Hängepartie statt Klimaschutz

Presseerklärung vom 1.11.2016
Hängepartie statt Klimaschutz
Umweltverbände: Fehlender Klimaschutzplan 2050 ist Blamage für Deutschland
Berlin, 1.11.2016 – Der Klimaschutzplan 2050 wird nicht wie ursprünglich geplant am morgigen
Mittwoch ins Kabinett gehen. Mit dem Plan wollte die Bundesregierung aufzeigen, wie Deutschland
das Pariser Klimaabkommen, auf das sich die Weltgemeinschaft im Dezember vergangenen Jahres
geeinigt hatte, umsetzen will. Doch selbst eine knappe Woche vor Beginn der diesjährigen
Weltklimakonferenz in Marrakesch bleibt die Koalition darüber zerstritten. Die Umweltverbände
BUND, Germanwatch, Greenpeace, NABU und WWF kritisieren diese Blockadehaltung. „Ohne einen
starken Klimaschutzplan öffnet sich die Schere zwischen internationaler und nationaler Klimapolitik
der Regierung Merkel weiter. Ein Teil ihrer eigenen Minister helfen mit, die Sektorziele und
wirksame Klimaschutzmaßnahmen im Verkehrssektor, in der Landwirtschaft und der
Energiewirtschaft zu verhindern“, kritisiert NABU-Klimaexperte Sebastian Scholz.
Auf der Weltklimakonferenz 2015 in Paris hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Verabschiedung
des globalen Klimavertrags als eine „Frage der Zukunft der Menschheit“ bezeichnet. Der Deutsche
Bundestag ratifizierte das Dokument vor knapp einem Monat einstimmig. Am 4. November wird der
Vertrag in Kraft treten. Doch Deutschland liefert beim Klimaschutz nicht, was es international
versprochen hat, bemängeln die Umweltverbände.
Die Verzögerung des Kabinettbeschlusses ist nur ein Missstand. Das weitaus größere Übel aber
stellt der Inhalt des Klimaschutzplans dar: Die ursprüngliche Vorlage von Umweltministerin Barbara
Hendricks wurde erst durch das Wirtschaftsministerium, dann durch das Kanzleramt verwässert.
Nun stellen sich die Unionsminister für Verkehr und Landwirtschaft sowie der Wirtschaftsflügel der
CDU rigoros gegen wirksame Sektorenziele für das Jahr 2030 und dringend notwendige
Maßnahmen für den Klimaschutz.
„Es ist bigott, sich für die Ratifizierung des Pariser Klimavertrags zu feiern, wenn man zuhause die
Hände in den Schoß legt. Der Klimaschutzplan 2050 wird zwischen den Ministerien bis zur
Unkenntlichkeit zusammengestutzt. Mit dieser ignoranten Politik torpedieren die Fachminister aktiv
die Klimaschutzbemühungen, während der CO2-Wert in der Atmosphäre just einen neuen
Höchststand erreicht hat“, kritisiert Tobias Austrup, politischer Referent für Energie- und
Verkehrswende bei Greenpeace.
Ohne einen wirksamen Klimaschutzplan zur Umsetzung des Weltklimavertrags ist die
Glaubwürdigkeit Deutschlands bei der in wenigen Tagen beginnenden Weltklimakonferenz 2016 in
Marrakesch angekratzt. „Von den USA, Kanada und Mexiko wird erwartet, dass sie ihren
Klimaschutzplan in Marrakesch vorlegen. Aber Deutschland, das in seiner G20-Präsidentschaft im
nächsten Jahr sicherstellen soll, dass alle G20-Staaten vor 2018 einen ambitionierten
Klimaschutzplan vorlegen, steht als Kaiser ohne Kleider da“, kritisiert Christoph Bals, Politischer
Geschäftsführer von Germanwatch.
„Während andere Länder auf die Überholspur wechseln, steht Deutschland im Klimaschutz derzeit
auf dem Standstreifen. Neben dem fehlenden Klimaschutzplan droht Deutschland, das 40-Prozent-
Klimaziel für 2020 zu verfehlen, weil schon die dafür beschlossenen Maßnahmen kaum umgesetzt
werden. Es gilt jetzt jedoch, die Geschwindigkeit beim nationalen Klimaschutz zu erhöhen und
Leitplanken zu setzen für Innovation und ökologische Modernisierung“, sagt Viviane Raddatz, WWFExpertin für nationale Klima- und Energiepolitik.
Der Stromsektor müsse schneller raus aus den fossilen Energien als alle anderen Bereiche, ergänzt
Tina Löffelsend, Energieexpertin beim BUND. „Die Bundesregierung ziert sich, den Kohleausstieg
anzufassen, obwohl ein geordneter Ausstieg Vorteile für alle Seiten hat. Seit Jahren ist die alte
Energiewirtschaft im Niedergang. Dieser ‚kalte Strukturwandel‘ hinterlässt Frustration bei
Beschäftigten und Regionen, für den Klimaschutz geht es dennoch viel zu langsam. Es braucht jetzt
einen Ausstiegsplan mit sozialen und wirtschaftlichen Perspektiven.“
Während der Klimaplan der Bundesregierung weiter auf sich warten lässt, hat die deutsche
Zivilgesellschaft bereits vor Monaten einen eigenen Klimaschutzplan mit wirksamen Maßnahmen
für alle Sektoren vorgelegt. Hinter diesem Plan steht ein breites Spektrum von mehr als 50
Organisationen aus gesellschaftlich relevanten Bereichen – darunter Kirchen, Entwicklungs-,
Verbraucher- und Umweltverbände. Der Klimaschutzplan der Zivilgesellschaft findet sich im
Internet unter: http://www.die-klima-allianz.de/zivilgesellschaft-fordert-nachschaerfung-dernationalen-klimaziele-mehr-als-40-organisationen-legen-gemeinsamen-klimaschutzplan-2050-vor/
Weitere Informationen:
Sebastian Scholz, NABU-Klimaexperte, Tel. +49 172 4179727, E-Mail: [email protected]
Tobias Austrup, Politischer Referent für Energie- und Verkehrswende Greenpeace e.V.,
Tel.: +49 160 5369806, E-Mail: [email protected]
Christoph Bals, über Stefan Küper, Pressesprecher Germanwatch, +49 228 6049223, E-Mail:
[email protected]
Viviane Raddatz, nationale Klima- und Energiepolitik WWF, Tel.: +49 30 311777236, E-Mail:
[email protected]
Tina Löffelsend, BUND-Energieexpertin, Tel.: +49 176 20067099, E-Mail:
[email protected]