diskussion - Deutsches Ärzteblatt

MEDIZIN
DISKUSSION
zu dem Beitrag
Schlusswort
Pharmakologische Therapie der chronisch
obstruktiven Lungenerkrankung
In der REACT-Studie, in der die Effektivität von Roflumilast in der
Tripple-Gabe (zuzügliche Gabe zu LABA/LAMA) evaluiert und als
primäre Endpunktparameter die Reduktion von mittelschweren und
schweren Exazerbationen bei chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) pro Patient und Jahr gewählt wurde, ergaben sich folgende Ergebnisse (1):
In der „intention to treat“-Population betrug die Reduktion der
COPD-Exazerbationsrate gegenüber Placebo 13,2 % (Poisson-Regressionsanalyse). Dies entspricht einer Riskoratenreduktion von
0,868 ([95-%-KI: 0,753; 1,002] p = 0,0529), und von 14,2 % (Binomial-Regressionsanalyse) sowie einer Risikoratenreduktion von
0,858 ([0,740; 0,995] p = 0,0424). Die Analysen der per-ProtokollPopulation waren sogar noch günstiger. Es reduzierten sich zudem
die Häufigkeit an schweren COPD-Exazerbationen (sekundärer Endpunktparameter) um > 20 % und die Lungenfunktionsparameter verbesserten sich. Dagegen ergab sich trotz Roflumilast keine Veränderung des CAT-Scores. Bei 67 % in der Roflumilast- und 59 % in der
Placebogruppe wurden Nebenwirkungen angeben. Am häufigsten
traten auf: COPD-Exazerbationen, Diarrhö und Gewichtsverlust. Interessenskonflikte wurden in den jeweiligen Studien genannt.
Entsprechende Angaben zur „number needed to treat“ (NNT) sind
von diversen Roflumilaststudien publiziert worden (2, 3). So betrug
die NNT bei Bateman et al. 3,2, um eine Exazerbation pro Jahr und
Patient zu verhindern (3). Die höhere NNT in der REACT-Studie beruht wohl darauf, dass dort Roflumilast in einer austherapierten
COPD-Kohorte eingesetzt wurde. Die „Global Initiative for Chronic
Obstructive Lung Disease“ (GOLD) empfiehlt den Einsatz von Roflumilast als zusätzliche Therapie bei Patienten, die an einer chronischen
Bronchitis leiden und die eine schwere bis sehr schwere COPD aufweisen, um eine erhöhte Exazerbationsrate zu senken, sofern die Patienten mit der bisherigen Medikation nicht ausreichend kontrolliert
sind (Evidencegrad B). Der Schwerpunkt unserer Übersicht lag auf
der ICS-Bewertung für die COPD-Therapie. Deshalb wurde bezüglich
des Roflumilasts auf die GOLD-Empfehlung verwiesen wurde (1, 4).
von Prof. Dr. Adrian Gillissen, Prof. Dr. med. Peter Haidl,
Prof. Dr. med. Martin Kohlhäufl, Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Klaus Kroegel,
Dr. med. Thomas Voshaar, PD Dr. med. Christian Gessner
in Heft 18/2016
Fehlender Wert bei der Interpretation
Dem Artikel ist aus allgemeinmedizinischer Sicht kaum etwas hinzuzufügen, wäre da nicht ein kleiner Schönheitsfehler (1). Geben
die Autoren bei der Darstellung von Studienergebnissen zu inhalativen Kortikosteroiden und β2-Mimetika dankenswerterweise und
völlig Evidence-based-Medicine-konform die Number Needed to
Treat (NNT) und damit die absolute Risikoreduktion an, so fehlt
dieser Wert bei der Interpretation der REACT-Studie über den
Phosphodiesterase-4-Hemmer Roflumilast. (Nebensächlich ist,
dass in der Arbeit bei der Darstellung eines Wertes ein Zahlendreher aufgetreten ist. Korrekt muss es heißen: „0,959 bei Placebo“).
