Schwarzbuch 2016

Das Schwarzbuch – Die öffentliche Verschwendung
2016/17
In dem am 6. Oktober 2016 präsentierten Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler sind
Niedersachsen und Bremen mit insgesamt 11 Fällen vertreten. Den Wortlaut der Beiträge
finden Sie nachfolgend. Alle bundesweiten Fälle auch unter www.schwarzbuch.de!
Die Druckausgabe des Schwarzbuches können Sie bei uns anfordern.
Bestellen Sie bitte bei:
Bund der Steuerzahler Niedersachsen und Bremen e.V.
Ellernstraße 34
30175 Hannover
Tel. 0511 515183-0, Fax 0511 515183-33
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Misburger Bädermisere (Seite 28)
Das Misburger Bad im Nordosten Hannovers entpuppt sich als Millionengrab.
Nachdem die einst privatisierte Einrichtung im Herbst 2014 vorzeitig an die Stadt
zurückgefallen war, stellten Gutachter einen Totalschaden des erst 2007/2008
umfassend sanierten Gebäudes fest. Jetzt stehen die Zeichen auf Abriss, und die
Steuerzahler blicken fassungslos auf das ruinöse Bad.
Hannover. Mit der Privatisierung des Misburger Bads 2006 wollte die Landeshauptstadt
nicht
nur
die
jährlichen
Steuerzuschüsse
verringern,
sondern
auch
durch
Modernisierungen einen wirtschaftlichen Badbetrieb realisieren. Die öffentlich-private
Partnerschaft scheiterte jedoch kläglich, im Herbst 2014 wurde das Pachtverhältnis
1
aufgelöst. Seither betreibt die Stadt das Misburger Bad wieder in Eigenregie und muss die
jährlichen Defizite allein tragen.
Diese Geschichte war schon unglücklich genug, nun kam noch eine weitere dramatische
Wende dazu: Nur ein Jahr nach der Übernahme wurden bei Instandsetzungsarbeiten
schwerste Schäden an der Gebäudesubstanz festgestellt. Die Schwimmhalle mitsamt
Fitness- und Saunabereich gilt als einsturzgefährdet. Die Stadt macht Baupfusch während
des fast ein Jahrzehnt zurückliegenden Komplettumbaus verantwortlich. Deshalb prüft sie
Regressforderungen gegenüber dem ehemaligen Privatinvestor. Auch die technischen
Anlagen sind völlig verschlissen und müssten erneuert werden. Gutachter zeigten sich
entsetzt über den Zustand des Gebäudes. Sie bezifferten die Sanierungskosten im August
2016 auf 16,5 Mio. Euro – ein Neubau würde mit 20,2 Mio. Euro zu Buche schlagen. Die
Zeichen stehen auf Abriss.
Sicher ist, dass die Schwimmhalle über Jahre geschlossen bleiben wird. Nur der
Freibadbereich hat in der Zwischenzeit wieder geöffnet, nachdem Hannover kurzfristigen
Ersatz für die nicht mehr nutzbaren Umkleiden, Duschen und Toiletten geschaffen hat.
Die Steuerzahler blicken fassungslos auf das ruinöse Bad. Sie müssen in den nächsten
Jahren nicht nur die anstehenden Sanierungs- oder Neubaukosten tragen, sondern haben
noch bis ins Jahr 2037 den völlig missratenen Umbau abzuzahlen. Der private Investor hatte
in den Jahren 2007/2008, um Kredite für die Badsanierung zu erhalten, seine Forderungen
gegenüber der Stadt aus den vereinbarten jährlichen Sanierungskostenzuschüssen
regressfrei an eine Bank verkauft. Die Stadt hatte ihrerseits gegenüber der Bank einen
Einredeverzicht abgegeben. So muss sie bis 2037 in jährlichen Raten insgesamt 17,7 Mio.
Euro zahlen – selbst wenn das Bad abgerissen werden muss.
Der Bund der Steuerzahler kritisiert
Die Stadt Hannover hat die schweren Schäden nicht schon während der Bauarbeiten oder
spätestens bei der Übergabe durch eigene Fachleute festgestellt. Für die Versäumnisse bei
der Kontrolle des öffentlichen Vermögens müssen die Steuerzahler geradestehen.
