Ausgabe 40 14. Oktober 2016 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Mittelstand Deutsche Unternehmen investieren stark ins Ausland Das Engagement deutscher Unternehmen im Ausland ist sehr hoch. Nur britische und US-Unternehmen investieren mehr T rotz zunehmender Kritik an Selbst in einem Risikoszenader Globalisierung in der deutrio für den Fall, dass es bis 2030 in Sachen Globalisierung Rückschläschen Bevölkerung sind die deutschen Unternehmen sehr aktiv im ge geben könnte, wären die deutAusland. Nach den USA und Großschen Direktinvestitionen (FDI) noch sehr hoch. Die Studie würde britannien vergeben sie die meisdann von FDI im Umfang von 500 ten Direktinvestitionen ins AusMilliarden Euro ausgehen. land. Seit Beginn der 1990er Jahre Besonders der deutsche sind die ausländischen DirektinDienstleistungssektor werde künfvestitionen deutscher Unternehmen um acht Prozent jährlich getig noch stärker auf Direktinvestistiegen. Zuletzt lagen sie bei 1.600 tionen setzen, so Diederich. „Die Milliarden US-Dollar, wie aus der Nähe zum Kunden ist für dieses aktuellen UniCredit-Studie „InterSegment entscheidend, um auf Deutschlands Direktinvestitionen sind deutlich höher als die italienispezifische Marktgegebenheiten nationalization of companies by schen und österreichischen. vor Ort schnell reagieren zu kön2030“ hervorgeht. „Selbst in den Krisenjahren nach 2008 wuchsen nen und damit im internationalen die Unternehmen im Ausland. Und daran ge. Den Berechnungen zufolge werden die Wettbewerb zu bestehen.“ Zum wichtigsten wird sich auch mittelfristig nichts ändern“, Direktinvestitionen deutscher Unterneh- Kernmarkt für deutsche Direktinvestitiosagt Michael Diederich, von der UniCredit. men bis 2030 noch einmal fast doppelt nen zählen weiterhin die Länder der EuUm die 27.000 deutsche Unterneh- so stark um etwa 1.200 Milliarden Euro ropäischen Union. Die USA sind aber auf men investieren aktuell im Ausland. Mit- wachsen. „Neben niedrigeren Lohn- und Landesebene das bedeutendste Zielland für tels eines entwickelten makroökomischen Transportkosten sowie der Vermeidung deutsche Direktinvestitionen – gefolgt von Modells wurden in der Studie langfristige von Währungsrisiken sind vor allem die Er- Großbritannien, Luxemburg und den NiePrognosen für das Investitionsverhalten schließung neuer Märkte und die Realisie- derlanden. der deutschen Unternehmen erarbeitet. rung von Wachstumschancen die treibende Die Studie geht von weiteren InvestitiWachstums- und Bevölkerungsprojektio- Kraft für Direktinvestitionen“, so die Studi- onen in Höhe von 400 Milliarden Euro in den kommenden 15 Jahren aus. In die USA nen der OECD bildeten dafür die Grundla- enautoren. Analyse Energiewende belastet Mittelstand Die Energieausgaben sind aufgrund der EEG-Umlage und der Netzentgelte in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Mit Blick auf ausländische Konkurrenten sind deutsche Mittelständler in Sachen Energiekosten im Nachteil. Das liegt nicht etwa an den Strompreisen, sondern viel mehr an den hohen vom Staat gewollten Abgaben. Neben den Netzentgelten ist auch die EEG-Umlage deutlich gestiegen. Seit 2010 hat sich die Höhe der EEG-Umlage beispielsweise verdreifacht. Das geht aus einer Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung Köln hervor. Während also die Energiebeschaffungskosten seit 2012 rückläufig sind, steigen die Energiekosten. Wie stark der Mittelstand darunter leidet, zeigt ein Blick auf die Differenz zwischen den Energiebeschaffungskosten und den tatsächlichen Energiegesamtausgaben. Zwischen 2009 und 2014 ist diese Differenz im Verarbeitenden Gewerbe um 18 Prozent gestiegen. Bei den Mittelständlern erfuhr die Differenz einen Anstieg um 70 Prozent. Das Problem: Die mittelständischen Betriebe erfüllen meist nicht die Kriterien für besonders energieintensive Unternehmen. So können sie oft keine Ermäßigungen oder Ausnahmeregelungen von den staatlichen Abgaben geltend machen. „Für Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig bleiben wollen, bedeutet dies einen gravierenden Nachteil, denn ihre Konkurrenten im Ausland sind nicht der gleichen steigenden Abgabenbelastung ausgesetzt wie sie selbst“, so die Autoren der Studie. Das schmälert die Investitionsfähigkeit deutscher Mittelständler und weckt ein Interesse an Standorten im Ausland mit geringerer Abgabenlast. 