Nutzenpotenziale, Erfolgsfaktoren und Leistungsindikatoren von

Stefan Smolnik, Gerold Riempp
Nutzenpotenziale, Erfolgsfaktoren und
Leistungsindikatoren von Social Software für das
organisationale Wissensmanagement
Die Begriffe Social Software und Web 2.0 beherrschen zunehmend die aktuelle Medienlandschaft. Die sich hinter diesen »Buzzwords« verbergenden Ansätze, Technologien und Dienste
unterstützen die menschliche Kommunikation,
Interaktion und Zusammenarbeit. Eine grundlegende Charakteristik ist dabei das Schaffen einer
Welt des Gebens und Nehmens, d. h., aus passiven Lesern werden aktive Autoren. In diesem Beitrag werden typische Anwendungen und Techniken der Social Software wie Weblogs und Wikis,
Social Networks sowie Tagging und Folksonomies
im Hinblick auf ihre Nutzenpotenziale für das organisationale Wissensmanagement untersucht.
Des Weiteren werden kritische Erfolgsfaktoren
für die Einführung und Nutzung solcher Anwendungen und Techniken in Organisationen sowie
Leistungsindikatoren zur Nutzenpotenzialbestimmung aufgezeigt. Als nächste Generation
von Social Software wird abschließend die Kombination von Social-Software-Anwendungen mit
Technologien des Semantic Web eingeführt.
Inhaltsübersicht
1 Nutzenpotenziale von Social Software für
das organisationale Wissensmanagement
1.1 Weblogs und Wikis
1.2 Social Networks
1.3 Tagging und Folksonomies
2 Kritische Erfolgsfaktoren für die Einführung
und Nutzung von Social Software für das
organisationale Wissensmanagement
3 Leistungsindikatoren für Social-SoftwareSysteme
4 Herausforderungen und Ausblick
5 Literatur
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Nutzenpotenziale von Social
Software für das organisationale
Wissensmanagement
Anwendungen und Techniken der Social Software finden im World Wide Web (WWW) derzeit eine große Beachtung. Dabei sind vor allem
Weblogs (kurz: Blogs), Wikis, Social Networks
sowie Tagging und Folksonomies weit verbreitet (für eine grundsätzliche Einführung in diese
Anwendungen und Techniken siehe den Einführungsartikel von [Hippner 2006] in dieser Ausgabe). Neben den vielfachen Einsatzszenarien
im WWW prüfen zunehmend Organisationen
die interne Einführung von Social Software im
Rahmen des organisationalen Wissensmanagements. Als Referenzrahmen für die weiteren Betrachtungen von Social Software wird die integrierte Wissensmanagement-Systeme-(WMS-)
Architektur nach Riempp herangezogen. Erstens adressiert diese sowohl die technologische
als auch die soziale Wissensmanagement(WM-)Dimension, und zweitens werden WM
und WMS in die Geschäftsprozesse eingebettet
(für ausführlichere Darlegungen siehe [Riempp
2005] sowie weiterführend auch [Riempp
2004]). Die Architektur setzt sich aus den drei
Ebenen Strategie, Prozesse und Systeme sowie
den vier Säulen Inhalte, Zusammenarbeit, Kompetenz und Orientierung zusammen. Alle diese
Elemente werden von der Unternehmenskultur
beeinflusst (siehe Abb. 1).
Die Strategieebene beinhaltet die Geschäftsstrategie, die WM-Strategie und -Ziele
sowie ein Messsystem mit definierten Führungsgrößen. Letztere dienen zur Erhebung von
Indikatoren über die Entwicklung der WM-Ini-
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Strategie
Nutzenpotenziale, Erfolgsfaktoren und Leistungsindikatoren
Strategie & Führung
Messsystem
Prozess
Geschäfts- und Unterstützungsprozesse
Wissensmanagementprozesse
Mitarbeiterportal
System
Inhalte
Zusammenarbeit
Kompetenz
Orientierung
(Suche,
Navigation,
Administration etc.)
Ordnungsrahmen
Applikationen
Integration
Informationsspeicher
IT-Infrastruktur
Kultur
Abb. 1: Kernelemente der integrierten WMS-Architektur nach Riempp
(vereinfachte Darstellung aus [Riempp 2005])
tiativen. Die Prozessebene umfasst Geschäftsund Unterstützungsprozesse. WM-Prozesse
sind Unterstützungsprozesse, die von Mitarbeitern mit WM-Rollen ausgeführt werden. WMRollen bündeln spezifische WM-Aktivitäten z. B.
in Bezug auf die Lokalisierung, Sammlung, Austausch und (Weiter-)Entwicklung von Wissen.
