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Frau
Ingrid Arndt-Brauer, MdB
Vorsitzende des Finanzausschusses
Deutscher Bundestag
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Abt. Steuerrecht und
Rechnungslegung
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Unser Zeichen: Be/Gr
Tel.: +49 30 240087-64
Fax: +49 30 240087-99
13. Oktober 2016
Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer zum Gesetzentwurf eines „Gesetzes
zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen“ (KassenG)
Sehr geehrte Frau Arndt-Brauer,
gern nutzen wir die Möglichkeit, vor der Anhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages zum o. g. Gesetzentwurf Stellung zu nehmen.
Die Bundessteuerberaterkammer unterstützt als Körperschaft des öffentlichen Rechts jede
zielgerichtete Maßnahme des Gesetzgebers zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und
zur Verbesserung und Sicherung des Steuervollzugs. Grundsätzlich wird der vorgelegte Gesetzentwurf daher von uns begrüßt. Allerdings muss für die Steuerpflichtigen, die die erhöhten
Anforderungen an die Kassensysteme erfüllen, auch Rechtssicherheit geschaffen werden.
Zudem muss die Umsetzung des KassenG sicherstellen, dass die Umstellungen für die Unternehmen bürokratiearm und möglichst kostensparend erfolgen. Ein unverhältnismäßiger Aufwand durch überbordende Aufzeichnungspflichten, Zertifizierungen und regelmäßigen Anpassungen sollte möglichst vermieden werden. Dies würde auch zur allgemeinen Akzeptanz der
geplanten Maßnahmen wesentlich beitragen.
Besonders wichtig ist nach Auffassung der Bundessteuerberaterkammer, dass die aktuellen
Investitionen in Kassensysteme über die Nutzungsdauer von 6 Jahren geschützt werden. Die
im Kabinettsentwurf gefasste Übergangsregelung sollte beibehalten werden. Die geplanten
Maßnahmen treffen auch die weit überwiegende Zahl der ehrlichen Unternehmer, daher muss
die Umsetzung maßvoll und mit einem ausreichenden Vorlauf erfolgen. Nach derzeitigem
Stand sind die Anforderungen an die Kassensysteme noch nicht bekannt, so dass eine erhebliche Planungs- und Investitionsunsicherheit besteht.
Unsere Anmerkungen zu den konkreten Regelungen entnehmen Sie bitte der Anlage.
Mit freundlichen Grüßen
i. V. Claudia Kalina-Kerschbaum
Geschäftsführerin
Anlage
i. A. Inga Bethke
Referentin
Anlage
Stellungnahme
der Bundessteuerberaterkammer
zum Gesetzentwurf eines
„Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen
an digitalen Grundaufzeichnungen“
Abt. Steuerrecht und
Rechnungslegung
Telefon: 030 24 00 87-61
Telefax: 030 24 00 87-99
E-Mail: [email protected]
13. Oktober 2016
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Gesetzentwurf zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen
I.
Zentrale Forderungen
1.
Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen verhindern
Der Bundesrechnungshof hat bereits 2003 (vgl. Bundesdrucksache 15/2020) darauf aufmerksam gemacht, dass es konkrete Hinweise für den systematischen Betrug durch die Manipulation von Registrierkassen gibt. Zudem wurden im Rahmen von Betriebsprüfungen verschiedene Fälle aufgedeckt, in denen es in großem Umfang durch manipulierte Kassensysteme zu
Steuerhinterziehungen kam. In einem Fall wurden in wenigen Jahren rund 2,8 Mio. € Steuern
und Abgaben hinterzogen (vgl. Beschluss des FG Rheinland Pfalz vom 7. Januar 2015;
Az. 5 V 2068/14). Diese Situation belastet den Fiskus und die steuerehrlichen Unternehmen
gleichermaßen, da hieraus Steuerausfälle und Wettbewerbsverzerrungen resultieren. Die
Bundessteuerberaterkammer setzt sich als Körperschaft des öffentlichen Rechts und die Berufsangehörigen als Organ der Rechtspflege für die korrekte Anwendung des geltenden Steuerrechts ein. Steuerhinterziehung schadet dem Allgemeinwohl. Wir unterstützen jede zielgerichtete Maßnahme des Gesetzgebers zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und zur
Verbesserung und Sicherung des Steuervollzugs. Wir begrüßen daher grundsätzlich die vorliegende Initiative des Gesetzgebers.
