SÜDWESTRUNDFUNK Anstalt des öffentlichen Rechts Radio Fernsehen Internet PRESSE Information Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an. Gernot Erler (SPD) Russland-Beauftragter der Bundesregierun, gab heute, 05.10.16, dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema: „Erste Sitzung der neu gewählten Duma/Perspektiven der russischen Politik“. Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Rudolf Geissler. Mit freundlichen Grüßen Zentrale Information Chefredaktion Hörfunk Zentrale Information SWR Tagesgespräch Postadresse 76522 Baden-Baden Hausadresse Hans-Bredow-Straße 76530 Baden-Baden Telefon Telefax 07221/929-23981 07221/929-22050 Internet www.swr2.de Datum: 05.10.2016 Russlandbeauftragter Erler: Syrien-Gespräche gehen weiter Baden-Baden: Der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler (SPD), sieht weiterhin Vermittlungschancen im amerikanisch-russischen Konflikt um eine Waffenruhe in Syrien. Erler sagte im "SWR-Tagesgespräch", in Berlin suchten heute die politischen Direktoren der USA, Großbritanniens, Frankreichs, Italiens und Deutschlands nach einem Ausweg. Der Versuch, jetzt "multilateral ins Gespräch zu kommen", sei von den Amerikanern ausdrücklich gewünscht. Auch die UNO bemühe sich um Verhandlungsformate. Washington hatte die direkten Gespräche mit Moskau über eine Waffenruhe in Syrien ausgesetzt, nachdem in Aleppo auch zivile Einrichtungen bombardiert worden waren. Wortlaut des Live-Gesprächs: Geissler: Präsident Putin hat jetzt sogar eine verfassungsändernde Mehrheit, eine Dreiviertel-Mehrheit im Rücken, er und sein Premierminister Medwedew. Erwarten Sie, dass diese Möglichkeit, die Verfassung zu ändern, auch tatsächlich genutzt wird, über kurz oder lang? Erler: Ich sehe im Augenblick keine Situation, wo das wahrscheinlich ist, weil auch vorher schon Putin erreicht hat, dass das, was für ihn interessant ist, also die Frage, wie das mit der Präsidentenwahl ist, und wie das mit der Dauer eines Mandates ist, alles schon hinbekommen hat. Also insofern gibt es da keine aktuelle Erwartung. Geissler: Nun gibt es ja, obwohl es zu einigen Unregelmäßigkeiten bei den zurückliegenden Wahlen gekommen ist, kaum Zweifel soweit ich sehe, dass die Größenordnung schon stimmt im Parlament. Diese erdrückende Mehrheit, das die demokratische legitimiert ist. Das ist ein psychologischer Faktor. Was glauben Sie, wie wird sich der auf die Arbeit der kritischen Öffentlichkeit außerhalb des Parlaments auswirken? Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Erler: Man muss schon darauf hinweisen, dass diese, wie Sie sagen erdrückende Mehrheit der Kreml-Partei etwas mit dem Wahlsystem zu tun hat. Wir haben insgesamt 450 Abgeordnete in der Duma. 225 werden gewählt nach Liste. 225 in Direktwahlkreisen, also sogar ziemlich ähnlich wie in Deutschland. Nur der Unterschied ist, das wird nicht verrechnet. Das heißt, eine Partei bekommt also alle direkt gewonnenen Mandate und dann zusätzlich noch dazu diese, die sie nach Prozentzahlen gewonnen hat. Das bedeutet zum Beispiel, dass einheitliches Russland, die Kreml-Partei, nur 54,2 Prozent der Stimmen bekommen hat, aber 76 Prozent der Mandate, also diese 343 Mandate, die eine verfassungsändernde Mehrheit darstellen. Geissler: Das heißt, dann diese Mehrheit gemessen am Wahlsystem, die kritische Öffentlichkeit, und zu meiner Frage zurückzukommen, nicht sozusagen lähmen sondern möglicherweise eher noch motivieren in deren Widerständigkeit? Erler: Nein, also es ist natürlich so, dass die Hoffnung von Opposition sich zerschlagen hat bei diesen Wahlen. Man hatte gehofft, dass wenigstens einige über die Direkt-Wahlkreise hereinkommen. Das