Die Systemebene beschreibt das WMS, auf
das durch ein Portal zugegriffen wird. Es setzt
sich aus den folgenden vier funktionalen Säulen
zusammen:
(1) Inhalte – enthält alle Funktionen zum Management von Inhalten in digitalen Informationsobjekten und des beschreibenden Kontextes (»Content Management«).
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(2) Kompetenz – umfasst Funktionen zum Abbilden und Verwalten von Kompetenzprofilen sowie Funktionen zur Förderung dieser
Kompetenzen (»Competence Management«).
(3) Zusammenarbeit – stellt alle Funktionen bereit, um einzelne Personen und Gruppen bei
der Anwendung von Inhalten und Kompetenzen für die Lokalisierung, Sammlung,
Austausch und (Weiter-)Entwicklung von
Wissen zu unterstützen (»Collaboration Management«).
(4) Orientierung – umfasst diejenigen Funktionen, die von allen anderen Säulen gleichermaßen benötigt werden, z. B. Suche, Na-
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Nutzenpotenziale, Erfolgsfaktoren und Leistungsindikatoren
vigation und Administration (»Orientation
Management – Navigation und Suche«).
Grundsätzliche Kategorien für Nutzenpotenziale von WMS sind Kosten, Qualität und Zeit
(vgl. [Riempp 2004, S. 224 ff.]). Beispielsweise
können Kostenreduktionen durch die Vermeidung von Doppelarbeiten oder Einsparungen
von Reisen, Zeitreduktionen durch eine schnellere Verfügbarkeit von benötigten Inhalten und
Kompetenzträgern sowie Qualitätssteigerungen durch früheres Erkennen und Beheben von
Fehlern erzielt werden (siehe Abb. 2). In den
folgenden Abschnitten werden die eingangs
genannten Anwendungen und Techniken der
Social Software in die integrierte WMS-Architektur eingegliedert sowie ihre jeweiligen Nutzenpotenziale aufgezeigt.
1.1 Weblogs und Wikis
Weblogs und Wikis leisten einen Beitrag für das
organisationsweite und -übergreifende Management von digitalen Inhalten, indem sie eine
Unterstützung der Mitarbeiter bei der Ausführung ihrer Aufgaben durch die Erstellung,
Veröffentlichung und Nutzung von Inhalten
ermöglichen. Somit adressieren Weblogs und
Wikis die Säule des Content Management. Gerade Weblogs bieten eine einfache Organisation
der Inhalte: Neue Einträge stehen an oberster
Stelle, ältere folgen in umgekehrt chronologischer Reihenfolge (statt einer häufig vorherrschenden manuellen und hierarchischen
Organisation). Zudem lassen sich Inhalte mittels einer einfachen Benutzungsschnittstelle
(in der Regel ein Web-Formular und eine einfache Syntax im Gegensatz zu beispielsweise
einem HTML-Editor) leicht aktualisieren sowie
einfach nutzen (beispielsweise können relevante Inhalte mit einem RSS-Reader abonniert
werden, so dass das regelmäßige Aufrufen einer Intranet-Webseite oder eines proprietären
Content-Management-Systems (CMS) entfällt).
Gerade die effektiven Navigations-, Such- und
Repräsentationsfunktionalitäten von Weblogs
und Wikis erleichtern die Identifikation, das
Erkennen von Kontexten und die Verarbeitung
von relevanten Inhalten. Des Weiteren entwickelt sich durch das kollaborative Erstellen
der Inhalte eine konsistente Terminologie, die
Abb. 2: Mögliche Nutzenpotenziale von WMS [Riempp 2004, S. 225]
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Nutzenpotenziale, Erfolgsfaktoren und Leistungsindikatoren
durch Tagging-Mechanismen weiter verfeinert
werden kann (siehe weiterführend Abschnitt
1.3).
Bei Wikis findet eine Gleichsetzung von
Leser und Autor statt. Eine kritische Masse an
beteiligten Personen vorausgesetzt, können die
in Wikis verwalteten Inhalte einen hohen Grad
an Objektivität aufweisen. Folglich eignen sich
Wikis insbesondere für intern erstellte Enzyklopädien, Lexika oder Lessons-learned-Berichte.
Dagegen wird ein Weblog in der Regel nur von
einem Autor – in Ausnahmefällen auch von
einer ausgewählten Autorengruppe – betrieben, d. h., Weblogs sind stark subjektiv geprägt.
Alle anderen Personen können durch die für
Weblogs charakteristische Kommentarfunktion
Beiträge zu einzelnen Weblog-Inhalten beisteuern.