2.
Übergangsregelung
Das BMF-Schreiben zur Aufbewahrung digitaler Unterlagen bei Bargeschäften vom 26. November 2010 sieht eine Übergangsregelung bis zum 31. Dezember 2016 vor. Die Steuerpflichtigen, die bisher noch nicht gehandelt haben, stehen daher in Kürze vor erheblichen Investitionsentscheidungen. Mit Inkrafttreten des KassenG sind weitere Investitionen nötig. Nach derzeitigem Stand sind die Anforderungen an die künftigen Kassensysteme noch nicht bekannt,
bzw. müssen durch das BSI erst im Detail entwickelt werden. Folglich besteht eine erhebliche
Planungs- und Investitionsunsicherheit. Der vorgelegte Gesetzentwurf berücksichtigt diese
Situation und hat die Übergangsregelung dahingehend erweitert, dass Registrierkassen, die
bauartbedingt nicht aufgerüstet werden können, längstens bis 31. Dezember 2022 weiter verwendet werden dürfen. Durch die Ausweitung der Übergangsregelung wurden die Belange der
Praxis berücksichtigt und über die Nutzungsdauer von 6 Jahren (2016 bis 2022) Investitionsschutz hergestellt. Dies stellt eine erhebliche Verbesserung gegenüber dem Referentenentwurf dar und wird von der Bundessteuerberaterkammer ausdrücklich begrüßt.
Umso kritischer sehen wir in diesem Zusammenhang die Stellungnahme des Bundesrates.
Nach Aussagen des Bundesrates ermöglicht es die erweiterte Übergangsfrist allen Unternehmern, die seit dem 26. November 2010 eine Registrierkasse angeschafft haben, 2 Jahre länger Manipulationssoftware einzusetzen. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass hiermit ein
falsches Signal gesetzt wird und führt aus, dass für die weitere Übergangsregelung kein
Bedürfnis besteht.
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Nach unserer Auffassung sollte man bei der Ausgestaltung der Übergangsregelung berücksichtigen, dass die geplanten Maßnahmen auch die weit überwiegende Zahl der ehrlichen
Unternehmer trifft. Daher muss die Umsetzung maßvoll und mit einer ausreichenden Frist erfolgen, damit die Unternehmer Planungssicherheit erhalten. Zu beachten ist, dass Unternehmen, die Manipulationssoftware einsetzen, bereits nach Inkrafttreten des KassenG schärfere
Sanktionen durch Anpassung der Bußgeldvorschriften drohen. Die Verkürzung der Übergangsfrist ist nach Auffassung der Bundessteuerberaterkammer nicht erforderlich.
3.
Rechtssicherheit bei Anschaffung neuer Kassensysteme
In der täglichen Arbeit der Steuerberater kann man in den letzten Jahren Tendenzen erkennen, dass Kassensysteme und Kassenaufzeichnungen von Mandanten verstärkt geprüft werden. Unternehmen in Branchen mit Barzahlungen haben in der Praxis häufig das Problem,
eine ordnungsgemäße Kassenführung zweifelsfrei nachzuweisen auch wenn es sich hier um
redliche Kaufleute handelt. In den letzten Jahren wurde in Betriebsprüfungen verstärkt dazu
übergegangen, insbesondere die formalistischen Anforderungen streng zu überprüfen, obwohl
keine tatsächlichen Anhaltspunkte für Manipulationen vorlagen. Für die Unternehmen ist der
überbordende Formalismus sehr unbefriedigend. Unternehmen, die die Anforderungen an
Kassensysteme umsetzen, müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Aufzeichnungen
nicht angezweifelt werden, sofern keine tatsächlichen Anhaltspunkte für Manipulationen hinzutreten. Diese Rechtssicherheit ist für Unternehmen, die diesen erheblichen Umstellungsaufwand bewältigen, von großer Bedeutung und könnte auch zur Verbesserung der Gesamtsituation beitragen.
