FORUM 1 „Flüchtlingsquelle Mittlerer Osten “ Impulsreferat: Handan Çiçek (Verband der Studierenden aus Kurdistan-YXK, Frankfurt a.M.) Dr. Kenan Engin (Bonner Institut für Migrationsforschung): Strukturen der nahöstlichen Konflikte und ihre Auswirkungen auf die Migrationsströme in die EU Dr. Luqman Turgut (Kurdologe): Die kurdische Frage – ein determinierender Faktor für Flucht aus dem Mittleren Osten – und die westliche Nahostpolitik Moderation: Mazlum Ayalp (Jurist, Kurd-Akad, Frankfurt a.M.) FORUM 2 „Flüchtlingsziel Europa / Deutschland“ Impulsreferat: Der gefährliche Weg der Hoffnung Bernd Mesovic (stellvertretender Geschäftsführer von Pro Asyl, Frankfurt a.M.): Europäische Strategien Ursachenbekämpfung vs. (militärische) Notlösungen Mürvet Öztürk (MdL Hessen, Bündnis 90/Die Grünen): Die Flüchtlingspolitik der deutschen Bundesregierung Moderation: Dersim Dagdeviren (Ärztin, Kurd-Akad, Dortmund) ABSCHLUSSDISKUSSION Flucht – ein unbeherrschbares Problem?! Seite 1 Moderation: Cihan Ünlübayir (Sozialarbeiter, Kurd-Akad, Frankfurt a.M.) (Vorsitzende von Kurd-Akad) Sehr geehrte Damen und Herren, Liebe Freundinnen und Freunde, im Namen des Netzwerkes kurdischer Akademikerinnen und Akademiker begrüße ich Sie herzlich zu unserer Konferenz mit den Titel „Flucht und Asyl: globale Hintergründe – lokale und globale Herausforderungen.“. Ganz besonders begrüßen möchte ich die Rednerinnen und Redner des heutigen Tages: Mürvet Öztürk, Bernd Mesovic, Dr. Kenan Engin und Dr. Luqman Turgut. Ich möchte mich ganz herzlich beim Gewerkschaftshaus dafür bedanken, dass uns dieser Raum heute zur Verfügung gestellt wurde. Mein herzlicher Dank gilt auch unseren langjährigen Kooperationspartnern, dem Verband der Studierenden aus Kurdistan YXK und dem Kurdischen Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit Civaka Azad. Ich möchte mich zudem herzlich, auch wenn heute kein Vertreter unter uns ist, bei der Sebastian Cobler Stiftung für Bürgerrechte für die finanzielle Unterstützung dieser Konferenz bedanken. Ein herzliches Dankeschön auch an das mesopotamische Kulturzentrum in Frankfurt, das uns heute das Equipment für die Verpflegung zur Verfügung gestellt hat. Kaum ein Thema beherrscht die Tagesordnung so sehr, wie das, welches wir zum Thema unserer Konferenz gemacht haben: die Flüchtlingsfrage und damit einhergehend auch die Entwicklungen im Mittleren Osten. Vom bürgerlichen Stammtisch bis hin zur Weltpolitik, überall wird über dieses Thema gesprochen. Wir haben es daher als äußerst wichtig erachtet, beide Themen miteinander zu verknüpfen. Denn wenn wir uns die Flüchtlingszahlen und die Herkunftsländer anschauen, dann stammt ein wesentlicher Teil der Geflüchteten aus dem Mittleren Osten. Will man tatsächlich die Flüchtlingsfrage lösen, so muss man sich mit den Ursachen auseinandersetzen. Aus diesem Grund werden wir im ersten Teil der heutigen Konferenz die Flüchtlingsquelle Mittlerer Osten mit den diversen politischen und militärischen Konfliktlinien näher Wichtig ist bei den ganzen Diskussionen neben dem Aspekt der adäquaten Versorgung der Flüchtlinge hier die Frage, wie wir dazu beitragen können, dass möglichst wenig Menschen überhaupt die Region verlassen müssen. Ich denke, dass dabei ein besonderer Fokus auch auf die Wiederaufbauhilfe und auf die Unterstützung demokratischer Strukturen, beispielsweise in Rojava / Nordsyrien, zu setzen ist. Auch in Deutschland gibt es zahlreiche Kampagnen zum Wiederaufbau. Mitglieder unseres Netzwerkes sind beteiligt an der Initiative Medizin für Rojava und der Initiative Eco Health zum ökologischen Wideraufbau und Aufbau eines Gesundheitszentrums in Kobane. Als Netzwerk kurdischer Akademikerinnen und Akademiker haben wir zudem einen besonderen Fokus auf das Thema Bildung gesetzt. Denn wir verstehen Bildung als Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben und wichtigsten Grundpfeiler einer Gesellschaft. Diesem Verständnis gemäß haben wir eine Spendenkampagne initiiert mit dem Titel „Eine Tasche voll Hoffnung“. Wir möchten möglichst viele Schulkinder in Kobane mit einem Schulrucksack und entsprechendem Schulequipment ausstatten. Mit nur 35 Euro sind auch Sie dabei, können Sie Hoffnung und Bildung spenden. Die Flyer zur Spendenkampagne liegen im Eingangsbereich aus. Nehmen sie die Flyer mit, spenden Sie Hoffnung und Bildung. Sorgen sie dafür, dass auch Ihr Umfeld spendet. An alle, die bereits gespendet haben und heute unter uns sind, ein herzliches Dankeschön. Bevor ich nun an meinen Ko-Moderator Mazlum Ayalp übergebe, möchte ich Sie noch auf etwas Organisatorisches hinweisen: Bitte tragen Sie sich in die im Eingangsbereich ausgelegten Teilnehmerlisten ein. Dies ist auch als Nachweis für die Stiftung wichtig. Ich wünsche uns allen eine interessante Veranstaltung mit vielseitigen, spannenden Diskussionen und übergebe an Mazlum Ayalp. <|> 2 Dr. Dersim Dagdeviren betrachten. Im zweiten Teil dann wollen wir uns zum einen auseinandersetzen mit den europäischen bzw. deutschen Strategien im Hinblick auf die Herangehensweise an die Ursachenproblematik im Mittleren Osten, aber vor allem auch im Hinblick auf die Flüchtlingsproblematik. In einer abschließenden Diskussion mit allen Referenten wollen wir uns die Frage stellen: Ist Flucht tatsächlich ein unbeherrschbares Problem? Seite Eröffnungsrede (Bonner Institut für Migrationsforschung) Liebe Gäste, Liebe Freundinnen und Freunde, ich begrüße Sie auch ganz herzlich zu meinem Teil der Konferenz. Vielen Dank, Mazlum und Dersim, vielen Dank an Kurd-Akad für die Einladung als Referent zu dieser Veranstaltung. Ich habe mich sehr über die Einladung gefreut. Schließlich gehöre ich auch dazu. Ich möchte mich an dieser Stelle auch entschuldigen, dass ich zu spät gekommen bin. Ein Zugausfall war hierfür verantwortlich. Ich habe keinen Einfluss darauf gehabt. Von Bonn hierhin zu Fuß zu kommen, wäre nicht einfach gewesen. Vielen Dank auch für die Vorstellung meiner Person. Nochmals kurz zu meiner Person: 2001 bin ich hierhergekommen und habe ein Jahr in einer Unterkunft für Flüchtlinge gelebt. Daher habe ich auch persönliche Erfahrungen gesammelt. Nun komme ich zum Thema. Von mir war gewünscht, dass ich über die Strukturen der nahöstlichen Konflikte und ihre Auswirkungen auf die Migrationsströme in die Europäische Union spreche. Da ein Referat über sämtliche Konfliktlinien im Nahen Osten sehr umfangreich wäre, werde ich mich aufgrund des zeitlichen Rahmens auf Syrien fokussieren. Schließlich hat dieser Konflikt dazu geführt, dass sich die Menschen von dort auf den Weg gemacht haben, zunächst in die Nachbarländer und dann nach Europa. Der Inhalt meines Vortrages ist wie folgt aufgebaut: Zunächst möchte ich eine kurze Einführung zu Syrien vornehmen. Einige von Ihnen kennen sich sicherlich gut aus mit der Thematik, so dass ich nicht sehr detailliert darauf eingehen muss. Danach folgt ein kurzer Abriss über die Entwicklung des Konfliktes in Syrien. Anschließend komme ich zu den Fluchtwellen. Im Rahmen dessen gehe ich auf die Ursachen ein; schließlich muss man diese auch erwähnen. Am Ende kommt dann eine kurze Zusammenfassung, und ich möchte einige Lösungsansätze diskutieren. So ist der Vortrag aufgebaut. Ich fahre fort mit ein paar Fakten über Syrien. Amtssprachen sind Arabisch und Kurdisch. Bis 2011 war Arabisch alleinige Amtssprache, Kurdisch war absolut verboten. Die in Syrien lebenden Kurden wurden nicht einmal als Staatsbürger anerkannt. Was die Hauptstadt betrifft, kann man jetzt nicht mehr von einer Hauptstadt reden. Es gibt de facto drei Hauptstädte bzw. fünf. Damaskus, Kobane, Cizire, Afrin (Kantonhauptstädte von Kurden) und Rakka als Hauptstadt