Schuften für 60 Prozent weniger Lohn

faulheit & arbeit
Politisches Buch
Sonnabend/Sonntag,
5./6. November 2016, Nr. 259
POLITISCHES BUCH
Spezial
n Drucksachen
n Schwarzer Kanal
n Reportage
n ABC-Waffen
Räuberische »Interessen«. Lenin 1916: Die
Aufteilung des Osmanischen Reiches ist ein
Kriegsziel aller Großmächte. Klassiker
Einer vom Wächterrat. Ein Zeit-Autor warnt
die SPD, im Bundestagswahlkampf gegenüber Moskau auf Entspannung zu setzen
In der russischen Republik Udmurtien
kommt die traditionelle Kultur wieder in
Mode. Von Alexandre Sladkevich
Ich hätte mich nie mehr mit Vreni treffen
sollen. Sie hatte einen Knacks. Ich war ein
Sonnabend/Sonntag,
Abbild Achills (Teil 2). Von Stefan Wimmer
5./6. November 2016, Nr. 259
Zur Linken Literaturmesse Nürnberg • 4. bis 6. November 2016, Künstlerhaus im KunstKulturQuartier
n Seite 2: Schäubles Kern. Ein Buch von Hans-Rüdiger Minow über EU und deutsche Kontinuitäten. Von Stefan
Huth n Seite 3: Ein Gespräch mit Neel Mukherjee. Über die marxistischen Grundlagen seines Indien-Romans »In
anderen Herzen« n Seite 4: Reaktionäre Krisenprofiteure. Zwei neue Sammelbände zu AfD, Pegida und Neuer
Rechten. Von Daniel Bratanovic n Seite 6: Von Lukács lernen. Robert Lanning beweist die Aktualität der Theorie vom
Klassenbewusstsein. Von Werner Jung
»Wir haben hier ein
Gesinnungsstrafrecht«
JÖRG CARSTENSEN DPA/LNW/DPA - BILDFUNK
Gespräch
Mit Lukas Theune. Über laufende Verfahren gegen mutmaßliche
PKK-Mitglieder, Öffentlichkeitsarbeit in Prozessen gegen Linke und Vorurteile vor Gericht
W
Havanna, 1. Mai 2010: »Treu ihren Ideen. Union der jungen Kommunisten« (links auf dem Plakat Fidel Castro, rechts Raúl)
AP PHOTO/JAVIER GALEANO
aren Sie zuerst
te. Sie hat sich meine Schilderung angeren, in dem eine Verurteilung durch- Politisch aktive Kurdinnen und Kurden werden
Linker und dachhört und gesagt: »Ach Lukas, da gehst du
aus wahrscheinlich, weil politisch
in der BRD seit Jahren
einfach alleine hin zum Prozess und sagst,
gewollt ist?
ten, es könnte
nützlich sein, Anwie es wirklich war.« Das war ein absolu- Alle Verfahren, die in letzter Zeit gegen verfolgt. Seit dem die
walt zu werden,
tes Fiasko. Ich saß da, und auf einmal for- Menschen geführt wurden, denen vorge- Regierung wegen des
oder haben Sie zuerst Jura studiert
derte die Staatsanwaltschaft zehn Monate worfen wird, in der Arbeiterpartei Kur- sogenannten FlüchtJugendstrafe ohne Bewährung. Da habe distans aktiv zu sein, haben zu Verurtei- lingsdeals mit der Türkei
und sich später auf politische Fälle
Ankarawahre Geschichte
spezialisiert?
richtig Angst bekommen. Das Verfahlungen geführt.
DieCastros
Rechtsprechung
ist noch stärker auf
Volker Hermsdorf hat die erste ich
deutschsprachige
Biographie
Raúl
geschrieben.
