Digitalisierung in Sachsen zum Erfolg führen

Digitalisierung in Sachsen
zum Erfolg führen
Stellungnahme der Vereinigung der Sächsischen
Wirtschaft e. V. zur Digitalisierungsstrategie
des Freistaates Sachsen „Sachsen Digital“
12.10.2016
Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft e. V. (VSW)
Besucheranschrift: Bautzner Straße 17 . 01099 Dresden . Postanschrift: PF 300 200 . 01131 Dresden
Tel. 0351 25593-0 . Fax 0351 25593-78 . [email protected] . www.vsw-direkt.de
Digitalisierung wichtiger Trend in der sächsischen Wirtschaft –
Rahmenbedingungen im Freistaat müssen erfolgreiche Entwicklung
unterstützen
Der digitale Wandel ist der größte Innovationstreiber der globalisierten Welt, wobei eine umfassende
Erweiterung des Internets bevorsteht. Während das klassische Internet auf den Austausch von Daten und Dokumenten verschiedener Medientypen beschränkt ist, adressiert das Internet der Dinge
die Vernetzung von und mit Alltagsgegenständen. Dieser Trend verändert nachhaltig viele Bereiche
von Wirtschaft und Gesellschaft – und das weltweit und in immer kürzeren Innovationszyklen. Für
die sächsische Wirtschaft bietet diese Entwicklung auf der einen Seite viele Chancen. Digitale Anwendungen ermöglichen eine erhebliche Steigerung der Produktivität, mehr Flexibilität und einen effizienteren Umgang mit Ressourcen aller Art. Die Digitalisierung von Produktion sowie die dazugehörigen Vertriebs- und Marketingwege eröffnen Potentiale für neue Geschäftsmodelle, Produkte und
Dienstleistungen.
Europa könnte bis 2025 einen Zuwachs von 1,25 Billionen Euro an industrieller Bruttowertschöpfung
erzielen, wenn die Chancen der digitalen Transformation konsequent genutzt werden. Auf der anderen Seite drohen Wertschöpfungsverluste von 605 Milliarden Euro, wenn die Chancen verspielt werden i. So ist Transformationsprozess ausgesprochen herausfordernd. Unternehmen aller Größen und
Branchen müssen ihr individuelles Geschäftsmodell hinsichtlich digitaler Veränderungen hinterfragen. Globale Liefer- und Wertschöpfungsketten werden sich verändern. Neue Wettbewerber bieten
kundennahe Lösungen, die etablierte Geschäftsmodelle teilweise existenziell bedrohen können. Bereits heute sind bzw. werden zahlreiche Branchen und Geschäftsmodelle durch die Digitalisierung
verändert. Beispielsweise ist der 3D-Druck ein Innovationsprozess, der erst durch die Digitalisierung
Marktreife erlangt und bisherige Produktionsprozesse herausfordert. Ähnliche Prozesse sind in vielen Branchen zu erwarten.ii
Dabei kann eine weiter steigende Komplexität beobachtet werden. So haben Auftragsschwankungen
und Termindruck – bei sich gleichzeitig individualisierenden Kundenbedürfnissen – in den letzten
Jahren noch einmal deutlich zugenommen. Nicht zuletzt erfordert die ebenfalls gestiegene globale
Wettbewerbssituation auch eine kosteneffiziente Fertigung. Cyber-Physische-Systeme – d. h. ganzheitlich konzipierte Systeme, in denen Menschen, Maschinen und Werkstücke quasi wie selbstverständlich untereinander, aber auch unter Einbindung von externen Informationsquellen miteinander
kommunizieren können – sollen die bestehenden Anforderungen aus wachsender Komplexität und
steigendem Wettbewerbsdruck in Einklang bringen. iii
Absehbar ist, dass künftig immer mehr Kommunikation direkt zwischen Maschinen und Maschinen,
Maschinen und Produkten, aber auch zwischen verschiedenen Akteuren innerhalb eines Wertschöpfungsnetzwerkes erfolgen wird. Ergebnis soll eine hochgradig flexible, variantenreiche und – selbst
bis zur Losgröße 1 – effiziente Fertigung sein. Hierdurch würden die Produktionsprozesse ähnlich
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revolutioniert wie die forcierte Nutzung von Wasser- und Dampfkraft in mechanischen Prozessen im
19. Jahrhundert, das Fließband in der ersten Hälfte oder die Speicherprogrammierbare Steuerung in
der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Dieser Trend stellt den Kern der derzeit oft zitierten Vision von Industrie 4.0 dar: Zielstellung ist, das
Internet der Dinge in den Produktions- und Logistikprozessen zu verwirklichen, beispielsweise indem
Werkstücke über RFID-Chips, Sensoren und Aktoren intelligent gemacht und über Netzanbindungen
befähigt werden, Informationen in Echtzeit auszutauschen. Industrie 4.0 ist damit keine Verknappung des Digitalisierungstrends, sondern eine bewusste Fokussierung auf die Chancen und Auswirkungen der Digitalisierung in der für Deutschland und Sachsen wichtigen industriellen Wertschöpfung.
Wertschöpfungspotenzial durch Industrie 4.0 bis 2025 in Deutschland
Portfolio: Industrie 4.0-Potenziale ausgewählter Branchen
und Beschäftigungsumfang in Sachsen
40%
Maschinenbau (WZ 28);
41.291 SvB
Chemie (WZ 20-21);
11.004 SvB
Elektrische Ausrüstungen
(WZ 26.5; 27);
22.637 SvB
30%
Automotive (WZ 29);
34.520 SvB
20%
IKT (WZ 26.1-4; 62; 63.1);
24.420 SvB
10%
2%
3%
4%
5%
Anteil SV-Beschäftigte in Sachsen an Deutschland Sep. 2014
6%
Quelle: Fraunhofer IAO, Bitkom (2014): Industrie 4.0 - Volkswirtschaftliche Potenziale für Deutschland;
Beschäftigtenstatistik, Bundesagentur für Arbeit, Angaben SV-Beschäftigte für Sep. 2014; Ber. und Abbildung: imreg (2015)
Auch in Sachsen liegen die wertschöpfungs- und arbeitsplatzintensiven Effekte von IKT und Software vor allem in den Anwenderbranchen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die anstehende Digitalisierung industrieller Produktionsprozesse. In Sachsen trägt das Produzierende Gewerbe zu 31 Prozent zur gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung bei. Die Industrieunternehmen stehen dabei in einem
hochgradigen internationalen Wettbewerb, welcher durch die Digitalisierung absehbar weiter intensiviert wird.