des IS. Die Einwohnerzahl lag ursprünglich bei 22-23 Millionen, jetzt leben dort lediglich 16 Millionen Menschen. Mehr als 5 Millionen Menschen sind ins Ausland geflohen. Die Koexistenz verschiedener Religionen führte auch dazu, dass der Bürgerkrieg eskaliert ist. Etwa 75% der Menschen sind sunnitische Muslime, 10% sind Alawiten und 10% sind Christen, zumeist orthodoxe Christen. Dann gibt es noch einige kleine Religionen oder Konfessionen wie Drusen, Eziden, Juden. Aber sie sind, wie gesagt, ganz wenige. Was die Ethnien angeht, sind es hauptsächlich Araber; etwa 85% der Gesellschaft sind Araber, Menschen mit arabischem Ursprung, etwa 10-12% sind Kurden, die restlichen sind Assyrer, Armenier und Turkmenen. Jetzt komme ich zu dem eigentlichen Thema und zwar, wie sich der Konflikt in den letzten 4-5 Jahren entwickelt hat. 2011, wie ich auch eingangs bereits erwähnt habe, kam es im Zuge des Arabischen Frühlings zu Aufständen gegen soziale Missstände in Syrien. Diejenigen, die auf die Straße gegangen sind, haben niemals von Religion gesprochen. Auch die ethnischen Differenzen haben dabei keine Rolle gespielt. Diejenigen, die auf die Straße gegangen sind, haben hauptsächlich chubz, also Brot, und hurriya – diejenigen, die türkisch können, hürriyet –, also mehr Freiheit, gefordert. Diejenigen, die keine Arbeit hatten, haben Arbeit, diejenigen, die kein Brot hatten, Brot gefordert. Landesweit haben die Sunniten, die 3 Dr. Kenan Engin Zunächst eine kurze Einführung in die Geschichte von Syrien für Anfänger, die sich bisher nicht mit dem Thema befasst haben. Wie Sie wissen, existierte Syrien bis 1920 nicht. Es gab lediglich ein syrisches Gebiet, aber keinen Staat Syrien. Das Gebiet stand unter Herrschaft der Osmanen. Das Gebiet wurde damals von drei Hauptprovinzstädten (Mossul, Damaskus und Aleppo) regiert. Nach dem ersten Weltkrieg kamen Engländer, also diejenigen, die damals den Arabern ein unabhängiges Land versprochen hatten, und Franzosen. Diese haben das Gebiet in drei Teile aufgeteilt. Das ist, wenn ich auf alle Einzelheiten eingehe, eine lange Geschichte. Bis 1940 stand das Gebiet unter der Herrschaft der Franzosen und Engländer. Danach kam die Unabhängigkeit von Syrien. Von da an bis in die 1970iger Jahre war die Lage in Syrien instabil. In den 1970iger Jahren kam Hafiz al-Assad an die Macht und somit die Familie, die bis heute Syrien regiert. Diese Familie, eine alawitische Familie, regierte bis 2011 das gesamte Gebiet; jetzt regiert sie über einen bestimmten Teil des Landes. 2011 ist es im Zuge des arabischen Frühlings auch in Syrien zu Aufständen gekommen. Später, wie Sie sicherlich verfolgt haben, wurde aus den Aufständen ein Bürgerkrieg, ein internationaler Bürgerkrieg; dies sehen wir heute auch in den Medien. Seite Strukturen der nahöstlichen Konflikte und ihre Auswirkungen auf die Migrationsströme in die EU Es gibt auch klimatechnische Faktoren, Naturkatastrophen usw. Diese führen auch dazu, dass die Menschen ihre Länder verlassen. Zu den Pull-Faktoren: Stellen Sie sich vor, Sie sind mit ihrem Leben nicht zufrieden, und das Leben in Deutschland, Frankreich oder den USA scheint noch attraktiver. Dies hat einen Anreiz, eine Anziehungskraft. Sie wollen unbedingt dahin gehen, obwohl es Ihnen gut geht. Das sind die Pull-Faktoren. In den ersten beiden Wellen der Flucht haben diese Push-Faktoren eine Rolle gespielt, nämlich in Syrien und in den Nachbarländern, und PullFaktoren bei denjenigen, die im Irak und in der Türkei gelebt haben. Letztere haben sich aufgrund der prekären Zustände in der Türkei entschieden, in die europäischen Länder zu migrieren. Aber dazu komme ich noch. Im Rahmen der ersten Fluchtwelle, also 2011, fand die Flucht innerhalb Syriens statt. Nur wenige Menschen sind nach Jordanien oder in die Türkei geflohen. Alleppo, Hama, Damaskus und Holm waren Hauptkonfliktorte; daher haben die Menschen versucht, diese Städte zu meiden. Aus diesem Grund sind sie aufs Land gegangen, wo es keinen Krieg gab. Gründe für diese Flucht waren hauptsächlich das repressive Vorgehen der Regierung, soziale Missstände Schauen wir uns die Gründe an: Sie erkennen das leider nicht so gut auf der Landkarte, aber die Machtkonstellation in Syrien war der erste Grund, warum die Menschen in die Nachbarländer geflohen sind. Ich habe die wichtigsten Akteure hier in der Folie eingezeichnet. Diejenigen von Ihnen, die sich damit intensiv befasst haben, wissen, dass es in Syrien nicht vier Akteure gibt, sondern etwa 1200 unterschiedliche Organisationen. Es gibt Organisationen, die aus 10 Personen bestehen und nur ihr Haus bzw. Dorf schützen wollen und welche, die aus 20, 30, 50 Kämpfern bestehen. Zur kurdischen Partei gibt es unterschiedliche Angaben, man geht davon aus, dass sie etwa 50.000 bis 65.000 Kämpfer _innen haben. Die kurdischen Kampfkräfte bestehen zu 30% aus Fraueneinheiten. Der IS hat 20.000-30.000 Kämpfer, das Assad-Regime hat 70.000-100.000 Kämpfer. Die Mentalität, Kämpferinnen zu haben, ist noch nicht zu ihnen vorgedrungen. Dann kommt noch die Freie Syrische Armee, deren Mitglieder zuvor in der syrischen Armee gedient haben. Es sind vier Mächte, die mehr oder weniger die Politik in Syrien bestimmen. Die gelben Gebiete (auf der Karte) werden hauptsächlich von Kurden beherrscht, die grünen Gebiete von der Freien Syrischen Armee, also über Damaskus sozusagen. Die roten Gebiete werden momentan von Assads Regierung beherrscht. Die restlichen grauen Gebiete – Sie sehen diese als weiße Farbe – sind vom IS kontrollierte Gebiete. Es gibt Kämpfe zwischen Kurden und dem IS auf der einen Seite, im Norden auch zwischen Kurden und El-Nusra. Hinzu kommt der Konflikt zwischen Assads Einheiten und der Freien Syrischen Armee usw. Sie sehen also, dass Syrien ein Kriegsland ist. Stellen Sie sich vor, Sie leben mit ihrer Familie in Aleppo. Dann werden sie sich in dieser Situation fragen, ob Sie dort bleiben wollen oder nicht. Sie werden wohl entscheiden, ins Ausland zu fliehen, also in die Nachbarländer, weil die derzeitige Machtkonstellation, die Konflikte dazu führen, dass man existentiell bedroht ist. Solche Szenen gibt es im IS-Einzugsbereich. Hinzu kommt die internationale Intervention. Es sind somit nicht nur regionale Mächte involviert, sondern auch internationale Organisationen. 4 Jetzt komme ich zu dem Thema Fluchtursachen und Fluchtwellen. Wenn man von Flucht und Flüchtlingen spricht, wird oft ganz pauschal geredet. Daher möchte ich eine differenzierte Betrachtung vornehmen. Man kann nicht einfach von Flüchtlingen aus Syrien sprechen. Es ist nicht so, dass die Leute angefangen haben, direkt nach Europa zu kommen. Es gab bestimmte Stationen, die sie durchlaufen haben. Ich unterscheide da verschiedene Stationen. Man muss die ganze Fluchtgeschichte / -welle in drei Abschnitte teilen: Die erste Fluchtwelle gab es in 2011, die zweite in 2013 und die dritte Fluchtwelle, die hauptsächlich nach Europa stattfand, begann erst 2014. In der Migrationsforschung spricht man von Push-Faktoren und Pull-Faktoren, die dazu führen, dass die Leute ihre Städte, ihre Wohnorte und ihr Land verlassen. Was kann man darunter verstehen: Push-Faktoren, die, wie das Wort sagt, jemanden pushen, in diesem Fall das Land zu verlassen. Darunter versteht man sozioökonomische Faktoren wie Arbeitslosigkeit. Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, würden einfach dorthin gehen, wo sie Arbeit finden. Es gibt auch politische PushFaktoren, wenn sie verfolgt werden als Syrer oder als Minderheit, als religiöse Minderheit oder als ethnische Minderheit. und Verhältnisse sowie Arbeitslosigkeit, die bei Jugendlichen 20-30% betrug. Hinzu kamen Unterdrückung der Minderheiten, hauptsächlich der Kurden, aber nicht nur, auch der Sunniten, die lange Zeit unter der Herrschaft von Assad gelitten haben. Sie haben sich mehrmals erhoben, sind aber stets brutal niedergeschlagen worden. Auch die Eziden haben darunter gelitten. Dies führte dazu, dass die Menschen ihre Wohnorte innerhalb Syriens verlassen haben. Die zweite Fluchtwelle 2012 verlief in Richtung der Nachbarländer. Zuerst gehörten die Türkei, Jordanien, der Irak, Ägypten und Libanon zu den Zielen. Wie Sie auf der Karte sehen, liegen die Flüchtlingscamps in der Türkei entlang der Grenze, so auch in Jordanien, Libanon und Ägypten. Diejenigen, die an der Grenze der Türkei lebten, sind in die Türkei geflohen, die in der Nähe der libanesischen Grenze gelebt haben, haben sich in Richtung Libanon begeben. Im Libanon leben etwa 4,5 Millionen Menschen, inoffiziell sind 2 Millionen, offiziell 1,2-1,3 Millionen Menschen hinzugekommen. Im Irak, hauptsächlich in den autonomen kurdischen Gebieten, gibt es auch Flüchtlinge aus Syrien, jedoch deutlich weniger. Seite hauptsächlich Kurden waren und unter Herrschaft der Assad-Familie bzw. der Alawiten lebten, Freiheit und Brot verlangt. Dann wurden die landesweiten Aufstände gegen soziale und politische Missstände vom IS genutzt. 2014 breitete sich der IS aus, bestimmte Gebiete wurden vom IS erobert. Entsprechend begann eine neue Ära in Syrien. Durch Staaten wie Russland, China, Europa und die USA hat sich das Gesicht des Konfliktes komplett geändert. Wie, dazu werde ich noch kommen. Als Ergebnis haben in Syrien 250.000 Menschen ihr Leben verloren; hinzukommen 5 Millionen Flüchtlinge, die ins Ausland geflohen sind, und 8 Millionen Menschen, die gerade in Syrien als Binnenflüchtlinge auf der Flucht sind. Nachdem ich einige Punkte zur zweiten Fluchtwelle erwähnt habe, komme ich nun zur letzten Fluchtwelle, die in 2014 und 2015 stattgefunden hat. Bis dahin waren die Flüchtlinge ein Problem des Nahen Ostens, der Türkei und Jordaniens. Sie haben zwar die Angriffe des IS gesehen, aber es war ein Problem des Nahen Ostens. 2014 jedoch hat sich die Sache etwas geändert und plötzlich sahen wir Flüchtlinge vor unseren Häusern und an den Grenzen. Ungarn oder Italien sind Beispiele. Und Gründe dafür? Also, diejenigen, die davor hierhin gekommen sind, kamen zu 95% aus den Nachbarländern und nicht aus Syrien; Menschen, die seit 2012 dort gelebt haben und sich dann entschieden haben, nach Europa zu gehen. Die Gründe hierfür sind Armut und Arbeitslosigkeit. In den Flüchtlingslagern, wo sie leben, z.B. im Libanon, haben die Menschen keinen Zugang zum Arbeitsmarkt. Sie haben keine Möglichkeit zu arbeiten, weil die Infrastruktur marode ist. Sie leben hauptsächlich in der Bekaa-Ebene. Bei den Libanesen ist die Arbeitslosigkeit mit 10-15% sehr hoch. Wie können dann die Flüchtlinge eine Arbeit bekommen? Nicht nur dort, sondern auch in der Türkei, in Jordanien, im Irak und in Ägypten. Ich war 2013 in Ägypten. Da habe ich selbst gesehen, wie die Leute dort arbeiten; syrische Menschen, die einfach ausgenutzt werden, nicht nur in Ägypten, auch in der Türkei. Letztens war ich in Istanbul und Antep. Ich habe arbeitende Kinder gesehen. Das ist dort normal. Es gehört zum Leben. Das sind prekäre Zustände. Zweiter Grund, warum sich die Leute aus den Nachbarländern auf den Weg nach Europa gemacht haben, ist, dass die Leute gemerkt haben, dass sie nicht mehr zurückgehen können. Also Hoffnungslosigkeit, sie haben keine Hoffnung mehr. Sie haben zunächst gedacht, dass sie irgendwann wieder zurückkehren können. Im Libanon, in Ägypten z.B. haben sie nach einigen Jahren erkannt, dass eine Rückkehr nicht mehr möglich ist. Dies führt dazu, dass sich die Menschen etwas anderes überlegt haben. Das ist einer der wichtigsten Gründe, warum sich die Menschen auf den Weg machen. Um die Situation der Flüchtlingslager in den Nachbarländern zu verbessern, haben die Vereinten Nationen mehrfach die europäischen Länder davor aufgefordert, dass sie ihre versprochenen Beiträge zahlen sollen. Dies wurde von denen ignoriert. Deutschland gehört zu den wenigen Ländern, die ihre Beiträge damals gezahlt haben. Wir sehen, dass die bisherigen Zahlungen nur 40% des Bedarfes decken. Das bedeutet, dass die Menschen 27 Dollar pro Monat bekommen haben. Danach wurden die Ausgaben halbiert, weil das Geld nicht mehr da war. Das bedeutet, die Menschen müssen von 50 Cent pro Tag leben. Ariane Rummery hat damals gesagt: „Es gibt keinen Zweifel, dass die schlechter werdenden Zustände in den Nachbarländern den Zustrom nach Europa befeuern.“ Dies hat er vor zwei-drei Jahren gesagt. Er hat 5 Die USA und die EU waren anfangs skeptisch, wussten nicht, wie sie anfangen sollen. Danach waren sie froh, wenn Assad endlich geht. Doch dann haben sie gemerkt, dass, wenn Assad geht, der IS bleibt, was noch schlimmer wäre. Sie wurden danach noch skeptischer und enttäuschter, weil jeden Tag Tausende von Flüchtlingen herkommen. Was Russland und China angeht, haben sie natürlich auch Interessen. Exemplarisch möchte ich hier Russland anführen. Warum steht Russland hinter Syrien? Gut, geostrategische Interessen usw. Das spielt natürlich auch eine große Rolle. Aber es geht auch um andere Faktoren und Aspekte der Sache. Wo ist das bisher größte entdeckte Gasfeld der Welt? Kann das einer sagen? Hat dies zufälliger Weise jemand gelesen? Aus dem Publikum: Shedade. Shedade in Syrien meinen Sie? Der Ort zwischen Kurden und dem IS. Da gibt es auch Gasfelder. Aber nein, das ist es nicht. Bevor ich damit anfange. Hier auf der Karte sind Russland und Europa. Was würden Sie sagen, wofür stehen diese Netze? Genau, Pipelines von Russland nach Europa. Wir werden von Russland mit Gas versorgt. Unser Gas kommt hauptsächlich aus Russland, natürlich auch aus Norwegen usw. Was die Gasversorgung angeht, sind wir von Russland abhängig. Und schauen Sie hier. Das größte bisher entdeckte Gasfeld liegt hier, das sog. South Gas Field. Das liegt genau zwischen Katar und dem Iran. Also im Meer, zwei Drittel gehören zu Katar und ein Drittel zum Iran. Was bedeutet das? Mit der nächsten Folie sieht man es besser. Wir sehen, dass Katar einen Plan hat. Sie haben mit der Türkei und mit Saudi-Arabien einen Plan, ihr Gas nach Europa zu bringen. Eine Pipeline von Katar ist notwendig. Ein anderer Transport ist kaum möglich und wenn, dann problematisch und sehr teuer. Sie wollen das Gas auf den europäischen Markt bringen. Dafür brauchen sie eine Pipeline und diese muss über Katar und SaudiArabien führen. Saudi-Arabien hat auch Gas, hat auch entsprechende Interessen. Beide Staaten haben eine wahabistische Staatsideologie. Sie würden von da aus eine Pipeline über Jordanien errichten; die wären natürlich damit einverstanden. Einziges Problem dabei ist Syrien, weil Assad das verhindert; bisher hat er es zumindest verhindert. Assad gehört zu den Alawiten, also Schiiten, und möchte sich nicht für die Interessen der Sunniten einsetzen. Da kommt auch Russland ins Spiel. Russland versucht diese Pipeline durch Syrien zu verhindern. Wenn Gas aus Katar auf den europäischen Markt kommt, wäre es für Russland verheerend. Aus diesem Grund ist Russland in Syrien dermaßen involviert und versucht, Assad an der Macht zu halten. Seite Internationale Staaten sind beteiligt, ebenso die Türkei, Katar, sunnitische Staaten wie Saudi-Arabien. Es gibt z.B. al Nusra, also islamische Organisationen wie islamische Front, die radikal islamische Organisationen unterstützen. Warum? Weil sie gewisse Interessen haben. Zum Beispiel haben wir in Saudi-Arabien eine wahabistische Ideologie. Diese unterscheidet sich in keinster Weise von der