Aus diesem Grund wäre es für die Praxis hilfreich, wenn im Nachgang zur Verabschiedung
des KassenG ein BMF-Schreiben entwickelt wird, welches die Anforderungen an die praktische Umsetzung im Zusammenhang mit der Nutzung von Kassensystemen und der Aufbewahrung und Erstellung von Kassenaufzeichnungen darstellt und dabei den Belangen der
Praxis ausreichend Rechnung trägt.
Zudem muss die Umsetzung des KassenG sicherstellen, dass die Umstellungen für die Unternehmen unbürokratisch und möglich kostensparend erfolgen. Ein unverhältnismäßiger Aufwand durch unnötige Aufzeichnungspflichten, Zertifizierungen und regelmäßige Updates sollte
möglichst vermieden werden. Dies würde die allgemeine Akzeptanz der geplanten Maßnahmen verbessern.
4.
Kernbereich des Anwendungsbereichs sollte im Gesetz geregelt werden
Der Entwurf sieht vor, dass in der KassenSichV bestimmt wird, welche elektronischen Aufzeichnungssysteme von den Regelungen umfasst sind. Die Bundessteuerberaterkammer
lehnt diese Gesetzestechnik als zu unbestimmt ab. Auch wenn aufgrund der komplexen technischen Fragen die detaillierte Ausgestaltung der Regelungen sinnvollerweise in der KassenSichV geregelt werden sollte, muss der „Kernbereich“ des Anwendungsbereichs im Gesetz
und damit unter Parlamentsvorbehalt bestimmt werden. Die Formulierung des § 1 KassenSichV sollte daher in das Gesetz übernommen werden und die KassenSichV wiederum detailliertere Ausführungen enthalten.
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Richtig ist, dass elektronische Buchführungssysteme von den Regelungen explizit ausgenommen sind. Dies sollte bereits das Gesetz festschreiben. Jedoch ist der Verweis auf „elektronische oder computergestützte Kassensysteme oder Registrierkassen“ zu unkonkret. Die
KassenSichV lässt offen, ob wie im Erlass vom 26. November 2010 bzw. in den GoBD auch
Waagen mit Registrierkassenfunktion, Geldspielautomaten, Taxameter und Wegstreckenzähler in die Regelung einbezogen werden sollen und ob die KassenSichV auch für Programme
wie „elektronische Kassenbücher“ für „offene Ladenkassen“ gilt, bei denen die Einnahmen
lediglich erfasst und nicht ermittelt werden.
II. Zu den einzelnen Vorschriften des KassenG
Artikel 1 zu Nummer 2 – § 146 Abs. 1 AO-E
Ausnahmen von der Einzelaufzeichnungspflicht gesetzlich normieren
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Einzelaufzeichnungspflicht erstmalig im Gesetz normiert wird. Damit wird die Möglichkeit zur Führung einer offenen Ladenkasse in der Praxis
erheblich eingeschränkt. Vorgänge sind nunmehr zwingend einzeln aufzuzeichnen. Bisher ist
die Einzelaufzeichnungspflicht in Verwaltungsanweisungen dargelegt. Hierzu wurden jedoch
durch die BFH-Rechtsprechung Ausnahmen zugelassen. Eine Einzelaufzeichnung der baren
Betriebseinnahmen ist nach der Rechtsprechung des BFH unter dem Aspekt der Zumutbarkeit
nicht erforderlich, wenn Waren von geringem Wert an eine unbestimmte Vielzahl nicht bekannter und auch nicht feststellbarer Personen verkauft werden (BFH-Urteil vom 12. Mai
1966, BStBl III 1966, S. 371). In der Gesetzesbegründung (zu Nummer 2) ist auf diese Ausnahme hingewiesen worden. Es ist zu befürchten, dass die geplante Änderung dazu führt,
dass die bisherige Ausnahme entfällt.
