Manuskript Beitrag: Bomben auf Krankenhäuser in Syrien – Gezielte Angriffe aufs Völkerrecht Sendung vom 18. Oktober 2016 von Martina Morawietz und Astrid Randerath Anmoderation: Krankenhäuser sollen im Krieg Schutzzonen der Menschlichkeit sein. Ärzte behandeln Verwundete, egal ob Freund oder Feind, ob schwarz oder weiß, ob arm oder reich. Gemäß ihrem Eid helfen sie allen Menschen in Not - so gut sie können. So bestimmt es auch das Völkerrecht. Doch einige Kriegsparteien halten sich nicht mehr daran. Sie greifen Krankenhäuser gezielt an und zerstören die medizinische Versorgung. Martina Morawietz und Astrid Randerath belegen das mit Bildern, die schwer zu ertragen sind. Bilder der zerbombten Menschlichkeit. Text: Die Schlacht um Aleppo. Bombenterror gegen die Zivilbevölkerung, Tod und tausendfaches Leid: „Papa verlass mich nicht. Bitte, Allah lass ihn leben“ - der Vater stirbt. Diese Bilder hat der syrische Arzt Dr. Abul Alkheir aus Aleppo mitgebracht. Die Öffentlichkeit soll sie sehen. O-Ton Dr. Abul Alkheir, Medizinischer Direktor, UOSSM International: Ich weiß nicht, wie ich die Welt bitten kann, diesen Krieg zu beenden. Unsere Kinder sterben. Wir versuchen alles, was möglich ist, um sie zu retten. Dr. Abul Alheir sorgt dafür, dass Krankenhäuser in Nordsyrien und Aleppo zumindest das Nötigste bekommen. Die Lage, erzählt er, sei katastrophal. O-Ton Dr. Abul Alkheir, Medizinischer Direktor, UOSSM International: Die Regierung greift Krankenhäuser gezielt an. Sie kennt natürlich deren Position. Die Krankenhäuser sind immer voller Patienten. Verletzte kommen dorthin, ständig fehlt es an Material und medizinischer Unterstützung. Völlig zerstörte Krankenhäuser, Bomben auf Ärzte und ihre Patienten. Die Kriegsparteien, vor allem die syrische Armee und ihre russischen Verbündeten verstoßen damit regelmäßig gegen die Genfer Konvention, klagen Völkerrechtler an. O-Ton Prof. Robin Geiß, Experte für Völkerrecht und Sicherheit, Universität Glasgow, Großbritannien: Angriffe auf Krankenhäuser, medizinisches Personal, auch Zivilpersonen, wenn sie vorsätzlich erfolgen, dann sind das Kriegsverbrechen. Und der Schutz von Krankenhäusern, medizinischem Personal, das ist eigentlich die Grundidee des humanitären Völkerrechts. Das war der Grundstein der allerersten Genfer Konventionen, schon vor 150 Jahren, und darauf baut eigentlich der Rest des humanitären Völkerrechts auf. Doch Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht gelten in Syrien offenbar nichts mehr. Das Grauen dort treibt den Internisten Dr. Abdullah Mawas um. Nach seinem normalen Dienst in einer englischen Klinik beginnt für ihn zuhause sein Notfalleinsatz als sogenannter Schattendoktor für die syrische Heimat. Dort fehlen Fachärzte und Medikamente. Dr. Mawas telefoniert und skypt mit den wenigen Ärzten, die noch in Syrien arbeiten. Er unterstützt sie bei Diagnosen und Therapien, soweit das überhaupt noch möglich ist. O-Ton Dr. Abdullah Mawas, UOSSM International: Stellen sie sich vor, dort stirbt jemand an Diabetes, weil sie schlicht die nötigen Medikamente nicht haben. Vor einem Jahr war Dr. Mawas das letzte Mal in Syrien. Hat Kollegen trainiert, wie sie bei einem Giftgasangriff reagieren müssen. Wer in Syrien Giftgas einsetzt, ist umstritten. Fest steht: Es trifft die Zivilbevölkerung – viele Kinder wie hier im Al-Kuds Krankenhaus in Aleppo. O-Ton Prof. Robin Geiß, Experte für Völkerrecht und Sicherheit, Universität Glasgow, Großbritannien: Wir sprechen ja nicht nur von systematischen Angriffen auf Krankenhäuser, wir haben auch Giftgasangriffe in Syrien gesehen, also all die No-Gos des Völkerrechts sind da erfüllt. Was die Kriegsparteien in Syrien angeht, wird das Völkerrecht tatsächlich mit Füßen getreten. Das ist nicht erst seit Aleppo so. Kundus, Afghanistan, am 3. Oktober 2015. Die US-Armee bombardiert