Deutscher AnwaltSpiegel

3 // Europarecht/Telemediengesetz
Deutscher AnwaltSpiegel
Ausgabe 21 // 19. Oktober 2016
Ein Schritt vor, zwei zurück
EuGH entscheidet über die Haftung kommerzieller WLAN-Betreiber
Von Alexander von Chrzanowski
Ausgangslage
Ausgangsfall ist ein Verfahren zwischen Tobias Mc Fadden und der Sony Music Entertainment Germany GmbH
(Sony) vor dem Landgericht München I. Tobias Mc Fad-
Freies WLAN muss gesichert werden.
lediglich durchleiten, jedoch
nicht selbst auswählen und
die Übermittlung auch
nicht selbst veranlassen.
Die Regelung wurde in
§ 8 TMG in deutsches
Recht umgesetzt. Nach
Art. 15 der Richtlinie besteht keine Verpflichtung
für Anbieter, die übermittelten Informationen – insbesondere auf rechtswidrige
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Tätigkeiten
hin – zu überwachen.
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Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie gestattet es
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jedoch den Mitgliedstaaten, von Diensteanbietern gerichtlich die Abstellung oder Verhinderung
von Rechtsverletzungen zu verlangen.
Der EuGH stellt zunächst klar, dass auch ein unentgeltlicher Zugang zum Internet einen Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne der Richtlinie darstellen
kann. Zwar sind Dienste im Sinne der Richtlinie nur
solche, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden.
Allerdings erkennt der EuGH an, dass auch ein unentgeltlicher Zugang zum Internet zu Werbezwecken er- 
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den betreibt in seinen Münchener Geschäftsräumen ein kostenfreies,
unverschlüsseltes und anonym
nutzbares WLAN. Über dieses
wurde ein urheberrechtlich
geschütztes Werk angeboten, woraufhin Sony als
Rechteinhaber Mc Fadden zunächst abmahnte.
Gerichtlich forderte Sony
schließlich Schadensersatz wegen eines Urheberrechtsverstoßes, Unterlassung künftiger Verstöße
und Ersatz der Abmahnkosten.
Das Landgericht schließt eine
Täterschaft von Mc Fadden aus. Es
würde aber eine mittelbare Haftung (Störerhaftung) bejahen, da Mc Fadden als Betreiber eines
offenen Internetzugangs eine Gefahrenquelle geschaffen hat, die Urheberrechtsverletzungen erst ermöglicht.
Dem EuGH legte das Landgericht die Frage vor, ob einer
solchen Haftung Art. 12 und 15 der E-Commerce-Richtlinie (2000/31/EG, die „Richtlinie“) entgegensteht. Nach
Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie sind Anbieter von Diensten der
Informationsgesellschaft für die übermittelten Informationen nicht verantwortlich, wenn sie die Informationen
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Das deutsche Geschäftsmodell der kostenpflichtigen
Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen beim Zugang zum Internet ist um eine Facette reicher. Mit Urteil
vom 15.09.2016 verneint der EuGH zwar die Möglichkeit
von Schadensersatzansprüchen gegen kommerzielle
WLAN-Betreiber. Auch ein unmittelbarer Anspruch auf
Unterlassung künftiger Urheberrechtsverletzungen und
die Erstattung außergerichtlicher Abmahnkosten hierfür können nicht geltend gemacht werden. Allerdings
bejaht der EuGH die Möglichkeit gerichtlicher Anordnungen, mit denen zur Erschwerung künftiger Urheberrechtsverletzungen die Absicherung eines WLANs
begehrt wird, etwa durch ein Passwort. Sofern diese
Forderung gegen den Anbieter zunächst außergerichtlich geltend gemacht wird, sind künftig auch weiterhin
Abmahnkosten dafür erstattungsfähig. Im Ergebnis verschiebt sich damit das Ziel der Auseinandersetzungen
zwischen Rechteinhabern und WLAN-Betreibern geringfügig, ohne dass diese generell entfallen werden. Daran
wird auch die im Sommer 2016 erfolgte Änderung von
§ 8 Telemediengesetz (TMG) nichts ändern, die zu einem
Entfall der Störerhaftung führen sollte.
