Expo Real Brexit: „Londons Status als Nummer 1 ist gefährdet“ „Der Brexit ist kein Event, sondern ein Prozess“, sagte Alexander Boersch, Leiter Deloitte Research Deutschland. Er gab zunächst einen Überblick über die makroökonomischen Effekte, die Großbritanniens Austritt aus der Europäischen Union mit sich bringen wird. Diese hängen maßgeblich vom Ausgang der Verhandlungen der britischen Regierung mit der EU ab. Kurzfristig haben sich an den Aktienmärkten keine Effekte ergeben. Die Indizes FTSE und EuroStoxx haben sich nach dem ersten Schock wenige Wochen nach der Brexit-Abstimmung wieder erholt. Auch in der Realökonomie hat sich bisher kein größerer Einfluss gezeigt. Das britische Pfund indes hat 15 Prozent gegenüber dem US-Dollar und 13 Prozent gegenüber dem Euro verloren. „Die Reaktionen der Zentralbanken haben einen größeren Schock verhindert“, sagte Boersch. Das Versprechen, Liquidität bereitzustellen und notfalls auch zu unkonventionellen Maßnahmen zu greifen, hat Wirkung gezeigt. Mittelfristig lässt sich jedoch in der Welt britischer Unternehmen eine „Wait and see“-Einstellung beobachten, das Ausmaß an geplanten Investments ging deutlich zurück. Die Frage ist: Wie werden die ausländischen Investoren reagieren, die in Großbritannien einen doppelt so hohen Anteil der Investments halten als in Deutschland oder Frankreich? Offen ist daher, ob die Insel weiterhin so attraktiv für nicht-britische Investoren bleiben wird. Die Verhandlungen zum Brexit sind auf zwei Jahre angesetzt (siehe Grafik), sobald Großbritannien den entsprechenden Artikel 50 des Vertrages über die Europäische Union aktiviert. Premierministerin Theresa May hat gerade geäußert, dass sie im Frühjahr 2017 beginnen sollen. „Üblicherweise dauern derart komplexe Handelsverträge aber wesentlich länger als zwei Jahre. In diesem Fall müssten alle EU-Staaten einer Verlängerung zustimmen, andernfalls droht ein unkontrollierter harter Brexit“, so Boersch. Zentraler Punkt wird die Freizügigkeit der Bürger werden. Da die Interessen der Gesprächspartner sehr divers sind, werden die Verhandlungen sehr schwierig, zumal in wichtigen EU-Ländern wie Deutschland in dieser Periode Wahlen anstehen. Boersch nannte drei mögliche Ergebnisse in Bezug auf die Verhandlungen: ein Status wie Norwegen oder Island (über den Europäischen Wirtschaftsraum EEA, hier würde Großbritannien nach wie vor zum EU-Haushalt beitragen), ein Status wie die Schweiz oder Kanada (Teilnahme am gemeinsamen Markt über viele einzeln ausgehandelte bilaterale Verträgen) oder ein Status wie Russland (die WTO-Regularien gelten, kompletter Bruch zwischen EU und Großbritannien, sofortige Einführung von Zöllen). Boersch erwartet, dass langfristig für Großbritannien ein Status wie derjenige der Schweiz zu Buche stehen wird. „Das wird vermutlich länger als zwei Jahre dauern. Falls die Verhandlungsperiode nicht erweitert wird, müssen wir mit einem WTO-Modell mit allen negativen Konsequenzen für mehrere Jahre rechnen“, so der Forschungsleiter von Deloitte. Michael Müller, Leiter Real Estate von Deloitte, ging auf die möglichen Auswirkungen auf die Immobilienmärkte ein und stellte eine Umfrage der ExpoReal-Besucher vor. Demnach erwarten viele Messebesucher eine zunehmende Nachfrage nach deutschen Wohn- und Gewerbeimmobilien durch den Brexit (siehe Grafik). Bisher stellte Großbritannien mit 91 Milliarden Euro den wichtigste Markt für Immobilieninvestitionen in Europa dar. Allein in 2015 wurden mit 47 Milliarden Euro fünf mal höhere Investitionen in London getätigt als in Paris oder Berlin (je 9 Milliarden Euro). „Londons Status als Finanzzentrum Nummer Eins steht auf dem Spiel, aber ein zwingender Nachfolger ist noch nicht in Sicht“, sagte Müller, denn der Vorsprung Londons sei groß und von vielen Faktoren bestimmt. Müller nannte Frankfurt, Paris, Dublin und Amsterdam als Beispiele für Standorte, die durch den Brexit profiteren könnten. In allen Fällen gebe es aber auch limitierende Faktoren wie strenge Arbeitsgesetzte (Frankfurt), die 35-Stunden-Woche (Paris), fehlende Büroflächen (Dublin) oder ein Mangel großer Gesellschaften als Kunden (Amsterdam). Mehr zum Thema Expo RealExpertentalk von Engel & Völkers: Investoren schauen auf B- und C-Standorte Investoren akzeptieren aktuell für deutsche Core-Wohnimmobilien Kaufpreise bis zum 25-fachen der jährlichen Nettomieteinnahmen. Nischenprodukte wie Student Housing und Pflegeimmobilien werden zunehmend nachgefragt. Die Renditeerwartung von 3,5 bis 5 Prozent in A-Städten ist unrealistisch hoch. Die Risikobereitschaft steigt angesichts fehlender Anlagealternativen. Investoren nutzen günstige Finanzierungsbedingungen. Das sind Aussagen des Expertentalks von Engel & Völkers Investment Consulting auf der Expo Real. Expo RealDie Bilderstrecke zur Immobilien Messe in München Die Expo Real läuft. 1.764 Aussteller aus 33 Ländern präsentieren sich. Wir haben einige Eindrücke eingefangen. Dieser Artikel erschien am 06.10.2016 unter folgendem Link: http://www.dieimmobilie.de/expo-real-brexit-londons-status-als-nummer-1-ist-gefaehrdet-1475769396/ Powered by TCPDF (www.tcpdf.org)
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