Zukunft der Arbeit: Wäre ich bloß Gärtner

Wäre ich bloß Gärtner geworden
Keyfacts
- Die digitale Entwicklung verläuft exponentiell
- Computer beherrschen zunehmend menschliche Fähigkeiten
- „Chaotische“ Handlungen sind schwer zu imitieren
07. November 2016
Die Welt wird sich niemals wieder so langsam ändern wie jetzt. Und das, obwohl sie sich
niemals so schnell verändert hat wie heute. Das liegt vor allem an dem schier unglaublichen
Entwicklungstempo der digitalen Technologien, seien es die Rechenleistung von
Computerchips, die Datenverbindungsraten oder die Speicherkapazität von Festplatten.
Wie Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee in ihrem Buch „The Second Machine Age“
festhalten, war der US-Supercomputer ASCI Red der weltweit schnellste, als er 1996 in Betrieb
genommen wurde. Neun Jahre später kam die Spielekonsole PlayStation 3 auf den Markt mit
der gleichen Rechenleistung – nur dass sie statt 55 Millionen US-Dollar etwa 500 US-Dollar
kostete und statt einem Stromverbrauch von 800 Haushalten lediglich die dreier 60-WattGlühbirnen hatte.
Der technologische Fortschritt ist enorm. Viele Roboter, Programme und Systeme, die wir vor
zwanzig Jahren als Fantastereien abgetan hätten, sind mittlerweile marktreif – oder stehen kurz
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davor. Ein Beispiel veranschaulicht die großen Sprünge gerade in den vergangenen Jahren:
Jahrhunderte lang wurden Gedanken auf Papier festgehalten, um sie mit jemanden
auszutauschen, der nicht zur gleichen Zeit in Hörweite war. Vor etwa 150 bis 200 Jahren wurde
die Schreibmaschine entwickelt, die ein einheitliches Schriftbild erlaubte und mit der das
Schreiben weniger anstrengend war als mit einem Stift.
Vor etwa 30 Jahren verbreitete sich der Computer in den Büros und Haushalten. Damit konnten
Schreibfehler problemlos korrigiert und auch der Schriftsatz mit wenigen Klicks angepasst
werden. Dann begann das „Papier“ mit mir zu kommunizieren und erkennt seit vielleicht zehn
Jahren zuverlässig auch grammatikalische Fehler.
Mittlerweile brauche ich nicht einmal mehr selbst zu schreiben. Es reicht zu reden und der
Computer wandelt meine Sprache in Text oder andere Sprachen um. Oder ich überlasse dem
Computer gleich ganz den Denkprozess, so wie es insbesondere bei Sport- und
Finanznachrichten bereits passiert. Schneller ginge nur noch die direkte Gedankenübertragung.
Allerdings fallen mit dem Fortschritt ganze Berufe weg. Stenotypist und Schriftsetzer etwa
dürften die Schulabgänger von heute vermutlich nicht einmal mehr vom Namen kennen.
Moshe Vardi, Professor für Computerwissenschaften an der Rice University, ist der Ansicht,
dass Maschinen in den nächsten 30 Jahren bis zur Hälfte aller Jobs übernehmen könnten. Das
erscheint mir nicht unrealistisch, wenn wir auf einzelne Berufe schauen, die bereits in den
nächsten Jahren Geschichte sein könnten.
Banker
Wie Computer zunehmend mehr Aufgaben übernehmen, zeigt sich besonders im
Bankensektor. Ein- und Auszahlungen sowie Überweisungen werden schon seit Jahren von
Computern durchgeführt. An die Lohntüte kann sich kaum einer mehr erinnern. Mittlerweile
nutzen in Deutschland 40 Millionen Menschen Online Banking. Auch die Geldanlage und die
Kreditvergabe wurden weitgehend automatisiert. Dass die Kunden noch auf den persönlichen
Kontakt setzen, ist vor allem eine Frage des Vertrauens. Prinzipiell aber wird die Zahl der
Bankangestellten weiter stark zurückgehen. Die zuletzt angekündigten Stellenstreichungen der
großen deutschen Banken sind für mich vor allem ein Indiz, wie Computer Arbeit verdrängen.