1 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |40/16 Wohin fließen die meisten FDIs deutscher Unternehmen? werden voraussichtlich noch einmal 200 Milliarden Euro und nach China etwa 75 Milliarden Euro fließen. Die Studienautoren gehen davon aus, dass durch TTIP die Direktinvestitionen deutscher Unternehmen in die USA und umgekehrt nach Abschluss der Verhandlungen noch größer werden. Wichtig in diesem Zusammenhang sei, dass die FDIs auch positive Effekte auf die deutsche Wirtschaft im Land haben wer- 14. Oktober 2016 den. Unternehmen würden wettbewerbsfähiger und könnten ihre Verkäufe auf nationaler und internationaler Ebene erhöhen. Das würde letztlich auch die Arbeitsplätze in Deutschland sichern können, so die Studie. Der Deutschen Industrie- und Handelskammer zufolge wollen 47 Prozent der heimischen Unternehmen in diesem Jahr ins Ausland investieren. Das ist der höchste Wert seit Beginn der Befragungen in den 90er Jahren. Mittelstand Mittelständler sollten Commodity-Märkte meiden In Zeiten zunehmender Internationalisierung ist es für mittelständische Unternehmen extrem wichtig, sich zu spezialisieren B islang konnten Mittelständler sich auch am Commodity-Markt behaupten, doch der Druck durch die Internationalisierung steigt. Gerade in diesen Bereichen, wo standardisierte Produkte von einigen Unternehmen hergestellt werden, entscheiden Einkaufpreise meist über Gewinne. Großkonzerne, die größere Mengen von Rohstoffen abnehmen können, sind hier im Vorteil gegenüber Mittelständlern. Das spürte auch ein deutscher Unternehmer, den wir im Folgenden aus Datenschutzgründen FSchaum nennen wollen. F-Schaum verkaufte Jahrzehnte standardisierte Schaumverpackungen und technische Formteile für Arznei- und Lebensmittel. Vater und Sohn hatten gemeinsam die Geschäftsführung inne und das Unternehmen erzielte nur marginale Gewinne, zu stark war der „Preiskampf gegen die Oligopolitik“, heißt es in dem neuen Buch von Heiner Kübler und Carl A. Siebel, „Mittelstand ist eine Haltung. Die stillen Treiber der deutschen Wirtschaft“. Trotz der sich anbahnenden Probleme überließ der Vater letztlich das Ruder seinem Sohn und machte damit den Weg für einen möglichen Neuanfang frei. Tatsächlich folgte auf den Führungswechsel auch ein Strategiewechsel. Der Sohn setzte darauf, mehr Innovationen voranzutreiben und über neuartige Schaumverpackungen und Formteile nachzudenken – stärker angepasst auf die Bedürfnisse Innovation und Spezialisierung sind unerlässlich. der Kunden. Gleichzeitig wurden Patente angemeldet. Das Unternehmen wandelte sich vom Commodity- zum SpecialityAnbieter. Dank offener Unternehmenskultur und vielen Gesprächen mit den Mitarbeitern gelang der Umbau in nur vier Jahren. Der Umsatz stieg von 33 Millionen im ersten Jahr auf 50 Millionen im sechsten nach dem Führungswechsel. Ebenso konnte die Rendite verbessert werden. Nach drei Jahren wurde eine Rendite in Höhe von sechs Prozent erreicht, nach Foto: Flickr/Dave Shea/CC by nc nd2.0 sechs Jahren lag diese fast schon im zweistelligen Bereich. Der deutsche Mittelstand ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Vor allem viele Unternehmen, die außerhalb des Rampenlichts großer Konzerne agieren, prägen die Wirtschaft Deutschlands. Sie sind Impulsgeber, Wertebewahrer und Exportmeister. Zusammen mit Econ-Verlag werfen die Deutschen Mittelstands Nachrichten in ihrer Reihe „Das bewegt den Mittelstand“ einen genauen Blick in die Welt der leisen Sieger. 2 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |40/16 14. Oktober 2016 Innovation Wettlauf zum Mars: Boeing will Space X schlagen Tesla-Gründer Elon Musk bekommt bei seinem Plan, den Mars zu besiedeln, Konkurrenz. Boeing will zuerst den Mars erreichen G enau 47 Jahre nachdem die Menschen live an den Bildschirmen Neil Armstrong beim Gang auf dem Mond zusahen, ist ein neuer Wettkampf ums All entflammt. Diesmal steht der Mars im Vordergrund. Tesla-Gründer Elon Musk will mit seinem Raumfahrtunternehmen SpaceX den Mars besiedeln. Doch damit ist Musk nun nicht mehr allein. Ausgerechnet Boeing, das bereits den USA dabei half, die Sowjetunion im Rennen um den Mond zu schlagen, hat nun auch Interesse bekundet. Während der Technologiekonferenz „What’s Next“ in Chicago äußerte sich Boeings CEO, Dennis Muilenberg sehr direkt hinsichtlich einer möglichen Marsmission. „Ich bin überzeugt, dass die erste Person, die einen Fuß auf den Mars setzt, diesen mit einer Boeing-Rakete erreicht haben wird“, zitiert ihn die Nachrichtenagentur Bloomberg. Bereits im Sommer 2014 hatten Boeing und die NASA einen Vertrag geschlossen, der vorsieht, das neue Space Launch System zusammen zu bauen. Mit