Sachsens Unternehmen sind gefordert, die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung
auszuloten und individuelle Lösungen zu entwickeln und zu integrieren. Politik und Verwaltung im
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Freistaat müssen dies mit passenden Rahmenbedingungen unterstützen. Unbestritten ist in nahezu
allen Bereichen der sächsischen Wirtschaft ein verstärkter Einsatz digitaler Technologien zu beobachten. Es gilt daher, die gesamtwirtschaftlichen und -gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für
eine erfolgreiche Digitalisierung im Freistaat im Blick zu haben. Dennoch sind auch hier die richtigen
Schwerpunkte zu setzen. Die Digitalisierung ist zwar kein neuer Trend, die Entwicklung hat sich angesichts der rasant gestiegenen Leistungsfähigkeit bei Datenübertragung, -verarbeitung und -speicherung in den letzten Jahren aber erheblich intensiviert. Nutzung und Potentiale digitaler Technologien entwickeln sich dabei exponentiell. Die hieraus resultierende Dynamik lässt verlässliche
Prognosen kaum zu und verlangt entsprechend auch flexible Rahmenbedingungen und Entscheidungsprozesse.
Die Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft e. V. (VSW) begrüßt vor diesem Hintergrund,
dass der Freistaat mit der Digitalisierungsstrategie „Sachsen Digital“ diese Entwicklung aktiv
gestalten und voranbringen will. Aus Sicht der VSW gilt es hierbei insbesondere folgende Themen intensiv zu verfolgen bzw. noch stärker in den Fokus zu rücken:
1. Weitere Forcierung des Breitbandausbaus über Förderinstrumente und die Unterstützung der Kommunen im Ausbau: Eine flächendeckend leistungsfähige Breitbandinfrastruktur
ist entscheidend für Sachsens künftige Standortqualität. Der Freistaat muss sich bei den Ausbauzielen am internationalen Spitzenniveau orientieren und künftig auch einen stärkeren
Schwerpunkt auf die Schaffung industrietauglicher Netze legen. Dafür sind entsprechende finanzielle Mittel bereitzustellen.
2. Verankerung des Technologietransfers in den Mittelstand als wesentliche Zielstellung
des geplanten Ausbaus im öffentlichen Forschungsbereich: Die weitere bedarfsgerechte
Stärkung des öffentlichen Forschungsbereichs ist grundsätzlich zu begrüßen. Hierbei sowie mit
Blick auf die immer kürzeren Innovationszyklen und die steigende internationale Wettbewerbsintensität werden aber von Anfang an klare Maßnahmen für einen intensiveren Technologietransfer benötigt. Zielstellung muss sein, dass Sachsens Mittelstand insbesondere in diesem
Bereich, aber auch insgesamt, stärker als bislang von den regionalen öffentlichen Forschungskapazitäten profitiert.
3. Technologie- und branchenoffene Unterstützung von Industrie 4.0-Entwicklungen: Nicht
nur neue Geschäftsmodelle oder Produkte, auch Prozessinnovationen bieten mit Blick auf die
Einsatzmöglichkeiten digitaler Technologien hohe Potentiale, die Wettbewerbsfähigkeit der
sächsischen Wirtschaft zu sichern und weiter auszubauen. Hierzu zählen insbesondere auch
innovative Projekte im Bereich der intelligenten Assistenz- und Wissenssysteme. Daher sollten
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diese gleichberechtigt sowie technologie- und branchenoffen über die sächsische Technologieförderung unterstützt werden.
4. Rechtliche Rahmenbedingungen für individuelle arbeitsorganisatorische Lösungen verbessern: Der Freistaat muss seine Möglichkeiten nutzen und sich auf Bundesebene dafür einsetzen, dass die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen flexible, bedarfsorientierte Lösungen
auf betrieblicher Ebene auch zulassen. Zielstellung muss sein, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber ihre Arbeitsregelungen besser an die speziellen Gegebenheiten in ihren Branchen und
Unternehmen anpassen können. Eine Erhöhung von Tarifbindung und betrieblicher Mitbestimmung sind dagegen keine Themen einer digitalen Strategie oder einer staatlichen Einmischung
generell, sondern allein Sache der Tarifparteien.
5. Bildungslandschaft im Freistaat stärker auf die sich ändernden Anforderungen einstellen: Der Freistaat muss den anwendungsorientierten Informatikunterricht an Oberschulen und
Gymnasien bei gleichzeitig stabil hohem Niveau in den weiteren MINT-Fächern ausbauen. Dabei muss sich am internationalen Spitzenniveau orientiert werden. Zudem müssen die Rahmenbedingungen für Industrie 4.0-Ausbildungsinhalte und -Berufe, wie bspw. den Produktionstechnologen und den Elektroniker für Informations- und Systemtechnik, verbessert und der
Mittelstand bei Qualifizierungsmaßnahmen unterstützt werden.
6. Vertrauen in digitale Lösungen stärken und Mittelstand bei IT-Sicherheit direkt unterstützen: Cybersecurity muss national und europäisch regulatorisch und organisatorisch weiter
verbessert werden. Einem Zugriff von Hackern und Cyberkriminellen genauso wie von Sicherheitsbehörden jeglicher Art auf vertrauliche Daten und Know-how von Unternehmen muss
verlässlich vorgebeugt werden. Im Freistaat ist zum einen das Cybercrime-Competence Center Sachsens adäquat auszustatten. Zum anderen sollte vor allem der Mittelstand beim Aufbau von eigenen betrieblichen Abwehrinstrumenten unterstützt werden.