Neben ihrer Rolle als Alternativen zu teuren
und komplexen proprietären CMS, Bulletin
Boards und Diskussionsforen sowie für bestimmte Zwecke und Ausrichtungen konventioneller Websites wie beispielsweise Lessonslearned- und Best-Practices-Berichten können
Weblogs und Wikis in weiteren spezifischen
Einsatzszenarien Nutzen stiften. Aufgrund der
einfachen Handhabung und des ausgeprägten
sozialen und kollaborativen Charakters bietet
sich insbesondere ein Einsatz zur Unterstützung des organisationalen E-Learnings an (für
eine ausführlichere Diskussion vgl. [Groß &
Hülsbusch 2005, S. 52 f.]). Die inhärente Subjektivität von Weblogs kann schließlich gezielt zur
Meinungsbildung eingesetzt werden (siehe als
Negativbeispiele die massive Kritik an dem
Handy-Klingelton-Anbieter Jamba! oder an der
Kampagne »Du bist Deutschland«). Im organisationalen Kontext bietet sich dies zum einen
als internes Kommunikationsmedium zur Information von Mitarbeitern sowie zum anderen
extern zur Pflege von Kunden- und Investorbeziehungen an.
Aufgrund der beschriebenen Charakteristika tragen Weblogs und Wikis zu allen drei Nutzenkategorien bei:
20
! Kostenreduktionen können vor allem durch
eine zeitgerechte Verfügbarmachung relevanter Inhalte insbesondere in Wikis aber
auch in Weblogs erzielt werden. Dazu können
Lizenzkosten eingespart werden.
! Effektive Navigations-, Such- und Repräsentationsfunktionalitäten in Weblogs und
Wikis ermöglichen kürzere Informationsrecherchezeiten, die zu Zeitreduktionen führen.
! Eine gesteigerte Innovationsfähigkeit durch
einen verbesserten Wissensaustausch durch
diese Form des kollaborativen Content Management führt zu Qualitätssteigerungen.
1.2 Social Networks
Social-Network-Lösungen können sowohl für
das Competence Management als auch für das
Community Management eingesetzt werden.
Im Rahmen des Competence Management ist
ein starker Effekt auf das organisationale Wissensmanagement mit vergleichsweise geringem Aufwand durch den Einsatz solcher Lösungen zu erzielen. So können Social-NetworkLösungen wie beispielsweise OpenBC dazu beitragen, existierende Kompetenzen transparent
darzustellen, Kompetenzlücken aufzuzeigen
sowie die Entwicklung benötigter und neuer
Kompetenzen zu unterstützen. Durch die für
Social-Network-Dienste typischen, expliziten,
bidirektionalen Verbindungen zwischen Personen entstehen des Weiteren Kompetenzverknüpfungsnetzwerke, die in Organisationen
selbstorganisierende Kompetenzverzeichnisse
bilden. Darüber hinaus wird die häufig flache
oder hierarchische Organisation von Yellow
Pages oder Expertiseverzeichnissen erweitert.
Neben dem beschriebenen Management
von Kompetenzen wird eine einfache Verwaltung von Kontakten und Kontaktinformationen
ermöglicht. Eine hohe Qualität wird häufig
durch ein hohes Bewusstsein für die soziale
Wahrnehmung eingepflegter Informationen
sowie folglich durch eine intensive Nutzung
entsprechender Lösungen erreicht (beispiels-
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Nutzenpotenziale, Erfolgsfaktoren und Leistungsindikatoren
weise müssen die bidirektionalen Verbindungen von Personen explizit akzeptiert werden).
Gerade aus der Möglichkeit, Kompetenzverknüpfungsnetzwerke zu bilden, lässt sich auch
der Beitrag von Social-Network-Lösungen für
das Community Management ableiten. Zum einen erleichtern solche Netzwerke das Bilden
von Communities, indem Wissensträger zum
Wissensaustausch zusammengebracht werden. Zum anderen stellen Social-Network-Lösungen Gruppen- oder Foren-Funktionalitäten
zum Kreieren und Management von virtuellen
Räumen zur Verfügung, die eine wichtige Unterstützungsfunktion für das Management von
Communities darstellen (siehe dazu auch den
Artikel von [Armbruster & Fröschle 2006] in dieser Ausgabe).
Zusammenfassend lassen sich Nutzenpotenziale in allen drei Kategorien identifizieren:
! Kompetenzträger können zeitnah in den
durch den Einsatz von Social-Network-Lösungen gebildeten Kompetenz- und Organisationsverzeichnissen identifiziert werden, was
zu Kostenreduktionen führt.
