Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Europa und

Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 16 / 656
16. Wahlperiode
Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Europa und Internationales
zu der Mitteilung des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung
und Migration vom 7. September 2016
– Drucksache 16/508
Unterrichtung des Landtags in EU-Angelegenheiten;
hier: Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines
Antrags auf Asyl oder subsidiären Schutz in einem der
Mitgliedsstaaten zuständig ist, der von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellt wird (Dublin IV)
Beschlussempfehlung
Der Landtag wolle beschließen,
von der Mitteilung des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration
vom 7. September 2016 – Drucksache 16/508 – Kenntnis zu nehmen.
28. 09. 2016
Der Berichterstatter:
Der Vorsitzende:
Andreas Deuschle
Willi Stächele
Bericht
Der Ausschuss für Europa und Internationales beriet öffentlich die Mitteilung des
Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration, Drucksache 16/508, in
seiner 3. Sitzung am 28. September 2016. Vorberatend hatte sich der Ausschuss
für Inneres, Digitalisierung und Migration in seiner 2. Sitzung am 21. September
2016 mit dieser Mitteilung befasst und empfohlen, von der Mitteilung Kenntnis
zu nehmen.
Abg. Dorothea Wehinger GRÜNE trug vor, ihre Fraktion kritisiere an der künftigen Dublin-IV-Verordnung, dass diese vorsehe, die Zuständigkeit für Asylsuchende und Flüchtlinge komplett auf die Mitgliedsstaaten der EU-Außengrenzen
abzuwälzen. Die Staaten an den Außengrenzen würden alleingelassen. Dort liefen
dann noch mehr Flüchtlinge auf, was die Länder massiv überfordere.
Ihre Fraktion halte es auch für problematisch, dass mit der vorgesehenen Neuregelung viele Ausnahmeregelungen abgeschafft würden. Insbesondere durch das
Solidaritätsverbot ergäben sich ganz erhebliche Härten gegenüber den Schutzsu-
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Ausgegeben: 10. 10. 2016
Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet
abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente
Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“.
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Drucksache 16 / 656
chenden. So sei es beispielsweise einzelnen Mitgliedsstaaten nicht mehr möglich, Asylsuchende aus humanitären Gründen aufzunehmen. Nach der DublinIV-Verordnung wäre beispielsweise eine Maßnahme wie das Hilfsprojekt für die
Jesidinnen nicht mehr zulässig. Die Jesidinnen müssten zurückgeschickt werden,
wodurch viele in die Illegalität getrieben würden. Ihre Fraktion halte die neue Verordnung daher für zu rigoros.
Abg. Wolfgang Drexler SPD brachte vor, seine Fraktion vertrete durchaus die Auffassung, dass eine Harmonisierung des Asylrechts in Europa unbedingt notwendig
sei. Das sei auch an der heutigen Situation erkennbar. Insbesondere der Aspekt der
Lastenverteilung sei positiv zu bewerten.
Wichtig sei seines Erachtens auch die Regelung, dass ein Mitgliedsstaat, der nicht
an dem Verteilmechanismus teilnehme, einen Solidarbeitrag von 250 000 € pro
Antragsteller an den Mitgliedsstaat zahlen solle, der an seiner Stelle den Antragsteller übernehme. Hier könnten sogar Milliardenbeträge auf einzelne Mitgliedsstaaten, insbesondere im Osten der Europäischen Union, zukommen. Vor diesem
Hintergrund müsse sich dann zeigen, ob sich die einzelnen Staaten solidarisch verhielten oder den Solidarbeitrag leisteten. Er bedauere zwar, dass in Europa zu solchen Maßnahmen gegriffen werden müsse, begrüße aber insgesamt den Vorschlag
der EU-Kommission zur Lastenverteilung.
Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP äußerte, er sei über die Äußerungen der Rednerin der Grünen etwas erstaunt, da die Landesregierung doch eigentlich eine andere Position vertrete.
Es könne durchaus darüber diskutiert werden, ob Dublin IV tatsächlich das Einfliegen der Jesidinnen berühre. Er bezweifle dies. Diesbezüglich müsste aber eine
Fachdiskussion geführt werden.