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Luxusleuchte überm Kröpcke (Seite 33)
Eine
Aufwertung
des
prominentesten
Innenstadtplatzes
erhoffte
sich
die
Landeshauptstadt Hannover mit einer 370.000 Euro teuren Lichtinstallation. Doch die
Beleuchtung enttäuscht bei Nacht – und auch am Tag fällt das Kunstwerk in 15 Metern
Höhe kaum ins Auge. Diesen teuren, unnötigen Schnickschnack hätte sich die Stadt
besser sparen sollen.
Hannover. Sie sollte der krönende Abschluss einer Neugestaltung des wichtigsten
Innenstadtplatzes sein: Eine Lichtinstallation aus gefaltetem Stahlblech erleuchtet seit
Oktober 2015 den Kröpcke in Hannover. Das Werk einer Hamburger Künstlerin hängt in
15 Metern Höhe an 4 Seilen. Stolze 370.000 Euro ließ sich die Landeshauptstadt die neue
Beleuchtung des Platzes kosten.
Allerdings wird nur ein kleiner Teil der Fläche tatsächlich ausgeleuchtet. Auch bei Tag ist die
Leuchtskulptur alles andere als ein Blickfang, denn sie fällt im städtischen Gewühl kaum
auf – und wenn doch, so stören die dicken Stahlseile, die den Platz überspannen.
Vieles musste im Vorfeld geprüft und bedacht werden wie zum Beispiel, wie sich eine
310 Kilo schwere Leuchte bei Sturm, Schnee oder Eis verhält. Um auszuschließen, dass von
ihr eine Gefahr für Passanten ausgeht, wurde eigens ein Modell im Windkanal der TU
Braunschweig getestet. Der Einbau einer Heizung und sogar eine Ultraschallanlage wurden
für notwendig erachtet, damit den Passanten weder Eiszapfen noch Taubenkot auf die
Häupter fallen. Ausgerechnet in der dunklen und gut besuchten Adventszeit bleibt die
Luxusleuchte übrigens aus – sie soll der Weihnachtsbeleuchtung schließlich nicht die Show
stehlen.
Der Bund der Steuerzahler denkt
Ein zentraler Innenstadtplatz stellt ohne Zweifel höhere Ansprüche an die Gestaltung des
öffentlichen Raums als eine beliebige Kreuzung. 370.000 Euro für eine Leuchte sind aber
eindeutig zu viel des Guten, zumal das Ergebnis nicht restlos überzeugen kann. Es wäre
sinnvoller gewesen, das Geld in die Erneuerung von Straßen der Innenstadt zu investieren.
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Falscher Textbaustein mit teuren Folgen (Seite 48)
Aufgrund eines peinlichen Copy-and-paste-Fehlers bleibt die niedersächsische Stadt
Göttingen auf den Kosten der Räumung eines illegalen Chemielagers sitzen. Im
Räumungsbescheid war von „erlaubniswidrigen Konzerten“ die Rede. Diese
Schlamperei kostete die Steuerzahler insgesamt 205.000 Euro.
Göttingen. Nach dem Brand einer Lagerhalle in der Nacht zum 02.03.2012 herrschte in
Göttingen helle Aufregung. Es stellte sich heraus, dass dort giftige, teils hochentzündliche
und wassergefährdende Stoffe gelagert wurden. Die Stadt forderte deshalb den Pächter auf,
die gefährlichen Substanzen aus der abgebrannten Lagerhalle zu entfernen. Nachdem
dieser kurzfristig keine Entsorgung zustande brachte, ordnete die Stadt auf Basis des
Erstbescheids eine Ersatzvornahme an. Sie beauftragte also selbst Firmen mit der
Entsorgung.
Daraufhin
erwirkte
der
Pächter
„aus
formalen
Gründen“
vorläufigen
Rechtsschutz: Die Verwaltung hatte in den Räumungsbescheid einen falschen Textbaustein
aus
einem
anderen
Bescheid
kopiert.
Es
war
irrtümlich
von
„erlaubniswidrigen
Konzerten“ die Rede. Die beiden städtischen Bescheide wurden deshalb wieder aufgehoben.
Zugleich hat die Verwaltung unter Verweis auf eine von den Chemikalien ausgehende
„gegenwärtige Gefahr für schützenswerte Rechtsgüter“ auf neue Bescheide verzichtet und
die Entsorgung der Stoffe einfach fortgesetzt.