ist nicht der Fall. Wir haben ein Vier-Parteien-System. Die anderen drei Parteien nennt man die sogenannten System-Opposition. Also keine davon ist wirklich eine kritische, gegen den Kreml gerichtete Partei. Wir haben die Kommunisten, die Liberaldemokraten und die zweite Kreml-Gründung Gerechtes Russland mit zwischen 23 und 42 Mandaten. Von dort aus ist keine Opposition zu erwarten. Dann gibt es noch drei direkt gewählte Abgeordnete, aber keiner davon ist ein wirklicher Oppositioneller. Also in der Duma findet Opposition nicht statt. Geissler: Dass Putin weithin im Lande beliebt ist, das sagen alle Umfragen und in der Außenpolitik scheint ja die große Mehrheit der Russen ganz besonders überzeugt auf der Seite des Präsidenten zu stehen. Das war ja auch immer in Umfragen zu sehen. Was meinen Sie, ist dieser Kredit für eine Politik der Stärke unbegrenzt, oder ist da auch eine Wende denkbar? Erler: Das ist schon keine so einfache Geschichte für die Zukunft, weil, Sie haben völlig recht, die Außenpolitik ist sozusagen das Pfund von der Führung von Putin. Was er gemacht hat mit der Krim-Annexion, ist sehr populär. Es ist auch sehr populär, dass er es geschafft hat, bei internationalen Fragen, vor allen Dingen bei dem Syrien-Konflikt auf gleicher Augenhöhe mit dem amerikanischen Präsidenten zu kommen und auch anerkannt zu werden hier als Gesprächspartner. Das hat auch die Kreml-Partei genutzt, diese Popularität von Putin, die über 80 Prozent liegt, um ihre Ziele zu erreichen. Aber im Hintergrund schwelt natürlich die soziale und wirtschaftliche Frage. Durch den niedrigen Ölpreis gibt es Reallohneinbußen seit längerer Zeit und die Frage ist, wie lange noch Gehälter und auch Renten ausgezahlt werden können. Man schätzt, dass die Reservefonds spätestens im ersten Halbjahr nächsten Jahres leer sein werden. Dann kommt in gewisser Weise die Stunde der Wahrheit, und dann ist die Frage, ob es sich nicht an dieser Popularität auch etwas ändern kann. Geissler: Die Meldungen der letzten Tage lesen sich ja nun wirklich wie die aus den Hochzeiten der alten ideologischen Blockkonfrontation. Die USA haben die Gespräche über Waffenruhe in Syrien, Sie haben es ja erwähnt, ausgesetzt. Putin sagt, er hält sich so lange nicht mehr an den Plutoniumvertrag, solange die USA nicht aus Ost-Europa wieder abgezogen sind. Wer oder was ist da in der Lage, her Erler, überhaupt noch zu vermitteln? Erler: Das Problem ist, dass es eigentlich dringend notwendig ist zu vermitteln, weil wir doch erschüttert sind über das, was wir aus Aleppo hören über die täglichen Luftangriffe und sogar auf Krankenhäuser, sogar auf Kinderkrankenhäuser. Fast 300-taused Menschen leiden dort unsäglich, so dass es so schnell wie möglich zu einer Verständigung hier eigentlich kommen muss. Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Geissler: Nur wer könnte vermitteln? Erler: Es muss weitergehen mit diesen Versuchen, nachdem die direkten bilateralen Verhandlungen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten abgebrochen worden sind. Heute treffen sich zum Beispiel in Berlin die fünf politischen Direktoren der Staaten USA, Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland. Das bedeutet, jetzt werden Versuche gemacht, multilateral ins Gespräch zu kommen. Das ist auch ausdrücklich von amerikanischen Politikern gesagt worden, diese Ebene soll weiter genutzt werden. Auch die UNO bemüht sich um Gesprächsformate. Also es wird nicht aufhören die Bemühungen, die dürfen gar nicht aufhören, um zu einem Ergebnis zu kommen. - Ende Wortlaut - Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
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