dieser Rakete sollen einmal bis zu sechs Astronauten zum Mars reisen können. Doch neben der Arbeit mit der NASA interessiert sich Boeing auch für Boeing arbeitet mit der NASA am Space Launch System. Die Rakete soll später Astronauten zum Mars fliegen. Foto: Screenshot Boeing den Weltraum-Tourismus. Während der Konferenz machte Muilenberg deutlich, dass Weltraum-Tourismus in den nächsten Dekaden ein florierender Markt sein werde“. Man werde für diese neue Ära der Touristen Raumschiffe bauen. Allerdings müssten dafür die Kosten noch drastisch sinken, so Muilenberg. Diese Art von Geschäftsmodell sei noch nicht abgeschlossen. „Die Zukunft der Innovation muss nicht nur die Technologie miteinbeziehen, sondern auch die Wirtschaftlichkeit.“ Boeing und SpaceX sind nicht die einzigen Mars-Anwärter. Mars One, eine nichtkommerzielle Organisation aus den Niederlanden will 2026 eine Reise zum Mars ohne Rückflug durchführen. Allerdings sind sich die Experten hier nicht einig, wie realistische die Planer der Organisation tatsächlich sind. Innovation Datenübertragung per Berührung Mit einem Fingerabdruck-Scanner können Daten wie Passwörter durch den Körper hindurch gesendet werden P asswörter eingeben oder versenden ist wie beim Senden von sensiblen Daten immer mit dem Risiko verbunden, dass jemand unerwünscht die Daten an sich nimmt. Forscher der University of Washington haben sich deshalb mit einem neuen Weg der Informationsübertragung auseinandergesetzt. Dafür haben sie auf schon bekannte Hardware von Smartphones zugegriffen. Vikram Iyer und Mehrdad Herras nutzen den Fingerabdruck-Scanner und den menschlichen Körper zur Datenübertragung. Die Rede ist von On-Body Trans- mission. Zwar ist das Senden der Daten durch Fleisch, Knochen und Blut nicht so schnell wie WIFI oder Bluetooth, aber es wäre sicher vor Hackerangriffen. Mit 25 und 50 Bits pro Sekunde werden die Daten durch den Körper geschickt. Wie das funktioniert: Man nimmt in die eine Hand ein Smartphone oder ein Notebook mit einem Fingerabdruck-Scanner. Mit der anderen Hand greift man beispielsweise nach einer Tür, die mit einem modifizierten Smartlock gesichert ist. Legt man den Finger dann auf das Schloss des Türgriffs, öffnet sich die Tür. Doch statt die notwendigen Daten zur Türöffnung Mit 25 oder 50 Bit pro Sekunde werden die Informationen durch den Körper gesendet. Illustration: Vikram Iyer, University of Washington 3 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |40/16 Kontaktdaten könnten schnell und einfach nur durch einen Handschlag ausgetauscht werden. Foto: Flickr/The U.S. Army/CC BY 2.0 per Bluetooth oder NFC zu senden, fließt die kodierte Schlüsselfrequenz mittels einer elektromagnetischen Niederfrequenzwelle vom Fingerabdruck-Scanner durch den Körper zum Finger, der das Schloss berührt. Die Niederfrequenzwelle wird dabei von dem Fingerabdruck-Scanner erzeugt. „Fingerabdruck-Scanner sind bisher nur als Eingabegeräte verwendet worden“, sagt Shyam Gollakota, von der University of Washington. „Es ist cool, dass wir zum ersten Mal gezeigt haben, dass Fingerabdruck-Scanner umprogrammiert werden können, um Informationen durch den Körper zu versenden.“ Die Körpergröße und der Umfang der Person spielen dabei keine Rolle. Und statt mit dem Finger könnte die Tür auch durch das Auflegen von Bauch, Fuß oder Ohr geöffnet werden. Dadurch, dass die Daten nicht in irgendeiner Weise über 14. Oktober 2016 den Luftweg gesendet werden, ist es auch kaum möglich, illegal auf die gesendeten Daten zuzugreifen. Neben Schlössern ließen sich Daten so auch auf medizinische Geräte wie Insulinpumpen oder Wearables etc. übertragen. Die beiden Wissenschaftler Iyer und Hessar haben diese Datenübertragung mit dem iPhone-Scannern, Lenovo-Trackpads und auch mit dem Adafruit capacitive touchpad getestet. Zehn verschiedenen Daten wurden durch die Körper sehr unterschiedlich gebauter Menschen gesendet. Selbst, wenn sich die Person während der Übertragung bewegt hatte, wurden die Daten erfolgreich gesendet. Eine ähnliche Technologie stellte Panasonic kürzlich auf der CEATEC-Technikmesse in Japan vor. Auch hier geht es um eine Datenübertragung durch Berührung. Human body communication device nennt Panasonic die Technologie. Die Daten können von Mensch zu Mensch oder vom Menschen auf Gegenstände und umgekehrt übertragen werden. Dafür werden jeweils zwei Kommunikationsmodule benötigt. Diese können in Wearables, Handys oder Ähnlichem enthalten sein. Berühren sich die zwei Personen, werden über elektrische