökonomismus, den
Chauvinismus etc. kritisieren. Wir sollten so viele Leute beeinflussen wie
möglich. Wir sollten so viele unter unsere Führung versammeln wie
möglich, um die Erste Welt zu bekämpfen und den LL-Kommunismus zu
unterstützen. Wir sollten so viele wie möglich zu uns bringen. Wenn dies
irgendwie in eine Bewegung verwandelt würde, um die ganze Erste Welt
zu beseitigen und eine globale Gleichheit zu etablieren, könnten wir sie
führen.
9. Ein Lernprozess. Für einige kann das Ganze ein großer Lernprozess
werden. Wir können die Mängel dieser Bewegung und ihren
unvermeidbaren Misserfolg (als revolutionäre Bewegung) als ein
Lehrstück benutzen. Wir müssen die Probleme aufzeigen, die entstehen,
wenn eine kommunistische Welt gefordert wird, gleichzeitig aber
Erstweltchauvinismus vertreten wird. Die Occupy-Bewegung wird
versanden oder in eine bestehende Partei aufgehen. Nutze die Gunst der
Stunde, um zu lehren. Wir wachsen. Wir sind in voller Fahrt, und das,
obwohl die Wirtschaftskrise etwas Leben in die Leiche des
Erstweltlertums gebracht hat. Wir haben ideologisch gewonnen. Alles,
was ihnen bleibt, ist leeres Gerede, Lügen und Arroganz.
10. Bleib dran. Wir haben die Wissenschaft, die Organisation und die
Führung, um die nächste große Welle ins Rollen zu bringen.