Eine
Ich war schon als Jugendlicher politisch
ren wurde am Ende eingestellt, weil die sehr hart, und es ist einfach, einen solchen angewiesen ist, hat die
aus
heutigen Klassenkämpfen.Polizeibeamten
Von Arnold Schölzel
aktiv. Nach Aktivitäten an einem
1. Mai
sich widersprochen ha- Mitgliedsnachweis zu führen. Es gibt um- Repression sogar noch
ben. Das war aber reines Glück. Danach fangreiche Telekommunikationsüberwa- zugenommen
wurde ein Strafverfahren gegen mich
gerichtet. Mir wurden schwerer Landich: Das
kann doch
nicht sein.
Das
Auf der
tatsächlichen
Ebene istzitiert
es in der Argiz (1875–1956) und dessen zweiter Ehefrau LiKubaner
zu lesen
war. Hermsdorf
er Philosoph Georg Friedrich schendachte
Geschäft,
merkwürdig
erscheint,
dass
dem chung.
friedensbruch, Körperverletzung, WiMoment,
an dem
ich dachte:
Wir also
sehr schwer, dagegen
zu verteidigen.
Vorbemerkung
als Beispiel
dafür eine Passage aus na Ruz González (1903–1963) im Osten der Insel
Wilhelm
Hegel meinte einst: nochwar
mit der
keiner
Biographie
entgegnet
wurde.
Lukas
Theune
derstand gegen die Staatsgewalt und Gebrauchen
Anwälte.
Wir haben
fürCastro«
uns fest-von Carlos geboren. Der Autor hebt hervor, dass die Eltern
Das
galt bisAnwältinnen
zum Sommerund
2015.
In ihm stellte »Das
letzteaber
Buchzwei
überZiele
Fidel
»Das Bekannte überhaupt ist
… darum,
arbeitet weil
als Anwalt
für Straf-,
Derzeit
sindNikolai
Sie mit Leonow,
zumindest
Zum einen
wollenKorrespondent
wir im Prozess
fangenenbefreiung vorgeworfen. Verstoß
Autor
einzwei
früherer gelegt.
Widmann,
ehemaliger
von Spiegel großen Wert auf eine gute Schulbildung legten und
es bekannt
ist, Mietnicht der russische
und
Verwaltungsrecht
in Berlin. Derzeit
gegen das Betäubungsmittelgesetz und
politischen
Fällendes
befasst,
die mit
für Castro thematisieren,
was in
Kurdistan
gerade
und Süddeutscher
Zeitung,
das 2012
erschien. In Raúl schon mit knapp fünf Jahren nach Santiago de
und Mitarbeiter
KGB und
erkannt.«
Denn Meinungen
über Diplomat
verteidigt
er den
Aktivisten
gegen das Vermummungsverbot dies
war auch
eine
breitere Öffentlichkeit
relevant
konstant
Men- Kapitel, Cuba schickten, wo die älteren Brüder Ramón und
befreundet,
in Havanna dessen
weltweit stattfindet.
ihm findetWer
sich verletzt
ein 15 Seiten
umfassendes
und das sind
zahlreich
undkurdischen
wechselhaft,
Wis- seit 1953
Ali HidirDas
Dogan
einem Verfahren
noch dabei.
wurden: Dem Streit
und führt
Krieg
erste Lebensbeschreibung
vor.um
Sie die
liegt»Kadbislang nur schenrechte
in dem Widmann
einen
zweigegen
Jahre die
zuvor in der Fidel bereits das Colegio De La Salle besuchten,
sen ist eher selten.
giltin erstaunlicherweise
für die auf spanisch
Das ist
der türkische
Mit 15 wurde ich festgenommen,
derRaúl wegen
terschmiede«,
öffentlichen
vor, eineeinem
deutsche
Übersetzung ist Zivilbevölkerung?