Buchhalter/Controller
Eine große Zahl der Angestellten sitzt heute vor Computern. Für viele besteht die Tätigkeit vor
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allem darin, Daten zu erfassen oder von einem Programm ins andere zu übertragen. Genau das
können Programme bereits außerordentlich gut. Mit der richtigen App brauchen Sie schon
heute eine Rechnung nur noch vor die Kamera ihres Smartphones zu halten und schon wird die
Überweisung veranlasst. Daher wird es Buchhalter schon in wenigen Jahren kaum noch
geben.
Auch die Zahl der Controller wird sich deutlich reduzieren, da Programme Daten nicht nur
erfassen und verarbeiten, sondern auch interpretieren können. Die dafür notwendige Intelligenz
der Programme wächst von Jahr zu Jahr.
Wirtschaftsprüfer
Damit Unternehmen nicht ihre Bilanzen aufhübschen und mit fiktiven Werten Kredite und
Anlegervertrauen erschleichen können, gibt es zertifizierte Wirtschaftsprüfer. Ihre Aufgabe ist
es, zu untersuchen, ob die Unternehmenszahlen den Standards und Gesetzen entsprechen.
Genau da fällt aber auf, dass die Arbeit auch intelligente Computer übernehmen könnten.
Zugegeben, kein Unternehmen gleicht dem anderen und in den Gesetzen gibt es eine große
Zahl von Sonderfällen. Dennoch: Es gilt Daten nach bestimmten Regeln zu beurteilen. Das
kann zum größten Teil auch ein Computer. Der Beruf des Wirtschaftsprüfers wird nicht
wegfallen, das Tätigkeitsprofil sich aber stark ändern.
Call-Center-Agent
Spracherkennung ist längst eine etablierte Technik. Die neuen Smartphones haben
serienmäßig einen Assistenten, der Anweisungen und Fragen versteht. Da ist es recht
offensichtlich, dass etwa Telefonumfragen, die aus einem Satz von Fragen mit vorgegebenen
Antwortmöglichkeiten bestehen, problemlos von einem Computer durchgeführt werden können.
Schwieriger ist es bei individuellen Kundenanfragen, die oft „chaotische“ Gesprächsverläufe
darstellen. Aber auch hier erwarte ich, dass die Programme diese Aufgabe in drei bis fünf
Jahren beinahe menschengleich werden ausführen können.
Skeptiker mögen sich vor Augen halten, dass bereits wahrhaft künstliche Intelligenz geschaffen
wurde. Die Programme verbessern sich selbst und finden eigenständig Lösungen, wenn sie auf
Probleme stoßen. Auf welche Tätigkeiten sollten wir also in Zukunft setzen, wenn wir einen
sicheren Job suchen?
Diskutieren Sie mit uns zur Zukunft der Arbeit am 22. November auf der hub conference
und im Livestream auf Klardenker live sowie über Twitter unter #kpmgklardenker und auf
Facebook.
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Zusammengefasst
»Skeptiker mögen sich vor Augen halten, dass bereits wahrhaft künstliche Intelligenz geschaffen
wurde. Die Programme verbessern sich selbst und finden eigenständig Lösungen, wenn sie auf
Probleme stoßen. «
Die digitale Entwicklung verläuft schneller und schneller. Computer beherrschen mittlerweile eine Reihe
von Fähigkeiten, die bislang exklusiv Menschen vorbehalten waren. Da gerade die laufenden Kosten für
die Systeme deutlich niedriger sind als die Gehaltskosten, könnten viele Jobs in der Zukunft durch
Maschinen, Roboter und Computer ersetzt werden. Die Tätigkeitsprofile von Bankern,
Wirtschaftsprüfern, Buchhaltern und Call-Center-Agenten werden sich in den nächsten Jahren stark
verändern.
Thomas Erwin
Partner, Advisory
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