Nach dem Ende der Arbeiten stellte die Stadt dem Pächter die Kosten in Höhe von rund
186.000 Euro in Rechnung. Dieser erhob daraufhin Klage beim Verwaltungsgericht
Göttingen. Dort sollte sich die Stadt im April 2015 eine schwere Schlappe abholen: Die
Richter hoben den Kostenbescheid auf, weil die Stadt die Rechtsgrundlage für ihr Vorgehen
nicht nachträglich austauschen könne. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg bestätigte das
Urteil im Berufungsverfahren ein Jahr später.
Der Gesamtschaden für die öffentliche Hand liegt bei 205.228 Euro. Der Kommunale
Schadenausgleich trägt davon 40.000 Euro, den Rest die Stadt. Besonders bitter: Eine
Ersatzvornahme wäre womöglich von Anfang an rechtens gewesen, wenn sich die Stadt
gleich auf eine „gegenwärtige Gefahr“ berufen hätte. Ein vorangegangener Bescheid wäre
dann nicht nötig gewesen. Der Fall zeigt jedenfalls, wie überfordert die Stadtverwaltung mit
der sicher nicht alltäglichen Situation war. Sie kündigte daher gegenüber dem Bund der
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Steuerzahler interne Fortbildungen zu den Themen „Sofortvollzug“ sowie „Androhung und
Anordnung von Ersatzvornahmen“ an.
Der Bund der Steuerzahler meint
Der folgenschwere Fehler im Räumungsbescheid hätte trotzdem nicht passieren dürfen. So
werden Steuerzahler für fehlende Sorgfalt der Stadtverwaltung zur Kasse gebeten.
Verschlafene Kündigung von Verwaltungsräumen (Seite 53)
Der Landkreis Hildesheim verschlief die rechtzeitige Kündigung von nicht mehr
benötigten Büroräumen seines Jugendamtes. Unnötige Mietzahlungen von rund
32.400 Euro mussten dadurch die Steuerzahler übernehmen. Der Schaden hätte sich
noch vervierfacht, wenn nicht frühzeitig ein Nachmieter gefunden worden wäre.
Hildesheim. Der Landkreis Hildesheim plante eine räumliche Umstrukturierung von Teilen
seiner Verwaltung. So sollte das bisher auf 2 Standorte verteilte Jugendamt zum Jahresende
2015 an einem neuen Standort zusammengeführt werden. Synergieeffekte waren das
nachvollziehbare Ziel des Konzepts, bei dem auch angemietete Räume gekündigt werden
sollten.
Inmitten der Fußgängerzone Hildesheims waren rund 50 Mitarbeiter des Fachdienstes
Erziehungshilfen untergebracht. Bereits Ende 2014 wurde gegenüber dem damaligen
Eigentümer erklärt, die Option zur Verlängerung des am 31.12.2015 auslaufenden
Mietvertrags nicht wahrnehmen zu wollen. Dabei übersah aber die Kreisverwaltung, dass
nach einem kurz danach erfolgten Eigentümerwechsel die Kündigung auch gegenüber dem
neuen Eigentümer hätte erklärt werden müssen. Bis zum 30.06.2015 hätte der Landkreis
noch die Gelegenheit dazu gehabt, doch erst nach Ablauf dieser Frist bemerkte die
Verwaltung ihren Fehler. Zu diesem Zeitpunkt war der Mietvertrag für den neuen Standort
bereits zustande gekommen. Mit einer Monatsmiete von etwa 10.800 Euro verlängerte sich
das nicht mehr gewollte Mietverhältnis somit um ein weiteres Jahr.
Glück im Unglück hatte der Landkreis, weil er ab April 2016 für die restliche Mietdauer mit
dem Jobcenter einen Nachmieter gefunden hat. Somit konnte der finanzielle Schaden auf
5
3 Monatsmieten, rund 32.400 Euro, begrenzt werden. Bis auf eine Eigenbeteiligung des
Landkreises in Höhe von 1.000 Euro wird die volle Summe vom Kommunalen
Schadenausgleich getragen. Diese Organisation fungiert als Versicherung, finanziert sich
aber aus den Umlagen der angeschlossenen Kommunen. Letztlich sind es also die
Steuerzahler, die für diese Verwaltungspanne finanziell herangezogen werden. Der
verantwortliche Mitarbeiter kommt übrigens mit einer „eindringlichen Ermahnung“ davon, wie
der Landkreis auf Anfrage bestätigte.