Süddeutschen Zeitung
erschienenen
Artikel über das vom Orden der Marianischen Brüder betrieben
auch für
Castro,vermeintlicher
neben seinemTätigkeit
Bruder Fidel
verbotene
kurdische
Arbeiterpartei
PKK nicht inRaum
Prozess begann, als ich 16 war. Daund
warChe
mirGuevara
einem
in
Zusammenarbeit
islamistiSicht. in
Aber
nun Wohnprojekt
hat Volker Hermsdorf
im Staat
RaúlinCastro
ausschmückte:mit
»Unter
den pittoresken wurde. Alle drei wurden wegen Aufsässigkeit bald
wohl der
international
bekannundKubanischen
vertritt die »Freunde
der Kadternatürlich alles unklar. Ich wusste
der Berliner
Rigaer
Straße,
und
Gruppen
und Nordsyrien.
Heinen mit
»Raúl
Castro –
Revolutio- schen
Guerilleros
warimerIrak
die kurioseste
Erscheinung: ein von der Schule verwiesen. 1937 setzte Fidel jedoch
testenicht,
Führer der
Revolution.
Aber Verlag Wiljo
schmiede«
Rechtsstreit
eine
was da auf mich zukommt. Meine
Mutter
Verfahren
Hidir
nicht die PKK.
Darauf
wollenverfilzten
wir
när unddem
Staatsmann«
diegegen
zweiteAli
veröffentlicht.
Um Und
schmächtiger
Bursche
mit einem
Zopf seine Schullaufbahn am Jesuitenkolleg Dolores in
wer
weiß etwas
über den im
Präsidenten
desum
Landes
politisch
hinweisen. und einem dünnen, ratten- Santiago fort. Raúl besuchte unterdessen eine komkannte eine Anwältin, die ich umseit
Rat2008
ge- und
Dogan wegen vermeintlicher
PKKSie ist umfassend,
enthält immer
hinterwieder
der Baskenmütze
Erstenmotivierte,
Sekretär unrechtmäßige
des Zentralko- es vorwegzuschicken:
Zwangsräumung in
der Berliner
fragt habe. Später stellte sich heraus,
dass
Mitgliedschaft.
Sie uns
UnsereSchnurrbart.«
zweite Überlegung geht über
binierte zivil-militärische Landschule, bis er acht
neue Details, Lassen
basiert auf
dem mit
Studium haften
mitees
der Kommunistischen
Partei
KubasRigaer
seit zahlreiche
Straßeer am 17. Dezember 2014, als
sie Fachanwältin für Familienrecht
letzterem
beginnen.
Was die
sindinIhre
auch schwer
zugänglicher
Quellen,
Fußnoten
Hermsdorf kümmert sich nicht weiter um der- Jahre alt war und ebenfalls auf das Jesuitenkolleg
2011?war
Dabei rückte
auf Seite
und mit Strafrecht gar nichts amerHut
als Anwalt in nachgewiesen
diesem VerfahLiteraturverzeichnis
werden. n Fortsetzung
artiges. Er stellt
den zwei
Lebenslauf Castros in elf kam. 1945 folgte er Fidel nach auf das elitäre JeundhatUS-Präsident Barack Obama in gleichzei- und im Ziele
tigen Fernsehansprachen ein neues Kapitel in den Ein Personenregister ermöglicht rasches Nach- Kapiteln und einem Epilog dar, wobei im elften suitenkolleg Belén in Havanna. Es sollte zur HochBeziehungen zwischen Havanna und Washington schlagen und Überprüfen – der Apparat ist keine Kapitel vor allem Zeitzeugen, Mitarbeiter und Weg- schulreife führen.
gefährten zu Wort kommen. Hier soll vor allem
Raúl lehnte sich aber gegen die religiösen Riankündigten, endgültig in das Scheinwerferlicht Selbstverständlichkeit bei kleinen Verlagen.