7. Digitale Technologien in der öffentlichen Verwaltung nutzen: Die Chancen der Digitalisierung für die effizientere Gestaltung von Verwaltungsabläufen, neue Anwendungen in Planungsverfahren und eine Steigerung der Bürgernähe müssen ambitionierter wahrgenommen
werden. Dabei sollte der Freistaat die klare Zielstellung verfolgen, bundesweit zum Vorreiter
im Einsatz digitaler Technologien zu werden, um spürbar Bürokratie abzubauen und Transparenz zu schaffen und sich hierdurch einen Standortvorteil im Ländervergleich zu erarbeiten.
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1.
Breitbandnetze entscheidende Voraussetzung: Ausbauziele am internationalen Spitzenniveau orientieren und industrietaugliche Netze schaffen
Eine leistungsstarke, industrietaugliche, zukunftsfähige und flächendeckende Breitbandversorgung
ist entscheidend für die Standortqualität Sachsens. Die Digitalisierung beruht auf einer hochleistungsfähigen digitalen Infrastruktur. Von ihr gehen nicht zuletzt wichtige Impulse für die Entwicklung
neuer digitaler Anwendungen und Geschäftsmodelle aus. Die Nachfrage nach Gigabit-Netzen steigt
somit häufig erst, wenn das Angebot besteht. In den letzten Jahren hat die Versorgung mit Breitbandanschlüssen zwar zugenommen, ungeachtet dessen ist die Geschwindigkeit der digitalen
Netze in Sachsen sowohl bundesweit als auch im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich.
Die technische Qualität der Netzverbindung nimmt dabei künftig eine ähnliche Bedeutung wie die
Höhe der Datenübertragungsrate ein. Viele Anwendungen für Industrie 4.0, Smart Health oder
Smart Mobility sind auf Qualitätsmerkmale wie symmetrische Übertragungsraten, Spitzendatenraten
im Gigabit-Bereich, niedrige Latenzzeiten, minimales Jitter und Zuverlässigkeit angewiesen. Für
Sachsens Wirtschaft wird es künftig von hoher Bedeutung sein, ob industrietaugliche Netzanschlüsse zu wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar sind. Die dafür notwendige Infrastruktur muss
gerade im ländlichen Raum unverzüglich geschaffen werden, damit der dort oft seit Generationen
beheimatete Mittelstand die Chancen der Digitalisierung nutzen kann. Hochleistungsfähige Netze
werden aber nicht zuletzt auch immer wichtiger für die Standortwahl bei Ansiedlungsvorhaben oder
Neugründungen. Die VSW fordert daher, die flächendeckende Verfügbarkeit industrietauglicher Netze als Zielstellung in „Sachsen Digital“ zu verankern.
Der Ausbau zukunftsfähiger Netze erfordert Zeit und ist kostenintensiv. Finanzierungspotentiale
müssen deshalb bestmöglich genutzt werden. Angesichts der natürlichen Tendenz zur Monopolisierung kommt dem Staat bei leitungsgebundenen Infrastrukturen die Aufgabe zu, einen ordnungspolitischen Rahmen zur Vermeidung negativer Effekte durch etwaige Wettbewerbseinschränkungen zu
setzen. Darüber hinaus können bei der Breitbandversorgung positive externe Effekte unterstellt werden, sodass die volkswirtschaftlichen Effekte des Ausbaus den jeweiligen individuellen Nutzen übertreffen. Dies gilt gerade für topografisch schwierige oder dünner besiedelte Gebiete. Die Europäische Kommission betont, dass ein Ausbau der Breitbandinfrastruktur zum Wirtschaftswachstum
beiträgt. Die EU hat die staatliche Förderung in diesem Sektor daher unter bestimmten Bedingungen
als wettbewerbskonforme Beihilfe eingestuft.
Die VSW begrüßt vor diesem Hintergrund die in „Sachsen Digital“ angekündigte fortgesetzte
Unterstützung des Breitbandausbaus im Freistaat über verschiedene Förderinstrumente.
Hierfür sind in Sachsen in den kommenden Jahren ausreichend Mittel im Landeshaushalt zur
Verfügung zu stellen. Dabei ist es wichtig, die Förderungen von Bund und Freistaat weitestgehend zu verzahnen und dies transparent zu gestalten sowie die Kommunen bei der Vorbe-
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reitung des Ausbaus bestmöglich zu unterstützen. Die avisierte Weiterentwicklung der bestehenden Beratungsstelle Digitale Offensive Sachsen wird daher begrüßt und sollte vor allem
dies zum Ziel haben.
Gleichzeitig müssen die Rahmenbedingungen für Investitionen in den Infrastrukturbereich weiter
verbessert werden. Dafür sind auch Anpassungen des nationalen und europäischen Regulierungsrahmens erforderlich, um stärkere Anreize für Investitionen zu setzen. Hierfür muss sich der Freistaat auf Bundes- und europäischer Ebene einsetzen. Auch muss der notwendige Ausbau leitungsgebundener Infrastrukturen vereinfacht und mit anderen Tiefbauarbeiten bzw. mit bereits
bestehenden Trassen/Rohren oder Kanälen koordinierter erfolgen. So könnte ein erheblicher Anteil
der Ausbaukosten eingespart werden. Zudem muss der Ausbau im Grundsatz technologieneutral
erfolgen und die Weiterentwicklung neuer Datenübertragungstechnologie (5G) forciert werden, um
einen intensiven und innovationsgetriebenen Wettbewerb von Netz-Anbietern und Technologien als
Voraussetzung für dynamisches Wachstum zu unterstützen.
Für einen zielgerichteten Ausbau wird die Erarbeitung des NGA-Breitbandausbaukonzeptes
befürwortet. Sachsen braucht eine wirkliche Ausbaustrategie mit nachhaltigen Zielen für die
digitale Infrastruktur. Diese muss längerfristig angelegt sein und sich konsequent am internationalen Spitzenniveau, an den absehbaren technischen Trends und dem exponentiell wachsenden Datenvolumen sowie den steigenden qualitativen Anforderungen bei der Datenübertragung orientieren. Perspektivisch muss die Schaffung von Gigabit-Netzen als Ziel stehen.
Hierfür müssen jetzt die Voraussetzungen geschaffen werden.
2.