Felder Daten durch den Körper gesendet. Ein Handschlag, eine Berührung, reicht, um Informationen auszutauschen. Landwirtschaft Russlands Weizenexporte brechen alle Rekorde Russlands Weizenexporte übertreffen die Ausfuhren der USA und der EU. Milliardäre wittern ein unglaubliches Geschäft I n der Region zwischen der Schwarzmeerküste, dem Einzugsgebiet der Wolga und den Steppen Sibiriens erfährt Russlands Landwirtschaft einen neuen Boom. Der Fall des Rubels gegenüber dem Dollar um knapp 50 Prozent und die sehr guten Ernten der vergangenen Jahre ermöglichen es immer mehr lokalen Landwirten, ihre Weizenernte auf dem ausländischen Markt zu platzieren. Die russischen Weizenexporte sind in den letzten Jahren so stark angestiegen, dass sie in der vergangenen Saison die US-Exporte und in diesem Jahr nun sogar die EU-Exporte übertrafen. In Ägypten hat Russland die USA als größ- ten Weizenlieferanten ausgespielt und auch in Ländern wie Nigeria, Bangladesch und Indonesien hat sich das Land als Exporteur etabliert. Kein anderes Land der Welt hat in den vergangenen zehn Jahren ein stärkeres Wachstum im Weizenanbau erreicht wie Russland. „Russland wird sehr lange zu den besten Exporteuren gehören, vor allem, wenn man die Vorteile hinsichtlich der Produktivität mit einberechnet“, zitiert die Nachrichtenagentur Bloomberg Tom Basnett von dem australischen Rohstoffberatungsunternehmen Market Check. Fruchtbarer Boden, staatliche Unterstützung und die Nähe zum Schwarzen Meer sind ideal für den Weizenexport. Neben russischen Landwirten zieht diese Entwicklung auch zahlreiche Investoren ins Land, die weltgrößten Handelshäuser genauso wie Global Player à la Glencore PLC, die Olam International Ltd. und die Cargill Inc. Die hohen russischen Exporte haben allerdings auch zu einem Fall der Preise für Weizen geführt. Das Land hat nur begrenzte Speicherkapazitäten, die Ernte wird schnell exportiert – das setzt die Preise zusätzlich unter Druck. Der Preis für den vom Schwarzen Meer aus exportierten russischen Weizen sank im Juli auf den tiefsten Wert seit sechs Jah4 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |40/16 ren. Ende September lag er nach dem Institut für Agrarmarktstudien bei 169 Dollar pro Tonne. Es ist jedoch nicht nur der Weizen, den Russland erfolgreich exportiert. Mittlerweile sind die russischen Lebensmittelexporte Bloomberg zufolge mehr wert als alle russischen Exporte von militärischen Ausrüstungen zusammen. In den ersten sieben Monaten dieses Jahres machten die Lebens- und Nahrungsmittelexporte 5,5 Prozent der russischen Exporte aus – so viel wie zuletzt vor 15 Jahren. Die Öl- und Gasexporte sind noch deutlich höher, aber Russlands Führung rechnet mit weiteren Höhenflügen. Der russische Landwirtschaftsminister, Alexander Tkatschjow, sagte Russlands Präsident Putin, man werde in diesem Jahr die 14. Oktober 2016 Russlands Führung rechnet mit weiteren Höhenflügen beim Weizenanbau und -export. Foto: Flickr/ Dave Gunn/CC by nc 2.0 beste Ernte seit 25 Jahren einholen und diese werde in den kommenden zehn Jahren sogar noch um weitere 20 Prozent wachsen. Handel CETA soll ohne neue Regeln für Schiedsgerichte kommen Darüber werden sich vor allem die mächtigen Anwaltskanzleien aus den USA und Großbritannien freuen D ie EU könnte nach Informationen der Deutschen Mittelstand Nachrichten das Handelsabkommen CETA mit Kanada Ende Oktober ohne den öffentlich heftig diskutierten Teil zum sogenannten Investitions-Schutz vorläufig in Kraft setzen. Wie die Deutschen Mittelstand Nachrichten von mit dem Vorgang vertrauten Personen erfuhren, will der EU-Rat den CETA-Kritikern, allen voran der SPD, entgegenkommen und das Kapitel zum Investitionsschutz nicht vorläufig in Geltung setzen. Die EU-Kommission ist zwar weiter dafür, dass das Investitionsschutzkapitel ebenfalls in Kraft gesetzt wird, dürfte jedoch vom Rat überstimmt werden. Im Rat sitzen die Regierungen der Mitgliedsstaaten und diese müssen ihrer Basis Erfolge liefern. EU-Kommissarin Cecilia Malmström hatte bereits vor einigen Wochen in einem ORF-Interview in einem Nebensatz angedeutet, dass der Investitionsschutz außen vor bleiben dürfte. Tatsächlich gibt es viele Argumente gegen die Freihandelsabkommen CETA und TTIP. Vor allem im Hinblick auf die Arbeitsplatz-Versprechungen der Bundesregierungen ist größte Skepsis angebracht. TTIP etwa könnte unabhängigen Studien zufolge hunderttausende Arbeitsplätze vernichten. Doch ausgerechnet im Fall des Investitionsschutzes würde CETA eine