IKB-Kapitalmarkt-News – Italienische Banken: Einzelne

IKB-Kapitalmarkt-News – Italienische Banken: Einzelne Rettungsmaßnahmen
reichen nicht
22. August 2016
Dr. Klaus Bauknecht
[email protected]
Daniel Schönekäs
[email protected]
Teufelskreis von faulen Krediten und niedrigem Wachstum braucht mutige Lösung, …
Das Wachstum der italienischen Wirtschaft stagnierte im zweiten Quartal, und auch für das laufende Quartal zeichnet sich
keine Belebung ab. Zwar sollte die Konjunktur auf Jahressicht ein positives Vorzeichen aufweisen, das zu erwartende BIPWachstum von 0,6 % wird aber zu den schwächsten in der Euro-Zone gehören. Die italienische Wirtschaft ist seit der
Finanzkrise vor neun Jahren nie richtig auf die Beine gekommen. Das BIP konnte nur mit Mühe leicht zunehmen und die
dreijährige Rezession hinter sich lassen. Das gegenwärtige Niveau entspricht jedoch gerade einmal der Wirtschaftsleistung
des Jahres 2000. Selbst positive makroökonomische Rahmenbedingungen der letzten Quartale wie der niedrige Ölpreis, der
schwache Euro und günstige Finanzierungsbedingungen haben der Konjunktur kaum genutzt. Eine enttäuschende
Binnennachfrage sowie eine nun schon länger anhaltende Reformträgheit haben Strukturprobleme verfestigt und zu einer
hohen strukturellen Arbeitslosigkeit geführt, die nach Jahren der Krise mit 11,2 % zweistellig ist. Auch die Schuldenquote zeigt
schon seit Jahren keine Anzeichen einer nachhaltigen Verbesserung und ist in 2015 auf 133 % des BIP gestiegen.
Nicht erst seit den jüngsten Entwicklungen um den Brexit haben sich die Perspektiven der italienischen Wirtschaft, und damit
auch der dortigen Banken, wieder eingetrübt. Die Probleme im Bankensektor sind das Ergebnis chronischer Reformunwilligkeit
und anhaltend niedrigen Wachstums. Die Banken haben über Jahre einen Berg notleidender Kredite in Höhe von circa
360 Mrd. € angehäuft. Das entspricht knapp 18 % des gesamten Kreditbestandes.
Die italienische Bankenkrise unterscheidet sich von denen in Spanien, Irland oder Griechenland. Ursache dieser Krisen waren
platzende Immobilienblasen und überschuldete private Haushalte. In Italien sind es vor allem notleidende
Unternehmenskredite, die die Banken in Schwierigkeiten bringen. Damit ist auch klar, worin die Lösung einer nachhaltigen
Stabilisierung des Bankensektors liegt – im Wachstum der Wirtschaft. Die Bankenkrise selbst ist auch der Hauptgrund für die
schwache italienische Konjunktur. Das Problem liegt darin, dass auf der einen Seite die Investitionsbereitschaft und damit die
Kreditnachfrage der Unternehmen aufgrund des schwierigen Umfeldes gering ist; auf der anderen Seite ist es für
Unternehmen schwierig, Kredite zu bekommen, da die italienischen Banken aktuell nur sehr bedingt in der Lage sind, die
durch die lockerere EZB-Geldpolitik geschaffenen günstigen Finanzierungsbedingungen weiterzureichen. Dass dieser
Transmissionskanal in Italien nicht funktioniert, zeigt die immer noch rückläufige Kreditvergabe an Unternehmen.
Abb. 1: Kreditvergabe an nichtfinanzielle Unternehmen und Ausrüstungsinvestitionen
14
105
12
100
10
95
8
90
6
4
85
2
80
0
75
-2
70
-4
-6
65
2007
2008
2009
2010
Kreditvergabe*, in % zum Vorjahr
Quellen: EZB; Eurostat
2011
2012
2013
2014
2015
2016
Ausrüstungsinvestition, Index 2007=100 (rechte Skala)
*Quartalsdurchschnitt
Kapitalmarkt News
Die Lösung der Bankenkrise ist ein Schlüssel für die Wiederbelebung des italienischen Wirtschaftswachstums. Um die
benötigte Wirtschaftsdynamik erzeugen zu können, benötigen die Unternehmen einen Bankensektor, der die entsprechenden
wettbewerbsfähigen Finanzierungsbedingungen anbieten kann. Diese Überlegung floss allerdings nicht vorrangig in die aktuell
vorgeschlagenen Problemlösungen ein. Der Bankenrettungsfonds „Atalante 2“, den private Investoren mit einem Volumen von
bis zu 5 Mrd. € ausstatten sollen, hat die Rekapitalisierung von Banken sowie den Ankauf von notleidenden Krediten zum Ziel.
Der Fonds beseitigt aber nicht die grundsätzlichen Probleme des italienischen Bankensystems. Dies aber wäre angesichts des
Umfangs der notleidenden Kredite notwendig, um das Vertrauen in den Bankensektor wieder herzustellen. Der Rettungsfonds
operiert an Symptomen, schafft aber keinen Befreiungsschlag, auch weil die Nutzung des Fonds, anders als in Spanien, nicht
an Umstrukturierungen gebunden ist. Sinnvoller wäre eine Lösung wie in den USA, bei der alle Banken Staatshilfe im großen
Stil annehmen mussten (TARP-Programm). Damit gelang eine ausreichende Rekapitalisierung der US-Banken und die
Vertrauenskrise wurde beendet.
