IKB-Kapitalmarkt-News – Italiens Refinanzierung: Ein Damoklesschwert für die Euro-Zone? 6. Oktober 2016 Dr. Klaus Bauknecht [email protected] Es gibt aktuell wenig Positives aus Italien zu berichten. Die durch eine hohe Anzahl fauler Kredite verursachte Bankenkrise bleibt weiterhin ungelöst, das Wirtschaftswachstum ist mau, und das reale BIP Italiens verharrt deutlich unter dem Vorkrisenniveau von 2008. Zudem wächst die politische Unsicherheit angesichts des am 4. Dezember stattfindenden Referendums, bei dem über eine vereinfachte Gesetzgebung abgestimmt werden soll. Grundsätzlich ist das Referendum ein Schritt in die richtige Richtung, wenn die Vorstellung der Regierung denn von den Italienern goutiert würde, wonach es aktuell nicht unbedingt aussieht. Die Alternativen sind wegen der im Falle eines negativen Votums offenen Zukunft der Regierung Renzi wenig überzeugend. Abb. 1: BIP-Entwicklung im Vergleich, Index 2005 = 100 120 115 110 105 100 95 90 2005 2006 2007 2008 Deutschland 2009 2010 Spanien 2011 2012 Frankreich 2013 2014 2015 2016 Italien Quelle: Eurostat In solch einem Umfeld kann ein hoher Refinanzierungsbedarf des Staates besorgniserregend sein, da Investoren womöglich eine höhere Risikoprämie verlangen und somit die Zinslast nach oben treiben. Im Extremfall besteht sogar die Gefahr, dass der Staat sich nicht ausreichend refinanzieren kann, eine Situation, die auch während der Euro-Krise drohte und Rettungsmechanismen wie den ESM zur Folge hatte. Gegenwärtig sind derartige Sorgen unangebracht, da die EZB in erheblichem Ausmaß Staatsanleihen aufkauft. Auch wenn das Aufkaufprogramm im März 2017 zurückgefahren werden sollte, und die Renditen infolge dessen etwas ansteigen: Die Wahrscheinlichkeit, dass Euro-Länder wie Italien ihre Refinanzierung in 2017 nicht stemmen können, ist gering. Als letztes Mittel zur Refinanzierung von Staaten durch die EZB käme die Aktivierung des kontroversen OMT-Programms in Frage. Rund 70 % der ausgereichten italienischen Emissionen sind gewöhnliche Anleihen mit Couponzahlungen und einer Laufzeit von über drei Jahren, während 7 % der Emissionen Anleihen ohne Coupons sind, sogenannte Zero-Coupon-Anleihen. Die Laufzeit dieser Anleihen liegt bei unter zwei Jahren. Außerdem hat der italienische Staat eine größere Anzahl von indexierten Anleihen ausgegeben, die in ihrer Auszahlungen den Kaufkraftverlust durch Inflation berücksichtigen. Die durchschnittliche Rendite von italienischen Neuemissionen betrug im Juni 0,61 %. Damit liegen sie rund drei Prozentpunkte unter dem Niveau, zu dem der italienische Staat in 2011 Anleihen ausgeben musste. Noch nie hat sich Italien so billig refinanziert wie aktuell. Dies ist in erster Linie auf die EZB-Geldpolitik zurückzuführen, denn die fundamentalen volkswirtschaftlichen Werte Italiens können wenig zur Entspannung beitragen. Die effektive Zinslast des italienischen Staates, also die Zinszahlungen relativ zur Verschuldung, lag in 2015 bei 3,2 %. In Abhängigkeit von der zukünftigen Renditeentwicklung und Refinanzierungsstruktur des italienischen Staates ist aufgrund dieser EZB-Politik mit einer anhaltenden Senkung der effektiven Zinsrate auf Sicht zu rechnen. Dies wiederum liefert einen wichtigen Beitrag für die Schuldentragfähigkeit des italienischen Staates, vor allem, weil das nominale BIP-Wachstum immer noch enttäuscht und wegen eines niedrigen potenziellen Wachstums nur im Falle von höherer Inflation nachhaltig ansteigen sollte. Kapitalmarkt News Abb. 2: Effektive Zinslast der Staaten, in % 12 10 8 6 4 2 0 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Deutschland Spanien Frankreich Italien Quelle: Eurostat, IKB Schätzungen Im aktuellen Umfeld von niedrigen Zinsen sowie der von der EZB zur Verfügung gestellten Überliquidität ist eine hohe Refinanzierung eher Opportunität als Risiko, da ein weiterer deutlicher Rückgang der Zinslast