Spannende Buchpremiere: "Brandgefährlich: Wie das Schweigen

23.09.2016
Spannende Buchpremiere: "Brandgefährlich: Wie das Schweigen
der Mitte die Rechten stark macht "
22. September 2016
Spannende Buchpremiere: "Brandgefährlich: Wie das Schweigen
der Mitte die Rechten stark macht "
22. September 2016
Ablauf des Abends:
Der ehemalige Ortsbürgermeister von Tröglitz, Markus Nierth
und die freie Autorin und Journalistin Juliane Streich stellten
gestern ihr Buch "Brandgefährlich: Wie das Schweigen der
Mitte die Rechten stark macht " vor. Anschließend wurde auf
der gut besuchten Buchpremiere über das Thema und über
Lösungsansätze diskutiert. Außerdem interviewte mich Christoph Links zu meinen Einschätzungen zu
den Ereignissen in Tröglitz. Zu der Veranstaltung luden die Karl-Marx-Buchhandlung in Berlin und der
Verein "Gegen Vergessen/für Demokratie e. V." ein.
April 2015: Tröglitz erlangt traurige Berühmtheit
Tröglitz ist eine kleine Gemeinde im Burgenlandkreis in Sachsen-Anhalt mit gut 2.700 Einwohnern. Im
April 2015 erlangte der Ort eines Nachts traurige Berühmtheit: Das Gebäude, in dem gut 40 Flüchtlinge
untergebracht werden sollten, brannte. Schnell wird klar, dass es sich um Brandstiftung handelt. Der oder
die Täter (bis heute wurde niemand dafür verantwortlich gemacht) hätten sogar den Feuertod eines
Ehepaars in Kauf genommen, das sich zum besagten Zeitpunkt noch im Haus aufhielt. Sie konnten sich
glücklicherweise rechtzeitig retten.
Zum Buch:
Wie konnte es dazu kommen? Genau dieser Frage geht das Buch "Brandgefährlich" nach. Es ist eine
Chronologie der Geschehnisse und liest sich wie ein Krimi. An dieser Stelle muss man sagen: Leider.
Denn es ist keine erfundene Geschichte, sondern sie ereignete sich genau so, vor einem Jahr, hier in
Deutschland. Herrn Nierth und Frau Streich gelingt es der Leserin, bzw. dem Leser nahezubringen, wie
die Entwicklung in dem kleinen Ort in Sachsen-Anhalt dazu führte, dass Herr Nierth schließlich
beschloss, genauer gesagt: beschließen musste, als Ortsbürgermeister zurückzutreten. Aber es bleiben
viele Fragen offen. Warum sind so viele Menschen der Propaganda der NPD gefolgt - und zwar auch
jene, die zuvor keineswegs als rechtsradikal auffielen? Warum haben die Behörden nicht früher reagiert?
Warum konnten Dialogangebote den Menschen die Angst nicht nehmen oder sie zumindest schmälern?
Neben der Schilderung der Ereignisse, skizzieren Herr Nierth und Frau Streich konkrete
Lösungsvorschläge für ähnliche Fälle.
Was können wir tun?
Mittlerweile ist Tröglitz leider nur ein Fall von vielen: über 200 Mal wurden im Jahr 2015 Flüchtlingsheime
angegriffen. Was also können wir tun? Wie lassen sich weitere Anschläge verhindern und
Rechtsradikalismus eindämmen?
Auch wenn es manchmal mühsam ist: Wir müssen weiterhin beharrlich die inhaltliche
Auseinandersetzung suchen und offensichtliche Propaganda entlarven. Auch die Grundwerte der
Verfassung müssen wir konsequent verteidigen. Menschenrechte, Gleichheit, Freiheit und Würde dürfen
niemals zur Diskussion stehen. Sie gelten für alle Menschen gleichermaßen und genau dafür müssen wir
uns einsetzen!
Unsere Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit
Herr Nierth und seine Familie mussten die schlimme Erfahrung machen, was es bedeutet ständig mit
Mord bedroht zu werden und keinerlei Schutz und Rückhalt von den Behörden zu bekommen.
Menschen, die sich gegen Hass und Rassismus stark machen, müssen geschützt werden. Die Stärke
einer Gesellschaft zeichnet sich durch die Stärke derjenigen aus, die zu dieser gehören. Deshalb muss
die Zivilgesellschaft unterstützt werden, auch und vor allem in kleinen Orten wie Tröglitz. Um Teilhabe
ermöglichen zu können, müssen die Strukturen dafür geschaffen und aufgebaut werden, um so die
Spaltung der Gesellschaft zu überwinden. Dies kann uns vor allem durch Bildung, unter anderem
politischer Bildung, gelingen. Unsere Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Sie muss gelebt
werden und muss vor allem erlernt werden. Demokratieentwicklung und Demokratiebildung muss im
Alltag der Menschen konkret werden. Um unsere Gesellschaftsstrukturen zu festigen, brauchen wir
konkrete Orte und mehr zivilgesellschaftliche Arbeit (Jugend- und Sozialarbeit u. a.).
Mut haben und dagegen halten!
Und was können wir alle, du und ich, im Kleinen tun? Wir müssen den Mut haben, über Hass und
Fremdenfeindlichkeit zu reden und wir dürfen nicht Wegschauen! Bürgermeister und Politiker dürfen vor
Rassismus und Rechtsradikalismus nicht die Augen verschließen aus Angst vor negativen Schlagzeilen
für ihre Region. Hierzu brauchen sie den Rückhalt aus der Gesellschaft.
Wehret den Anfängen
Die Veranstaltung hat gezeigt, dass es viele Menschen gibt, die nicht wegschauen. Jene, die sich
interessieren und engagieren. Im Alltag kann jede und jeder Einzelne Courage zeigen und reagieren,
wenn rassistische Aussagen die Gespräche bestimmen. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass diese
nicht salonfähig werden, denn: Wehret den Anfängen!
Quelle: http://www.ekin-deligoez.de/?id=3017788
© Ekin Deligöz, MdB 2016