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SÜDWESTRUNDFUNK
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Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an.
Gernot Erler (SPD), Russlandbeauftragter der
Bundesregierung, gab heute, 06.03.17,
dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema:
„Klage der Ukraine gegen Russland vor dem
Internationalen Strafgerichtshof“.
Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Florian Rudolph.
Mit freundlichen Grüßen
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Datum:
06.03.2017
"Erler: nicht mit gleicher Münze heimzahlen"
Baden-Baden: Der SPD-Außenpolitiker Gernot Erler hat Erdogans Nazi-Vergleich scharf
zurückgewiesen. Der türkische Präsident hatte hat Deutschland wegen der abgesagten
Minister-Auftritte Nazi-Methoden vorgeworfen. Im SWR-Tagesgespräch sagte Erler, der Vorwurf
sei inakzeptabel, das müsse der türkischen Regierung klargemacht werden. Zugleich warnte
Erler davor, es jetzt mit gleicher Münze heimzuzahlen. Die Äußerung habe mit der Unsicherheit
Erdogans über den Ausgang des kommenden Referendums über das Präsidialsystem zu tun.
Deutschland habe kein Interesse daran, dass sich das deutsch-türkische Verhältnis weiter
verschlechtert. Die Bundesrepublik wolle sich vielmehr dafür einsetzen, dass der deutschtürkische Journalist Denis Yücel aus türkischer Untersuchungshaft freikommt und brauche dafür
die Türkei als Ansprechpartner. Nachdem die Türkei ihr Referendum abgehalten hat, müsse der
Versuch gemacht werden, in den bilateralen Beziehungen wieder auf ein normales Niveau
herunterzukommen. Zumindest müsse man den Versuch machen, so Erler.
Wortlaut des Live-Gesprächs:
Rudolph: Lassen Sie uns aus aktuellem Anlass zunächst mit einem ganz anderen Thema
starten: Der türkische Präsident Erdogan zieht einen Nazi-Vergleich, weil Deutschland
seinen Ministern Auftrittsverbote erteile. Was halten Sie davon?
Erler: Das ist natürlich völlig inakzeptabel und das muss auch der türkischen Regierung und
dem Präsidenten deutlich gemacht werden. Aber auf der anderen Seite sollte man jetzt nicht in
den Fehler verfallen, eine verbale Radikalisierung oder Eskalation hier zu suchen. So zu sagen
mit gleicher Münze zurückzuzahlen. Wir wissen, dass das mit der türkischen Innenpolitik zu tun
hat. Mit der Unsicherheit von Erdogan über den Ausgang des Referendums über das
Präsidialsystem und wir haben kein Interesse dran, dass sich das deutsch-türkische Verhältnis
weiter verschlechtert. Wir wollen uns einsetzen für die Freilassung von dem Journalisten Yücel
und insofern gibt es keine Alternative dazu, weiter auf diplomatischem Wege diese Ziele zu
erreichen, zu versuchen und dazu brauchen wir eben auch die Türkei als Ansprechpartner.
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Rudolph: Da stellt sich schon die Frage, was bleibt denn dann eigentlich außer, so einen
Vergleich, so einen Vorwurf zu dulden?
Erler: Nein, man muss ihn in aller Schärfe zurückweisen und sagen, dass das völlig
inakzeptabel ist. Von der Sache her, wie auch von der Sprache und der Art und Weise her.
Aber eben nicht in den Fehler verfallen, selber jetzt zu eskalieren.
Rudolph: Das heißt, Sie halten nichts von Einreise- oder Auftrittsverboten?
Erler: Ich halte nichts von irgendwelchen Schritten, die im Augenblick die angespannte Situation
verschlechtern, vor diesem Referendum. Es wird dann der Versuch gemacht werden müssen,
wenn das Referendum vorbei ist und diese Sache entschieden ist, herunter zu kommen,
insgesamt auf ein Normalisierungsniveau in den bilateralen Beziehungen, zumindest muss man
den Versuch machen.
Rudolph: Der Anlass für unser Gespräch heute ist die beginnende Anhörung vor dem
Internationalen Strafgerichtshof in der Klage der Ukraine gegen Russland. Weder Russen
noch Ukrainer haben sich aber verpflichtet, die Entscheidungen dieses Gerichts
überhaupt anzuerkennen. Was bringt denn da ein solcher Prozess überhaupt?