Selbst wenn man über die methodischen Mängel bei der REACTStudie hinwegsehen würde, bliebe die Frage, ob eine Positivempfehlung für eine pharmakologische Therapie ausgesprochen werden kann, die auf einer NNT von 735 Patienten für ein Jahr, um eine Exazerbation zu vermeiden, beruht. Dabei ist noch zu beachten,
dass die am häufigsten angegebenen „serious adverse events“-Exazerbationen und Pneumonien waren (2).
Diese Frage ist übrigens auch den Vertretern der im Artikel erwähnten „Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease
(GOLD)“ zu stellen.
Zwei mit methodischen Defiziten und gravierenden Interessenkonflikten behaftete Zulassungsstudien (3, 4), in denen unter
anderem eine NNT von 434 bezogen auf 52 Wochen ermittelt
wurde, interpretierten sie ausgesprochen freizügig mit einer Leitlinien-Empfehlung des Evidenzgrades B. Das hat mit transparenter „evidence based medicine“ leider nichts mehr zu tun und trübt
den ansonsten guten Eindruck dieser Übersichtsarbeit.
DOI: 10.3238/arztebl.2016.0692a
LITERATUR
1. Gillissen A, Haidl P, Kohlhäufl M, Kroegel K, Voshaar T, Gessner C: The pharmacological treatment of chronic obstructive pulmonary disease. Dtsch Arztebl Int
2016; 113: 311–6.
2. Martinez FJ, Calverley PM, Goehring UM, Brose M, Fabbri LM, Rabe KF: Effect of
roflumilast on exacerbations in patients with severe chronic obstructive pulmonary
disease uncontrolled by combination therapy (REACT): a multicentre randomised
controlled trial. Lancet 2015; 385: 857–66.
3. Fabbri LM, Calverley PM, Izquierdo-Alonso JL, et al.: Roflumilast in moderateto-severe chronic obstructive pulmonary disease treated with long acting bronchodilators: two randomised clinical trials. Lancet 2009; 374: 695–703.
4. Calverley PM, Rabe KF, Goehring UM, Kristiansen S, Fabbri LM, Martinez FJ:
M2–124 and M2–125 study groups. Roflumilast in symptomatic chronic obstructive
pulmonary disease: two randomised clinical trials. Lancet 2009; 374: 685–94.
Dr. med. Armin Mainz
Korbach
[email protected]
Interessenkonflikt
Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.
692
DOI: 10.3238/arztebl.2016.0692b
LITERATUR
1. Martinez FJ, Calverley PM, Goehring UM, Brose M, Fabbri LM, Rabe KF: Effect of
roflumilast on exacerbations in patients with severe chronic obstructive pulmonary
disease uncontrolled by combination therapy (REACT): a multicentre randomised
controlled trial. Lancet 2015; 385: 857–66.
2. Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease: Global strategy for the
diagnosis, management and prevention of COPD. Revised 2016; www.goldcopd.org
(last accessed on 14 July 2016).
3. Bateman ED, Rabe KF, Calverley PM, et al.: Roflumilast with long-acting beta-2-agonists
for COPD: influence of exacerbation history. Eur Respir J 2011; 38: 553–60.
4. Gillissen A, Haidl P, Kohlhäufl M, Kroegel K, Voshaar T, Gessner C: The pharmacological treatment of chronic obstructive pulmonary disease. Dtsch Arztebl Int
2016; 113: 311–6.
Prof. Dr. med. Adrian Gillissen
Kreiskliniken Reutlingen
[email protected]
Interessenkonflikt
Prof. Gillissen erhielt Honorare für Beratertätigkeit von den Firmen Chiesi, Teva, Elpen und
Berlin-Chemie. Er bekam Kongressgebührenerstattung von den Firmen Chiesi und Teva.
Reisekosten wurden für ihn übernommen von den Firmen Chiesi, Teva, Boehringer
Ingelheim, Elpen, Almirall und Berlin-Chemie. Für Vorträge wurde er honoriert von den
Firmen AstraZeneca, Elpen, Chiesi, Boehringer Ingelheim und Berlin-Chemie.
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 41 | 14. Oktober 2016