Urwald statt Unterricht (Seite 68)
Eine niedersächsische Gymnasiallehrerin meldet sich krank und begleitet ihre Tochter
im Januar 2016 zum Dschungelcamp nach Australien. Während sich die Ermittlungen
wegen unerlaubten Fernbleibens vom Unterricht hinziehen, ist die Beamtin bis auf
Weiteres bei vollen Amtsbezügen vom Dienst freigestellt.
Soltau. Noch immer erregt der Dschungelcampausflug einer Soltauer Lehrerin die Gemüter.
Die Gymnasiallehrerin war im Januar 2016 statt zu unterrichten für 2 Wochen nach
Australien geflogen, um ihre Tochter für die Fernsehshow „Ich bin ein Star – Holt mich hier
raus“ zu begleiten. Für die Reise hatte die Pädagogin zunächst Sonderurlaub beantragt, der
nicht genehmigt wurde. Deshalb hatte sie sich vor der Reise von zwei Ärzten krankschreiben
lassen. Bei Schülern und Eltern des Soltauer Gymnasiums war die Empörung riesengroß,
als sie Fotos ihrer Mathematik- und Physiklehrerin aus Australien sahen.
Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland nahm die Pädagogin den Unterricht im Februar 2016
wieder auf, wurde aber nach einigen Tagen freigestellt. Die Landesschulbehörde eröffnete
zwar ein Disziplinarverfahren, zeigte aber keinen großen Ehrgeiz, das Fehlverhalten der
Lehrerin zügig zu sanktionieren. Seit Mai 2016 ermittelt zudem die Staatsanwaltschaft gegen
die Lehrerin. Der Vorwurf: Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse. Wegen der
strafrechtlichen Ermittlungen ruht das Disziplinarverfahren. Ein schnelles Ende ist nicht in
Sicht, obwohl die Angelegenheit alles andere als komplex ist. In der Privatwirtschaft wäre
wohl in ähnlichen Fällen die fristlose Kündigung erfolgt.
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Der Bund der Steuerzahler kritisiert
Bei Staatsdienern erfolgt die Freistellung vom Dienst und die Steuerzahler müssen für die
Weiterzahlung der Bezüge, hier monatlich rund 4.500 Euro, aufkommen, während sich die
Verfahren in die Länge ziehen.
Doppelte Zahlungen an Kindertagesstätte (Seite 84)
Ein Verein aus Hannover kassierte für den Betrieb einer Krippengruppe doppelt. Erst
nach gut dreieinhalb Jahren fiel der Landeshauptstadt ihr Irrtum auf. Vor Gericht
einigten sich beide Parteien auf einen Vergleich, der die Steuerzahler 84.500 Euro
kostet.
Hannover. Die Geschichte beginnt vor einem Jahrzehnt: Damals betrieb der Verein
Spatzennest e. V. in der Südstadt eine Kindergarten- sowie eine Hortgruppe. Im Oktober
2006 kam eine dritte Gruppe, eine Krippengruppe, hinzu. Auch für die neue Gruppe erhielt
der Verein aus der Stadtkasse einen monatlichen Zuschuss für den laufenden Betrieb.
Eigentlich hätte die Abschlagszahlung zunächst bis zum 31.12.2006 begrenzt werden sollen,
was jedoch wegen eines Eingabefehlers einer Sachbearbeiterin unterblieb.
Wie immer zu Jahresbeginn berechnete die Stadtverwaltung auch im Januar 2007 die
Abschlagszahlungen für die Träger neu. Danach erhielt der Verein für die nunmehr
3 Gruppen monatliche Zuschüsse – doch der Dauerauftrag aus dem Vorjahr für die neue
Krippengruppe wurde nicht gelöscht. So lief er noch volle 43 Monate parallel weiter. Erst im
Juli 2010 wurde der Fehler bemerkt und die Doppelzahlung eingestellt. Insgesamt
176.500 Euro überwies die niedersächsische Landeshauptstadt zu viel an den Verein.
Diesen Betrag verlangte die Stadt auf dem Klageweg zurück.
