leitartikel Die Südtiroler Muppet-Show Es ist eigenartig, wenn Altpolitiker alles besser wissen, obwohl sie, als sie selbst in der Politik waren, auch nicht immer alles besser gemacht haben. I von Alexandra Aschbacher Loslassen vom Amt und von der Politik gehört zu den essenziellen Zutaten der Demokratie. n der Muppet-Show ragen zwei PuppenCharaktere heraus. Das sind die zwei älteren Herren, die oben in der Loge sitzen und sich über das Geschehen der erbärmlichen Show mokieren. Sie wissen alles besser, kommentieren hämisch und wünschen sich offenbar nichts sehnlicher, als selbst noch mal mitspielen zu dürfen. In der Muppet-Show heißen die beiden Herren aus Plüsch Statler und Waldorf. In der Südtiroler Politik gibt es zurzeit gleich mehrere davon: Altlandeshauptmann Luis Durnwalder, Ex-Senator Oskar Peterlini, Ex-Landtagsabgeordneter Franz Pahl – und die Liste ließe sich beliebig fortführen. Der Vergleich mit den Nörglern aus der Muppet-Show mag überspitzt sein, ist aber nicht von der Hand zu weisen. Seit geraumer Zeit ringen diese Herren um die Deutungshoheit in Sachen Politikergehälter, Verfassungsreform und Südtiroler Autonomie. Luis Durnwalder zum Beispiel. Er war ein großer Landeshauptmann, 25 Jahre lang. In einem Interview mit der österreichischen Presse agentur Apa anlässlich seines 75. Geburtstages sagt er von sich selbst, mehr der „bäuerliche Verwalter“ gewesen zu sein, einer, der auch mal ins Wirtshaus gegangen sei und Karten gespielt habe. Ganz im Gegensatz zu seinem Nachfolger Arno Kompatscher. Bei diesem vermisse er die „Volksnähe“. Nun, als Bauer müsste der Altlandeshauptmann wissen, dass eine Hofübergabe eine heikle Sache ist. Der Altbauer übergibt nicht nur den Hof, sondern auch die Verantwortung an den Jungbauern. Ständige Besserwisserei, Dreinreden oder Vergleichen mit sich selbst ist da fehl am Platz und kontraproduktiv. Angesichts der Landtagswahl im Jahr 2018, so der Altlandeshauptmann im Apa-Interview, hege er eine „gewisse Angst“. Die SVP könne froh sein, wenn sie die heutige Stärke halten könne. Sie würde sich sehr schwer tun, die unter Kompatscher verlorene absolute Mehrheit wiederzuerlangen. Kompatscher sei ein „intelligenter Verwalter“ – „Wir haben niemand anderen.“ Eine größere Ohrfeige kann man einem Nachfolger und der eigenen Partei nicht geben. ® © Alle Rechte vorbehalten/Riproduzione riservata – FF-Media GmbH/Srl Gleich mehrere Statlers und Waldorfs tummeln sich indes auf der Bühne, sobald es um die Verfassungsreform geht und die darin enthaltene Schutzklausel für die Südtirol-Autonomie. Oskar Peterlini zum Beispiel ist nicht nur Mitglied des „Bürgerkomitees fürs Nein“ zur Verfassungsreform, er berät in dieser Angelegenheit auch Oppositionsparteien wie Südtiroler Freiheit und Freiheitliche. Und weil Parteiobmann Philipp Achammer das öffentlich gerügt hat, hat er prompt einen bösen Brief vom Chef der SVP-Altmandatare erhalten. Darin holt Franz Pahl zum Rundumschlag aus gegen Parteispitze, Landeshauptmann und freilich auch gegen die Verfassungsreform samt Schutzklausel. All das sind Streitigkeiten auf zwei Ebenen, einer politischen und einer persönlichen. Politisch gehört der Streit zu jeder Sammelpartei. Auseinandersetzungen zwischen den Bewegungen und Organisationen sind vorprogrammiert. Es ist auch lobenswert, wenn sich langjährige Politiker Sorgen um die Entwicklung Südtirols machen. Das Politische aber ist nun einmal auch stets persönlich. Es geht um Machterhalt, um Unentbehrlichkeitsfantasien, also die Überzeugung, die eigene politische Tätigkeit sei unverzichtbar. Sie reden sich das selber ein, und es wird ihnen eingeflüstert. Der Abschied eines Politikers bedeutet aber immer auch Umstellung, Veränderung, Verlust von Einfluss – für den Politiker ebenso wie für sein Umfeld. Einige ehemalige SVP-Mandatare haben ein Problem, an dem viele ältere Männer leiden: Sie können nicht loslassen. Nach ihrem Abgang soll möglichst alles so sein wie vorher. Loslassen vom Amt und von der Politik aber gehört zu den essenziellen Zutaten der Demokratie, ist Demut vor dem Wähler. Wer die Politik verlässt, mischt sich nicht mehr ein. „Ich muss mich beherrschen, nicht zu viel am öffentlichen Leben teilzunehmen“, sagte Luis Durnwalder im Apa-Interview. „Ich möchte mich nicht aufs Kritisieren beschränken.“ Einsicht ist bekanntlich der erste Schritt zur Besserung. n No. 38 / 2016
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