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folgen kann, um dadurch andere Leistungen des Diensteanbieters zu bewerben. Damit kann auch ein kostenloser
Internetzugang in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, wenn der Zugang von einem kommerziellen
Anbieter bereitgestellt wird. Privatpersonen fallen daher
regelmäßig schon nicht unter den Anwendungsbereich
der Richtlinie, da diese mit einem unentgeltlichen Internetzugang keine weiteren Waren oder Dienstleistungen
bewerben.
sen Preisgabe Nutzer ihre Identität offenbaren müssen.
Ein solches Vorgehen könne auf Nutzer abschreckend
wirken und damit weitere Urheberrechtsverstöße verhindern.
Für derartige Verlangen von Rechteinhabern zur Absicherung offener Internetzugänge durch Passwörter
können nach Auffassung des EuGH auch Gerichts- und
Abmahnkosten erstattet werden.
Kein Schadensersatz, aber Sicherungspflicht
Die Entscheidung verneint eine Haftung auf Schadensersatz, nur um zugleich weitere Fragen aufzuwerfen. Sie
führt nur im Hinblick auf Schadensersatzansprüche zu
einer Entlastung kommerzieller Anbieter von Internetzugängen. Sofern diese offene Internetzugänge betreiben,
müssen sie jedoch damit rechnen, künftig kostenpflichtig auf „Absicherung durch Zugangsschutz“ in Anspruch
genommen zu werden. Dabei dürfte es den Anforderungen des EuGH an eine „abschreckende Wirkung“ nicht
genügen, ein einheitliches Passwort etwa durch Aushang in den Geschäftsräumen gegenüber jedermann
offen mitzuteilen. Vielmehr kann die geforderte Offenbarung der Identität der Nutzer dazu führen, dass diese
sich bei einer Inanspruchnahme des Internetzugangs
gegenüber dem Anbieter identifizieren müssen.
Dem steht auch § 13 Abs. 6 TMG nicht entgegen, der
eine anonyme oder pseudonyme Nutzung von Telemedien vorsieht. Die Regelung verpflichtet lediglich zur Möglichkeit einer anonymen/pseudonymen Nutzung von
Diensten, nicht jedoch zu einem anonymen Vertragsschluss über die – auch unentgeltliche – Nutzung.
Offen bleibt zudem, ob die Identifizierungsdaten der
Nutzer gespeichert werden müssen. Dagegen spricht
Da Diensteanbieter nach Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie für
die von ihnen lediglich durchgeleiteten Informationen
schon nicht verantwortlich sind, haften sie auch weder
auf Schadensersatz noch auf entsprechende Abmahnkosten.
Allerdings bestätigt der EuGH, dass nationale Gerichte der Mitgliedstaaten von Anbietern nach deren
Rechtssystem verlangen können, die Fortsetzung von
Rechtsverletzungen abzustellen oder zu verhindern. Das
Landgericht München sah dafür drei Möglichkeiten als
geeignet an: die Überwachung der übermittelten Informationen, die Abschaltung des angebotenen Internetzugangs sowie die Sicherung des Internetzugangs durch
ein Passwort.
Einer Überwachungspflicht des Diensteanbieters für
die übermittelten Informationen steht Art. 15 der Richtlinie entgegen. Eine Verpflichtung zur Abschaltung des
Internetzugangs würde selbst bei einem kostenfreien
Zugang unverhältnismäßig in die unternehmerische
Freiheit des Diensteanbieters eingreifen. Nach Auffassung des EuGH kann dagegen eine Sicherung des Internetzugangs durch ein Passwort ausreichen, gegen des-
Folgen
das Gebot der Datensparsamkeit, § 14 Abs. 1 TMG. Zudem
fordert auch der EuGH für den „Abschreckungseffekt“
jedenfalls ausdrücklich keine Speicherung der Identifizierungsdaten.
Schließlich ändert auch die Ergänzung von § 8 Abs. 3
TMG zum 27.07.2016 nichts an der Empfehlung zur Absicherung von Internetzugängen. Nach dem Willen des
Gesetzgebers, der sich jedoch im Gesetzeswortlaut
nicht einmal wiederfindet, sollte damit lediglich die
Störerhaftung ausgeschlossen werden. Eine Begrenzung der Unterlassungsansprüche, an die das Urteil des
EuGH anknüpft, war dagegen vom Gesetzgeber gar
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nicht erst beabsichtigt.
Alexander von Chrzanowski,
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht,
Fachanwalt für Informationstechnologierecht,
Rödl & Partner, Jena
[email protected]
www.roedl.de