dringend nötige Verbesserung für die EU-Staaten bringen. Die EU, die seit 2009 für die Verhandlung von Freihandelsabkommen und damit für alle Investitionsschutzregelungen zuständig ist, wollte mit der Regelung im CETA einen neuen „Goldstandard“ schaffen, wie ein Sprecher der Kommission den Deutschen Mittelstands Nachrichten sagte. Die Regelungen sollten für alle künftigen Freihandelsabkommen angewandt werden und damit den EUStaaten eine wesentlich bessere Struktur vor allem bei den sogenannten Schiedsgerichten bieten. Tatsächlich gibt es heute schon rund 200 bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen EU-Mitgliedstaaten. Außerdem gibt es ca. 1160 Investitionsschutzabkommen zwischen EU-Mitgliedstaaten und Drittstaaten. Der Energiechartavertrag, ein multilaterales Abkommen welches unter anderem alle EU-Mitgliedstaaten ratifiziert haben, bietet ebenso Investitionsschutz. Wie aktuell das Thema ist, zeigt der Fall Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland: Ein internationales Schieds- gericht in der US-Hauptstadt Washington verhandelt nun über die Klage des schwedischen Energiekonzerns wegen des Atomausstiegs. Das Unternehmen verlangt von Deutschland Schadenersatz in Höhe von 4,7 Milliarden Euro als Ausgleich für den beschleunigten Atomausstiegs nach dem Atomunfall im japanischen Fukushima. Dieser hatte die Abschaltung der Vattenfall-Kernkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel zur Folge. Die mündliche Verhandlung in Washington ist laut Vattenfall bis 21. Oktober terminiert. Ein Urteil erwartet das Unternehmen frühestens nächstes Jahr. Schiedsgerichte sind also längst Realität – und sie finden heute zum großen Teil unter der Schirmherrschaft der von den USA dominierten Weltbank statt. Alle Staaten – auch Deutschland – sehen Schiedsgerichte vor, wenn sie um ausländische Investoren buhlen. Das Bundeswirtschaftsministerium – also das Ministerium des prononcierten Schiedsgerichtsgegners Sigmar Gabriel – etwa schreibt: „Investitionsschutzverträge sichern Investoren, die im Ausland Direktinvestitionen tätigen, rechtlichen Schutz im Gaststaat zu. Dabei geht es u. a. um den Schutz gegen Enteignung ohne 5 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |40/16 EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström. Entschädigung, die Gewährung fairer und billiger Behandlung, den Schutz gegen Diskriminierungen oder den freien Transfer von Kapital und Erträgen.“ Durch diese völkerrechtlichen Verträge können ausländische Unternehmen vor Schiedsgerichten ihre Rechte geltend machen und unabhängig von nationalen Gerichten Klagen einreichen, wenn ihre Investitionen zum Beispiel völkerrechtswidrig enteignet wurden. Aus der Perspektive von ausländischen Investoren ganz wichtig: wenn es zu einem Streit zwischen der Person oder dem Unternehmen und dem „Gaststaat“ kommt, kann der Investor eine Schiedsklage vor einem unabhängigen Schiedsgericht einreichen. Der Investor stellt einen Schiedsrichter, der beklagte Staat den anderen Schiedsrichter und eine Institution, wie zum Beispiel die Schiedsstelle der Weltbank, stellt den Vorsitzenden. Diese Schiedsrichter haben meist verschiedene Hintergründe, wie zum Beispiel Anwälte von internationalen Anwaltskanzleien, renommierte Akademiker und manchmal sogar ehema- lige Beamte aus dem Außen- oder Justizministerium. Theoretisch ist diese Idee sinnvoll. Doch in ihrer aktuellen Ausgestaltung haben diese Investitionsschutzverfahren allerdings erhebliche Mängel. So zum Beispiel im Falle Argentinien. Das Land wurde fast zehn Jahre lang von ausländischen Investoren Geisel gehalten, inklusive „Geierfonds“ wie zum Beispiel Elliot Management, die so weit gingen, eine argentinische Fregatte zu beschlagnahmen, um ihre Schulden einzutreiben. Grund für die Misere: Argentinien musste 2001 drastische finanztechnische Maßnahmen ergreifen, um im Zuge der Finanzkrise im Land einen völligen Staatsbankrott abzuwenden. Nutznießer des vorherrschenden Systems sind zum Beispiel internationale Anwaltskanzleien die Millionen mit solchen „Investor-Staat“-Schiedsverfahren verdienen. International agierende Unternehmen profitieren ebenfalls davon. So sind Beispiel zurzeit Klagen gegen Italien anhängig, auch von deutschen Unterneh- 14. Oktober 2016 Foto: EU-Kommission men, weil das Land garantierte Einspeisevergütungen für Solarstrom nicht einhalten konnte. Mit Beginn dieses Jahres trat Italien aus dem Energiechartavertrag aus, vordergründig um die Mitgliedsgebühren einzusparen, in