! Zeitreduktionen werden durch effizienteren
Wissensaustausch und schnellere Einarbeitung neuer Mitarbeiter aufgrund explizit verfügbarer Kompetenzprofile und leichtem Zugang zu relevanten Communities erzielt.
! Eine bessere Arbeitsunterstützung durch explizite Kompetenzprofile sowie eine verbesserte Koordination zwischen Organisationseinheiten durch einerseits Kompetenz- und
Kontaktnetzwerke und andererseits Communities über Organisationseinheitsgrenzen
hinweg erlauben Qualitätssteigerungen.
1.3 Tagging und Folksonomies
Tagging, d. h. das Auszeichnen oder auch Indexieren von Inhalten mit frei vergebenen Stichwörtern (auch: Tags, Deskriptoren, Metadaten,
Attributen), ermöglicht zum einen die inhaltsgetreue Beschreibung von Informationsobjekten durch die Autoren selbst. Dadurch kann eine
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volltextbasierte Informationsrecherche durch
auf den Tags basierenden Navigations- oder
Suchverfahren (auch: attributbasierte Suche)
erweitert werden, die kleinere und präzisere
Ergebnismengen liefern, infolgedessen sich der
Nachbearbeitungsaufwand für den Anwender
reduziert und gewünschte Informationsobjekte
schneller auffindbar sind (vgl. [Smolnik 2006,
S. 74 ff.]). Zum anderen bilden sich durch gemeinschaftliches Indexieren Tag-Sammlungen,
die als Folksonomies (»folk« + »taxonomy«) bezeichnet werden. Folksonomies dienen der
Schaffung eines Stichwortsystems, bestehend
aus einem Kernbegriffsbestand, und somit eines Organisationsvokabulars. Es wird dadurch
eine Sach- bzw. Inhaltserschließung der mit
Tags versehenen Inhalte möglich. TaggingMechanismen sind folglich der Säule des Orientation Management zuzurechnen.
Eine typische Eigenschaft von Anwendungen und Techniken der Social Software ist eine
einfache Benutzungsschnittstelle. Eine solche
ist auch charakteristisch für das Tagging, so
dass die einfache Zuweisung von Tags zu Inhalten aller Art (als Beispiele seien Einträge in
Weblogs, Fotos und Videos, Kontakte und Bookmarks genannt) sowie die tagbasierte Suche ermöglicht werden. Diese Funktionalitäten werden in der Regel durch eine Tag Cloud unterstützt, die die meist genutzten Tags anschaulich
repräsentiert. Dies führt zu dem Effekt, dass
sich Anwender bei der Zuweisung von Tags an
den in der Tag Cloud aufgeführten Tags orientieren, so dass sich mit der Zeit ein vergleichsweise stabiles und aussagekräftiges Organisationsvokabular bildet. Eine Exploration von Inhalten über die zugewiesenen Tags führt
zudem zu der Identifikation von verborgenen
Informationen und Zusammenhängen (siehe
für eine ausführliche Diskussion dieses Nutzenpotenzials [Smolnik 2006, S. 57 ff. und 95 ff.]).
Die Zuweisung von Tags zu Inhalten – d. h. die
Auszeichnung bzw. Annotation von Informationsobjekten mit Metadaten – wird schließlich
als wichtige Voraussetzung für den organisatio-
21
Nutzenpotenziale, Erfolgsfaktoren und Leistungsindikatoren
nalen Einsatz von Semantic-Web-Technologien
angesehen.
Für die drei Nutzenkategorien ergeben sich
folgende Nutzenpotenziale:
! Sowohl geschäftsprozessrelevante Informa-
tionsobjekte als auch benötigte Kompetenzträger können mittels der effizienten Suchund Navigationsfunktionalitäten von Tagging-Mechanismen rechtzeitig und schneller
verfügbar gemacht werden und somit zu Reduktionen von Kosten und Zeit führen.
! Die Identifikation von bisher unbekannten Informationen oder Zusammenhängen trägt
zu der Vermeidung von Fehlern aus Unkenntnis, zu kürzeren Recherchezeiten sowie zu gesteigerter Innovationsfähigkeit und damit
auch zu Kosten- und Zeitreduktionen sowie zu
Qualitätssteigerungen bei.
2
Kritische Erfolgsfaktoren für die
Einführung und Nutzung von Social
Software für das organisationale
Wissensmanagement
Die Autoren haben eine Reihe an kritischen Erfolgsfaktoren identifiziert, die bei der Einführung von Anwendungen und Techniken der
Social Software für das organisationale Wissensmanagement beachtet werden sollten, um
einen erfolgreichen Einsatz zu gewährleisten.