Petitum
Die Ausnahmen von der Einzelaufzeichnungspflicht dürfen nicht mit der Gesetzesänderung
überschrieben werden. In der Praxis ist es unzumutbar, Einzelaufzeichnungen zu führen,
wenn Waren von geringem Wert an eine unbestimmte Vielzahl nicht bekannter und auch nicht
feststellbarer Personen verkauft werden. Daher setzen wir uns dafür ein, dass die Ausnahme
zur Einzelaufzeichnungspflicht in § 146 Abs. 1 AO-E gesetzlich normiert wird, um in diesem
Bereich Rechtssicherheit zu schaffen. Untergesetzlich können Details dieser Ausnahmen –
wie bisher auch – in den GoBD geregelt werden.
Artikel 1 zu Nummer 3 – § 146a Abs. 1 AO-E
Aufzeichnungspflicht für andere Vorgänge
Künftig sollen neben den Geschäftsvorfällen auch „andere Vorgänge“ aufzeichnungspflichtig
sein, sofern elektronische Aufzeichnungssysteme genutzt werden.
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Positiv zu werten ist, dass die Gesetzesbegründung im Vergleich zum Referentenentwurf
konkretisiert wurde und hiernach „andere Vorgänge“ solche sind, die unmittelbar durch Betätigung der Kasse erfolgen (z. B. Tastendruck, Scanvorgang eines Barcodes). Im Weiteren wird
ausgeführt, dass hiervon Vorgänge im Geschäftsprozess zu verstehen sind, die letztendlich
nicht zu einem Geschäftsvorfall geführt haben oder grundsätzlich nicht dazu geeignet sind,
einen Geschäftsvorfall zu bewirken, aber einen Prozess im Unternehmen darstellen, wie z. B.
nicht abgeschlossene Geschäftsvorfälle, Stornierungen, erstellte Angebote, Trainingsbuchungen oder sonstige Vorgänge, soweit sie aus Gründen der Prüfung der vollständigen und richtigen Erfassung aller Geschäftsvorfälle von Bedeutung sind.
Petitum
Nach Auffassung der Bundessteuerberaterkammer ist die Bezeichnung dieser Sachverhalte
im Gesetzestext als „andere Vorgänge“ zu unkonkret und birgt die Gefahr, dass es weiterhin
zu Diskussionen in Betriebsprüfungen kommt. Ziel des Gesetzesvorhabens sollte sein, die
Anforderungen künftig möglichst konkret vorzugeben, um für Rechtssicherheit zu sorgen. Daher fordern wir, dass eine gesetzliche Legaldefinition des Begriffes „anderer Vorgang“ eingeführt wird. Diese könnte an die Formulierung aus der Gesetzesbegründung angelehnt werden.
Artikel 1 zu Nummer 3 – § 146a Abs. 1 letzter Satz AO-E
Verbot von Handel mit nichtzertifizierten Kassensystemen
Im Referentenentwurf war dem Wortlaut nach auch der weltweite Handel mit „nicht zertifizierten“ Kassensystemen generell verboten. Wir begrüßen es, dass die Anregung der Bundessteuerberaterkammer aufgenommen wurde und die Regelung nun auf den Handel „im Geltungsbereich dieses Gesetzes“ beschränkt wurde.
Artikel 1 zu Nummer 3 – § 146a Abs. 3 AO-E
Gesetzliche Regelung für den Kernbereich
Es ist zu befürchten, dass durch die KassenSichV künftig zusätzliche elektronische Aufzeichnungssysteme in den Normbereich einbezogen werden. Solche Änderungen und Ergänzungen der Vorschriften sollten dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben. Eine Verordnung kann
lediglich Durchführungsvorschriften und weitere Detaillierungen enthalten. So führt die Gesetzesbegründung zu § 146a Abs. 1 AO-E bei „anderen Vorgängen“ bereits jetzt aus, dass „andere Vorgänge“ auch „erstellte Angebote“ seien. Diese werden typischerweise jedoch nicht
mit einer Registrierkasse, sondern mit anderen Vorsystemen erstellt. Die Einbeziehung weiterer Vorsysteme wie beispielsweise Zeiterfassungs-, Rechnungserstellungs- oder Warenwirtschaftssysteme wäre jedoch eine abzulehnende erhebliche Ausweitung des unter Parlamentsvorbehalts verabschiedeten Anwendungsbereichs des Gesetzes und ein Eingriff in die
technische Organisationsentscheidung der Unternehmen.