Allein der seriöse, durchaus nicht unkritische, auf die frühen Jahre eingegangen werden, die am tuale auf und kehrte 1946 auf das Gut des Vader Weltöffentlichkeit. Dennoch verwenden die
großen Medien der westlichen Länder zumeist aber solidarische Umgang mit Castro und dessen unbekanntesten sind. Raúl Castro wurde am 3. Juni ters zurück. Nach dessen Geschmack diskutierte
herabsetzende, grotesk unbedarfte, vor allem politischem Wirken seit Beginn der 50er Jahre 1931 als viertes Kind des aus dem spanischen Gali- er zuviel mit seinen Landarbeitern über Politik,
aber feindselige Attribute, wenn die Sprache auf hebt dieses Buch in eine völlig andere Liga als cien nach Kuba ausgewanderten Arbeiters und dort
ihn kommt. Das ist Pflicht im antikommunisti- das, was bislang in deutscher Sprache über den zum Gutsbesitzer gewordenen Ángel María Castro n Fortsetzung auf Seite zwei
D
WOLFRAM KASTL/DPA- BILDFUNK
Revolutionäre Legende
Lesestoff
Zur Linken Literaturmesse in Nürnberg:
jW-Autoren stellen neue politische Bücher
vor, darunter Volker Hermsdorfs Biographie Raúl Castros, Hans-Rüdiger Minows
Studie über die deutsche Europapolitik
und Sammelbände zu AfD, Pegida und zur
Neuen Rechten.
ACHT SEITEN EXTRA
ACHT SEITEN »FAULHEIT & ARBEIT«
GEGRÜNDET 1947 · SA./SO., 5./6. NOVEMBER 2016 · NR. 259 · 1,90 EURO (DE), 2,10 EURO (AT), 2,50 CHF (CH) · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT
WWW.JUNGEWELT.DE
Aus der Sackgasse
Gegen den Kahlschlag
Für die Vernunft
In der Krise
3
5
8
12
Krieg im Jemen: Ein neuer Friedensplan Arbeitskampf bei Autozulieferer Dura:
soll jetzt einen Ausweg weisen.
Management setzt Streikbrecher
Von Knut Mellenthin
ein. Von Werner Rügemer
Zur Aktualität von Peter Weiss’ Roman
»Die Ästhetik des Widerstands«.
Ein Interview mit Rolf Becker
In den USA vertieft sich der Graben
zwischen der Bevölkerung und
dem politischen Establishment
Ende der Demokratie
Türkei: AKP-Regime lässt Kovorsitzende der HDP und elf weitere Abgeordnete
festnehmen. Proteste in zahlreichen Städten. Von Kevin Hoffmann, Istanbul
I
In Berlin haben in der Nacht zu Freitag mehr als 200 Menschen gegen die Verhaftungswelle in der Türkei demonstriert
und Diyarbakir von Polizisten angegriffen. Es wird von vielen Verhafteten und
Verletzten berichtet. Firat berichtete,
die Polizei habe in Diyarbakir mehrfach mit scharfer Munition auf die Menschen geschossen, um die Menge auseinanderzutreiben. In der kurdischen
Metropole kam es am Freitag zudem
in den frühen Morgenstunden zu einem
Bombenanschlag auf eine Polizeistation. Das türkische Innenministerium
meldete mindestens acht Tote. In vielen
Teilen der Türkei waren Internetdienste, wie die von Facebook und Twitter, nicht erreichbar. Das Präsidialamt
bestätigte, dass man den Zugang aus
Sicherheitsgründen beschränkt habe.
Die Abgeordneten der HDP hatten bereits im Juni für den Fall ihrer
Festnahme eine gemeinsame Verteidigungsrede verfasst und veröffentlicht. Darin heißt es unter anderem:
»Das einzige Hindernis auf dem Weg
zum Ziel, also die Errichtung eines
diktatorischen Regimes, das als Präsidialsystem deklariert wird, ist die
Demokratische Partei der Völker
(HDP).« Und weiter: »Ich verlange
oder fordere nichts von euch. Wegen
meiner politischen Aktivitäten können mich nur meine Wähler und das
Volk befragen.«
In einer Erklärung des internationalen Büros der HDP heißt es, dass mit
den Angriffen auf gewählte Abgeordnete eine neue Stufe der Repression
erreicht sei. »Dies ist ein schwarzer
Tag, nicht nur für unsere Partei, sondern für die ganze Türkei und die
Region, da dieser das Ende der Demokratie in der Türkei bedeutet«. Man
gehe zudem davon aus, dass weitere
Abgeordnete festgenommen werden,
so die HDP.
