Der Dekan bei der grossen Demonstration zugunsten verpflichtender Reduktionen der Treibhausgase am Rand des Klimagipfels in Paris. Weniger als Dekan, sondern vielmehr aufgrund christlicher Verantwortung und als Vorstandsmitglied des Vereins oeku «Kirche und Umwelt» habe ich am 12. Dezember zusammen mit tausenden meist aus dem Ausland angereisten Personen an zwei Parallelveranstaltungen zum Klimagipfel der Vereinten Nationen in Paris teilgenommen, die unter dem Schlagwort «Rote Grenzlinien oder D12» organisiert wurden. Die UN-Klimakonferenz in Paris fand vom 29. November bis zum 13. Dezember statt und hiess offiziell auf Englisch United Nations Framework Convention on Climate Change, 21st Conference of the Parties, kurz COP 21. Die Klima-Allianz Schweiz hatte Züge aus Basel und Genf organisiert. Einige Gruppen aus anderen Ländern wie England und Vietnam waren mit dem Fahrrad gekommen oder zu Fuss. Mit dem Dominikanerhabit bekleidet trug ich wie alle Demonstranten rote Blumen und einen anderen roten Gegenstand, Symbol der Alarmstufe rot für die Klimaerwärmung. Mit dem Verantwortlichen des Dominikanerordens für Justitia et Pax und einer Laiendominikanerin und Ärztin aus Südamerika vor Beginn der Demonstration mit den Tulpen für die Roten Grenzlinien. Die roten Linien um 2°C Klimaerwärmung, über die man auf dem COP 21 verhandelt, sind weitgehend bereits überschritten und man muss aktiv bleiben am 12 Dezember und danach, erklärte der Repräsentant von 350.org, einer der mehr als 130 NichtRegierungsorganisationen, die in der Koalition für das Klima zusammengeschlossen sind. Die Vereinbarung des COP 21, die von verschiedenen NGOs als den Anforderungen nicht genügend eingeschätzt wird, mobilisierte die Teilnehmer. Es war vorauszusehen, dass die Klimaaktivisten, die während der ganzen Dauer der UN Klimakonferenz in Paris anwesend waren, von einem ungenügenden Abkommen enttäuscht sein würden. Mit roten Banderolen ausgestattet, haben die Demonstranten eine rote Grenzlinie für die Klimaerwärmung gezogen, die nicht zu überschreiten ist. Nachdem die Organisatoren in verschiedenen Abstufungen die Sicherheitsbeschränkungen akzeptiert hatten, haben sie ihre Demonstration am Samstag, dem 12. Dezember, nicht abgesagt. Sie wollten weiterhin ihre Botschaft « Climate justice for peace » (Klimagerechtigkeit für den Frieden) verbreiten. Die Diskussion mit der Polizeipräfektur um eine Erlaubnis blieb bis Samstag früh offen, hatte der Innenminister doch seinen Widerstand gegen eine Versammlung im Stadtzentrum ausgedrückt. Die Veranstalter bereiteten uns daher am Freitag für Aktionen des zivilen Ungehorsams vor. Nach unserer Ankunft im Zug aus Basel fuhren wir Teilnehmer aus der Schweiz zu einem «Briefing» in der Aktionszone für das Klima, dem ZAG im 19. Arrondissement von Paris. Dort riet man uns, am folgenden Tag nur zu zweit unterwegs zu sein, weil nach französischem Gesetz eine Gruppe von drei Personen bereits als unerlaubte Demonstration angesehen werden kann. Man liess uns die Namen von Anwälten auswendig lernen, die wir im Falle einer Festnahme von der Polizei rufen lassen sollten. Fast in letzter Minute gab man doch die Erlaubnis zur Demonstration. Trotz des Ausnahmezustands nach den Attentaten in Paris hatten die Behörden eingesehen, dass sie tausenden von Klima-Aktivisten den öffentlichen Raum nicht verweigern konnten. Die Aktion der Roten Grenzlinien, die ursprünglich für 12 Uhr vorgesehen war, wurde auf 11.45 Uhr vorverlegt und stand auf den Avenue de la Grande Armee statt, in einem