Im Moment gehe es jedoch nur darum, die Mitteilung zustimmend zur Kenntnis zu nehmen. Nach seinem Dafürhalten brauche es, nachdem Dublin III nicht
funktioniert habe, ein Dublin-IV-Abkommen. Die Flüchtlinge müssten in Europa
fair verteilt werden. Das sei der richtige Schritt. Wer sich dem entziehe, müsse
250 000 € zahlen. Das tue weh. Auch diese Maßnahme halte er für richtig.
Abg. Dr. Gerhard Aden FDP/DVP merkte an, er sei mit dem im Kommissionsvorschlag definierten grundsätzlichen Familienbegriff durchaus einverstanden. Es
könnten aber auch dann Familienzusammenführungen erfolgen, wenn sich die Familienverhältnisse während der Flucht änderten. Seines Erachtens könne das auch
zu einem Missbrauchsparagrafen werden, wenn beispielsweise ein Afghane und
ein Syrer nur heirateten, um so besser nach Europa zu kommen.
Abg. Joachim Kößler CDU bat das Innenministerium um Stellungnahme zu den
von der Abgeordneten der Grünen geäußerten Bedenken. Des Weiteren schlug er
vor, die Mitteilung zustimmend zur Kenntnis zu nehmen.
Abg. Dr. Wolfgang Gedeon (fraktionslos) gab zu bedenken, die Abgeordnete der
Grünen argumentiere, durch ein Verschärfen der Regelungen würden noch mehr
Menschen in die Illegalität getrieben. Das bedeute aber, dass die Maßnahmen, die
für richtig gehalten würden, nicht durchgeführt werden dürften, weil die Menschen
sich nicht daran hielten und in die Illegalität gingen. Die Konsequenz wäre für ihn
jedoch nicht, auf die Maßnahmen zu verzichten, sondern entsprechende Restriktionen vorzunehmen, sodass die Maßnahmen auch umgesetzt würden.
Abg. Andrea Schwarz GRÜNE präzisierte, die Kritik ihrer Fraktion richte sich
hauptsächlich gegen die Regelung der Dublin-Verordnung, die vorsehe, dass derjenige Staat für den Flüchtling zuständig sei, in dem der Flüchtling zum ersten Mal
europäischen Boden betrete. Diesen Staaten sollte ihres Erachtens nicht die gesamte Verantwortung aufgebürdet werden. Denn dann seien die Binnenstaaten in einer
glücklichen Lage. Diese Regelung sollte daher überprüft werden.
Ihre Fraktion spreche sich dagegen durchaus für eine europäische Verteilung und
für Konsequenzen in den Fällen, in denen ein Staat sich nicht am Verteilmechanismus beteilige, aus.
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Abg. Wolfgang Drexler SPD wies darauf hin, irgendwo müsse der Flüchtling registriert bzw. ordnungsgemäß gemeldet werden. Dann müsse ein Verfahren eingeleitet
werden. Das werde immer im Ankunftsstaat sein. Anders gehe es seines Erachtens
gar nicht. Das Neue sei nun gerade, dass die Flüchtlinge daraufhin verteilt würden.
Dies sei ein Vorteil.
Es habe sich gezeigt, dass es keinen Sinn mache, die Flüchtlinge vor der Registrierung zu verteilen. Damit nach der Registrierung die Verteilung auch gelinge,
werde der Solidarbeitrag eingeführt. Wer nicht solidarisch sei, müsse zahlen. Diese
Maßnahme halte er für richtig.
Seines Erachtens sei die Regelung, wonach das Land für den Flüchtling zuständig
sei, in dem der Flüchtling zum ersten Mal europäischen Boden betrete, kein Nachteil für die Anrainerstaaten. Nach der bisherigen Dublin-Verordnung hätten beispielsweise die vielen Flüchtlinge, die in Italien angekommen seien, auch in Italien
bleiben müssen. Nach dem jetzigen Vorschlag der Kommission sei das nicht mehr
so. Vielmehr würden die Flüchtlinge nach gewissen Regeln verteilt. Das halte er
für vernünftig. Es sei ein Fortschritt gegenüber dem, was bisher gegolten habe.