Das Verwaltungsgericht empfahl – auch mit Blick auf eine drohende Insolvenz des Vereins
im Falle einer kompletten Rückzahlung – einen Vergleich, dem die Gremien der
Landeshauptstadt Anfang 2016 zustimmten. Demnach verzichtet die Stadt auf rund
84.500 Euro und damit auf fast die Hälfte ihrer Forderung. Der Verein muss somit lediglich
92.000 Euro der doppelt erhaltenen Zuschüsse zurückzahlen.
7
Der Bund der Steuerzahler meint
Dass eine Doppelzahlung im sechsstelligen Bereich über dreieinhalb Jahre nicht auffällt, wirft
ein schlechtes Licht auf die Landeshauptstadt Hannover im Umgang mit Steuergeld. Das
Controlling im zuständigen Bereich Jugend und Familie hat auf bestürzende Weise versagt.
Die Stadt hat Besserung versprochen und angekündigt, die Betreuungszuschüsse künftig
jährlich mit den tatsächlichen Ansprüchen der Träger abzugleichen. Dies ist wohl eine
Selbstverständlichkeit.
Stör-Fall an der Waterkant (Seite 88)
667.000 Euro an Fördermitteln flossen in eine Anlage zur Produktion von Kaviar – nur
10 Tage später reichte das Unternehmen Insolvenz ein. Dies ist nicht nur eine Blamage
für den niedersächsischen Landwirtschaftsminister, sondern auch ein Musterbeispiel
für eine verfehlte Subventionspolitik.
Loxstedt. Das Ziel war eine „ethisch korrekte“ Produktion von Kaviar: Anstatt die
Störweibchen zu töten, sollte die Delikatesse mittels eines neuartigen Verfahrens lebendigen
Fischen entnommen werden. Im Februar 2013 stellte die Produktionsfirma einen
entsprechenden Zuwendungsantrag für den Aufbau einer Verarbeitungsanlage im südlich
von Bremerhaven gelegenen Loxstedt. Ein Jahr später bewilligte das Land Niedersachsen
einen Zuschuss von zunächst 828.000 Euro. Im Mai 2014 begann die Produktion des
Kaviars in einem umgebauten ehemaligen Baumarkt.
Nach Abschluss der Investition wurde der Zuschuss noch einmal neu berechnet und
schließlich auf 667.000 Euro festgesetzt. Darüber hinaus bemühte sich das Land um eine
ausreichende grundbuchrechtliche Absicherung der Fördermittel. Erst als alle Fragen geklärt
waren, zahlte das Land am 28.6.2015 aus. Das Kaviargeschäft lief aber derart schlecht, dass
das Unternehmen nur 10 Tage später den Insolvenzantrag einreichte. Wie es heißt, soll der
Loxstedter Kaviar bei Kennern auf wenig Gegenliebe gestoßen sein.
Nun bangt das Land um seinen Zuschuss für die längst eingestellte Produktion. Wofür die
Mittel konkret verwendet wurden, bleibt unklar – denn die Fabrik war ja schon lange zuvor
fertiggestellt. Presseberichten zufolge sollen sich die Schulden des Unternehmens auf rund
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10 Mio. Euro belaufen und das Vermögen um ein Vielfaches übersteigen. Ein Großteil der
Fördergelder,
die
aus
Gemeinschaftsaufgabe
Mitteln
des
Agrarstruktur
und
Europäischen
Küstenschutz
Fischereifonds
stammen,
sowie
droht
der
deshalb
unwiederbringlich verloren zu sein. Das zuständige Landwirtschaftsministerium fasste die
bittere
Wahrheit
im
März
2016
zusammen:
„Derzeit
fehlt
es
nicht
an
der
grundbuchrechtlichen Sicherung, sondern an der Vermögensmasse.“ Die Staatsanwaltschaft
Stade ermittelt wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug und Insolvenzverschleppung.
Was ist aus dem Flop zu lernen? Das Land hatte einen wirksamen Zuwendungsbescheid auf
Grundlage einer Wirtschaftlichkeitsanalyse erteilt. Verfahrensfehler sind dem Land nicht
vorzuwerfen. Dennoch steht Landwirtschaftsminister Christian Meyer blamiert da, zeigt sich
doch einmal mehr, wie riskant projektbezogene Unternehmensförderungen sind.