Der wohl entscheidende Erfolgsfaktor für
den Einsatz von Weblogs und Wikis ist eine rege
und aktive Nutzung durch Mitarbeiter. Aus
Überzeugung von diesen Systemen werden sie
so selbst zu Autoren (Schneeball-Prinzip). Dieser
Effekt wird unterstützt von für Weblogs und Wikis typischen, einfach zu bedienenden und
übersichtlichen Benutzerschnittstellen, die
! eine komfortable Erstellung und Überarbei-
tung von Inhalten in einer täglichen Arbeitsumgebung mit dem Web-Browser als
gewohntem Werkzeug,
! eine möglichst reiche Kontextbildung durch
Gruppierung, Kategorisierung sowie Verlin-
22
kung in und zwischen Inhalten (siehe Wikipedia als typisches Beispiel) sowie
! eine adäquate Selektierbarkeit von Informationsobjekten durch die Anwender zur
Vermeidung einer Informationsüberflutung
(»Information Overload«) durch einfache
Klassifikations- und Taxonomie-Mechanismen (wie beispielsweise zeit- oder themenbasierte Archive in Weblogs)
ermöglichen [Riempp 2004, S. 180 f.]. Weitere
wichtige Erfolgsfaktoren sind Relevanz, Glaubwürdigkeit, Aktualität und Nützlichkeit der im
Zuge einer Informationsrecherche lokalisierten
Informationsobjekte. Dies wird insbesondere
bei Wikis (alle Mitarbeiter können grundsätzlich alle Inhalte bearbeiten), aber auch bei
Weblogs (Kommentarfunktionalität) durch
eine rege Autorengruppe gewährleistet.
Neben diesen systemorientierten Erfolgsfaktoren spielen auch kulturelle und prozessorientierte Aspekte eine wichtige Rolle. Eine
notwendige Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von Weblogs und Wikis ist eine
offene und den Wissensaustausch förderliche
Organisationskultur. Ist diese nicht in einem erforderlichen Maße vorhanden, so müssen Explikationsanreize z. B. durch Zielvereinbarungen,
Beurteilungen oder die Gewährung von notwendigen Freiräumen geschaffen und erhalten
werden.
Auch für den erfolgreichen Einsatz von
Social-Network-Lösungen ist eine aktive Nutzung ein kritischer Faktor. Dazu zählt insbesondere ein selbstverstärkender Regelkreis, bestehend aus der regen Nutzung von Kompetenzprofilen und -verzeichnissen, aus daraus
entstehenden gesteigerten Anreizen für die
Pflege und somit aus aktuellen Einträgen, die
wiederum zu reger Nutzung führen [Riempp
2004, S. 189]. Dieser Regelkreis wird durch komfortable Pflege-, Navigations-, Such- und Auswertungsfunktionalitäten sowie ein fein abgestuftes Berechtigungssystem unterstützt. Alle
diese Faktoren werden beispielsweise von dem
Social-Network-Dienst OpenBC erfüllt, was zu
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Nutzenpotenziale, Erfolgsfaktoren und Leistungsindikatoren
dessen Erfolg erheblich beiträgt. Wichtige organisationale Erfolgsfaktoren sind darüber hinaus
eine umfassende Unterstützung durch das Topmanagement, eine klare Zielsetzung sowie eine
genaue Darlegung des Nutzens.
Neben diesen Erfolgsfaktoren von SocialNetwork-Lösungen für das Competence Management eines organisationalen Wissensmanagements können komplementäre für das
Community Management relevante Aspekte
identifiziert werden. Zu den organisationalen
Voraussetzungen zählen vor allem eine regelmäßige und rege Nutzung durch Führungskräfte zum Auslösen eines Multiplikationseffekts
und folglich eine rege allgemeine Nutzung sowie ein kontinuierliches Engagement von Rollenträgern und Experten (als Leuchtturmfiguren) in den Communities [Riempp 2004, S. 163,
197]. Kritisch sind zudem die hohe intrinsische
Motivation der Community-Mitglieder und die
freiwillige Teilnahme. Auf der technischen Seite
müssen die Community-Management-Funktionalitäten in die tägliche Arbeitsumgebung eingebettet sein, was im Fall von Social-NetworkLösungen durch die Integration mit den Competence-Management-Funktionalitäten gegeben
ist. Ferner sollte der Onlinestatus eines Anwenders bei Nutzung seines Computers signalisiert
werden, so dass die Möglichkeit einer synchronen Kontaktaufnahme besteht.