ein Krankenhaus. Viele werden verletzt, 42 Menschen sterben, 14 davon waren Mitarbeiter der Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“. Später entschuldigen sich die Amerikaner, sprechen in einem Untersuchungsbericht von menschlichem Versagen. O-Ton Dr. Volker Westerbarkey, Präsident „Ärzte ohne Grenzen“ Deutschland: Für uns ist es ein Sündenfall. Es ist ein Sündenfall deshalb, weil es eine Armee betrifft, die amerikanische Armee, die sich eigentlich bekennt oder das amerikanische Land bekennt zu internationalem Völkerrecht, zu den Menschenrechten. Und wir fragen uns, wie kommt es dazu, dass so eine Armee all dieses missachtet. Nach dem Angriff in Kundus verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine Resolution, in der Angriffe auf medizinische Einrichtungen scharf verurteilt werden. O-Ton Prof. Robin Geiß, Experte für Völkerrecht und Sicherheit, Universität Glasgow, Großbritannien: Die UN-Resolution, die es im Mai dieses Jahres, 2016, gegeben hat, die war nicht nur ‘ne Antwort auf Kundus, sondern ‘ne Antwort auf einen weltweiten größeren und sehr alarmierenden Trend hin zu immer mehr Angriffen auf Krankenhäuser, medizinisches Personal, humanitären Helfern, und zwar systematischen Angriffen, die sehr zunehmen. Doch das Bomben geht weiter. Seit Kundus zählte „Ärzte ohne Grenzen“ sechs Angriffe im Jemen und 77 in Syrien - allein auf die von ihnen unterstützten Krankenhäuser und Ambulanzen. Berlin, vergangene Woche. Eine kleine Gruppe von Medizinern und Menschenrechtlern will die Öffentlichkeit aufrütteln. Der syrische Arzt Abul Alkheir ist auch da, gemeinsam mit einem Kollegen von Uossum international. Dr. Abul Alkheir berichtet vom Drama in Aleppo: Diese beiden Jungen brauchten zum Überleben zwei Beatmungsgeräte, es gab aber nur eins. Sein Freund, ein Arzt, musste entscheiden. O-Ton Dr. Abul Alkheir, Medizinischer Direktor, UOSSM International: Ich habe ihn angerufen von Aleppo. Er sagte, es ist eine sehr schwere Entscheidung, das Sauerstoffgerät für ein Kind abzuschalten, um das andere zu retten. Er entschied sich, den einen Jungen sterben zu lassen. Die Ärzte klagen an, dass die Politik und die Welt nur zusehen. O-Ton Dr. Ayham Al-Zoebi , UOSSM International: Also, man muss aufhören, die Stadt und die Krankenhäuser zu bombardieren. Wir können nicht warten, bis die gesamte Bevölkerung stirbt. Da müssen wir humanitär jetzt handeln. Jetzt sind die Politiker eigentlich aufgefordert, diese menschliche Tragödie jetzt zu beenden. Lausanne am Genfer See. Am vergangenen Samstag trafen sich wieder einmal Politiker aus der Krisenregion mit den Außenministern der USA und Russlands - wieder einmal ohne Ergebnis. Auf Nachfrage von Frontal 21 verweist die amerikanische Botschaft in Berlin auf Äußerungen von Außenminister John Kerry, Zitat: „Ohne eine politische Lösung kann dieser Krieg nicht beendet werden.“ Und die russische Botschaft teilt mit, Zitat: „Wir haben immer betont, dass wir keine militärische Lösung für Syrien sehen und bereit sind, hier nach einer politischen Lösung gemeinsam mit den USA und anderen westlichen Ländern zu suchen.“ Absichtserklärungen in einem Krieg mit vielen Tausend Toten – ohne Rücksicht auf das Völkerrecht. Immerhin: Russland kündigte jetzt für Aleppo eine Feuerpause an. Der Arzt Abul Alkheir will sobald wie möglich einen Hilfstransport nach Aleppo begleiten. Nur für ein paar Stunden war er in Berlin im Gepäck für Syrien wenig Hoffnung. O-Ton Dr. Abul Alkheir, Medizinischer Direktor, UOSSM International: Ich weiß nicht, wird der Krieg nach zehn Jahren vorbei sein, nach 50 Jahren? Ich weiß es nicht. Aber ich bleibe meiner Pflicht treu, der Hilfe für die Menschen, bis dieser Krieg vorbei ist oder ich sterbe. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.
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