zu erwarten ist. Nächstes Jahr muss die italienische Regierung rund 16 % (entspricht ca. 300 Mrd. €) ihrer gesamten außenstehenden Verbindlichkeiten von rund 1,9 Billionen € refinanzieren, der höchste jährliche Refinanzierungsbedarf unter der aktuellen Tilgungsstruktur überhaupt. Ein großer Teil der in 2017 fälligen Anleihen (rund 35 %) wurden als Zero-Coupon-Anleihen emittiert. Bei ihrer Emission wurden die zukünftigen Zinszahlungen quasi in die Schuldenquote mit aufgenommen. Die offizielle Zinslast dieser Anleihen liegt deshalb bei 0 %. Werden sie durch Anleihen mit Coupon ersetzt, steigt die Zinslast. Eine erneute Refinanzierung durch Zero-Coupon-Anleihen würde hingegen die Schuldenquote nach oben anheben. Da die italienische Zinskurve jedoch für bis zu zwei Jahre im negativen Bereich liegt, bedeutet eine erneute Refinanzierung durch Zero-Coupon-Anleihen, dass der Schuldenstand zurückgeht – wenn auch nur marginal. Der Staat könnte sogar die Zero-Coupons durch Coupons für dreijährige Anleihen, die aktuell eine Rendite von rund 0 % aufweisen, ersetzen und somit ebenfalls keine zusätzliche Zinslast generieren. Nur bei Laufzeiten über drei Jahre würde durch die Refinanzierung der Zero Coupon-Anleihen die Zinslast ansteigen. In 2017 werden 55 % der Fälligkeiten Italiens festverzinste Anleihen mit einer durchschnittlichen Couponrate von rund 3,4 % sein. Die Laufzeit der Anleihen betrug bei Emission im Schnitt rund 7,3 Jahre. Je nachdem, über welche Laufzeit sich der italienische Staat refinanziert, wäre hier eine deutliche Zinseinsparung zu erwarten. Die aktuelle Rendite auf 7-jährige italienische Anleihen liegt bei ca. 0,75 %. 55 % der Fälligkeiten machen rund 9 % der gesamten Verschuldung aus. Eine Reduzierung der Zinsrate von 3,4 % auf 0,75 % würde somit die effektive Zinslast der Gesamtverschuldung um etwas über 20 Basispunkte senken. Da die effektive Zinslast des italienischen Staates in 2016 immer noch bei ca. 3 % liegen sollte (2015 waren es 3,2 %), ist mit einer Verbesserung selbst im Falle von moderat steigenden Renditen als Folge eines auslaufenden Aufkaufprogramms der EZB zu rechnen. Aktuell werden 30-jährige italienische Anleihen bei 2,4 % gehandelt. Die Bedeutung und der Einfluss der aktuellen Geldpolitik werden bei der Analyse des italienischen Refinanzierungsbedarfs erneut deutlich. Die EZB mag zu Recht in der Kritik stehen, weil ihre Geldpolitik keinen direkten Einfluss auf das realwirtschaftliche Wachstum ausübt; dennoch ist ihre Politik für den Erhalt der Euro-Zone entscheidend. In vielen EuroLändern ist sie weiterhin der primäre Treiber, der die Schuldentragfähigkeit sicherstellt. Da mag ein hoher Refinanzierungsbedarf im kommenden Jahr gerade recht sein. Fazit: Ein großer Refinanzierungsbedarf kann sich für eine Volkswirtschaft mit schwachem Wachstum und hohem Schuldenstand als Risikofaktor erweisen. Das hat die Staatsschuldenkrise in der Euro-Zone gezeigt, als die Renditen auf Staatsanleihen in vielen Mitgliedsländern stark anstiegen. Aufgrund der aktuellen EZB-Geldpolitik ist dieses Risiko mittlerweile allerdings überschaubar. Die italienische Zinskurve bleibt bis zu einer Laufzeit von 2 Jahren negativ und selbst zehnjährige Renditen werden mit ca. 1,4 % deutlich unter der aktuellen effektiven Zinslast des italienischen Staates gehandelt. So deutet ein hoher Refinanzierungsbedarf eher auf eine Opportunität des Staates hin, die Zinslast weiter zu reduzieren. Kapitalmarkt News In 2017 wird Italien 16 % (ca. 300 Mrd. €) seiner gesamten Verschuldung refinanzieren müssen. Auch wenn rund ein Drittel der Fälligkeiten Zero-Coupon-Anleihen sind, kann dennoch von einer weiteren und deutlichen Entlastung des Staates ausgegangen werden, da die durchschnittliche Rendite der Fälligkeiten deutlich über der aktuellen italienischen Zinskurve liegt. 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