SÜDWESTRUNDFUNK Anstalt des öffentlichen Rechts Radio Fernsehen Internet PRESSE Information Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an. Gernot Erler (SPD), Russlandbeauftragter der Bundesregierung, gab heute, 06.03.17, dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema: „Klage der Ukraine gegen Russland vor dem Internationalen Strafgerichtshof“. Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Florian Rudolph. Mit freundlichen Grüßen Zentrale Information Chefredaktion Nachrichten und Distribution Zentrale Information SWR Tagesgespräch Postadresse 76522 Baden-Baden Hausadresse Hans-Bredow-Straße 76530 Baden-Baden Telefon Telefax 07221/929-23981 07221/929-22050 Internet www.swr2.de Datum: 06.03.2017 "Erler: nicht mit gleicher Münze heimzahlen" Baden-Baden: Der SPD-Außenpolitiker Gernot Erler hat Erdogans Nazi-Vergleich scharf zurückgewiesen. Der türkische Präsident hatte hat Deutschland wegen der abgesagten Minister-Auftritte Nazi-Methoden vorgeworfen. Im SWR-Tagesgespräch sagte Erler, der Vorwurf sei inakzeptabel, das müsse der türkischen Regierung klargemacht werden. Zugleich warnte Erler davor, es jetzt mit gleicher Münze heimzuzahlen. Die Äußerung habe mit der Unsicherheit Erdogans über den Ausgang des kommenden Referendums über das Präsidialsystem zu tun. Deutschland habe kein Interesse daran, dass sich das deutsch-türkische Verhältnis weiter verschlechtert. Die Bundesrepublik wolle sich vielmehr dafür einsetzen, dass der deutschtürkische Journalist Denis Yücel aus türkischer Untersuchungshaft freikommt und brauche dafür die Türkei als Ansprechpartner. Nachdem die Türkei ihr Referendum abgehalten hat, müsse der Versuch gemacht werden, in den bilateralen Beziehungen wieder auf ein normales Niveau herunterzukommen. Zumindest müsse man den Versuch machen, so Erler. Wortlaut des Live-Gesprächs: Rudolph: Lassen Sie uns aus aktuellem Anlass zunächst mit einem ganz anderen Thema starten: Der türkische Präsident Erdogan zieht einen Nazi-Vergleich, weil Deutschland seinen Ministern Auftrittsverbote erteile. Was halten Sie davon? Erler: Das ist natürlich völlig inakzeptabel und das muss auch der türkischen Regierung und dem Präsidenten deutlich gemacht werden. Aber auf der anderen Seite sollte man jetzt nicht in den Fehler verfallen, eine verbale Radikalisierung oder Eskalation hier zu suchen. So zu sagen mit gleicher Münze zurückzuzahlen. Wir wissen, dass das mit der türkischen Innenpolitik zu tun hat. Mit der Unsicherheit von Erdogan über den Ausgang des Referendums über das Präsidialsystem und wir haben kein Interesse dran, dass sich das deutsch-türkische Verhältnis weiter verschlechtert. Wir wollen uns einsetzen für die Freilassung von dem Journalisten Yücel und insofern gibt es keine Alternative dazu, weiter auf diplomatischem Wege diese Ziele zu erreichen, zu versuchen und dazu brauchen wir eben auch die Türkei als Ansprechpartner. Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Rudolph: Da stellt sich schon die Frage, was bleibt denn dann eigentlich außer, so einen Vergleich, so einen Vorwurf zu dulden? Erler: Nein, man muss ihn in aller Schärfe zurückweisen und sagen, dass das völlig inakzeptabel ist. Von der Sache her, wie auch von der Sprache und der Art und Weise her. Aber eben nicht in den Fehler verfallen, selber jetzt zu eskalieren. Rudolph: Das heißt, Sie halten nichts von Einreise- oder Auftrittsverboten? Erler: Ich halte nichts von irgendwelchen Schritten, die im Augenblick die angespannte Situation verschlechtern, vor diesem Referendum. Es wird dann der Versuch gemacht werden müssen, wenn das Referendum vorbei ist und diese Sache entschieden ist, herunter zu kommen, insgesamt auf ein Normalisierungsniveau in den bilateralen Beziehungen, zumindest muss man den Versuch machen. Rudolph: Der Anlass für unser Gespräch heute ist die beginnende Anhörung vor dem Internationalen Strafgerichtshof in der Klage der Ukraine gegen Russland. Weder Russen noch Ukrainer haben sich aber verpflichtet, die Entscheidungen dieses Gerichts überhaupt anzuerkennen. Was bringt denn da ein solcher Prozess überhaupt? Erler: Ja, wahrscheinlich wird da nicht viel bei rauskommen. Aber das Ganze ist ein Teil von einer diplomatischen Initiative der ukrainischen Seite, die auf verschiedenen Ebenen läuft. Es gibt ja nicht nur die Anklage vor dem IStGH, also dem Internationalen Strafgerichtshof. Es gibt auch eine Klage bei dem Internationalen Gerichtshof der Vereinten Nationen. Im Augenblick bereitet die Ukraine gerade ihre 6. Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte dem EGMR vor und vor kurzem hat die ukrainische Präsidentschaft, die monatliche im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine Debatte über Konflikte in Europa begonnen, wobei es auch hauptsächlich um den Ukraine-Konflikt ging. Das ist also ein Teil einer diplomatischen Initiative, die auf verschiedenen Ebenen versucht, die Öffentlichkeit zu beschäftigen mit den ukrainischen Vorwürfen, die es nach wie vor gegen Russland gibt. Rudolph: Warum sind denn dann Verfahren wie dieses heute aus Ihrer Sicht wirklich wichtig? Erler: Also ich würde mal sagen, dass ist aus ukrainischer Sicht wichtig, weil so eine Angst dort besteht, dass der Ukraine-Konflikt zu einem vergessenen Konflikt wird. Dass die weltweite Aufmerksamkeit sich davon ablenkt und damit vielleicht auch den Weg bereitet, dass die westlichen Staaten wieder ihr Verhältnis zu Russland normalisieren. Dass sie wegkommen von den Sanktionen. Das ist alles gegen die ukrainischen Interessen gerichtet und deswegen gibt es diese Versuche, auf verschiedenen Ebenen, eben die öffentliche Aufmerksamkeit wachzuhalten für den Ukraine-Konflikt. Rudolph: Das dies geschehen könnte, der Konflikt in Vergessenheit gerät, weil die Aufmerksamkeit sich gerade wo anders hin ausrichtet. Das liegt wahrscheinlich auch, das liegt sehr sicher wohl auch an US-Präsident Trump. Lässt sich belegen, dass die russische Seite, die derzeitige und durch Trump verursachte Verunsicherung im Westen ausnutzt? Erler: Also ich würde sagen, dass ist ein Gunst-Faktor für die russische Politik, der auch von der russischen Politik benutzt wird. Aber vor allen Dingen ist natürlich hier eine Verunsicherung in der westlichen Welt zu spüren über diesen Vorwurf, dass es da Kontakte zwischen dem Wahlkampfteam von Trump und der russischen Seite gegeben hat und es gibt ja einige Vorgänge in der amerikanischen Politik. Heute steht wieder im Vordergrund dieser AbhörVorwurf gegen Ex-Präsident Obama, wo viele die Deutung haben, es handelt sich hier um Ablenkungsversuche vor diesem Vorgang, den man Moskau-Gate nennen könnte. Den offensichtlich doch Trump für so ernst nimmt, dass er versucht, mit solchen dramatischen Geschichten, wie jetzt diesem Vorwurf gegen Obama, den er nicht belegen kann, abzulenken. Das ist jedenfalls eine Deutung, die man in der amerikanischen Öffentlichkeit mehrfach hört. Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Rudolph: Da würde ich Sie abschließend kurz um Ihre Meinung bitten. Sie haben ja eben den Begriff Moskau-Gate verwandt, haben Sie auch schon vorher schon in einem Zeitungsinterview. Wie tief geht das Ihrer Ansicht nach? Was vermuten Sie? Erler: Also es gibt bisher überhaupt keine Beweise für diese Kontakte. Es gibt Hinweise, die immerhin so ernst sind, dass man in Amerika auch von Sonderermittlern oder von sogar Untersuchungsausschüssen redet, die möglicherweise dort eingesetzt werden müssen. Das ist also nicht eine Nebensächlichkeit, aber für uns ist das ganz schwer, weil wir nicht die Informationen haben und auch es international keine Beweise gibt, dass es so etwas gegeben hat. Der wichtigste Hinweis ist eigentlich, diese ganz öffentliche Ablenkungspolitik die wir beobachten. - Ende Wortlaut - Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
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