Vorsitzender Willi Stächele unterstrich, der Grundsatz, wonach die erste Prüfung
in dem Land durchgeführt werden müsse, in dem der Flüchtling zum ersten Mal
europäischen Boden betrete, werde aufrechterhalten. Das Neue sei nun aber der
Verteilmechanismus. Die Dublin-Regelung bedeute keine Abwendung von der
Pflicht. Deutschland werde Flüchtlinge aufnehmen müssen und werde sie auch
aufnehmen. Die Mechanik sei so aber stimmig.
Abg. Joachim Kößler CDU bat nochmals um eine Rechtsauskunft seitens des Innenministeriums.
Ein Vertreter des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration führte
aus, durch die Neufassung der Dublin-Verordnung änderten sich für das durchzuführende Asylverfahren oder für das Verfahren für den internationalen Schutz
im Wesentlichen nicht die Kriterien für die Zuständigkeit. Diese blieben vielmehr
so, wie sie in der Dublin-III-Verordnung auch schon vorgesehen gewesen seien.
Die bisher geltenden Fristen zur Andienung des Verfahrens an den eigentlich zuständigen Mitgliedsstaat fielen jedoch weg. Außerdem gebe es die Pflicht, das
Asylverfahren oder das Verfahren auf internationalen Schutz auch tatsächlich in
dem zuständigen Mitgliedsstaat zu führen. Hier seien auch Sanktionsmöglichkeiten vorgesehen.
Hinsichtlich der angesprochenen Bedenken, es gäbe künftig keine Möglichkeit
mehr, eine andere humanitäre Aufnahme durchzuführen, wies er darauf hin, dies
sei in der Dublin-Verordnung nicht geregelt. Insoweit biete das Aufenthaltsgesetz
weiterhin die Möglichkeit, Aufnahmen aus dem Ausland durchzuführen.
Der Ausschuss beschloss einvernehmlich, dem Plenum zu empfehlen, von der Mitteilung Drucksache 16/508 Kenntnis zu nehmen.
10. 10. 2016
Andreas Deuschle
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Empfehlung und Bericht
des Ausschusses für Inneres, Digitalisierung und Migration
an den Ausschuss für Europa und Internationales
zu der Mitteilung des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und
Migration vom 7. September 2016
– Drucksache 16/508
Unterrichtung des Landtags in EU-Angelegenheiten;
hier: Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines Antrags auf Asyl oder subsidiären
Schutz in einem der Mitgliedsstaaten zuständig ist, der von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellt wird (Dublin IV)
Empfehlung
Der Landtag wolle beschließen,
von der Mitteilung des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration
vom 7. September 2016 – Drucksache 16/508 – Kenntnis zu nehmen.
21. 09. 2016
Die Berichterstatterin:
Der Vorsitzende:
Andrea Schwarz
Karl Klein
Bericht
Der Ausschuss für Inneres, Digitalisierung und Migration beriet die Mitteilung des
Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration, Drucksache 16/508, in
seiner 2. Sitzung am 21. September 2016 vorberatend für den federführenden Ausschuss für Europa und Internationales.
Ein Abgeordneter der Grünen legte dar, die künftige Dublin-IV-Verordnung gehe
damit einher, dass erhebliche Zugeständnisse gemacht und viele Kompetenzen an
die europäische Ebene abgegeben werden müssten. Beispielsweise werde die Ermessensklausel enger gefasst, um sicherzustellen, dass sie nur aus humanitären
Gründen im Zusammenhang mit der erweiterten Familie angewandt werde. Nach
der neuen Regelung sei es künftig also nicht mehr möglich, in der Weise, wie es
die deutsche Bundesregierung im Herbst des vergangenen Jahres getan habe, humanitäre Hilfe zu leisten. Nach seiner Auffassung sollte es den Einzelstaaten auch
in Zukunft möglich sein, eine solche Entscheidung zu treffen.
Weiter werde das Selbsteintrittsrecht nach Artikel 17 der Dublin-III-Verordnung
künftig nahezu ausgeschlossen. Ferner widerspreche die vorgesehene Neuregelung
der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wenn es beispielsweise um
die Überweisung von Kindern und Jugendlichen gehe.
Aus Sicht der Abgeordneten seiner Fraktion wäre es wünschenswert, dass auf diese
Punkte eingegangen werde. Denn es stelle sich die Subsidiaritätsfrage.