Technologietransfer als wesentliche Zielstellung des öffentlichen Forschungsbereichs verankern: Klare Umsetzungsschritte für Sachsens Mittelstand notwendig
Sachsens Mittelstand – egal ob Verarbeitendes Gewerbe, Bau- und Prozessindustrie oder industrienahe Dienstleister – steht bei der digitalen Transformation vor grundlegenden Herausforderungen.
Lediglich drei von zehn Unternehmen des industriellen Mittelstands gelten bundesweit als hoch digitalisiert. Der überwiegende Teil schätzt sich als mittelmäßig digitalisiert ein. Die Ergebnisse zeigen
außerdem, dass die Digitalisierung von Produktionsprozessen eher größere Unternehmen vorantreiben. iv
Für Sachsen mit seiner mittelständisch geprägten Wirtschaftsstruktur sind die Herausforderungen
entsprechend groß, dass der technologische Anschluss gehalten wird. Dies gilt nicht zuletzt auch
angesichts von noch immer bestehenden Defiziten bei privater Forschung und Entwicklung, Kapitalausstattung und Internationalisierung, die allesamt dependent mit der Kleinteiligkeit der Unternehmen und damit überwiegend strukturell bedingt sind. Mit der Digitalisierung wird sich der Innovationsdruck weiter intensivieren. Zum einen werden Innovationsprozesse komplexer und durch immer
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kürzere Technologiezyklen geprägt. Zum anderen nehmen die digitalen Anforderungen aus Lieferketten und Wertschöpfungsverbünden teils ad-hoc zu, ohne dass ausreichend finanzielle oder personelle Ressourcen gegeben wären.v Gleichzeitig sind Innovationen sowie Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten der Schlüssel, um wirtschaftliches Wachstum voranzubringen und damit
Wertschöpfung und Einkommen in einer Region zu steigern. Sachsen hat in den vergangenen Jahren versucht, die im privatwirtschaftlichen FuE-Bereich bestehenden Defizite über eine hohe Investitionstätigkeit im öffentlichen Forschungsbereich auszugleichen. Auch in „Sachsen Digital“ ist ein bedarfsgerechter Ausbau der FuE-Infrastruktur avisiert.
Die VSW befürwortet grundsätzlich eine starke und zukunftsweisende Ausrichtung der sächsischen Forschungslandschaft. Mit Blick auf die technologischen Trends ist gerade deren
Ausbau im IKT- und Softwarebereich mit einem fachlich-inhaltlichen Fokus auf die wachsende Verbindung von Hard- und Software (Embedded und Cyber-Physical-Systems) zu begrüßen.
Gleichwohl müssen angesichts der immer wieder registrierten Hemmnisse im Technologietransfer
konkrete Maßnahmen und Vorgaben implementiert werden, die von Anfang an auf eine enge Kooperationstätigkeit mit dem regionalen Mittelstand hinwirken.
Die VSW fordert daher, dass ein 20-prozentiger Anteil der angedachten Investitionen aus Landesmitteln in die öffentlichen Forschungseinrichtungen für konkrete Kooperations- und
Technologietransferprojekte mit der sächsischen Wirtschaft vorgehalten wird. Nur bei nachweisbar erfolgreichen Aktivitäten im Technologietransfer sollte dieser Teil an die Forschungseinrichtungen ausgezahlt werden.
Angesichts der übergreifenden Wirkung der Digitalisierung bleibt die Verbesserung des Technologietransfers eine ganzheitliche Aufgabe in Sachsen. Zielstellung muss sein, dass der öffentliche Forschungsbereich in Sachsen insgesamt bedarfsgerechtere Strukturen entwickelt, um häufiger mit
dem sächsischen Mittelstand zu kooperieren und so stärker als bislang zu Innovationen und zur digitalen Transformation im Freistaat beizutragen. Hier fordert die VSW erstens eine transparente
Bestandsaufnahme und zweitens konkrete Vorgaben an und Maßnahmen durch den öffentlich finanzierten Forschungsbereich.
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3.
Prozessinnovationen in der sächsischen Technologieförderung berücksichtigen:
Digitalen Wandel technologie- und branchenoffen unterstützen
Die Anwendung digitaler Technologien bietet viele verschiedene Facetten: So kann es einer Firma
darum gehen, die Produktion am Band noch besser zu organisieren, indem die benötigten Bauteile
automatisch in der richtigen Menge und zur richtigen Zeit zur Verfügung stehen, an der sie eingebaut werden. Hier helfen vernetzte Systeme dabei, Zeit und Material zu sparen. Ein anderes Unternehmen könnte dank der Digitalisierung seinen Kunden anbieten, die Produktion des Produktes in
Echtzeit zu verfolgen – und Detailwünsche bis unmittelbar vor dem entsprechenden Produktionsabschnitt zu ändern, statt sämtliche Parameter bereits mit der Bestellung festlegen zu müssen. Ein
drittes Unternehmen wiederum will anhand der Messdaten präzise vorausbestimmen, wann Maschinen gewartet werden müssen, anstatt dies in starren Intervallen zu tun. So werden die Maschinenlaufzeiten optimiert und gleichzeitig Ressourcen eingespart.
Diese drei Beispiele sollen zeigen, dass die Implementierung digitaler Technologien für viele Unternehmen Chancen bietet, wenngleich auf höchst unterschiedliche Weise und auch – je nach Branche
und Produkt – divergierender Schnelligkeit und Ausprägung. Manche Entwicklungen werden disruptive Auswirkungen haben, manche sich aber auch evolutionär in Fortschreibung bereits bestehender
Systeme und Konzepte entwickeln. Damit wird eine bewusste Fokussierung auf einzelne Branchen,
Technologien oder Innovationsfelder weder Industrie 4.0 noch der Digitalisierung insgesamt gerecht.
Stattdessen muss die inhaltliche Konzeptionierung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben in
erster Linie in unternehmerischer Verantwortung liegen.
Angesichts des thematisch breiten und vor allem auch offenen Rahmens, in dem sich die
Digitalisierung bewegt, fordert die VSW für eine entsprechend technologie- und branchenoffene Technologieförderung im Freistaat Sachsen. Hierzu zählt insbesondere auch eine stärkere Berücksichtigung von Prozessinnovationen in der FuE-Projektförderung.