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Im Kabinettsentwurf ist die Zertifizierungspflicht im Vergleich zum Referentenentwurf weitgehend eingeschränkt worden. Nunmehr sind nur noch die Anforderungen an das Sicherheitsmodul, das Speichermedium und die einheitliche digitale Schnittstelle durch eine Zertifizierung
des BSI nachzuweisen. Hiermit wurde eine wichtige Forderung der Bundessteuerberaterkammer umgesetzt. Dies begrüßen wir ausdrücklich.
Leider ist immer noch nicht klar genug formuliert, ob und welche Teile des „Archivsystems“
zukünftig ggf. auch einzubeziehen sind. Dies liegt auch daran, dass die KassenSichV noch
nicht veröffentlicht wurde.
Nach unserer Auffassung sollte die „digitale Schnittstelle“ so ausgestaltet werden, dass die
dafür berücksichtigten und strukturierten Daten auch für ein „selbsttragendes Archiv“ geeignet
sind. Ziel sollte sein, dass eine revisionssichere Archivierung der Daten in Verbindung mit der
technischen Sicherheitsvorkehrung außerhalb des Produktivsystems möglich ist. Dies ist notwendig, weil hiermit verhindert wird, dass die Auswertbarkeit nur durch ein Rückspiel in das
Produktivsystem (Kassensystem) gewährleistet ist. Ansonsten entstünden doppelte Datenhaltungen im Archiv.
Da es sich bei Kassendaten um Massendaten handelt, kann es nicht zielführend sein, die
„Originalformate/Datenbanken“ und die „für die Prüfung aufbereiteten Daten“ für die Aufbewahrungsfrist doppelt vorzuhalten. Dies würde auch dem Zweck der technischen Sicherheitsvorrichtung widersprechen, da ab dem Moment der Abrechnung die Unveränderbarkeit gewährleistet sein muss.
Artikel 1 zu Nummer 3 – Gesetzesbegründung zu § 146a Abs. 1 AO-E
Beobachtungspflicht bei Ablauf des Zertifikates
Die Gesetzesbegründung zu Absatz 1 sieht vor, wenn Umstände bekannt werden, wonach
eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung nicht mehr den gesetzlichen Anforderungen oder technischen Anforderungen der KassenSichV entspricht, dies auf der Internetseite
des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik und im Bundessteuerblatt Teil 1
veröffentlicht wird. Im Rahmen dieser Veröffentlichung wird darauf hingewiesen, dass die Zertifizierung nach Ablauf einer angemessenen Frist erlischt, sofern nicht innerhalb dieser Frist
den Anforderungen der KassenSichV zur Durchführung dieses Gesetzes entsprochen wird.
Es ist zwar nachvollziehbar, dass auf neu bekannt gewordene Manipulationsmöglichkeiten
reagiert werden muss und die Anforderungen entsprechend angepasst werden. Jedoch muss
oberstes Ziel sein, von Anfang an ein sicheres System zu etablieren und neue Anforderungen
nur in absolut notwendigen Fällen zu definieren. Andernfalls würde ein enormer Aufwand auf
die Steuerpflichtigen zukommen. Bei ihren Investitionsentscheidungen bei der Anschaffung
der Kassensysteme muss der Steuerpflichtige darauf vertrauen können, dass er ein System
erwirbt, das ihm über die Nutzungsdauer ausreichend Rechtssicherheit vermittelt.
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Andernfalls könnte die Situation eintreten, dass ein Steuerpflichtiger ggf. eine Kasse erwirbt,
die den (derzeitigen) Anforderungen entspricht aber z. B. durch ein Support-Ende des Herstellers, dessen Insolvenz oder anderer Ereignisse nach Ablauf der Nutzungsdauer nicht mehr
verwendet werden kann.
Petitum
Bei der Entwicklung des Systems sollte sichergestellt werden, dass der Steuerpflichtige im
Rahmen seiner Investitionsentscheidungen bei der Anschaffung der Kassensysteme darauf
vertrauen kann, dass er ein System erwirbt, das ihm über die Nutzungsdauer ausreichend
Rechtssicherheit vermittelt. Umrüstungen von gekauften und zertifizierten Systemen sollten
aus Kostengründen und erhöhten Beobachtungspflichten grundsätzlich vermieden werden.