symbolträchtigen Viertel von Paris zwischen dem Arc de Triompfe und der Porte Maillot. Auf ein Startzeichen, das von Nebelhörnern gegeben wurde, waren die Demonstranten aufgefordert, sich zur Porte Maillot hinzuwenden um zwei riesige Banderolen zu entrollen und eine Schweigeminute für die «Opfer des Klimawandels in Vergangenheit und Zukunft» abzuhalten. Mehrere tausend Personen haben so den Opfern der Klimaerwärmung Ehre gezollt und die Verantwortlichen angeklagt. Neben indigenen Volksgruppen und Vertretern der am meisten betroffenen Völker am Anfang des Zuges, waren mehr als 10 000 Personen zusammengekommen und hatten ein Spruchband von 105 Metern Länge ausgerollt, auf dem zu lesen war: « We won’t stop here. It’s up to us to keep fossil fuels in the ground » (Wir werden hier nicht sehen bleiben. Es liegt an uns, die fossilen Brenstoffe in der Erde zu lassen). Die vielen Demonstranten waren von ungefähr 2000 Polizisten umschlossen. Im Demonstrationszug konnte man Sprüche hören uns sehen wie «COP 21 ist nicht die Lösung» oder auch « Je suis Climat ». Die Teilnehmer waren mehrheitlich jung, aber es gab auch Leute mit grauen Haaren wie ich. Die Rote Grenzlinie wurde symbolisch von den Demonstranten durch 5 000 Tulpen gezogen, die man auf der Erde auf roten Bändern niederlegte. Viele Leute sprachen mich an, teil weil sie zu christlichen Jugendgruppen gehörten und begeistert waren, jemanden von der Kirche unter ihnen zu entdecken, teils weil sie einfach neugierig waren und wissen wollten, was ich denn darstellte. Ich finde es schade, dass die Kirche bei diesem Ereignis unsichtbar blieb, sieht man von einem weiteren Dominikaner im Habit, dem Verantwortlichen des Predigerordens für Justitia et Pax, und mir ab. Die Tulpen für auf den Roten Grenzlinien. Um 14 Uhr hatte man sich auf den Marsfeldern zu Füssen des Eifelturms zu versammeln. Hier lautete das Motto «+3°C klimatischer Notfall». Die anwesenden Personen bildeten Menschenketten auf den Marsfeldern, um für Klimagerechtigkeit zu demonstrieren und dauerhaften Frieden in einer nachhaltigen Welt zu fordern. Das war eine massive, friedliche und entschlossene Versammlung. Seit 10.30 Uhr auf den Beinen, fühlte ich mich zu müde, mich in die Menschenkette vor mir einzureihen, und setzte mich lieber auf eine Parkbank, um das Geschehen zu beobachten. Bald sass ein weiterer Aktivist neben mir, der Badekleidung trug und ein Transparent auf dem stand, dass die Klimaerwärmung uns zwingen würde, schwimmen zu lernen. Seine Befürchtung, dass ihm das Meerwasser bald bis zum Hals stehen würde, nicht aus der Luft gegriffen angesichts der 0°C am Nordpol dieses Weihnachten, manifestierte er durch zwei Schwimmreifen, einen um seinen Hals, einen um seinen Bauch. Ein Schnappschuss unseres Gesprächs, den eine Fotografin einer katholischen Zeitschrift gemacht hatte, erschien später auf Twitter. Mir scheint, der Heilige Petrus hat die Demonstration in Paris auch unterstützt, in dem er die Klimaerwärmung durch einen Dezember mit frühlingshaften Temperaturen unter Beweis stellte. Die Demo auf den Marsfeldern verwandelte sich allmählich in ein Konzert, dessen Musik mehr den jungendlichen Teilnehmern entsprach als meinem Geschmack. Gegen 16 Uhr kehrte ich deshalb in meine Unterkunft zurück, zufrieden in der Lage gewesen zu sein, für eine Kirche Zeugnis abzulegen, welche die Sorgen eines grossen Teils der jungen Zivilgesellschaft um die Zukunft des Klimas und der weltweiten Gerechtigkeit teilt. Hans Ulrich Steymans
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