Für den Einsatz von Tagging-Funktionalitäten und organisationsspezifischen Folksonomies sind vor allem eine einfache Handhabung
sowie Treffsicherheit und Schnelligkeit einer
tagbasierten Suche erfolgskritisch [Riempp
2004, S. 168, 208 f.]. Als Voraussetzung für eine
solche attributbasierte Indexierung und Suche
ist eine komfortable Klassifikation von Inhalten
notwendig. Dabei sollten die Tagging-Funktionalitäten integrierend Inhalte von Weblogs
und Wikis, Kompetenz- und Kontaktverzeichnisse sowie virtuelle Räume von Communities
erfassen. Zu den Erfolgsfaktoren für das organisationale Wissensmanagement zählen des Weiteren eine möglichst genaue Abbildung des
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gängigen organisationsinternen Sprachgebrauchs bei gleichzeitiger enger Begrenzung
der entstehenden Folksonomy auf zentrale
Begriffe (zur Vermeidung eines »terminologischen Overkills«). Bei einer typischen Implementierung und Nutzung von Tagging-Funktionalitäten ist dies ein sich selbst organisierender
Prozess (eine kritische Menge an Anwendern
vorausgesetzt).
3
Leistungsindikatoren
für Social-Software-Systeme
Ein Bestandteil der Strategieebene der integrierten WMS-Architektur ist ein Messsystem
mit definierten Führungsgrößen zur Erhebung
von Leistungsindikatoren über die Entwicklung
von WM-Initiativen im Allgemeinen und über
den Einsatz von WMS im Speziellen (vgl. Abschnitt 1 und Abb. 1). Die Führungsgrößen ergeben sich aus den Leistungsindikatoren, die den
Grad der Zielerreichung zu einem bestimmten
Zeitpunkt angeben, sowie durch die Vorgabe
von Sollwerten. Die zuvor eingeführten kritischen Erfolgsfaktoren sowie die nachfolgend
definierten Leistungsindikatoren bilden zusammen mit den ebenso auf der Strategieebene definierten WM-Zielen die Basis für die Entwicklung von Maßnahmenkatalogen, Projektplänen
sowie Budgetkalkulationen für die organisationale Einführung und Nutzung von Social-Software-Systemen (vgl. [Riempp 2004, S. 81]).
Im Folgenden werden wichtige Leistungsindikatoren zur Nutzenpotenzialbestimmung von
Social-Software-Systemen aufgezeigt. Ein umfassendes, sich auf WM-Initiativen beziehendes
Kennzahlensystem wird bei [Palte et al. 2006]
beschrieben und bei [KMBF 2006] praktisch
umgesetzt (vgl. ergänzend auch den Ansatz zur
Erfolgsmessung von [Maier & Hädrich 2001]).
Für Weblogs und Wikis schlagen wir folgende Leistungsindikatoren vor:
! Anzahl von Anwendersitzungen, während
derer auf Einträge in Weblogs oder Wikis zugegriffen wurde (Logins oder Sessions)
23
Nutzenpotenziale, Erfolgsfaktoren und Leistungsindikatoren
! Nutzungshäufigkeit von Einträgen in Web-
!
!
!
!
logs und Wikis wie z. B. die Anzahl von Aufrufen, Kommentaren (bei Weblogs) oder Modifikationen (bei Wikis)
Gesamtanzahl an Weblog- oder Wiki-Einträgen
Anzahl der Weblog- oder Wiki-Einträge, die in
einem definierten Zeitraum neu erstellt wurden
Anteil der Weblog- oder Wiki-Einträge, die in
einem definierten Zeitraum keine Zugriffe
aufweisen
Anteil der mit Tags versehenen, d. h. inhaltlich indexierten Weblog- oder Wiki-Einträge
Social-Network-Lösungen unterstützen wie in
Abschnitt 1.2 dargelegt sowohl das Competence
Management als auch das Community Management von Organisationen. Dementsprechend konnten wir für beide Einsatzszenarien
vor allem folgende Leistungsindikatoren bestimmen:
! Anwenderbefragungen zur Nutzung und Be-
dienbarkeit von Social-Network-Lösungen
Für die Bestimmung der Leistungsfähigkeit und
der Nutzenpotenziale von Tagging-Funktionalitäten und Folksonomies haben wir folgende Indikatoren identifiziert:
! Nutzungshäufigkeit und -tiefe von Folksono-
mies
! Anteil verwendeter versus nicht verwendeter
Begriffe von Folksonomies
! Anzahl tagbasierter Suchen über einen defi-
!