… doch politische Umstände verhindern kühnes Handeln
Staatliche Hilfe ist aufgrund der neuen Regeln in Europa nicht erste Wahl, da zuerst private Gläubiger zur Kasse gebeten
werden sollen; etwas, das Italiens Premier Renzi verständlicherweise unbedingt verhindern will. So sucht seine Regierung in
Einzelfällen die Antwort in der privat-finanzierten Rettung und hofft, dass dies auch auf den Rest der Banken ausstrahlt. Das ist
jedoch unwahrscheinlich, da die grundsätzlichen Vertrauens- und Wachstumsprobleme weiterhin ungelöst bleiben. Die
italienische Politik steht vor einem Dilemma: Sollen die strauchelnden Banken nach den seit Anfang 2015 geltenden
Regelungen zur Bankensanierung und -abwicklung (BRRD) in der Euro-Zone rekapitalisiert werden, ist ein „Bail-in“
(Beteiligung am Verlust) der Eigentümer und Gläubiger vorgeschrieben. Soll der italienische Staat in Form eines „Bail-out“ den
kriselnden Banken alleine beispringen, würde man die neue Gesetzgebung umgehen und womöglich falsche Signale senden.
Wenn die Banken nach den EU-Sanierungsregeln rekapitalisiert werden, würden viele Kleinanleger in Haftung genommen, da
sie große Teile ihrer Ersparnisse in Bankanleihen investiert haben und damit bei einer Rettung Teile ihres Kapitals verlören.
Eine solche Maßnahme ist extrem unpopulär und würde die ohnehin schon in der Kritik stehende Regierung Renzi weitere
Zustimmung kosten. Zudem hat die Bevölkerung die Möglichkeit, bei dem im Herbst anstehenden wichtigen Referendum über
die Senatsreform ihren Unmut über die etablierten Parteien zu artikulieren. Sollte das Referendum zur Ablehnung der von
Renzi vorgeschlagenen Senatsreform führen, würde nicht nur die seit Jahren praktizierte Blockadepolitik zwischen den beiden
mit oftmals unterschiedlichen Mehrheiten agierenden Parlamentskammern weitergehen. Bisher sind Senat und
Abgeordnetenhaus gleichberechtigt. Das Land könnte turbulenten politischen Zeiten entgegensehen, da Renzi sein politisches
Schicksal an den Ausgang des Referendums geknüpft hat. So ist es nicht verwunderlich, dass er den Weg der privaten
Finanzierung eines Rettungsfonds favorisiert.
Die EU-Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie besagt, dass ein Staat nur im Extremfall ohne Beteiligung der Investoren
eingreifen darf, sprich, wenn die Finanzmarktstabilität als Ganzes in Gefahr ist. Dies scheint allerdings in Italien angesichts des
Volumens an faulen Krediten und des anhaltend schwachen Wachstums durchaus der Fall zu sein und wirkt sich auch auf die
Euro-Zone und Europa aus. Durch das halbherzige Handeln der italienischen Regierung sinkt das Vertrauen in die
europäische Krisenpolitik weiter. Es scheinen nicht notwendiges Handeln, sondern eher Prinzipien im Fokus zu stehen – zu
Lasten des langfristigen italienischen Wachstums. Eine Aussetzung der neuen Gesetze durch eine großangelegte
Staatseinmischung und Rekapitalisierung des gesamten Bankensystems bedeutet kein Reputationsrisiko europäischer Politik
und Institutionen.
Fazit: Die Probleme des italienischen Bankensektors resultieren aus einer seit Jahren anhaltenden Wirtschaftskrise. Damit
unterscheidet sich die italienische Bankenkrise von denen in Spanien, Irland und Griechenland, deren Ursachen platzende
Immobilienblasen und überschuldete private Haushalte waren.
Die Konjunkturaussichten Italiens sind weiterhin nur mäßig und es besteht die Gefahr, dass die aktuellen Rettungspläne den
Bankensektor nicht ausreichend stabilisieren können, da sie sich auf Einzelfälle konzentrieren, also nur Symptome behandeln.
Das italienische Bankensystem leidet aber an notleidenden Krediten erheblichen Volumens. Erforderlich ist deshalb eine breit
aufgestellte Rekapitalisierung des gesamten italienischen Bankensystems durch den Staat, um neues Wirtschaftswachstum in
Gang zu bringen.
Aufgrund des Ausmaßes der Probleme und damit des systemischen Risikos für die italienische Volkswirtschaft steht dieser
Lösungsvorschlag nicht im Widerspruch zu den neuen Regeln der europäischen Bankenregulierung, die im Einzelfall zunächst
eine Beteiligung des Privatsektors vorschreiben.
Vielleicht wird eine staatliche Rekapitalisierung des italienischen Bankensystem mit einem für Renzi positiven Ausgang des
Referendums über die Senatsreform im Herbst 2016 wahrscheinlicher. Es wäre Italien und der Euro-Zone zu wünschen.
Kapitalmarkt News
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