Artikel 1 zu Nummer 3 und Nummer 4 – § 146b Abs. 2 und § 147 Abs. 6 Satz 2 AO-E
Kassen-Nachschau
Es ist vorgesehen, dass der Steuerpflichtige auf Verlangen Aufzeichnungen, Bücher sowie die
für die Kassenaufzeichnung erheblichen sonstigen Organisationsunterlagen vorzulegen hat.
Für die Durchführung der Kassennachschau ist das zwar grundsätzlich notwendig, jedoch
ergeben sich Unklarheiten hinsichtlich des Umfangs der Verpflichtungen. Dieser Punkt ist aber
für die praktische Umsetzung der Anforderungen von hoher Bedeutung. So bleibt unklar, auf
welchem Wege und in welcher Zeit die Datenbereitstellung zu erfolgen hat (Z1-, Z2- und Z3Zugriff analog der steuerlichen Außenprüfung?).
Weiterhin ist unklar, wie die Datenbereitstellung durch Dritte zu erfolgen hat. Bewahrt z. B. ein
steuerlicher Berater die Daten im Auftrag seines Mandanten bei sich oder in einem Rechenzentrum auf, darf die Vorschrift nicht dazu führen, dass sich der Prüfer bei der Einsichtnahme
direkt an das Rechenzentrum wendet oder vor Ort bei dem Steuerberater oder dem Rechenzentrum Einsicht nehmen will. Ein unangekündigtes Erscheinen des Prüfers lehnt die Bundessteuerberaterkammer ab, da die Kanzleiorganisation dies nicht zulässt.
Wir gehen davon aus, dass vielmehr die Einräumung und Verfügbarmachung der Einsichtnahme in die Daten beim Steuerpflichtigen gemeint ist unabhängig von ihrem physikalischen
Speicherort. Sofern ein sog. „Z3-Zugriff“ gewählt wird, kann ein entsprechender Datenträger
zur Überlassung an den Prüfer zur Verfügung gestellt werden.
Darüber hinaus führt die Gesetzesbegründung aus, dass auch die Bedienungsanleitungen
etc. vorzulegen sind. Diese Anforderung geht auf die derzeitige Rechtsprechung zu der Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung zurück, sollte jedoch in Zukunft durch die Einführung der
Zertifizierung entbehrlich sein.
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Petitum
Die Unklarheiten im Zusammenhang mit der Kassen-Nachschau und der Dateneinsichtnahme
beim Dritten sollten aufgeklärt werden. Die Erweiterung des Datenzugriffsrechts der Finanzverwaltung gegenüber dem Steuerberater in Bezug auf unangekündigte Kassen-Nachschau
lehnen wir ausdrücklich ab. Dies sollte gesetzlich klargestellt werden, da sich eine unangekündigte Nachschau in den Kanzleiräumen der Steuerberater nicht mit den Kanzleiabläufen
vereinbaren lässt.
Artikel 1 zu Nummer. 5 – § 379 AO-E
Sanktionierung von Verstößen
Künftig werden Verstöße gegen die Aufzeichnungsvorschriften sowie das „Bewerben" und das
„in den Verkehr bringen" nicht ordnungsmäßiger Aufzeichnungssysteme als Ordnungswidrigkeit gewertet und mit Geldbußen von bis zu 25.000,00 € geahndet. Die Bundessteuerberaterkammer begrüßt grundsätzlich die Maßnahme als Beitrag gegen Steuerhinterziehung.
Jedoch ist die Regelung insofern überschießend, als auch das leichtfertige „nicht Verwenden“
eines zertifizierten Systems in Verbindung mit einem „Steuergefährdungstatbestand“ sanktioniert wird. Auch für steuerehrliche Steuerpflichtige besteht ein erhebliches Sanktionierungsrisiko. Dadurch, dass die Zertifizierungen durch Updates ggf. häufig erneuert werden müssen,
könnten technisch wenig versierte Steuerpflichtige oder besonders kleine Unternehmen Gefahr laufen, erhebliche Geldbußen zu riskieren, obwohl sie keine Steuern verkürzen. Hinzu
kommt, dass sie durch diese „Unachtsamkeit“ des vergessenen Updates den Vertrauensschutz den die Zertifizierung vermittelt, verlieren und ggf. mit Hinzuschätzungen rechnen
müssen.