Die Fabrik der Zukunft wird dabei keineswegs menschenleer sein. Im Gegenteil: Sachsen ist im internationalen Vergleich ein Hochkostenstandort. Nur eine hochproduktive Wirtschaft bietet dementsprechend überhaupt die Möglichkeit, international wettbewerbsfähig zu sein und damit Wertschöpfung und Arbeitsplätze vor Ort zu sichern und auszubauen. Digitale Technologien können hierzu
einen entscheidenden Beitrag leisten. Allerdings werden sich Tätigkeiten und Aufgaben weiter wandeln. Zum Teil werden Anforderungen komplexer, insbesondere wenn es um die Schaffung, Sicherstellung und Koordination der Systeme geht. Gleichzeitig vereinfachen aber computergestützte Bedienungen von Maschinen und Anlagen auch viele Arbeitsprozesse.
Vor allem körperliche und monotone Arbeiten werden über Assistenzsysteme bis hin zu kollaborati-
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ven Robotern erleichtert, was nicht zuletzt eine wichtige Voraussetzung ist, um auch ältere Beschäftigte mit ihren Erfahrungen und Fähigkeiten in den Betrieben zu halten. Mit Blick auf die verstärkt in Sachsen zu beobachtende demographische Entwicklung ist dies im Freistaat von hoher
Bedeutung. Zudem sind Steuerung und Überwachung der Prozesse weniger eng an den Produktionsstandort gebunden. Die Digitalisierung kann so den Betrieben wie auch den Beschäftigten zusätzliche Möglichkeiten eröffnen, Arbeitsort und Arbeitszeit flexibler zu gestalten – gerade wenn es
beispielsweise um die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben geht.
Die VSW plädiert vor diesem Hintergrund dafür, auch die Erprobung und Pilotierung von innovativen, intelligenten Assistenz- und Wissenssystemen in der sächsischen Technologieförderung zu unterstützen.
4.
Rechtliche Rahmenbedingungen für individuelle arbeitsorganisatorische Lösungen
verbessern – Tarifautonomie wahren
Der Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnik ermöglicht es, Arbeit viel stärker
nach individuellen Wünschen und Erfordernissen zu gestalten. Die Digitalisierung eröffnet damit für
Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen neue Chancen. Unternehmen haben über das Internet weltweit Marktzugänge, können durch neue Produktionsverfahren effizienter wirtschaften und
noch individueller auf Kundenwünsche reagieren. Moderne Kommunikationsmittel ermöglichen ortsund zeitflexibles Arbeiten, was eine neue Arbeitszeitorganisation zulässt. Das wird den Bedürfnissen
von Betrieben und Beschäftigten bei der Gestaltung flexibler Arbeitszeiten entgegenkommen. Insbesondere die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben wird in vielen Bereichen einfacher werden.vi
Individuellere Lösungen werden in der Arbeitswelt zu mehr Differenzierung, Flexibilisierung und Spezialisierung führen. Das heißt aber insbesondere auch, dass pauschale, allgemeine Regeln immer
seltener passen. Stattdessen muss sich die Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen stärker an den
speziellen Gegebenheiten in den Branchen und Unternehmen orientieren. Diese Entwicklungen erfordern eine interessengerechte Anpassung des gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Gestaltungsrahmens. Unternehmen und Tarifparteien brauchen ausreichend Handlungsspielräume. Die
Vorgaben müssen so gestaltet sein, dass spezifische Branchenunterschiede oder Unterschiede zwischen einzelnen Unternehmen abgedeckt werden.vii
Vor dem Hintergrund der negativen Erfahrungen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist in
Deutschland die Tarifautonomie als Grundrecht verfassungsrechtlich verankert (Art. 9, Abs. III GG).
Dem Staat kommt demnach an dieser Stelle allein die Aufgabe zu, die gesetzlichen Rahmenbedingungen so zu setzen, dass die Tarifparteien entsprechende Lösungen entwickeln und auch umsetzen können.
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Aus Sicht der VSW ist es daher völlig deplatziert, dass das Sächsische Staatsministerium für
Wirtschaft, Arbeit und Verkehr den digitalen Wandel mit einer Erhöhung der Tarifbindung und
Erweiterung der Mitbestimmungsmöglichkeiten verknüpfen will (Maßnahme 3.2.2.). Dies ist
allein Sache der Tarifparteien und darf gemäß unseres Grundgesetzes unter keinen Umständen Gegenstand staatlicher Einflussnahme sein. Die Digitalisierung verläuft unabhängig davon, wie hoch die Tarifbindung ist.
Stattdessen gilt es, für das Befähigen flexibler, individueller Arbeitslösungen das Arbeitsrecht auf
den Prüfstand zu stellen. Der Einsatz neuer Technologien ermöglicht die Flexibilitätsanforderungen
der Unternehmen sowie der Flexibilitätsbedürfnisse der Beschäftigten gleichermaßen zu berücksichtigen. So schafft mobiles Arbeiten die Voraussetzung für eine deutlich verbesserte Vereinbarkeit von
Berufs- und Privatleben durch mehr zeitliche und insbesondere räumliche Flexibilität. Unternehmen
ist es wichtig, dass ihre Beschäftigten Familie und Beruf in Einklang bringen können. Eine Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben spielt eine wichtige Rolle bei der Personalgewinnung und -bindung. Immer mehr Beschäftigte wollen sich sowohl beruflich als auch familiär einbringen können.
Digitale Technologien helfen dabei; so können z. B. Pendelzeiten oder Präsenzzeiten reduziert werden.
Es bleibt dabei aber wichtig, dass eine Organisationskultur erhalten bleibt und der Kunde nicht aus
den Augen verloren wird. Dieser sitzt angesichts einer stetig gestiegenen Exportquote in zunehmenden Maße in anderen Ländern und Zeitzonen, verlangt allerdings trotzdem eine Servicequalität wie
vor Ort. Die Ansprüche der Kunden werden durch die Digitalisierung weiter steigen. Die Produktwünsche werden individueller, die Erwartungen an den Service der Unternehmen umfänglicher. Gleichzeitig intensiviert sich die internationale Konkurrenz immer weiter. Hierauf müssen die Unternehmen
– und damit mit ihnen die Beschäftigten – reagieren, wenn sie sich am Markt behaupten wollen. Dies
gilt im Speziellen für die mittelständisch strukturierte sächsische Wirtschaft, die angesichts der Kleinteiligkeit zum einen auf Wachstum angewiesen ist und zum anderen eine geringere Einkaufs- und
Vertriebsmacht aufweist.