Ein Abgeordneter der FDP/DVP erklärte, alles, was in Sachen Asyl auf europäischer Ebene vereinheitlicht und gemeinsam veranstaltet werde, könne Deutschland
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nur nützen. Deshalb würde es sich selbst dann, wenn es Subsidiaritätsbedenken
gäbe, empfehlen, die Subsidiaritätsfrage in Bezug auf die in Rede stehende Vorlage
nicht aufzuwerfen.
Ein Abgeordneter der SPD äußerte, alles was zu einer Harmonisierung des Asylrechts in Europa beitrage, sei positiv. Auch der Aspekt der Lastenteilung sei aus
Sicht der Abgeordneten seiner Fraktion positiv zu bewerten.
In einem Informationsvermerk der Landtagsverwaltung, der den Ausschussmitgliedern zugegangen sei, werde Folgendes ausgeführt: „In der Dublin-III-Verordnung noch bestehende humanitäre Klauseln und Fristen sollen in Dublin IV abgeschafft werden. ... Auch der Schutzstandard für unbegleitete Minderjährige soll im
Vergleich zu Dublin III gesenkt werden.“
Er habe Zweifel, ob es sinnvoll sei, so zu verfahren. Ihn interessiere, warum im
Berichtsbogen der Landesregierung darauf nicht hingewiesen worden sei und wie
die Landesregierung das Vorhaben unter diesen Gesichtspunkten bewerte.
Ein Abgeordneter der CDU brachte vor, die Weiterentwicklung von Dublin III zu
Dublin IV werde von den Abgeordneten seiner Fraktion grundsätzlich befürwortet. Denn Dublin III habe sich in der Vergangenheit nicht wirklich bewährt, und
es sollte eine gerechte Verteilung innerhalb Europas angestrebt werden. Kritisch
werde von Abgeordneten seiner Fraktion das Vorhaben gesehen, die Definition des
Familienbegriffs auf die Geschwister des Antragstellers auszuweiten.
Der Ministerialdirektor im Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration
führte aus, die Vorlage biete zahlreiche Ansatzpunkte für eine teils positive, zum
Teil jedoch auch kritische Bewertung.
Positiv zu bewerten sei, dass es einen Verteilmechanismus innerhalb der EU geben
solle und dass ein Mitgliedsstaat, der sich an diesem Verteilmechanismus nicht
beteilige, einen Solidarbeitrag von 250 000 € pro Antragsteller an den Mitgliedsstaat zahle, der an seiner Stelle den Antragsteller übernehme. Denn dies sei eine
wichtige Regelung, um zu erreichen, dass es innerhalb der Europäischen Union zu
einer gerechten Verteilung der Asylsuchenden komme.
Ein Problem sehe das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration darin, dass künftig vor der Prüfung der Zuständigkeit gemäß den Kriterien der DublinVerordnung geprüft werden solle, ob die asylsuchende Person aus einem sicheren
Herkunftsstaat komme, und, wenn dies bejaht werde, der Mitgliedsstaat der Antragstellung zuständig sei, und zwar auch für die Rückführung. Das Ministerium
für Inneres, Digitalisierung und Migration habe Zweifel, ob diese Neuregelung
einen Fortschritt darstelle oder eher eine nachteilige Wirkung habe. Beispielsweise
gebe es Zweifel, ob die Durchbrechung des Grundsatzes, dass der Flüchtling nicht
wähle, welches Land für seinen Asylantrag zuständig sei, sinnvoll sei. Insgesamt
habe die Vorlage Vor- und Nachteile.
Ein Abgeordneter der ABW bat darum, das Wort Flüchtlinge nur für die Personen
zu verwenden, auf die die Flüchtlingseigenschaft zutreffe. Denn in dem in Rede
stehenden Zusammenhang gehe es um Antragsteller, bei denen erst geprüft werden
müsse, ob es sich überhaupt um Flüchtlinge oder Asylberechtigte handle.
Der Ausschuss beschloss als Empfehlung an den federführenden Ausschuss für
Europa und Internationales ohne förmliche Abstimmung, dem Plenum zu empfehlen, von der Mitteilung des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Kenntnis zu nehmen.
25. 09. 2016
Andrea Schwarz
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