Selahattin Demirtas ist Gast auf
der von junge Welt veranstalteten
XXII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz am 14. Januar 2017
in Berlin.
Siehe auch Seiten 2 und 8 sowie
Wochenendbeilage »faulheit & arbeit«
Schuften für 60 Prozent weniger Lohn
Linksfraktion kritisiert Leiharbeitsgesetz der Bundesregierung
E
in Leiharbeiter in Vollzeit verdient nur knapp 60 Prozent
des Gehalts eines regulär Beschäftigten. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine
Anfrage der Linksfraktion hervor, die
am Freitag veröffentlicht wurde. Das
mittlere Bruttogehalt eines Vollzeitbeschäftigten habe im Dezember 2015
fast 3.100 Euro im Monat betragen.
Bei Leiharbeitern waren es nur rund
1.800 Euro. Die Regierung begründet
die geringere Entlohnung damit, dass
Leiharbeiter häufiger als Helfer und
Angelernte beschäftigt werden.
n Siehe Seite 16
Katalanische Polizei
verhaftet Bürgermeisterin
CHRISTIAN MANG
n der Nacht zu Freitag haben bewaffnete Spezialeinheiten die beiden Kovorsitzenden der Demokratischen Partei der Völker (HDP),
Figen Yüksekdag und Selahattin Demirtas, festgenommen und ihre Wohnungen durchsucht. Bis zum Morgen
folgte die Festnahme von elf weiteren HDP-Abgeordneten, darunter der
Fraktionsvorsitzende Idris Baluken
und Sirri Sürreya Önder, berichtet die
kurdische Nachrichtenagentur Firat.
Auf einem im Internet veröffentlichten Video ist zu sehen, wie Yüksekdag von Polizisten in Ankara abgeführt wird und ihr zu Hilfe eilende
HDP-Anhänger zurufen: »Widerstand
leistend werden wir siegen!« Auch
die HDP-Abgeordneten Faysal Sariyildiz, Tugba Hezer Öztürk und Nihat Akdogan wurden zur Fahndung
ausgeschrieben, befinden sich jedoch
laut Firat zur Zeit im Ausland. Die
festgenommenen Abgeordneten wurden im Laufe des Tages Haftrichtern
vorgeführt. Dabei wurden bis jWRedaktionsschluss drei Abgeordnete
unter Auflagen freigelassen und fünf
in Untersuchungshaft überstellt, darunter die beiden Vorsitzenden.
Ebenfalls in der Nacht zu Freitag
wurde die Parteizentrale der HDP in
Ankara durchsucht. Gleichzeitig kam
es in der Türkei und in Europa zu spontanen Proteste gegen die Festnahmen
und Razzien. Laut Firat fanden unter anderem in Deutschland, England,
Belgien, Frankreich, Österreich und
der Schweiz Demonstrationen statt.
In der Türkei haben die Gouverneure
vieler Provinzen alle Kundgebungen
verboten, so in Van und Antalya.
Laut der sozialistischen Nachrichtenagentur ETHA wurden unter anderem
Demonstrationen in Istanbul, Ankara
Dein Abo
Zeit.
zur rechten
Den Zahlen zufolge haben rund
59 Prozent der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Leiharbeiter
einen Berufsabschluss – der Anteil
entspricht damit fast dem der übrigen Beschäftigten, der bei 62 Prozent
liegt.