Dabei sollte nicht der Fehler begangen werden, mit vorschnellen gesetzlichen Regelungen einer
neuen Entwicklung vorzugreifen, bei der noch nicht absehbar ist, wie sie sich konkret auswirken
wird. Das Arbeitsrecht, wie es heute besteht, hat sich über Jahrzehnte entwickelt und auf wesentliche Veränderungen in der Arbeitswelt reagiert. Auf der anderen Seite sollte es selbstverständlich
sein, dass Regelungen – gerade bei so gewaltigen Umbrüchen wie der Digitalisierung – überprüft
und ggf. an die neuen Gegebenheiten angepasst werden müssen.
So stehen einer besseren Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben vereinzelt gesetzliche Regelungen entgegen. Das deutsche Arbeitsrecht schreibt momentan eine tägliche, ununterbrochene Ruhezeit von 11 Stunden vor. Wenn ein Arbeitnehmer früher Feierabend macht, weil er sein Kind von der
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Kita abholen möchte, die Arbeit am Abend aber fortsetzen will, verschiebt dies seinen gesetzlich erlaubten Arbeitsbeginn am nächsten Tag nach hinten, was aber weder im Interesse des Arbeitnehmers noch des Arbeitgebers ist. Hier sollten die gesetzlichen Vorgaben entsprechend angepasst
und flexible Lösungen ermöglicht werden.
Ähnliches gilt für die gesetzliche Arbeitszeitlänge, die eine stärkere individuelle Anpassung an die
persönlichen und betrieblichen Belange erlauben muss. Digitale Kommunikationsmittel haben Auswirkungen auf die Vernetzung innerhalb von Unternehmen bzw. von Kunden und Lieferanten. Beschäftigte arbeiten heute selbstverständlich über Zeitzonen hinweg zusammen. Teams werden nicht
mehr nur an einzelnen Standorten, sondern für spezielle Projekte zeitweise auch mit Mitarbeitern
weltweit zusammengestellt. In der Hochphase eines Projektes kann es notwendig sein, dass sich
beispielsweise ein Spezialist in der deutschen Niederlassung per Telefonkonferenz an einer kurzfristig angesetzten Abstimmungsrunde in den USA beteiligen muss. Sollte er an diesem Tag in
Deutschland bereits neun Stunden gearbeitet haben, dürfte er nach aktueller Gesetzeslage maximal
eine Stunde an der Telefonkonferenz teilnehmen. Gleiches gilt für weltweite Kundenkontakte.
Hier sollte es eine Regelung geben, die mehr Flexibilität zulässt. Eine Möglichkeit wäre die Umstellung der Tageshöchstarbeitszeit auf eine Wochenhöchstarbeitszeit, so wie es auch die EUArbeitszeitrichtlinie vorsieht. Dies bedeutet keine Ausweitung der Arbeitszeit, sondern nur eine bessere Möglichkeit, die Arbeitszeit innerhalb einer Woche zu verteilen. Notwendig ist zudem der Erhalt
der Flexibilität als Arbeitgeber. Zeitarbeit oder Werk- und Dienstverträge sind gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung unverzichtbare Elemente einer global agierenden und hoch arbeitsteilig organisierten Wirtschaft.
Die VSW fordert daher, dass sich der Freistaat für flexiblere arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen auf Bundesebene einsetzt, um individuellere arbeitsorganisatorische Lösungen auf
betrieblicher Ebene zu ermöglichen. Gleichzeitig müssen auch die Möglichkeiten des Freistaates im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes so genutzt werden, dass den Unternehmen und
Mitarbeitern Flexibilität ermöglicht und nicht beschnitten wird.
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5.
MINT-Bildung auf Spitzenniveau bleibt entscheidend: Informatikunterricht bedarfsorientiert ausbauen, gute Rahmenbedingungen für neue Berufe und Qualifizierungsmaßnahmen schaffen
Das Bildungsniveau der Bevölkerung ist ein wesentlicher Standortfaktor, sowohl aus Sicht der Bevölkerung selbst als auch der Unternehmen. Sachsens Bildungssystem ist im bundesweiten Vergleich überdurchschnittlich erfolgreich. Gleichwohl zeigen sich auch hier im zunehmenden Maße
Probleme bei der Gewinnung geeigneter Fach- und Nachwuchskräfte. Der Freistaat darf sich nicht
auf den Erfolgen der letzten Jahre ausruhen.
Dies gilt nicht zuletzt mit Blick auf das erforderliche und stetig wachsende hohe Niveau von Technik
und Dienstleistungen, ein Trend, der durch die Digitalisierung weiter verstärkt werden wird. Gut ausgebildete Mitarbeiter – die neben sozialen und fachlichen Kompetenzen auch Faktenwissen und Medienkompetenz mitbringen – sind eine zentrale Voraussetzung für den digitalen Wandel in den Unternehmen. Die Digitalisierung wird dazu führen, dass die Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften
insbesondere in technisch-naturwissenschaftlichen Fächern weiter zunimmt. Analog zur Notwendigkeit der internationalen Wettbewerbsfähigkeit unserer Produkte muss sich Sachsens Bildungssystem und sein Erfolg gleichfalls an internationalen Maßstäben messen lassen. Auch deshalb sind
Forderungen, die Wirtschaft müsse sich nun einmal mit schlechteren Schul- und Studienabgängern
anfreunden und diese einstellen, abzulehnen. Die VSW sieht dagegen hinreichend Möglichkeiten,
das Bildungssystem qualitativ und quantitativ weiter zu verbessern. Dabei geht es nicht um die pauschale Erhöhung der Bildungsausgaben, sondern um gezielte Investitionen in die materielle und personelle Ausstattung.