Erler: Ja, wahrscheinlich wird da nicht viel bei rauskommen. Aber das Ganze ist ein Teil von
einer diplomatischen Initiative der ukrainischen Seite, die auf verschiedenen Ebenen läuft. Es
gibt ja nicht nur die Anklage vor dem IStGH, also dem Internationalen Strafgerichtshof. Es gibt
auch eine Klage bei dem Internationalen Gerichtshof der Vereinten Nationen. Im Augenblick
bereitet die Ukraine gerade ihre 6. Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte dem EGMR vor und vor kurzem hat die ukrainische Präsidentschaft, die
monatliche im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine Debatte über Konflikte in Europa
begonnen, wobei es auch hauptsächlich um den Ukraine-Konflikt ging. Das ist also ein Teil
einer diplomatischen Initiative, die auf verschiedenen Ebenen versucht, die Öffentlichkeit zu
beschäftigen mit den ukrainischen Vorwürfen, die es nach wie vor gegen Russland gibt.
Rudolph: Warum sind denn dann Verfahren wie dieses heute aus Ihrer Sicht wirklich
wichtig?
Erler: Also ich würde mal sagen, dass ist aus ukrainischer Sicht wichtig, weil so eine Angst dort
besteht, dass der Ukraine-Konflikt zu einem vergessenen Konflikt wird. Dass die weltweite
Aufmerksamkeit sich davon ablenkt und damit vielleicht auch den Weg bereitet, dass die
westlichen Staaten wieder ihr Verhältnis zu Russland normalisieren. Dass sie wegkommen von
den Sanktionen. Das ist alles gegen die ukrainischen Interessen gerichtet und deswegen gibt
es diese Versuche, auf verschiedenen Ebenen, eben die öffentliche Aufmerksamkeit
wachzuhalten für den Ukraine-Konflikt.
Rudolph: Das dies geschehen könnte, der Konflikt in Vergessenheit gerät, weil die
Aufmerksamkeit sich gerade wo anders hin ausrichtet. Das liegt wahrscheinlich auch,
das liegt sehr sicher wohl auch an US-Präsident Trump. Lässt sich belegen, dass die
russische Seite, die derzeitige und durch Trump verursachte Verunsicherung im Westen
ausnutzt?
Erler: Also ich würde sagen, dass ist ein Gunst-Faktor für die russische Politik, der auch von der
russischen Politik benutzt wird. Aber vor allen Dingen ist natürlich hier eine Verunsicherung in
der westlichen Welt zu spüren über diesen Vorwurf, dass es da Kontakte zwischen dem
Wahlkampfteam von Trump und der russischen Seite gegeben hat und es gibt ja einige
Vorgänge in der amerikanischen Politik. Heute steht wieder im Vordergrund dieser AbhörVorwurf gegen Ex-Präsident Obama, wo viele die Deutung haben, es handelt sich hier um
Ablenkungsversuche vor diesem Vorgang, den man Moskau-Gate nennen könnte. Den
offensichtlich doch Trump für so ernst nimmt, dass er versucht, mit solchen dramatischen
Geschichten, wie jetzt diesem Vorwurf gegen Obama, den er nicht belegen kann, abzulenken.
Das ist jedenfalls eine Deutung, die man in der amerikanischen Öffentlichkeit mehrfach hört.
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Rudolph: Da würde ich Sie abschließend kurz um Ihre Meinung bitten. Sie haben ja eben
den Begriff Moskau-Gate verwandt, haben Sie auch schon vorher schon in einem
Zeitungsinterview. Wie tief geht das Ihrer Ansicht nach? Was vermuten Sie?
Erler: Also es gibt bisher überhaupt keine Beweise für diese Kontakte. Es gibt Hinweise, die
immerhin so ernst sind, dass man in Amerika auch von Sonderermittlern oder von sogar
Untersuchungsausschüssen redet, die möglicherweise dort eingesetzt werden müssen. Das ist
also nicht eine Nebensächlichkeit, aber für uns ist das ganz schwer, weil wir nicht die
Informationen haben und auch es international keine Beweise gibt, dass es so etwas gegeben
hat. Der wichtigste Hinweis ist eigentlich, diese ganz öffentliche Ablenkungspolitik die wir
beobachten.
- Ende Wortlaut -
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)