Linksfraktionsvize Klaus Ernst
kritisierte, das »oft beschworene Argument, Leiharbeitsbeschäftigte wären fachlich geringer qualifiziert, ist
schlichtweg falsch«. Unternehmen
beuteten deren Qualifikationen aus,
ohne sie entsprechend zu bezahlen.
Qualifikation müsse sich auszah-
len, auch für Leiharbeiter, verlangte
Ernst.
Scharf griff der Linken-Politiker
das neue Gesetz der Bundesregierung
gegen den Missbrauch von Leiharbeit
an. Dies werde für die Mehrheit der
Leiharbeiter keine materielle Verbesserung bringen, erklärte er. Nur 25
Prozent von ihnen hätten eine Chance
auf gleiche Bezahlung. Das Gesetz
sieht vor, dass Unternehmen mit Tarifverträgen neun bis 15 Monate von
der Verpflichtung zur gleichen Bezahlung abweichen dürfen – nur ein
Viertel aller Leiharbeitsverhältnisse
läuft laut Regierungsangaben aber
länger als neun Monate. Maximal 18
Monate darf ein Unternehmen laut
dem Gesetz einen Leiharbeiter auf
derselben Stelle einsetzen, danach
hat er Anspruch auf eine Festanstellung. Länger als 18 Monate laufen
den Zahlen zufolge aber nur zwölf
Prozent der Leiharbeitsverhältnisse.
Derzeit sind in Deutschland laut der
Regierungsantwort 950.000 Leiharbeiter beschäftigt. Das sind 2,6 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen und geringfügig Beschäftigten.
(AFP/jW)
Berga. Beamte der katalanischen Regionalpolizei Mossos d’Esquadra
haben am Freitag morgen die Bürgermeisterin der rund 80 Kilometer
nördlich von Barcelona gelegenen
Stadt Berga, Montse Venturós,
festgenommen. Die Politikerin
des Linksbündnisses CUP (Kandidatur der Volkseinheit) war zwei
Vorladungen eines Richters nicht
gefolgt. Dieser ermittelt gegen
die Bürgermeisterin, weil sie die
»Estelada«, die Fahne der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung,
an den Balkon des Rathauses gehängt und sich auch geweigert hatte, diese an Wahltagen einzuholen.
Insgesamt haben die spanischen
Behörden mehr als 400 Verfahren
gegen Stadtverwaltungen in Katalonien eingeleitet. Dabei geht es
unter anderem darum, dass die Fahne der spanischen Monarchie nicht
gezeigt wurde oder dass Rathäuser
am 12. Oktober öffneten, obwohl
das ein spanischer Feiertag ist. (jW)
Bundesrat fordert
deutlich mehr Hartz IV
Berlin. Die Bundesländer fordern
statt der geplanten leichten HartzIV-Erhöhung Anfang 2017 deutliche
Verbesserungen der Sozialleistung.
Drohende Nachteile der Berechnungen zu Lasten Ärmerer müssten
vermieden, Energiekosten stärker
berücksichtigt werden, forderte der
Bundesrat mit Mehrheit am Freitag
in Berlin. Sozialverbände warnten
vor weiterer Ausgrenzung ärmerer
Kinder durch die Pläne der Bundesregierung. Zu Jahresbeginn soll der
Regelsatz für Alleinstehende von
404 Euro auf 409 Euro pro Monat steigen. Dem Plus liegen neue
statistische Daten zum Einkommen zugrunde. Die Bundesländer
bezweifeln jedoch, dass Vorgaben
des Bundesverfassungsgerichts zur
Berechnungsgrundlage ausreichend
umgesetzt sind. Zudem seien Kosten
langlebiger Gebrauchsgüter für den
Haushalt nicht gedeckt.
(dpa/jW)
wird herausgegeben von
1.901 Genossinnen und
Genossen (Stand 4.11.2016)
n www.jungewelt.de/lpg