! Struktur individueller Kompetenzprofile von
!
!
!
!
!
!
Social-Network-Lösungen (Erfassung von z. B.
fachlichen Kenntnissen und Fähigkeiten)
Anzahl einzelner Kompetenzarten, die pro individuellem Kompetenzprofil innerhalb von
Social-Network-Lösungen erfasst werden
können
Ursache für Aktualisierungen der individuellen Kompetenzprofile (z. B. regelmäßig nach
Ablauf eines definierten Zeitraums)
Anzahl und Anteil der Mitarbeiter, für die individuelle Kompetenzprofile innerhalb von
Social-Network-Lösungen gespeichert sind
Integrationsgrad von Social-Network-Lösungen und Personalverwaltungssystemen, d. h.,
inwiefern sind solche Lösungen und Systeme
gekoppelt, bestehen Schnittstellen für den
Datenaustausch oder wird auf einen gemeinsamen Datenbestand zugegriffen
Anzahl eingeloggter Anwender in einem definierten Zeitraum
Häufigkeit der Aktivitäten sowie genutzter
Funktionalitäten
24
!
!
!
nierten Zeitraum sowie Nutzungsgrad tagbasierter Suche im Vergleich zur Volltextsuche
Integrationsgrad von Tagging-Mechanismen
und Folksonomies über verschiedene Einsatzszenarien (Weblogs und Wikis, Kompetenzund Kontaktverzeichnisse sowie virtuelle
Räume von Communities) hinweg, d. h., inwieweit können Tags anwendungsübergreifend konsistent Inhalten zugewiesen werden
und ist eine entsprechende tagbasierte Navigation und Exploration von Inhalten möglich
Anteil der mit Tags versehenen, d. h. inhaltlich indexierten Inhalte
Anzahl der Begriffe sowie Änderungsrate
bzw. Stabilität einer Folksonomy
Weiterverfolgungsrate (»Click-on Ratio«)
Abbildung 3 fasst den Wirkungszusammenhang zwischen Anwendungen und Techniken
der Social Software, kritischen Erfolgsfaktoren
und Leistungsindikatoren zusammen.
4
Herausforderungen und Ausblick
Die betrachteten Anwendungen und Techniken
der Social Software weisen neben den in
Abschnitt 1 beschriebenen Nutzenpotenzialen
eine Reihe von Herausforderungen für Organisationen auf. So handelt es sich bei den meisten Social-Software-Anwendungen um separate Systeme, die in der Regel isoliert genutzt
werden. Grundsätzliche Ansätze für die Integration dieser Systeme sind in [Riempp 2005] beschrieben. Darüber hinaus bieten auch Techni-
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Nutzenpotenziale, Erfolgsfaktoren und Leistungsindikatoren
Anwendungen und Techniken der Social Software
Inhalte
Zusammenarbeit
Weblogs & Wikis
Social Networks
weisen auf
Kompetenz
Orientierung
Social Networks
Tagging &
Folksonomies
weisen auf
weisen auf
Nutzenpotenziale von Social Software
Kostenreduktion
Zeitreduktion
werden gewährleistet &
überprüft durch
Qualitätssteigerung
werden gewährleistet &
überprüft durch
Kritische Erfolgsfaktoren für die Einführung und Nutzung von Social Software
+
Leistungsindikatoren für Social Software
+
Wissensmanagementziele
liefern
Maßnahmenkataloge
liefern
Projektpläne
Budgetkalkulationen
Erfolgreiche Einführung und Nutzung von Social Software in Organisationen
Abb. 3: Cockpit für die erfolgreiche Einführung und Nutzung von Social Software in Organisationen
ken der Social Software Integrationsmöglichkeiten. Zum einen können schon in aktuellen
Social-Software-Anwendungen Tagging-Mechanismen anwendungsübergreifend genutzt
werden, so dass mit Hilfe tagbasierter Navigation und Exploration Inhalte in verschiedenen
Anwendungen erschlossen werden können.
Zum anderen können neue integrierte Anwendungen durch die nahtlose (Re-)Kombination
bereits bestehender Social-Software-Anwendungen und -Dienste erstellt werden (dies wird
HMD 252
im Web 2.0-Sprachgebrauch als »Vermaschung« oder »Mashup« bezeichnet).