Ideologie des IS. Ich habe hinsichtlich der Lehrpläne recherchiert. Die Lehrkonzeption vom saudi-arabischen Bildungsministerium und dem IS sind fast 100% identisch. Auch schiitische Staaten sind darin involviert. Assad ist auch Alawit, und Alawiten gehören der schiitischen Konfession an bzw. werden mehr oder weniger dazu gezählt. Deswegen kann die Entmachtung von Assad dazu führen, dass der Iran und der Irak ihren Einfluss auf Syrien verlieren werden. Daher stehen sie hauptsächlich hinter Assad. vorausgesehen, was in den nächsten Monaten passieren wird. In den Nachbarländern wie in der Türkei dürfen die Menschen offiziell arbeiten. Das ist aber problematisch. In Jordanien dürfen sie nicht arbeiten. Sie dürfen auch die Flüchtlingscamps nicht verlassen. In der Türkei dürfen sie diese verlassen. Aber dann haben sie gar keinen Anspruch auf die Leistungen der Vereinten Nationen oder des Staates. Im Libanon ist die Situation noch schlechter. Es gibt keine offizielle Stelle, an die sie sich wenden können, wo sie Essen bekommen und medizinisch versorgt werden. Arbeit ist auch ein Problem. Der Zugang zu Bildung ist auch schlecht. Im Nordirak wurden zwar Kurden und Eziden untergebracht, aber die Situation ist auch dort nicht blendend. Was die Bildungschancen angeht, habe ich als Beispiel wieder Jordanien genommen, aber in der Türkei ist es auch so. 700.000 Kinder leben in der Türkei als Flüchtlinge. Davon wurden bisher nur die Hälfte, also 50%, in eine Schule aufgenommen. Praktisch die Hälfte der Kinder ist auf der Straße. In Jordanien haben 20% der Kinder keinen Zugang zu den Schulen. Diskriminierung im Leben, in der Schule ist Alltag. Die Abschlüsse aus Syrien werden nicht anerkannt. So besteht auch keine Möglichkeit, eine Arbeit zu finden. Die Drei-Staaten-Lösung wäre eine mögliche Option. Ich glaube jedoch nicht, dass die großen Mächte davon begeistert sind. Die Kurden werden sich wahrscheinlich dafür einsetzen. Das ist für sie eine vorstellbare Option. Teilweise wären auch die Sunniten und die Freie Syrische Armee damit einverstanden, aber Assad nicht. Ein föderales System mit drei föderalen Einheiten in Syrien scheint mir die beste Lösung. Es gilt, die verschiedenen Kräfte davon zu überzeugen, auch die Sunniten, die sich jahrelang benachteiligt gefühlt haben, nicht den IS. Es gibt das Beispiel Irak mit dem autonomen kurdischen Gebiet, der de facto föderal organisiert ist. Die wäre eine denkbare Lösung, die zu einer friedlichen Lösung beitragen könnte. Darüber zu sprechen, was wir hier machen könnten, wird jetzt zeitlich nicht passen, kann aber Teil der Podiumsdiskussion sein. Wie Sie sehen, habe ich auf dieser Folie versucht, die unterschiedlichen Reaktionen der EU-Länder zu skizzieren. Es zeigt sich, dass den Staaten eine gemeinsame Flüchtlings- und Migrationspolitik fehlt. Hier besteht Handlungsbedarf, um eine gemeinsame Politik zu erreichen. Damit möchte ich meinen Teil abschließen. Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben. <|> Wenn ich das ganze zusammenfassen würde: Die Flucht aus Syrien ist in drei Fluchtwellen zu teilen. Was bisher passiert ist: Die erste Welle war 2011 hauptsächlich innerhalb von Syrien. Hauptgrund war das repressive Vorgehen der Assad-Regierung gegen die Aufständischen und Minderheiten. Die zweite Welle führte dazu, dass die Binnenflüchtlinge in die Nachbarländer Türkei, Jordanien, Libanon, Irak und teilweise auch Ägypten geflohen sind. Gründe dafür waren die Sicherheitsbedingungen und Konflikte im Lande. Natürlich hat der IS auch dazu beigetragen, dass Menschen aus Angst ihr Land verlassen mussten oder wollten. Und die dritte Welle erfolgte aus den Nachbarländern Syriens in die Europäische Union bzw. europäische Länder unter den elementaren Aspekten, die ich vorhin erwähnt habe. Seite In Syrien haben wir m.E. gerade vier Optionen, wie der Bürgerkrieg ausgehen könnte. Ein noch langer Dauerbürgerkrieg, Wiederherstellung von Assads Herrschaft, ein föderales System oder Drei-Staaten-Lösung. Dauerbürgerkrieg haben wir momentan und erleben ihn seit 4-5 Jahren. Es wird schwierig, Assads Herrschaft nochmals wiederherzustellen. Sowohl die Kurden als auch die Freie Syrische Armee werden dies niemals akzeptieren. 6 Kommen wir nun zum Thema Lösung: Sie verfolgen die Verhandlungen bestimmt in den Medien, wie die Flüchtlingsproblematik, ich bin mir nicht sicher, ob es überhaupt als solche bezeichnet werden sollte, gelöst werden kann. Wenn man das Problem lösen möchte; im Orient gibt es einen guten Spruch dafür. Man sagt „Du musst dein Geld da suchen, wo du es verloren hast. Meiner Meinung nach muss man, wenn man das Problem lösen möchte, den Konflikt beilegen. Ich weiß, dass es nicht so einfach ist. Man muss ihn aber lösen; man muss in die Lösung investieren. Ich bin erfahrener Flüchtling. Meinen Asylantrag habe ich 1993 gestellt, da ich mich in Deutschland jedoch nach Anerkennung meines Antrages aufgrund politischer Verfolgung nicht wohl fühlte, habe ich 2006 in Frankreich einen weiteren Asylantrag gestellt. Erniedrigt wird man sogar während des Prozesses der Antragstellung auf Asyl in Deutschland, aber auch in Frankreich, obwohl man eigentlich geschützt werden sollte. Deswegen möchte ich nicht neutral sein; das brauche ich auch nicht und behaupte, dass die Flüchtlinge und damit zusammenhängende Herausforderungen für die aufnehmenden Gesellschaften und/oder Staaten aus dem vorhin beschriebenen Kontext hinausgetragen werden durch die Diskurse der Mainstream-Politiker/innen und Mein eigentliches Thema ist die kurdische Frage als ein determinierender Faktor, wobei ich da ein Fragezeichen setzen würde. Die kurdische Frage an sich fraglich, denn die Kurdenfrage ist, wie damals die Judenfrage, eine konstruierte Frage. Die Kurden haben diese Frage nicht als Personen, ich beispielsweise habe keine Kurdenfrage. Daher müsste man bestimmen, was diese Frage eigentlich ist. Schlussendlich gibt es, nach reiflichen Überlegungen meinerseits, keine Kurdenfrage. Die Kurden haben Probleme. Es gibt aber kurdische Fragen gegenüber uns, Fragen irgendwelcher Mächte, die mit der kurdischen Identität als eine Gruppe konfrontiert wurden. Die Türkei hat eine kurdische Frage, der Iran hat eine kurdische Frage. Beide sind auf keinen Fall identisch. Der Seite Dr. Luqman Turgut (Kurdologe) 7 Meine Erläuterungen beziehen sich einleitend auf den Begriff der Flucht. Die Genfer Flüchtlingskonvention beschreibt den Flüchtling als Person, die "… aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will…". Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention). Dazu gehört auch das Recht auf Sicherheit, ebenso für die aus Krisengebieten geflüchteten Gruppen. Zum Recht auf Sicherheit gehört, den Zugang zu Leistungen gleichberechtigt mit Ausländern, die sich rechtmäßig in dem Land aufhalten, zu ermöglichen. So müssen grundlegende Bürgerrechte wie Gedankenfreiheit, Bewegungsfreiheit, Schutz vor Folter und erniedrigender Behandlung erteilt werden. Auch wirtschaftliche und soziale Rechte müssen gleichermaßen gelten. Sie sollten Zugang zur medizinischen Versorgung, Schulbildung und dem Arbeitsmarkt haben. Die Aufnahme von Flüchtlingen ist somit eine völkerrechtliche Pflicht der Staaten. Medien. Daher ist es kein Wunder, dass wir in unserem Alltagsleben mit Rassismus konfrontiert sind. Flüchtlinge gelten als Gefahr für das Volk und besonders gefährlich sind sie, wenn sie Vertriebene sind, so wird es empfunden, und zwar nicht seit kurzem, sondern seit sehr langem, denn die politischen Diskussionen in Frankreich, in England, in Italien und Deutschland sind nicht neu. Wenn die Kanzlerin beispielsweise die Flüchtlinge als Gefahr betrachtet und versucht, zu verhindern, dass sie Deutschland erreichen und abschreckende Zugeständnisse gegenüber Personen macht, die sie noch vor kurzen bei den Gezi-Protesten scharf kritisiert hatte. Wenn in manchen Ländern die Diskussion über die Einführung einer rechtswidrigen Obergrenze gegenüber den aufzunehmenden Flüchtlingen diskutiert wird, dann ist es keine Überraschung mehr, dass die anderen die Flüchtlinge als Gefahr betrachten, sie erniedrigen, sie angreifen. Auch ich erlebe Rassismus im Alltag, nicht nur draußen, sondern auch überall da, wo der Staat vertreten ist. Dazu ist zu bemerken, dass die Flüchtlinge keine Wahl haben. Mein Vorredner hat beschrieben, wie die erste Fluchtwelle entstanden ist. Jeder dieser Flüchtlinge hatte keine Wahl, denn sie müssen in ein Land fliehen, wo sie sich sicher fühlen. Das ist der Punkt, den auch das Völkerrecht anspricht. Trotzdem ist in Deutschland deren Bewegungsfreiheit eingeschränkt und der Zugang zum Arbeitsmarkt ebenso. Sie werden erniedrigt, auch in allen öffentlichen Debatten. Ich sage das auch, weil ich seit vielen Jahren wieder in Deutschland lebe und die meiste Zeit meines Flüchtlingslebens in Deutschland verbracht habe. Die Bedrohung gegenüber Flüchtlingen und Fremden wirkt immer öfter gegen Menschen, die seit Jahrzehnten hier wohnen und gegenüber Fremden, da sie als Bedrohung empfunden werden. Daran haben die Regierungen Verantwortung, die diese Diskussionen auch in der Mainstreampolitik tragen. In einer Untertreibung werde ich das als verantwortungslos bezeichnen. Ich werde diese Verantwortung jetzt darlegen: Dazu gehört die Debatte, wie innenpolitisch das Management verbessert werden kann. Dazu gehört auch, dass man Konflikte z.B. im Nahen Osten oder in anderen Regionen losgelöst von den gesamtpolitischen und anderen Dimensionen diskutiert und in die Öffentlichkeit trägt. Ich würde das als verantwortungslos beschreiben, was zum ansteigenden Rassismus in Deutschland und Europa entscheidend beiträgt. Die kurdische Frage – ein determinierender Faktor für Flucht aus dem Mittleren Osten – und die westliche Nahostpolitik Irak hat eine kurdische Frage, die seit 2003 stark verändert ist. Syrien hatte bis vor kurzem eine kurdische Frage und jetzt haben auf der einen Seite das Assad-Regime, auf der anderen Seite die FSA und der IS eine kurdische Frage in Syrien. Nicht zuletzt hat auch Deutschland eine kurdische Frage, denn es ist seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht in der Lage, ihre eigene kurdische Frage zu lösen. Türkentum-Projekt durchzusetzen. Damit hatte die Türkei bereits 1925 ihre kurdische Frage, die darin bestand, die Kurden und die kurdische Identität nicht anzuerkennen und zu versuchen, sie auf unterschiedliche Weise zu vernichten, durch physische Vernichtung, aber auch, wenn jemand eine anderes Konzept als dieses Nationsprojekt vertrat, diese zu vernichten. Das hatte jedoch keinen Erfolg, nicht gegenüber den Kurden, doch bei diesen nicht zuletzt, weil sie so zahlreich waren und sind. Wie sind diese kurdischen Fragen zustande gekommen? Als entscheidenden Grund sehe ich das Etat-Nation-Projekt [frz. Für Staatsnation, Anm. der Redaktion] in der Türkei, im Iran, später im Irak und Syrien. Ich beginne meine Erläuterungen bei den Zentralisierungsversuchen der Osmanen am Anfang des 19. Jahrhunderts, als man angefangen hat, den Staatsapparat zu modernisieren. Das bedeutete, dass die Staaten sich umfunktionierten und sich zentralistisch organisierten, so wie es auch bei den Großmächten Europas, Frankreich und Preußen, der Fall war. Im Osmanischen Reich wurde begonnen, die Teilautonomien der Kurden zu begrenzen. Einige Fürstentümer, mit denen man sich nicht verstand, wurden bekämpft. Man versuchte, sie politisch auszuschalten durch politische Verfolgung. Die Staatsbürgerschaft und Gleichberechtigung vor der Justiz wurden zwar auf dem Papier zugesichert, doch mit dem Ziel, den Staatsapparat zu zentralisieren. Das hat Probleme ausgelöst und es kam zum Teil zu einer kurdischen Frage im Osmanischen Reich. Die Kurden wurden jedoch nicht sehr stark bekämpft und manchmal kam es zu militärischen Auseinandersetzungen. Der Iran verfolgte ein ähnliches Zentralisierungsprojekt am Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts. Bis in die 1950er Jahre wurden die Modernisierungsversuche auch im Iran durchgeführt. In den 60er und 70er Jahren gab es zeitweise ein Sprachverbot und Trachtenverbot gegenüber der kurdischen Bevölkerung im Iran. Sie waren in einer ähnlichen Situation wie in der Türkei, wodurch auch im Iran eine kurdische Frage entstand, die aber stärker darauf konzentriert war, die Kurden zwar anzuerkennen, aber sie als iranisches Element zu betrachten. Man brauchte sie nicht gänzlich zu verleugnen. Man hat ihnen keine politischen Rechte gewährt. Es war auch keine Rede davon, dass sie sich selbst verwalten durften. 8 Diese Staatsgrenzen sind bis heute gültig, zumindest offiziell, auch wenn sie durch die Organisation des IS und der kurdischen Bewegung nicht anerkannt werden. Dies hat dazu geführt, dass eine sehr große Zahl an Kurden in diesen Staaten leben, aber als Bevölkerungsanzahl Minderheiten darstellen. Die Etat-Nation-Konzepte in der Türkei und dem Iran haben aus den Kurden als Bevölkerungsminderheiten auch politische Minderheiten gemacht. Das ist in Syrien und im Irak nach der Erklärung der Unabhängigkeit, in Syrien 1939 und im Irak schon 1933, der Fall gewesen. In Syrien war während der Zeit der Baath-Partei der arabische Nationalismus eine entscheidende Ideologie des Staates. Im Irak war es nicht anders, sowohl nach der Unabhängigkeit des Königreiches Irak als auch nach der 58er Republik Irak war der arabische Nationalismus tragende Stütze als Staatsideologie. Seite Eine kurdische Frage, wie wir sie heute kennen, gibt es erst seit 1913, als das osmanische Triumvirat der Paschas, Talaat, Enver und Cemal der Ittihad und Terakki-Bewegung [Komitee für Einheit und Fortschritt, Anm. der Redaktion] sich gegen den Sultan durchsetzten konnten, was man als Putsch bezeichnet, weil alle drei Paschas Offiziere waren. Ein neues Projekt wurde für das Osmanische Reich initiiert, das die osmanische Identität auf das Türkentum reduzierte und auf alle osmanischen Bürger bezog. Die Osmanen waren religiös, aber auch ethnisch vielfältig; denn es gab nicht nur viele Identitäten, sondern es gab kaum einen Menschen mit einer Identität. Es gab Muslime, die Kurden waren, gleichzeitig auch Osmanen. Es gab Jesiden, die Kurden und Osmanen waren. Es gab Christen, die Armenier waren. Es gab Christen, die keine Armenier, aber doch Osmanen waren. Dagegen hatte man die Ideen von starken Staatsstrukturen, in Rückbezug auf das Osmanische Reich im 16. Jahrhundert, als es nach außen stark gewirkt hatte. Man dachte, dadurch könne man eine neue Türkei, eine neue Weltmacht, die auch eine regionale Macht darstellen sollte, aufbauen. Das bedeutete für die Kurden aber auch andere NichtTürken, dass sie nicht mehr präsent im öffentlichen Leben sein durften. Die drei Paschas haben die Osmanen in den Ersten Weltkrieg geführt, so dass es das Osmanenreich schlussendlich 1920 nicht mehr gab. Das Projekt war an sich daher keine so gute Idee. Die vornehmliche Politik war, obwohl sie sich anfangs nicht so darstellte, ein Zurück zum ersten Weltkrieg und dem Sykes-PicotAbkommen, das zwar eigentlich geheim war, aber nicht geheim blieb. Weil sich in Russland eine Revolution ereignete hatte und die Bolschewiki keine Ansprüche mehr auf Osmanische Reich geltend machten, ließen sie die Inhalte des Abkommens veröffentlichen. In dem Abkommen haben die Franzosen und Briten