der Tat wahrscheinlich um sich vor weiteren Klagen zu schützen. Doch ist der Austritt nicht so einfach, der Energiechartavertrag hat eine besonders lange sogenannte „sunset clause“. Aufgrund dieser Klausel können Investoren mit bestehenden Investments noch 20 Jahre lang Klagen gegen Italien einreichen. Diese Klauseln bestehen übrigens auch in dem Großteil aller anderen bestehenden Investitionsschutzabkommen zwischen EU-Mitgliedstaaten und Drittstaaten. Drittfinanzierer profitieren auch von dem System, wenn sie je nach Geschäftsmodell einen von zehn Fällen gewinnen, lohnt sich der Deal. So gewann ein Drittfinanzierer erst kürzlich einen Fall gegen Venezuela (das Land mit den gegenwärtig am meisten anhängigen Schiedsklagen), der Schiedsspruch belief sich auf 1 Milliarde US-Dollar. 6 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |40/16 Momentan gibt es keinen Investitionsschutz zwischen Deutschland und Kanada. Investoren sind gänzlich auf die nationalen Gerichte angewiesen. Sollte CETA jemals in Kraft treten, könnten in Kanada ansässige Investoren Klagen gegen die 28 EU-Mitgliedstaaten einreichen. De facto könnten sie das allerdings bereits jetzt auch schon tun, indem sie ihre betroffenen Investitionen durch einen Drittstaat strukturieren, welcher bereits mit dem relevanten EU Mitgliedstaat ein Investitionsschutzabkommen geschlossen hat. Die 28 EU-Mitgliedstaaten haben ihrerseits bereits mehr als 1100 solcher Investitionsschutzabkommen mit Drittstaaten geschlossen. Deutschland alleine hat insgesamt über 150 solcher Abkommen geschlossen, einige davon aber sind bereits ausgelaufen oder frühzeitig beendet. Sollte es tatsächlich zu einem Austritt Großbritanniens aus der EU kommen, könnten in Großbritannien ansässige Unternehmen andere EUMitgliedstaaten theoretisch auch unter dem Investitionsschutzkapitels des Energiechartavertrags verklagen. Ursprünglich stand Deutschland dem Investitionsschutz in dem Abkommen zwischen Deutschland und Kanada kritisch gegenüber. Trotzdem gab es in der ersten Fassung des Abkommens, welches im August 2014 veröffentlicht wurde, ein Investitionsschutzkapitel. In diesem Kapitel ging es vor allem um den Schutz gegen Enteignung ohne Entschädigung, die Gewährung fairer und billiger Behandlung und den Schutz gegen Diskriminierung. Der ursprüngliche Entwurf sah vor, Streitsachen durch ein ad hoc-Schiedsgericht entscheiden zu lassen, welches unter den Regeln der Schiedsstelle der Weltbank ins Leben gerufen werden sollte. Also alles mehr oder weniger wie gehabt. Der nun endgültige CETA-Entwurf sieht vor, ein ständiges Schiedsgericht ins Leben zu rufen, welches Streitigkeiten zwischen kanadischen und europäischen Investoren auf der einen und Kanada und den europäischen Mitgliedstaaten auf der anderen Seite schlichten soll (CETA-Entwurf vom 29. Februar 2016, Artikel 8.27). Laut der Pressemitteilung der EU-Kommission soll das ständige Schiedsgericht mit mindestens 15 „hochqualifizierten und ethisch über jeden Zweifel erhabe- nen” Juristen bestellt werden. Der Schritt eines institutionalisierten Schiedsgerichts wurde in der letzten Minute, im Rahmen des sogenannten „legal scrubbing“, in den Vertragsentwurf aufgenommen. Dieses ständige Schiedsgericht soll nicht nur im Kontext des CETA agieren. Der wirkliche Grund hinter diesem institutionalisierten Schiedsgericht scheint, dass es als Blaupause für alle von der EU verhandelten Freihandelsabkommen dienen soll, wie zum Beispiel mit Singapur, Vietnam oder den USA. Das hieße also weg von dem vorherrschenden, fragmentierten ad hoc-System hin zu einer staatsfreundlicheren Variante – auf EU-Ebene. Diese Institutionalisierung bedeutet eine signifikante Verbesserung gegenüber dem aktuell gültigen System. So werden Schiedsrichter nicht mehr wie bisher von den beiden Streitparteien berufen. Stattdessen haben die EU und Kanada vereinbart, ein ständiges Schiedsgericht ins Leben zu rufen. Es ist wahrscheinlich, dass sowohl die EU als auch Kanada darauf bestehen werden, Schiedsrichter zu bestellen, die im Sinne des Staates entscheiden würden. Für den Fall eines Falles soll es sogar eine zweite Instanz geben. Außerdem stärkt der Entwurf des Abkommens den Ermessensspielraum von den Vertragsparteien, Gesetze zu erlassen, die dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Dies wäre ein drastischer Bruch mit dem bisherigen Schiedssystem. Im Übrigen sollen die Verfahren öffentlich sein. Ein vergleichbares Konzept, also ein ausgeklügeltes Transparenzsystem gibt es