Der Bund der Steuerzahler meint
Der Staat sollte deshalb die Finger davon lassen und sich darauf konzentrieren, gute
wirtschaftliche Bedingungen für alle zu schaffen.
Sanierungsfall Hochbahnsteige (Seite 109)
Bei Hannovers Stadtbahn erweisen sich 31 Hochbahnsteige aufgrund eines
Konstruktionsfehlers als baufällig. Millionenkosten rollen in den nächsten Jahren auf
die Steuerzahler zu.
Hannover. Der ÖPNV in Hannover soll komplett barrierefrei werden. Weil die
niedersächsische Landeshauptstadt an ihrem Hochflur-System festhält, werden alle
Stadtbahnstationen
seit
Jahren
schrittweise
mit
Hochbahnsteigen
ausgestattet.
Hochbahnsteige sind aber nicht nur wegen der damit verbundenen Eingriffe in den
Straßenraum und ihrer optischen Präsenz umstritten, auch die hohen Kosten rufen Kritiker
immer wieder auf den Plan. Mit durchschnittlich 3 Mio. Euro schlägt der Umbau einer Station
nämlich zu Buche.
Umso ärgerlicher ist es, wenn die teuren Hochbahnsteige vorzeitig baufällig sind. So musste
2015 die stolze Summe von 600.000 Euro aufgewendet werden, um die erst 16 Jahre zuvor
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erbaute Haltestelle „Herrenhäuser Gärten“ zu sanieren. Eigentlich werden Hochbahnsteige
über einen Zeitraum von 50 Jahren abgeschrieben – doch Salze waren in den Beton
eingedrungen und machten umfangreiche Arbeiten notwendig.
Wie
konnte
es
zu
Infrastrukturgesellschaft
den
der
erheblichen
Region
Schäden
Hannover
(infra)
kommen?
macht
Die
neben
zuständige
Fehlern
der
Bauausführung auch Konstruktionsmängel dafür verantwortlich, insbesondere das Fehlen
einer Abdichtungsebene und einer Drainageschicht. Was noch viel schlimmer ist: Inzwischen
hat sich herausgestellt, dass im Stadtbahnnetz 30 weitere Hochbahnsteige ohne
Abdichtungsebene gebaut wurden. Bei diesen Bahnsteigen muss über kurz oder lang diese
Abdichtung eingebaut werden. Der Beton einiger Stationen ist auch bereits durch
Chlorideintrag beschädigt.
Die genauen Kosten für die Beseitigung der Schäden sind noch nicht bekannt. Doch selbst
wenn nur von der Hälfte der Kosten ausgegangen wird, die für die Sanierung der Haltestelle
„Herrenhäuser Gärten“ anfielen, müssten in den nächsten Jahren rund 9 Mio. Euro in die
Hand genommen werden. Ob die Verantwortlichen bei dieser Misere wenigstens für einen
Teil der Schäden finanziell herangezogen werden können, ist mehr als ungewiss. Viele Jahre
sind seit dem Bau der Hochbahnsteige vergangen.
Der Bund der Steuerzahler moniert
Wieder sind es wohl die Steuerzahler, die für die Planungsfehler der öffentlichen Hand
geradestehen müssen.
Unnützer Fähranleger an der Elbe (Seite 114)
Weil die niedersächsische Kleinstadt Hitzacker (Elbe) vor vielen Jahren keinen
eindeutigen Vertrag formulierte, lässt die von der Stadt gewollte Autofähre auf sich
warten. Ein in der Zwischenzeit für mehr als 360.000 Euro gebauter Fähranleger
erweist sich derweil als eine große Fehlinvestition.
Hitzacker (Elbe). Die Geschichte beginnt im Jahr 1990: Dank der Wiedervereinigung verlor
die Elbe bei Hitzacker ihre Funktion als natürliche Grenze zwischen zwei deutschen Staaten.