ihre Einflusssphären definiert. Syrien wurde zum französischen Einflussgebiet, der heutige Irak und Palästina kamen unter britische Sphären. Da aber die Ansprüche Russlands wegvielen und anschließend mit dem Vertrag von Lausanne eine Republik in der Türkei als Nachfolger des Osmanischen Reiches entstand, wurden damit die Staatsgrenzen Syriens und des Irak gesetzt. Das bedeutete für die Kurden, dass sie seit dem 17. Jahrhundert erstmals durch Staatengrenzen getrennt wurden. Vorher gab es keine de facto Trennung, vor allem dadurch, dass sieben Fürstentümer im Safaviden-Reich bestanden und etwa 14 im Osmanischen Reich. Es stellt sich die Frage, ob die diversen Etat-NationProjekte unbedingt dazu führen müssen, dass es zu Konflikten kommt. Ich würde darauf antworten, dass es nicht zwangsläufig so sein muss. Aber wenn wir uns die mit den Etat-Nation-Projekten neu entstandenen Staaten anschauen, dann ist festzustellen, dass die späteren Debatten in mancher dieser Staaten über die Minderheiten sogar zu Vernichtungsstrategien durch die politischen Eliten geführt haben und dazu beitrugen, die Minderheitenfragen in chronische Fragen umzuwandeln. In der Türkei haben wir seit den 90er Jahren eine kurdische Frage, in Syrien seit der Unabhängigkeit 1939, im Irak schon seit dem britischen Mandat. Die Briten mussten schon in den 20er Jahren erste Luftangriffe auf bewohnte Gebiete fliegen, gegen den Aufstand des Scheich Mahmoud Barzanji, der sich zum König Kurdistans erklärt hatte. Im Iran gibt es auch seit den 1920er Jahren eine kurdische Frage. Kurdistan und die sogenannte kurdische Frage, eigentlich kurdische Fragen der jeweiligen Staaten, ist ein Faktor, der zur heutigen Fluchtrichtung nach Europa und Deutschland beiträgt. Wie ich bereits erklärt habe, sind nicht die Faktoren entscheidend sondern höhere Krisen der Fragen. Einerseits die Unterdrückungsmechanismen der Staaten Türkei und Iran, andererseits wiederentstandene Kampfstrategien der kurdischen Bewegung scheinen entscheidende Fluchtursachen zu sein. Zudem ist die Haltung der Staaten mitentscheidend, die politische, ökonomische und militärische Macht ausüben. Es ist kein Geheimnis, dass dieser Einfluss aus unterschiedlichen Gründen heraus negativ und positiv wirken kann. Als Beispiel werde ich die Türkei-Politik Deutschlands aufgreifen, weil Deutschland auch heute keine Kurdenpolitik hat, obwohl die Kurden schätzungsweise die zweitgrößte Einwanderungsgruppe darstellen. Schätzungsweise, weil Deutschland noch immer so verfährt, die Gruppen zu bestimmen, in dem festgestellt wird, aus welchem Staat sie kommen. Deutschland versucht seit 10 Jahren, teilweise eine Kurdenpolitik als Interessenspolitik im Irak/KRG (Kurdistan Regional Government) zu schaffen, auch wenn dies keine richtige Kurdenpolitik ist. Deutschland hat, wie gesagt, auch eine eigene Kurdenfrage, aber keine Kurdenpolitik. Die Probleme, die Deutschland in der Kurdenpolitik hat, stammen meist aus der Türkei. Die Flüchtlingspolitik bezüglich der Kurden ist auch daher der Türkeipolitik geschuldet. Die Türkei-Politik Deutschlands steht im Kontext einer guten Zusammenarbeit, auch wenn es zu zeitlich begrenzten Teilkrisen und in vielerlei Hinsicht zu bipolaren Abhängigkeiten zwischen beiden Staaten kam. Dies ist kein neues Phänomen. Es fing bereits zu Anfang des 19. Jahrhunderts an, als die Osmanen Mächte suchten, von denen sie lernen und profitieren könnten, um den Staatsapparat zu modernisieren. Dazu kam Preußen in Frage, mit einem Offizier, der es später zum Generalstabsmitglied im Deutschen Reich schaffte, Helmuth von Moltke. Er war an der endgültigen Zerschlagung einiger kurdischer Fürstentümer beteiligt. Er war als Berater der osmanischen Offiziere tätig. Für die Preußen war die Zusammenarbeit zunächst eher symbolisch, doch mit der Deutschen Kaiserreichsgründung und den imperialen Bestrebungen gewann das Osmanische Reich zunehmend an Bedeutung, so in Bezug auf seine Rohstoffe. Im ersten Verteilungskrieg waren die Deutschen und die Osmanen verbündet und halfen den armenischen Völkermord mitzuorganisieren. Davon hört man kaum in Deutschland, man redet auch nicht gerne darüber, besonders nicht, wenn es um Verantwortung geht. 9 Alle diese kurdischen Fragen haben ihre Wurzeln nicht in der kurdischen Gesellschaft, sondern außerhalb dieser. Deswegen ist es schwierig, zu behaupten, dass die Kurdenfrage ein determinierender Faktor für Flucht aus der Region ist. Es ist in der Tat ein Faktor an sich, aber kein determinierender. Doch die Akteure, die dazu führen, die diese Probleme und diese Fragen konstruieren, schienen mir determinierender zu sein. Die Kombination von imperialer Verteilung, d.h. vor allem dem Sykes-Picot-Abkommen und den Etat-NationProjekten, verlief nicht nur für die Kurden blutig, sondern für mehrere andere Gruppen, kulturelle und religiöse Gruppen, die zu politischen Minderheiten gemacht wurden, ebenso. Diese Kombination schuf aus der ganzen Nation einen ethnischen, religiösen und nationalen Konflikt. Seite Die irakische Kurdenfrage ist anders, weil sich dort die Briten kein „ein Volk“-Königreich vorgestellt hatten. Von Anfang hatten die Kurden dort Vertreter. Ob es eine richtige politische Repräsentation war, ist fraglich. Doch es gab eine gewisse Autonomie der Kurden, die in irgendeiner Form im Irak wirkte. Die kurdische Frage im Irak bestand bis 2003 darin, wie diese Autonomie auszusehen habe. Diese Autonomiebestrebungen seitens der Bevölkerung wurden mehr oder minder unterdrückt. In Syrien gab es Siedlungsversuche, die stark auf die heutige Demographie Einfluss zeigen. Dazu ist der arabische Gürtel zu nennen, ein Projekt von 1961, das später von den Baath-Regierungen durchgeführt wurde und sich auf die arabische und kurdische Bevölkerung bezog. Das Projekt sah vor, arabische Nomaden in kurdischen Gebieten zwangsanzusiedeln und dort Dörfer gründen zu lassen. Die arabischen Nomaden wurden gezwungen, sich anzusiedeln, um im kurdischen Gebiet die kurdische Mehrheit aufzubrechen, so dass die territoriale Einheit der kurdischen Gebiete getrennt wurde. Das ist gelungen, weshalb wir heute zwischen Cezire, Kobane und Afrin eine arabische Bevölkerungsmehrheit haben. Es kam in der Baath-Zeit auch zu Verboten, wie der Sprache, hauptsächlich in den 80er Jahren und Anfang der 90er Jahre. In Syrien herrschte eine panarabistische Politik der Baath-Regierung. Wir sollten nicht vergessen, dass die syrischen BaathNationalisten das Projekt verfolgten, eine einheitliche arabische Nation zu schaffen. 