bereits: Am 1. April 2014 traten die Transparenzregeln der United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL) in Kraft. Diese Transparenzregeln stellen einen Quantensprung zur bisherigen Praxis dar. Unabhängig davon sind bereits jetzt viele der Schriftsätze und ein Großteil der Schiedssprüche öffentlich zugänglich. Der wichtigste Punkt könnte allerdings einer sein, den die Regierungen der EU-Staaten möglicherweise schon bald dringend brauchen werden: Sowohl der CETA-Entwurf von August 2014 als auch der Entwurf von Februar 2016 schließen Klagen im Rahmen von staatsbedingten Finanzkrisen aus. Eine sogenannte aufsichtsrechtliche Ausnahmeregelung „Pru- 14. Oktober 2016 dential Carve Out“ (Artikel 13.16, Version Februar 2016) sorgt dafür, dass die Vertragsparteien nicht dafür belangt werden können, zum Beispiel im Rahmen einer Finanzkrise Notmaßnahmen zu ergreifen. Hier heißt es inm CETA: „Dieses Abkommen hindert eine Vertragspartei nicht daran, aus aufsichtsrechtlichen Gründen angemessene Maßnahmen einzuführen oder aufrechtzuerhalten“, wie zum Beispiel „Maßnahmen zur Gewährleistung der Integrität und Stabilität des Finanzsystems einer Vertragspartei“. Dieser Passus kann verhindern, dass maroden EU-Mitgliedstaaten wie zum Beispiel Italien, Portugal oder Griechenland das gleiche langwierige Übel wie Argentinien oder Venezuela widerfährt. Da im Zuge der letzten Finanzkrise der Großteil der Schulden auf die Startebene gehoben wurde, ist das nicht unerheblich. 2009 bereits initiierte eine Chinesische Bank eine Schiedsklage gegen Belgien, ein Vorbote der Umkehr des bisherigen Konzepts „Investor aus einem entwickelten Land verklagt ein Entwicklungsland“. Außerdem brisant: Sollte CETA in Kraft treten, würde automatisch die Anwendbarkeit der sogenannten „sunset clauses“ in den Staatsverträgen zwischen EU-Mitgliedsstaaten und Kanada (Kanada und Kroatien, Tschechien, Ungarn, Litauen, Malta, Polen, Rumänien und der Slowakei) drastisch verkürzt werden (von zwischen 15 und 20 auf 3 Jahre). Bei einer parlamentarischen Enquete in Wien sagte die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, dass es sich beim CETA um ein [für die EU] „sehr gutes Abkommen“ handele. Laut Malmström seien die „Ängste nicht begründet“. Insbesondere wurde das alte Schiedssystem „reformiert, verschlankt, durchschaubarer gemacht und auf wenige Bereiche beschränkt“. Im Zuge dieser Reform arbeite die EU auch mit anderen Staaten an einem „neuen Investitionsgerichtssystem mit weltweiter Zuständigkeit“. Bereits im Februar veröffentlichte die EU-Kommission eine Pressemitteilung, in der sie die „Abkehr vom alten System der InvestorStaat-Streitbeilegung“ ausrief. In einem ORF-Interview erläuterte Malmström, dass die Bedenken aller Beteiligten – auch der Zivilgesellschaft – in den Entwurf eingearbeitet wurden. Malm7 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |40/16 ström sagte jedoch auch, dass es denkbar sei, dass das CETA – wie im europäischen Recht möglich und üblich – in seinem handelsrechtlichen Teil vorübergehend in Kraft gesetzt werden könne. Allerdings können die Verhandlungspartner, einzelne Teile wie den Schiedsgerichtsteil vom vorübergehenden Inkrafttreten ausnehmen. Damit aber würde der für die EU-Staaten wichtigste Teil wegfallen – nämlich eine Verbesserung der Schiedsgerichtsbarkeit. Malmström ist eine der wenigen Politiker, die auf dieses Dilemma sachlich hingewiesen haben. Fällt nämlich die Schiedsgerichtsbarkeit aus CETA oder CETA als Ganzes, wäre dies ein großer Erfolg für die global tätigen und mit großer Härte agierenden internationalen „law firms“: Sie könnten jeden einzelnen EUStaat vor sich hertreiben. Die EU könnte mit CETA eine echte Schutzfunktion für die Staaten übernehmen. Dass sie den Konflikt mit internationalen Konzernen nicht scheut, hat die EU-Kommission mit der Milliarden-Strafe für Apple bewiesen. Der Grund, warum dieser offenkundige Vorteil von den Regierungen in den EU-Staaten nicht offensiv adressiert wird, dürfte neben mangelndem Sachverstand darauf zurückzuführen sein, dass die Regierungen große Angst haben, ihren Bürgern die Wahrheit über die immer noch bedrohliche Schuldenkrise zu sagen: Denn tatsächlich werden im Falle der Zahlungsunfähigkeit eines EU-Staats die Gläubiger – vertreten von den großen angelsächsischen Anwaltskanzleien – nicht zögern, für ihre Ansprüche auch Rechtstitel zu erstreiten. Einen Passus für „Notmaßnahmen“, wie in CETA vorgesehen, gibt es flächendeckend in den bestehenden Abkommen nicht. Den vorliegenden juristischen Analysen von den CETA-Gegnern fehlt mitunter der fachliche Tiefgang. Ein Beispiel: Eine von „PowerShift, dem Verein für eine ökologisch-solidarische Energie- & Welt- wirtschaft e.V.