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Die Wiederaufnahme eines regulären Verkehrs auf der Elbe wurde wieder möglich. Das
Land Niedersachsen übertrug damals die Fährrechte für den Betrieb einer Personenfähre
sowie einer Fähre für Kraftwagen auf die Stadt. Seit 2005 stellt eine private Gesellschaft im
Auftrag der Stadt die Fährverbindung zwischen Hitzacker und der Gemeinde Amt Neuhaus
her. In dem ein Jahr zuvor geschlossenen Vertrag hatte sich die Gesellschaft zum Betrieb
einer „Personen- und Lastenfähre“ verpflichtet. Seither werden Menschen, Fahrräder und
Gepäck über die Elbe gebracht.
Lange stellte sich die Frage nach der Beförderung von Autos nicht, weil dafür die
Infrastruktur nicht gegeben war. Doch in der zweiten Jahreshälfte 2013 kam die Stadt –
eigenen Angaben zufolge – ihrer vertraglichen Verpflichtung nach und investierte exakt
362.623 Euro in einen Fähranleger am gegenüberliegenden Elbufer, wobei sich die private
Fährgesellschaft mit rund 80.000 Euro beteiligen musste und weitere 115.500 Euro aus
Fördermitteln finanziert wurden. Seither versucht die Stadt vergeblich, den Privaten zu dem
Betrieb einer Autofähre zu bewegen. Dieser sieht sich weder rechtlich dazu verpflichtet noch
würde es sich für ihn wirtschaftlich rentieren. Die Region im Grenzgebiet zu MecklenburgVorpommern ist schließlich dünn besiedelt, und Autofahrer stehen nicht unbedingt Schlange.
Als großer Zankapfel erweist sich der im Fährvertrag nicht näher definierte Begriff
„Lastenfähre“. Indem die jetzige Fähre auch Gepäck über die Elbe transportiert, sieht der
Fährbetreiber
seine
vertraglichen
Pflichten
erfüllt.
Kurioserweise
teilt
auch
die
Stadtverwaltung diese Rechtsauffassung. Dabei hatte die Stadt von Anfang an den Betrieb
einer Autofähre beabsichtigt. Weshalb im Jahr 2004 aber der schwammige „Lastenfähre“Begriff – statt einer eindeutigen Formulierung – im Vertragstext Einzug hielt, könne zum
heutigen Zeitpunkt nicht mehr nachvollzogen werden, räumt die Stadt gegenüber dem Bund
der Steuerzahler ein. Trotzdem drängt eine Stadtratsmehrheit weiter auf den Betrieb einer
Autofähre. Ein Rechtsstreit scheint programmiert.
Fazit: Der von der Stadt Hitzacker erbaute Fähranleger ist für den Betrieb einer Autofähre
gedacht, die es aber wegen eines rätselhaften Fehlers bei der Formulierung des
Fährvertrags womöglich niemals geben wird.
11
Der Bund der Steuerzahler mahnt
Die Stadtverwaltung hätte vorab klären müssen, wie realistisch der Einsatz einer Autofähre
ist – stattdessen hat sie nach jetzigem Stand viel Geld in der Elbe versenkt und sich bis auf
die Knochen blamiert.
Teuren Gemeindedirektorenposten verhindert (Seite 119)
Die niedersächsische Gemeinde Wesendorf ließ ihre Verwaltungsgeschäfte seit
Jahren von der gleichnamigen Samtgemeinde erledigen. Als diese eine höhere
Kostenerstattung verlangte, entschied sich die Gemeinde für den Aufbau einer
eigenen Verwaltung. Für den Posten des hauptamtlichen Gemeindedirektors sah sie
eine unangemessen hohe Vergütung vor. Der Bund der Steuerzahler konnte die
Stellenbesetzung verhindern.
Wesendorf. Die rund 5.200 Einwohner zählende Gemeinde Wesendorf im Landkreis Gifhorn
hat sich verwaltungsmäßig mit benachbarten Gemeinden zur gleichnamigen Samtgemeinde
zusammengeschlossen – ein in Niedersachsen weitverbreitetes Modell, bei dem wesentliche
öffentliche Aufgaben auf der Ebene der Samtgemeinde erfüllt und damit effizientere
Verwaltungsstrukturen geschaffen werden.
Seit Jahren existierte eine Zusatzvereinbarung zu den gesetzlichen Vorschriften, wonach die
Samtgemeinde weitere Verwaltungsaufgaben für die Gemeinde Wesendorf gegen
Kostenerstattung erledigt. Als es Ende 2014 um eine Neufassung des Vertrags ging,
entschied sich die kleine Gemeinde für den Aufbau eines eigenen Verwaltungsapparats.