1953 kam es sogar zu einer sehr kurzfristigen Zusammenlegung Ägyptens mit Syrien zu einer Republik, die von den arabischen Nationalisten in Syrien mitgetragen wurden. Ich bezeichne es beispielsweise als erste massenhafte Flucht, als sich 1960 in Varto/Mus ein großes Erdbeben ereignete, wodurch die Städte zerstört wurden, mehre 10.000 Menschen keinen Lebensort mehr hatten und die Türkische Republik nicht bereit und willig war, dort zu helfen. Internationale Hilfe wurde nicht an die Bedürftigen weitergeleitet. Es gibt Berichte der Arbeitnehmer, die in Berlin ankamen, die sagten, dass sie von den türkischen Behörden regelrecht dazu gezwungen wurden, als Arbeitnehmer nach Deutschland zu kommen. Man wollte sie nicht mehr haben. Sie lebten in einem Gebiet, dass durch die Türkische Republik seit 1925 türkisiert wurde. Die Mehrheit der Kurden sollte es nicht mehr geben, durch zwei Formen: Erstens, Flüchtlinge aus dem Kaukasus in Kurdistan anzusiedeln und zweitens, die Anwohner zu vertreiben. Damit hatten die Deutschen kurdische Flüchtlinge als Arbeitnehmer in Deutschland und die Deutsche Regierung musste mit der Türkei gut kooperieren, besonders als 1974 Nordzypern von den türkischen Streitkräften besetzt wurde und die USA ihre im Rahmen der NATO-Bündnisses organisierten Türkei-Hilfe nicht mehr gewähren wollte. Diese Aufgabe kam der BRD zu. „Stoppt die Türkeihilfe“ wurde daher gegen die Türkeihilfe aus Deutschland skandiert. Diese Türkeihilfe führte zur Modernisierung der Türkischen Armee, wodurch mehrere Tausend (3205, inoffiziell 5000) kurdische Dörfer zerstört werden konnten, u.a. mit den geschenkten ehemaligen NVA-Waffen. Das hat zu einer Teilkrise in der Türkeipolitik Deutschlands geführt; es wurden 1993 Forderungen nach einem Embargo laut. Diese Krise konnte man bewältigen, z.B. indem man die Kurden in Deutschland zu kriminalisieren versuchte oder ihre politischen Schauen wir uns nun die deutsche Flüchtlingspolitik an, die darin besteht, der Türkei beizustehen, damit diese den Flüchtlingszuzug nach Europa stark reduziert. Die kurdische Fluchtbewegung sieht anders aus, als die Flucht aus Syrien. Es gibt eine große Community in Deutschland, die noch Beziehungen zu den Kurden in Kurdistan pflegt und zu den Pull-Faktoren gehört. Den Begriff Pull-Faktoren haben wir im vorhergehenden Vortrag gelernt, und dieser bedeutet für die Kurden, dass die kurdische Gemeinde in Deutschland anziehend wirkt. Wenn die Kurden aus der Türkei flüchten, dann kommen sie nach Deutschland. Für den Irak ist es nicht weniger relevant, für Syrien auch, weil auch viele von ihnen in Deutschland Schutz gesucht haben. Die Konstellation der Politik der Staaten, in denen die Kurden leben, und die Zusammenarbeit mit den westlichen Mächten lässt den Flüchtlingen keine andere Wahl, als nach Europa zu fliehen. Was ist die Lösung? Einerseits liegt die Lösung in einer Kurdenpolitik in Deutschland, die für die kurdische Bevölkerung eintritt, um die eigene kurdische Frage zu lösen und zudem die internationalen Beziehungen zu den Staaten Türkei, Iran und Syrien zur Demokratisierung dieser Staaten zu nutzen. Das bedeutet, Beziehungen mit der Türkei zu pflegen, die die Demokratisierung des Landes durch freundliche Kritik mitgestalten. Man sollte die demokratischen Experimente, die gerade in Syrien laufen, auf jeden Fall betrachten und dort, wo man die Menschen unterstützen kann, dies tun. Man könnte in diese Gebiete investieren, weil die Menschen dort keine Angst haben, ihr Projekt zu leben. Investitionen in die Infrastruktur wären möglich aber auch bei der Gewährleistung einer medizinischen Versorgung zu helfen oder den Aufbau des Landes mitzutragen. In Rojava wird die sogenannte demokratische Autonomie gelebt, die keine Minderheitenvorstellungen hat. Man akzeptiert die unterschiedlichen Identitäten, lässt sie im politischen Leben mitentscheiden und man will ihnen die Möglichkeit geben, sich in den politischen Gremien zum Ausdruck zu bringen. Dieses Projekt gibt es auch in der Türkei. Dieses politische Projekt ist, meiner Meinung nach, sehr wichtig für die Lösung der kurdischen Frage und auch, um eine demokratische Republik zu schaffen. Man sollte das Projekt der demokratischen Republik in der Türkei und in Syrien unterstützen, denn das würde keinen Schaden verursachen, wohingegen beispielsweise eine Intervention schwerwiegende Folgen haben würde. <|> 10 Die bundesdeutsche Türkei-Politik setzte sich in der Anwerbung von Arbeitnehmern fort. Man wollte eigentlich keine Arbeitnehmer aus der Türkei, aber um das NATOMitglied, um die NATO Südost-Flanke zu sichern, erwog man zeitlich begrenzt und in irgendeiner Art und Weise pendelnde Arbeitnehmer anzuwerben, die für ein paar Jahre in Deutschland arbeiten und dann wieder zurückkehren sollten. Das ist nicht eingetreten, denn so funktioniert es nicht. 1963 begann die Anwerbung offiziell, wodurch die ersten Kurden als Arbeitnehmer nach Deutschland kamen. 1973 wurde das Anwerbeabkommen wieder aufgekündigt. Vereinigungen verbot. Darin bestand die Türkeipolitik, nicht als Antwort auf die kurdische Frage, sondern als Teil einer Interessenspolitik. Diese Türkei-Politik ist mitverantwortlich für Flucht aus der Türkei. Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Antwort auf die Kurdenfrage 1993 determinierend für die Flüchtlinge wirkte, die nach Deutschland kamen. Ein determinierender Faktor war, dass die etwa 5000 Dörfer einfach entvölkert werden durften. Bedeutet das, dass die kurdische Frage für die Flucht aus dem Nahen Osten unbedeutend ist? Nein. Seite Das kennt man auch aus dem Irak. Die chemischen Produkte, die Saddam Hussein als Waffen benutzt hat, um die Kurden in manchen Gegenden regelrecht zu vernichten, stammen hauptsächlich aus Deutschland. Fast 90 Prozent der gesamten chemischen Stoffe, die benutzt wurden, und die Technologie stammen aus Deutschland. Trotzdem wird eine politische Verantwortung abgestritten. Obwohl dieser Völkermord im Irak von Großbritannien und den skandinavischen Ländern als Völkermord anerkannt wird, hat Deutschland das vor drei Jahren im Bundestag diskutiert und alle Parteien fanden es sehr schlimm, dass so viele Menschen mit chemischen Waffen getötet wurden, abgesehen von der Linken haben alle betont, dass die deutsche Regierung keine Verantwortung trage. Europäische Strategien Ursachenbekämpfung vs. (militärische) Notlösungen Bernd Mesovic (Stellvertr. Geschäftsführer von Pro Asyl, Frankfurt a.M.) die Leute vor europäischen Kameras sterben. Deswegen gibt es auch eine Strategie des nach-außen-Verschiebens. Zum Beispiel gibt es die Idee, eine Pufferzone bzw. eine Sicherheitszone in Nordsyrien einzurichten, was sowieso Implikationen hat in der Kurdenpolitik, die sehr gefährlich sind. Aber natürlich wäre auch dies etwas, was wenig einsehbar ist. Es wird verhindert, dass die Flüchtlinge ein Territorium erreichen, wo zumindest über Europa und seine Ränder diskutiert werden würde. Das sehe ich als eine klare Politik. Es gibt Anzeichen, dass durch die Schließung der Balkanrouten in den letzten Tagen und Wochen ein Teil der Flüchtlinge wieder gen Süden Richtung Mittelmeer geht. Es gibt Anlass zu der Vermutung, dass Flüchtlinge mit dem aufkommenden Frühlingswetter wieder auch von Nordafrika aus auf Boote steigen, was sehr viel riskanter ist als die Ägäisroute. Wir müssen damit rechnen, dass auch auf dieser Route sehr viele Leute in Lebensgefahr geraten. Ich will noch zwei Stichworte in die Debatte einwerfen. Es ist die Rede davon, dass Berlin die Türkei zum sicheren Drittstaat bzw. zum sicheren Herkunftsstaat erklären möchte. Dafür wird ein nächster Gesetzentwurf eingebracht. Die Maghreb-Staaten, also Marokko, Algerien und Tunesien sollen ebenfalls auf diese Liste kommen. Und jeder, der sich etwas mit deren Politik und den Menschenrechtsverletzungen beschäftigt, sich entsprechende Berichte von Amnesty International und Human Rights Watch anschaut, weiß, dass das alles andere sind als sichere Drittstaaten. Wir erinnern uns an den Anfang der 2000er Jahre, verbunden mit dem Namen Tony Blair und New Labour, als diesem mit Otto Schily die Idee aufkam, Flüchtlingslager z.B. in Afrika oder in die Wüste zu stellen. Es drohte damals selbst das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen umzukippen. Die Strategie, die man jetzt im Zusammenhang mit der Türkei fährt, Flüchtlinge aufzuhalten und finanziell zu entgelten, hat man für andere Teile der Welt also schon längst formuliert. Man möchte, dass die Flüchtlinge möglichst unsichtbar bleiben, weil die europäischen Demokratien Schwierigkeiten haben, wenn Ich sehe es auch so, dass bei gleichbleibend schlechter Entwicklung jede Menge Installationsrisiken vorhanden sind. Akteure wie Russland und die USA wollen wieder kurzfristig mit jedem Partner ins