Eine weitere Herausforderung ist die Auflösung der Trennung von Autoren und (konsumierenden) Anwendern. Das zentrale Paradigma von Social Software ist das Schaffen einer
Welt des Gebens und Nehmens bzw. einer Architektur des Mitwirkens. Der soziale und kollaborative Aspekt steht im Vordergrund, d. h., erst
ein Kollektiv von Anwendern schafft einen
Mehrwert. Je nach Anwendung oder Einsatz-
25
Nutzenpotenziale, Erfolgsfaktoren und Leistungsindikatoren
szenario kann dies zu (gewollter) Subjektivität
führen. Dazu fehlen diesem Paradigma folgend
formale Kontrollinstanzen oder -mechanismen,
so dass Organisationen vor der Entscheidung
stehen, Aufwendungen in die Steuerung und
Kontrolle zu investieren oder Regulationen der
den Social-Software-Anwendungen innewohnenden Selbstorganisation zu überlassen.
Eine zu den Anwendungen und Techniken
der Social Software komplementäre Entwicklung ist das Semantic Web. Insbesondere das
Tagging und die Bildung von Organisationsvokabularen mittels Folksonomies stellen eine
Basis für die organisationale Einführung von Semantic-Web-Technologien dar. Social-SoftwareAnwendungen können um Techniken des Semantic Web erweitert werden, so dass beispielsweise über typisierte Verknüpfungen zwischen Inhalten und über annotierte Werte eine
genauere Informationsrecherche möglich wird.
Eine einheitliche semantische Sicht erlaubt des
Weiteren die Nutzung von Inhalten über Organisations- und Sprachgrenzen hinweg sowie die
aggregierte Suche über mehrere Anwendungen. Eine weitere Qualitätsverbesserung von Inhalten und Recherchen wird durch Inferenzmechanismen erreicht, die Regeln und komplexere
Anfragen verarbeiten. So lassen sich z. B. Fehler
und Widersprüche in Inhalten auffinden. Erste
praktische Anwendungen werden derzeit für
Wikis getestet (dies führt zu Semantic Wikis
(Wiki + Semantic Web), siehe für ein praktisches
Beispiel [Semantic Wikipedia 2006]).
5
Literatur
[Armbruster & Fröschle 2006] Armbruster, R.;
Fröschle, N.: Ortsbezogene und mobile Communities. In: HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik, 43. Jg., Heft 252, 2006, S. 66.
[Groß & Hülsbusch 2005] Groß, M.; Hülsbusch, W.:
Weblogs und Wikis (Teil 2): Potenziale für betriebliche Anwendungen und E-Learning. In:
26
Wissensmanagement, 7. Jg./Heft 1, Januar/Februar 2005, S. 50-53.
[Hippner 2006] Hippner, H.: Bedeutung, Anwendungen und Einsatzpotenziale von Social Software. In: HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik, 43. Jg., Heft 252, 2006, S. 6.
[KMBF 2006] KM Benchmarking Forum, www.ebs.
de/index.php?id=kmbf; Zugriff am 31.08.2006.
[Maier & Hädrich 2001] Maier, R.; Hädrich, T.: Modell für die Erfolgsmessung von Wissensmanagementsystemen. In: Wirtschaftsinformatik,
43, 5, 2001, S. 497-509.
[Palte et al. 2006] Palte, R.; Riempp, G.; Smolnik, S.:
Steuerung und Verbesserung von Wissensprozessen durch Benchmarking, In: ZfCI – Zeitschrift für Controlling und Innovationsmanagement, 1, 2006, S. 69-75.
[Riempp 2004] Riempp, G.: Integrierte Wissensmanagement-Systeme – Architektur und praktische Anwendung. Springer-Verlag, Berlin, 2004.
[Riempp 2005] Riempp, G.: Integriertes Wissensmanagement – Strategie, Prozesse und Systeme wirkungsvoll verbinden. In: HMD – Praxis
der Wirtschaftsinformatik, 42. Jg., Heft 246,
2005, S. 6-19.
[Semantic Wikipedia 2006] http://wiki.ontoworld.
org; Zugriff am 31.08.2006.
[Smolnik 2006] Smolnik, S.: Wissensmanagement
mit Topic Maps in kollaborativen Umgebungen
– Identifikation, Explikation und Visualisierung
von semantischen Netzwerken in organisationalen Gedächtnissen. Shaker, Aachen, 2006.
[Wikipedia 2006] http://de.wikipedia.org/wiki/Web
2.0; Zugriff am 31.08.2006.
Dr. Stefan Smolnik
Prof. Dr. Gerold Riempp
European Business School (ebs)
International University Schloss Reichartshausen
Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik 2
Rheingaustr. 1
65375 Oestrich-Winkel
{stefan.smolnik, gerold riempp}@ebs.de
www.ebs.de
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