Die VSW hält hierfür eine ehrliche Bewertung des Ist-Niveaus für geboten. Dies gilt gerade mit Blick
auf die sich ergebenden Trends und Veränderungen durch den zunehmenden Einsatz digitaler
Technologien und Kommunikationsmittel. Während es heute noch vielerorts ausreicht, dass lediglich
ausgewählte Belegschaftsangehörige über entsprechende IT-Kompetenzen verfügen, wird dies in Zukunft auch von der Mehrheit der Beschäftigten verlangt werden, um die Potentiale digitaler Technologien zur Steigerung der Effizienz von Arbeits- und Fertigungsprozessen ausschöpfen zu können.viii
Die Bildungslandschaft im Freistaat muss sich stärker auf diese sich ändernden Anforderungen einstellen. Als einen ersten Schritt in die richtige Richtung befürwortet die VSW zwar die
geplante Verbesserung der Medienkompetenz von Lehrkräften durch passgenaue Fortbildungsangebote und die Verankerung in den Lehramtsstudiengängen. Darüber hinaus ist aber
der anwendungsorientierte Informatikunterricht an Oberschulen und Gymnasien weiter auszubauen. Gleichzeitig muss das hohe Niveau in den weiteren MINT-Fächern gehalten werden.
Des Weiteren ist zu prüfen, wie sich die berufliche und akademische Aus- und Weiterbildung im Dialog mit der Industrie weiterentwickeln kann, um bedarfsgerechte Antworten auf die Anforderungen in
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der neuen Arbeitswelt zu bieten. Dabei braucht es derzeit keine neuen Ausbildungsberufe. Die aktuell
für Industrie 4.0 als zukunftsträchtig angesehenen Berufe, insbesondere der Produktionstechnologe
und der Elektroniker für Informations- und Systemtechnik, aber auch der Mechatroniker, der Industriemechaniker und der Elektroniker für Automationstechnik, sind bereits systemorientiert und auf branchenübergreifende Zusammenarbeit ausgelegt. Die Ausbildungsordnungen sind zudem ausreichend
flexibel, um eine Anpassung an die betrieblichen Erfordernisse und an die technische Entwicklung
durch die zunehmende Digitalisierung zu ermöglichen. Hier kommt es ggf. auf passgenaue Ergänzungen in den Lehrplänen an, was aber in der Aufgabe der Wirtschafts- und Sozialpartner liegt.
Gleichwohl müssen aus Sicht der VSW die Rahmenbedingungen im Freistaat zielgerichtet
verbessert werden. So sollten die landesrechtlichen Vorgaben zur Klassenbildung für neue
Ausbildungsberufe flexibel gehandhabt werden, um diese bei Auszubildenden und Unternehmen zu befördern. Des Weiteren ist die Ausstattung der Berufsschulen bedarfsgerecht zu
verbessern, damit neue Lehrinhalte auch entsprechend vermittelt werden können.
Neben der schulischen, dualen und akademischen Ausbildung ist die Qualifizierung von Beschäftigten zur Anpassung an sich ändernde Anforderungen wichtig. Die Weiterbildung der Mitarbeiter ist
eine bereits sehr intensiv gelebte betriebliche Praxis, wobei Arbeitnehmer mit unterdurchschnittlichen
Einkommen sowie mittelständische Firmen direkt gefördert werden können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich absehbar ein erhöhter Bedarf an IT- und Softwarekompetenzen ergibt, die Digitalisierung darüber hinaus aber weitergehende Änderungen mit sich bringen wird. Dies liegt in einem mit
der Digitalisierung einhergehenden Arbeitswandel begründet, wobei insbesondere Aufgaben von
Produktions- und Wissensarbeitern verschmelzen sowie kurzfristige und weniger planbare Arbeitstätigkeiten und die Interdisziplinarität zunehmen. Damit wachsen die Komplexitätsanforderungen an
die Mitarbeiter weiter. Denken in Systemen und interdisziplinären Zusammenhängen wird essentiell.
Auch mit veränderten Problemlösungsanforderungen muss sich der Mitarbeiter auseinandersetzen,
da Prozesse und Wertschöpfungsnetze zunehmend den Workflow prägen. Damit müssen auch
Facharbeiter ein ganzheitlicheres Verständnis der Zusammenhänge entwickeln, während Ingenieure
übergreifende Kompetenzen in Systems Engineering und Informatik benötigen. ix
Die VSW befürwortet daher die fortgesetzte, direkte und themenoffene Unterstützung von Arbeitnehmern und mittelständischen Unternehmen bei Weiterbildungsmaßnahmen sowie deren
ausreichende finanzielle Ausstattung insbesondere über ESF-Mittel. Im Interesse einer intensiveren Qualifizierung für den digitalen Wandel sollten abweichend von den allgemeinen Praxis
auch Firmen bis 500 Mitarbeiter (Weiterbildungsscheck betrieblich) und Arbeitnehmer bis zu
einem monatlichen Bruttoeinkommen von 4.000 EUR (Weiterbildungsscheck individuell) bei
Weiterbildungsmaßnahmen in diesem Bereich unterstützt werden.
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6.
Vertrauen in digitale Lösungen stärken: IT-Sicherheit durch adäquate Ausstattung
des Cybercrime-Competence Center Sachsens verbessern und Mittelstand im Aufbau von Abwehrinstrumenten unterstützen
In der digitalisierten Wirtschaft sind Daten ein wesentlicher Rohstoff. Diese müssen sicher vor dem
Zugriff Dritter sein. Die digitale Öffnung von ehemals klar gezogenen Unternehmensgrenzen, inklusive der starken Nutzung drahtloser Kommunikation, erleichtern Angriffe auf Informations- und Kommunikationssysteme sowie sensible Datenbestände in Unternehmen. x
Die Abwehr von IT-Risiken ist eine wichtige prozessuale Aufgabe in Unternehmen. Immer mehr Firmen arbeiten daran, Mitarbeiter, Lieferanten und Kunden intensiv für Informations- und Cybersicherheit zu sensibilisieren. Insbesondere der industrielle Mittelstand sieht Informationssicherheit aber als
größte Herausforderung der Digitalisierung, was Investitionen in neue digitale Technologien
hemmt. xi
Für Wirtschaft und Gesellschaft ist Sicherheit ein hohes Gut und ein entscheidender Standortfaktor.