Petitum
Der Tatbestand sollte aus o. g. Gründen auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt
sein. Alternativ sollen diese Sachverhalte aus dem Gefährdungstatbestand ausgenommen
werden und mit der Verwirklichung einer Steuerverkürzung verknüpft werden.
Zu Artikel 2 – § 30 EGAO-E
Der vorgelegte Gesetzentwurf hat die Übergangsregelung dahingehend erweitert, dass Registrierkassen, die bauartbedingt nicht aufgerüstet werden können, längstens bis 31. Dezember 2022 weiter verwendet werden dürfen. Durch die Ausweitung der Übergangsregelung
wurden die Belange der Praxis berücksichtigt und über die Abschreibungsdauer von 6 Jahren
(2016 bis 2022) Investitionsschutz hergestellt. Dies ist eine erhebliche Verbesserung gegenüber dem Referentenentwurf und wird von der Bundessteuerberaterkammer ausdrücklich begrüßt. Gleichwohl sollte geprüft werden, ob die Übergangsregelung nicht einfacher ausgestaltet werden kann. Nunmehr gelten unterschiedliche Fristen.
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Unternehmer, die sich bauartbedingt nicht aufrüstbare Kassen angeschafft haben, dürfen diese Kassen bis zum 31. Dezember 2022 weiter verwenden. Alle anderen müssen sich bereits
zum 1. Januar 2020 eine neue Kasse mit einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung anschaffen. Eine einheitliche Übergangsregelung wäre in der Praxis eindeutiger zu vermitteln. Bei der aktuellen Regelung wird es voraussichtlich zu Missverständnissen kommen,
da unterschieden werden muss, ob die Kasse bauartbedingt aufrüstbar ist oder nicht.
III. Zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Betrug mit manipulierten Registrierkassen gesetzlich verhindern – Zeitgleich Abschreibungsregeln für geringwertige Wirtschaftsgüter verbessern“ (Drs. 18/7879)
Eine Anhebung der Betragsgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter i. S. d. § 6 Abs. 2 Satz 1
EStG ist mehr als überfällig, da der Betrag bereits seit 1965 mit 410,00 €, vormals 800,00 DM,
unverändert geblieben ist. Die damals mit der Einführung der GWG-Grenze bezweckte Vereinfachung für die Unternehmen wird bereits seit langem nicht mehr erreicht.
Eine deutliche Anhebung dieses Betrags, etwa auf 1.000,00 €, wäre nicht mehr als eine Anpassung des Betrags an die zwischenzeitliche Inflation und würde für viele kleine und mittlere
Unternehmen die Notwendigkeit entfallen lassen, aufwändige Berechnungen anzustellen, um
das Wahlrecht zwischen der Sofortabschreibung und der Einstellung in einen Sammelposten
ausüben zu können. Bei einer ausreichenden Anhebung der GWG-Grenze könnte vielmehr
u. E. auch § 6 Abs. 2a EStG wieder entfallen, mit dem die Sammelpostenmethode eingeführt
wurde.
Eine weitere Entlastung von Bürokratie könnte darüber hinaus erreicht werden, wenn der Wert
von 150,00 €, ab dem Wirtschaftsgüter in ein besonderes, laufend zu führendes Verzeichnis
aufzunehmen sind, ebenfalls angehoben würde.
Petitum
Nach Auffassung der Bundessteuerberaterkammer sollten beide Maßnahmen (Eindämmung
des Betruges mit Registrierkassen sowie Erhöhung der Abschreibungsgrenze für GWG) zusammengeführt werden. Auf diese Weise könnten die erforderlichen Kassenneuanschaffungen zumindest spürbar durch den steuerlichen Sofortabzug der Registrierkassen kompensiert
werden. Diese Maßnahme sollte schnellstmöglich umgesetzt werden, damit die positiven Effekte nicht ins Leere laufen.