Es wurde ein neues Gemeindebüro mit eigenem Personal geschaffen. Neben einer neu
eingestellten
Verwaltungsmitarbeiterin
sollte
auch
der
bis
dato
ehrenamtliche
Gemeindedirektor, also der Leiter der Gemeindeverwaltung, hauptamtlich tätig werden. Weil
die
Leiterstelle
mit
Besoldungsgruppe
A 13
(Bruttopersonalkosten
inklusive
Versorgungszuschlag: rund 80.000 Euro im Jahr) besonders hoch dotiert war, forderte der
Bund der Steuerzahler zur längst zum politischen Zankapfel gewordenen Personalie eine
kommunalaufsichtsrechtliche Stellungnahme ein. Die Kommunalaufsicht des Landkreises
teilte im Sommer 2016 nach eingehenden Prüfungen die Bedenken des Bundes der
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Steuerzahler und beurteilte die Dienstpostenbewertung als nicht sachgerecht. Für die teure
Verwaltungsstelle fehlt somit die rechtliche Grundlage – und die Steuerzahler müssen damit
keinen hauptamtlichen Gemeindedirektor in Wesendorf bezahlen.
Gutachten zur Bestätigung einer Binsenweisheit (Seite 135)
Um sich eine Binsenwahrheit zum innerstädtischen Verkehrsfluss gutachterlich
bestätigen zu lassen, gibt das hochverschuldete Bremen 24.000 Euro aus. Dass der
morgendliche Berufsverkehr stadteinwärts besser fließt, wenn statt einer zwei
Fahrspuren befahrbar sind, hätte dem zuständigen Verkehrssenator auch der gesunde
Menschenverstand sagen können.
Bremen. Wer hätte das gedacht? Wenn im morgendlichen Berufsverkehr die Autofahrer auf
der Schwachhauser Heerstraße stadteinwärts in Höhe des Concordia-Tunnels zwei
Fahrspuren benutzen können und nicht nur eine, weil die zweite als Parkplatz genutzt wird,
fließt der Verkehr besser! Hauptsächlich diese Erkenntnis erhielt der Verkehrssenator durch
ein 24.000 Euro teures Gutachten. Für diese Expertise gab es zuvor monatelange
Testphasen: 5 Monate lang durfte auf der Strecke zwischen 7 und 10 Uhr nicht geparkt
werden. In den folgenden 5 Monaten wurde dann das Parken erlaubt, sodass für den
fließenden Verkehr nur eine Spur blieb. Die Verkehrsgutachter kamen zu der wenig
überraschenden Erkenntnis, dass ohne parkende Autos der Verkehr „deutlich besser“ floss.
Mit
parkenden
Fahrzeugen
und
damit
nur
einem
Fahrstreifen
bräuchten
Autos
durchschnittlich 25 Sekunden mehr für die knapp 500 Meter lange Strecke.
Der Verkehrssenator, der nach heftiger Kritik für die Erstellung des Gutachtens im Herbst
2015 abstritt, dass die Ergebnisse der Untersuchung vorhersehbar gewesen seien, zog
wenigstens mit dem Einrichten eines dauerhaften morgendlichen Parkverbots die richtige
Konsequenz. Des auf Steuerzahlerkosten bestellten Gutachtens hätte es dafür aber nicht
bedurft.
Die eingeschränkte Nutzung der Fahrspuren im Bremer Concordia-Tunnel ist schon seit
Jahren heftig umstritten. 2005 wurde der Ausbau der Schwachhauser Heerstraße auf vier
Spuren beschlossen, um den Verkehrsfluss zu verbessern. Damit verbunden war auch eine
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20 Mio. Euro teure Verbreiterung des Concordia-Tunnels, die Ende 2010 abgeschlossen war.
Seither wurde der durch die Tunnelerweiterung gewonnene Fahrstreifen stadteinwärts
kurioserweise als Parkplatz und nicht für den fließenden Autoverkehr genutzt. Dieser neue
Parkraum hätte kaum teurer erkauft werden können. Deshalb fand sich der Fall bereits im
Schwarzbuch 2011 wieder.
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