“ und „Canadian Centre for Policy Alternatives (CCPA)“ herausgegebene Analyse des EU-Kanada-Freihandelsabkommens“ fehlt offenkundig die juristische Grundlage. So steht auf Seite 13: „Grundsätzlich ermöglicht Kapitel 8 des CETA den Investoren der jeweils anderen Vertragspartei vor einem Investitionstribunal auf hohe Entschädigungen zu klagen, wenn sie glauben, dass sie Verluste u.a. in Folge staatlicher Regulierungsmaßnahmen erlitten haben, z.B. bei Maßnahmen zum Gesundheitsschutz, dem Umwelt- oder Verbraucherschutz oder bei Markteingriffen zur Überwindung aktueller und zukünftiger Finanz- und Wirtschaftskrisen. Die Einführung solcher Privilegien für Investoren in CETA würde die globale Reichweite von ISDS erheblich erweitern und das Risiko von Rechtsstreitigkeiten auf Kosten des Gemeinwohls auf beiden Seiten des Atlantiks multiplizieren.“ Das klingt so, als ob das Investitionsschutzkapitel in CETA grundsätzlich allen Investoren erlaubt, eine Klage einzubringen, sobald der Staat irgendetwas tut, um dem Investor einen Verlust zu bescheren. Um diese dramatische These zu untermauern, zitieren die Autoren Pia Eberhardt’s „Internationale Politikanalyse“ sowie die ziemlich einseitige akademische Fachpublikation eines Professors von der London School of Economics. Die tatsächliche Rechtslage ist erheblich nuancierter. Staaten können nicht verklagt werden, sobald Regulierungen Verluste von Privatinvestoren auslösen. Nur wenn ganz bestimmte und spezifische Zusagen und Versprechen gegenüber Investoren gemacht wurden, in etwa wie im Falle von Irland steuerrechtliche Zusagen, und diese dann entgegen der bisherigen Aussagen zurückgenommen werden, können Unternehmen diese Kehrtwende unter strikten völkerrechtlichen Kriterien anfechten. Die Investitionsschutzabkommen dienen also auch gewissermaßen als Sicherheitsventil, um sicherzustellen dass Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Redaktion: Anika Schwalbe, Nicolas Dvorak. Sales Director: Kurfürstendamm 206, D-10719 Berlin. HR B 105467 B. Telefon: com. Erscheinungsweise wöchentliches Summary: 52 Mal pro www.deutsche-mittelstands-nachrichten.de 14. Oktober 2016 Staaten (durch ihre Politiker) sich jederzeit völkerrechtlich tragbar verhalten. Vor dem Zeitalter der Investitionsschutzabkommen wurde dies auf der Staatenebene durch den sogenannten diplomatischen Schutz ausgetragen. Weil aber Staaten immer mehr auch in der Privatwirtschaft mitmischen, wurde es als wünschenswert angesehen, diesen im Ansatz sinnvollen Mechanismus ins Leben zu rufen. Deutsche Investoren (Privatpersonen und Unternehmen) profitieren übrigens von diesem Mechanismus ganz besonders. Seit dem ersten Investitionsschutzabkommen zwischen Deutschland und Pakistan 1959 gehören deutsche Investoren zu der stärksten Klägerschaft. 2014 erst waren deutsche Kläger an der vierten Stelle (hinter Großbritannien, den Niederlanden und den USA), unter anderem wegen der signifikanten Anzahl von Investitionsschutz-Klagen gegen Spanien im Rahmen von staatlichen Zusagen bei Solarenergienetz-Einspeisungstarifen. Für die EU-Mitgliedstaaten und Kanada wäre das Inkrafttreten des Abkommens in dieser Hinsicht eine entscheidende Verbesserung zum Status Quo. Allerdings sieht es nicht so aus, als wären solche Abkommen überhaupt noch durchsetzbar. Das TPP, das Vorzeigeabkommen zwischen einer Vielzahl von Staaten in der Pazifikregion, unter anderem auch die Vereinigten Staaten, wurde von der Financial Times erst kürzlich für „klinisch tot“ erklärt. So steht die deutsche Öffentlichkeit vor einem Dilemma: Weil es die Bundesregierung versäumt hat, die Bürger ausführlich, nüchtern und vor allem unideologisch in den CETA-Prozess einzubinden, gingen in den vergangenen Monaten hunderttausende Menschen auf die Straße, um mit CETA gegen genau ein Abkommen zu protestieren, das den EUMitgliedsstaaten mit großer Wahrscheinlichkeit das Schicksal von Argentinien oder Venezuela ersparen könnte. Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV). Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. Copyright: Blogform Social Media GmbH, +49 (0) 30 / 81016030, Fax +49 (0) 30 / 81016033. Email: info@blogform-group. Jahr. Bezug: [email protected]. Mediadaten: [email protected]. 8
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