Für den Freistaat gilt es, das Vertrauen in digitale Lösungen zu stärken und die Rahmenbedingungen im Bereich IT-Sicherheit national und europäisch weiter zu verbessern. Einem unberechtigten
Zugriff von Hackern und Cyberkriminellen genauso wie von Sicherheitsbehörden jeglicher Art auf
vertrauliche Daten und Know-how muss verlässlich vorgebeugt werden.
Die VSW befürwortet daher die vorgesehenen Maßnahmen zur Gewährleistung der Informationsund Cybersicherheit für Bürger und Unternehmen. Wichtig ist zum einen, dass der Staat ausreichend Mittel zur eigenen Abwehr von Cybercrime zur Verfügung stellt und zum anderen insbesondere mittelständische Firmen im Aufbau adäquater Abwehrmaßnahmen unterstützt.
Die VSW begrüßt insbesondere den avisierten Ausbau des Cybercrime-Competence Centers
sowie proaktive Maßnahmen wie das angedachte Sicherheitsmonitoring für mittelständische
Firmen, wenngleich Letzteres nur auf freiwilliger Basis nach vorheriger Zustimmung erfolgen
sollte. Des Weiteren plädiert die VSW für eine fortgesetzte Unterstützung der IT-Sicherheit in
Unternehmen über die Mittelstandsrichtlinie.
Die Wirtschaftsverbände sind darüber hinaus gern bereit, gemeinsam mit dem Innenministerium und
dem Landeskriminalamt Sachsen an der weiteren Sensibilisierung der Unternehmen in Sachsen für
eine Erhöhung der IT-Sicherheit mitzuwirken.
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7.
Digitale Technologien in der öffentlichen Verwaltung nutzen: Chancen für Bürokratieabbau, neue Anwendungen und Bürgernähe wahrnehmen
Der Alltag wird zunehmend durch die Nutzung von Smartphones, Tablets, Laptops, etc. technologisch durchdrungen. Dies eröffnet auch große Potentiale durch nachhaltige Veränderungen im Verwaltungsbereich und eine wachsende gesellschaftliche Ausrichtung auf digitale Lösungen. Mit der
Digitalisierung von Behördendiensten von der lokalen bis zur Bundesebene gehen Effizienzsteigerungen durch Kosten- und Zeiteinsparungen bei den Nutzern und Anbietern einher, da persönliche
Verwaltungsgänge durch eine digitale Vernetzung überflüssig werden. Hiervon können Bürger sowie
Verwaltungen gleichermaßen profitieren.
Umso bedauerlicher ist, dass die digitale Verwaltung in Deutschland weit unter den technischen
Möglichkeiten bleibt und im internationalen Vergleich entsprechend schlecht abschneidet. Dies gilt,
obwohl im Rahmen der Digitalen Agenda und des deutschen eGovernment-Gesetzes inzwischen
wichtige rechtliche Grundlagen existieren sowie durch den IT-Planungsrat ein Koordinator im föderalen System geschaffen wurde. Im Gegensatz zu anderen wichtigen Wettbewerbsregionen steht in
Deutschland der Bevölkerung nur ein begrenztes Angebot an Online-Services und Daten zur Verfügung. Ähnlich problematisch ist die Einschätzung beim Thema Open Data. Dabei zeigen zahlreiche
andere Länder, wie mit Datensätzen und Informationen, wie beispielsweise Geodaten, Verkehrsinformationen oder andere Statistiken, wirtschaftliche Aktivitäten stimuliert werden können.xii
Die VSW begrüßt daher grundsätzlich die avisierten Aktivitäten des Freistaates, mit der die
Digitalisierung der Verwaltung und öffentlicher Institutionen vorangetrieben werden sollen.
Insbesondere der Aufbau des sächsischen Open Data Portals und der Ausbau des ServicePortals Amt24 sind Schritte in die richtige Richtung.
Gleichwohl fehlen an dieser Stelle für die Wirtschaft in Sachsen wichtige öffentliche Verwaltungsstellen, wie die Finanzämter, das Statistische Landesamt oder die Sächsische Aufbaubank, obwohl hier
bei einem planvolleren Einsatz digitaler Technologien unzweifelhaft Effizienzpotentiale mit entsprechender Entlastung gehoben werden könnten. Zudem bleibt „Building Information Modeling“ (BIM)
als absehbarer Trend im bauindustriellen Bereich unberücksichtigt, was entsprechend geändert werden sollte.
Die VSW fordert an dieser Stelle, dass sich der Freistaat die klare Zielstellung gibt, bundesweit zum Vorreiter im Einsatz digitaler Technologien zum Abbau bürokratischer Lasten für
Unternehmen zu werden und sich hierdurch einen wahrnehmbaren Standortvorteil im Ländervergleich zu erarbeiten.
Dresden, 12.10.2016
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i Siehe:
BDI (2015): Die digitale Transformation der Industrie.
Vgl. BDI (2016): Digitalisierung im Mittelstand zum Erfolg führen.
iii Vgl. Fraunhofer IAO (2013): Produktionsarbeit der Zukunft – Industrie 4.0.
iv Siehe: BDI/PwC-Mittelstandspanel, Herbst 2015.
v Vgl. BDI (2016): Digitalisierung im Mittelstand zum Erfolg führen.
vi Vgl. BDA (2015): Arbeitswelt 4.0 – Chancen nutzen, Herausforderungen meistern.
vii Vgl. BDI (2016): Digitalisierung im Mittelstand zum Erfolg führen.
viii Vgl. IW Köln (2016): Qualifikationsbedarf und Qualifizierung - Anforderungen im Zeichen der Digitalisierung.
ix Vgl. ZVEI (2015): Kernthema: Qualifizierung für Industrie 4.0.
x Vgl. BDI (2016): Digitalisierung im Mittelstand zum Erfolg führen.
xi Siehe: BDI/PwC-Mittelstandspanel, Herbst 2015.
xii Vgl. IW Köln Consult (2016): eGovernment in Deutschland - Bedeutung und Potenzial für das deutsche
Innovationssystem.
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