neue Rechtsprechung des EuGH

Umsatzsteuer aktuell
Rückwirkung von Rechnungsberichtigungen und Vorsteuerabzugsrecht – neue Rechtsprechung des EuGH
[21.09.2016]
Von: Stefan Groß und Janneke Speetjens
Rechnungen, die nicht die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 UStG erfüllen, berechtigen
nicht zum Vorsteuerabzug. Wird der Vorsteuerabzug jedoch trotzdem geltend gemacht
und die fehlerhaften Rechnungen bei einer Betriebsprüfung entdeckt, muss nicht nur die
darauf geltend gemachte Vorsteuer zurückbezahlt werden, sondern die Steuerrückforderung wird zudem mit 6 % (p. a.) verzinst.
Mit Datum vom 15.09.2016 hat der EuGH nun zu diesem Thema zwei grundlegende Urteile gefällt (Urteil v. 15.09.2016, C-516/14 – Barlis 06; Urteil v. 15.09.2016,
C-518/14 – Senatex).
Rückwirkung von Rechnungsberichtigung
Im Urteil vom 15.09.2016, C-518/14 – Senatex, entschied der EuGH, dass es möglich ist,
Rechnungen mit Rückwirkung zu berichtigen. Im Streitfall ging es um Rechnungen, die
ohne Angabe der Steuernummer (hier: USt-IdNr.) ausgestellt worden waren, jedoch die
übrigen Rechnungspflichtangaben enthielten und später ordnungsgemäß berichtigt wurden. Die deutsche Finanzverwaltung war der Meinung, dass das Recht auf Vorsteuerabzug erst im Jahr der Berichtigung entstehen könne, die bis dahin bestehende Steuerrückforderung des Finanzamts insofern zu verzinsen sei.
Das Grundprinzip der Mehrwertsteuerneutralität verlangt jedoch nach Auffassung des
EuGH, dass der Vorsteuerabzug zugelassen wird, wenn die materiellen Voraussetzungen
erfüllt sind. Dies gelte auch dann, wenn bestimmte formelle Bedingungen, wie etwa die
Angabe der UST-IdNr. auf der Rechnung, nicht erfüllt sind. Obwohl die Mitgliedstaaten
laut EuGH befugt sind, Sanktionen für den Fall der Nichterfüllung der formellen Bedingungen für die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts vorzusehen, wird insbesondere die
mit der Anwendung von Nachzahlungszinsen verbundene spätere Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts vom EuGH als zu weitgehend gesehen.
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Da die Rechnungen im Streitfall ordnungsgemäß berichtigt waren, äußerte sich der EuGH
nicht zu der Frage, welche Mindestanforderungen erfüllt sein müssen, um eine Rechnung
mit Rückwirkung berichtigen zu können. Es müsse, so das Gericht, aber eine ursprüngliche Rechnung vorliegen und ein Berichtigungsbeleg solle erstellt werden.
Vorsteuerabzugsrecht im Zusammenhang mit formellen Voraussetzungen
Im Urteil vom gleichen Tag (15.09.2016), C-516/14 – Barlis 06, entschied der EuGH, dass
der Vorsteuerabzug nicht allein deshalb verweigert werden kann, weil die Rechnung nicht
die formellen Voraussetzungen erfüllt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Behörden
über alle notwendigen Informationen verfügen, um zu prüfen, ob die materiellen Voraussetzungen für die Ausübung dieses Vorsteuerabzugsrechts vorliegen. Zudem entschied
der EuGH, dass die Leistungsbeschreibung auf Rechnungen auf jeden Fall den Leistungszeitpunkt beinhalten muss. Das Gericht stellte aber keine Detailvoraussetzungen an die
Leistungsbeschreibung.
Hinweise für die Praxis
Die Urteile des EuGH sind aus Praxissicht sehr zu begrüßen. Jedoch ändert sich durch die
Urteile u. E. nichts an dem Grundsatz, dass fehlerhafte Rechnungen stets und unverzüglich berichtigt werden sollten. Der EuGH hat nämlich keine Stellung dazu genommen,
wann die Berichtigung zu erfolgen hat. Formalprüfungen bleiben damit trotz der EuGHUrteile sehr wichtig in der unternehmerischen Praxis. Dies gilt insbesondere vor dem
Hintergrund, dass die Umsetzung der Urteile durch die deutsche Finanzverwaltung und
deutschen Gerichte womöglich noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird und diese
eventuell noch Wege finden könnten, um die grundsätzlich positiven EuGH-Entscheidungen einzuschränken oder eng auszulegen.
Für die Vergangenheit gilt u. E. zu prüfen, inwiefern bereits entrichtete Zinsen zurückgefordert werden können. Diesbezügliche Bescheide sind offen zu halten.
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