Geschäft kommen, der sich anbietet. Da, denke ich, müssten wir alle zusammen was dafür tun, um zu verdeutlichen, dass diese angebliche Realpolitik nach dem Motto „Wer unser Freund ist…“ (à la Erdogan, den man in einer kurzfristigen Sache hofiert) schief geht. Wir wissen dies seit Gaddafi, wir wissen es seit Assad. So wurden bis kurz vor dem Aufstand bzw. dem Bürgerkrieg in Syrien noch Leute aus Deutschland 11 Beim Regierungshandeln sieht es natürlich schwierig aus. Die Politik, die jetzt Deutschland mit der Türkei fährt, nach dem Motto „Ihr helft uns, die Flüchtlinge wegzuhalten, dafür gibt es Geld und vielleicht gibt es auch eine geordnete Aufnahme von Flüchtlingen“, diese Realpolitik, die man auf Kosten der Menschenrechte betreibt, ist unerträglich. Das Projekt, 160.000 Flüchtlinge aus Italien oder Griechenland abzunehmen, funktioniert ja nun gar nicht. Diese Politik hat aber auch eine Vorgeschichte. Es gibt bisher keinen einzigen EU-Mitgliedsstaat, der die Türkei als sicheres Herkunftsland eingestuft hat. In der EU hatten wir 2014 eine Anerkennungsquote (für Flüchtlinge aus der Türkei) von 23 Prozent. Damit ist einfach klar, wenn die Leute im Asylverfahren anerkannt werden, kann gar nicht von einem sicheren Herkunftsland die Rede sein. Weiterhin würde ein Drittstaat voraussetzen, dass es ein Staat wäre, der die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet hat, was die Türkei nicht getan hat. Es ist ohnehin so, dass die Türkei sich bei Asylverfahren für Nichtsyrer nicht als Daueraufnahmestaat versteht und es im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention auch nicht ist. Der UNHCR muss dann andere Aufnahmestaaten suchen. Es ist völlig irrwitzig, diese politische Konstruktion zu versuchen. Seite Ich möchte erst einmal ein wenig Optimismus verbreiten. Nicht aus strategischen Gründen, sondern weil ich davon überzeugt bin, dass die Flüchtlingsunterstützungsbewegung immer noch entgegen aller regierungsamtlichen Äußerungen ganz gut steht. Es sind die stillen Kommunen, die es schaffen und ganz gute Ideen haben. Und es sind auf der anderen Seite die Krakeele, die in die Wahlkämpfe eingreifen, sowie einige Städte, die tatsächlich Schwierigkeiten haben, und die zusammen mit einigen Medien manchmal die Stimmung verkehren. Ich erlebe im Moment wie viele, in der Regel flüchtlingsspezifische Veranstaltungen, stattfinden und wie viel Unterstützung wir auch als Pro Asyl bekommen. Es gibt zwei Teile in dieser Gesellschaft. Es gibt die Leute, die das Thema negativ besetzen bis hin zu steigender Gewalttätigkeit und zum Rassismus. Und es gibt eine nicht so kleine Gegenbewegung, egal wie die Wahlen ausgehen. abgeschoben und es kamen Folterberichte. Wenn man lange genug mit solchen Gestalten Geschäfte macht, dann landet man als Akteur in einer aussichtslosen Situation. Das ist mein Votum an dieser Stelle. Den Fahrplan der deutschen und europäischen Die Flüchtlingspolitik der deutschen Bundesregierung Mürvet Öztürk (MdL Hessen, Bündnis 90/Die Grünen) Flüchtlingspolitik können Sie auf unserer Seite mitlesen. Es könnte sein, dass wir weiterhin jeden Monat ein Gesetzgebungsprojekt bekommen. Ich weiß nicht, wie viele Asylpakete noch kommen. Ich glaube aber nicht, dass alles, was man tut, letztendlich dazu führen wird, dass sich die Zunächst möchte mich für die Einladung bedanken und dafür, dass dieses Thema in der jetzigen aktuellen Situation betrachtet wird. Seit heute Nacht 24:00 Uhr gibt es einen so genannten Waffenstillstand in Syrien. Alle hoffen, die Flüchtlinge in Syrien und in der Region in dieser Phase gut versorgen zu können. Das ist der eine aktuelle Punkt. Der andere ist, dass seit gestern im Bundesrat das Asylpaket II verabschiedet worden ist. Am Donnerstag, 25.02., ist es im Bundestag debattiert und schon am Freitag, 26.02, im Bundesrat verabschiedet worden. Normalerweise haben wir in Deutschland längere Gesetzgebungsverfahren und eine längere Beratungsphase. Dass dies, ich sag mal ganz salopp „im Schweinsgalopp“, schon zum zweiten Mal verabschiedet worden ist, finde ich sehr unglücklich und dem Deutschen Rechtsstaat unwürdig. Ich glaube, dass das der falsche Weg ist von der Bundesregierung, die angeblich kritischen Stimmen der Bevölkerung zu besänftigen. Damit läuft man meiner Meinung nach einer rechten Stimmungsmache hinterher, anstatt Klarheit zu zeigen und zu sagen: Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung ist bereit, Menschen aufzunehmen, und ist bereit, in der Kriegssituation humanitär zu helfen. Die Mehrheit der Politik sollte auch ihre Haltung in dieser Richtung wahren und nicht an falscher Stelle einer falschen rechten populistischen Stimmungsmache nachgehen. Das finde ich eine sehr bedauernswerte Situation und von daher finde ich, habt Ihr einen guten Zeitpunkt ausgewählt, um das hier auch zu thematisieren. 12 Was die Bundesregierung und ihre Asylpolitik betrifft: Was kann man dazu sagen? Wir als die Flüchtlingspolitiker, also ich bin seit 2008 im hessischen Landtag Mitglied der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen gewesen und dort zuständig für die Themen Petition, Härtefallkommission, Asylpolitik, Flucht und Integration. Es war mir immer persönlich wichtig und ein wichtiges Anliegen, das Thema progressiv zu begleiten. Denn es ist klar, wenn man sich international die Unruheherde auf der Welt anschaut, dass auch Menschen zu uns flüchten werden. Die Frage hierbei wird immer sein: Wie sind wir vorbereitet in der Seite Flüchtlingszahlen über längere Zeit hin reduzieren. Es wird sehr viel Leid entstehen durch die Familientrennung und es wird – wenn wir nicht sichere Zugangswege finden, sodass Leute nicht gezwungen sind, über das Mittelmeer zu kommen – noch mehr Tote geben. Zumindest auf das gesamte Europa bezogen wird es so keine wirkliche Reduktion der Flüchtlingszahlen geben. <|> 13 populistische Stimmungen es schaffen, laut zu werden, dann sieht man – wie bereits seit einem Jahr –, wie auf einmal die politische Vernunft flöten geht und wie man auf einmal anfängt, panisch chaotisch rechtliche Zustände zu schaffen, die kurzfristig und kurzsichtig sind und keine Lösung darstellen. Das ist für mich im Asylpaket I der Fall gewesen, und das ist auch jetzt im Asylpaket II der Fall. Im Asylpaket I hat man schon Mazedonien, also die Balkanstaaten als sogenannte sichere Herkunftsstaaten ausgerufen, weil sehr viele Flüchtlinge seit 2012 auch aus dem Balkan nach Deutschland gekommen sind und einen Asylantrag gestellt haben. Ich möchte klar differenzieren; das Asylrecht ist ein Individualrecht. Das ist so. Jeder Mensch, der hierhin kommt und sagt:“ ich bin politisch verfolgt“, muss das Recht haben, erst einmal sein Anliegen vorzutragen. Dann kann überprüft werden, ob es stimmt oder nicht. Wenn aber schon im Vorfeld bestimmte Länder zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden, dann haben wir leider die Situation, dass die Prüfung relativ schnell stattfindet und die Begründungstexte copy paste Texte sind. Also, wenn einer aus der Balkanregion, z.B. aus Albanien, sagt „Ich bin wegen Blutrache geflüchtet. Ich sehe mein Leben bedroht.“ und der Richter antwortet „Ihr Land ist ein sicheres Herkunftsland. Dort gibt es keine politische Verfolgung ihrer Situation. Daher ist Ihr Asylantrag leider abgelehnt worden.“, ist er dabei überhaupt nicht auf die individuelle Begründung eingegangen. Das sind so Situationen, die mit diesen Gesetzen geschaffen worden sind, und das finde ich falsch. Das Asylrecht ist ein tatsächliches Recht aus dem Grundgesetz. Wenn dann Fluchtbewegungen aus bestimmten Regionen verstärkt zu uns stattfinden, mal aus den Balkanstaaten, mal aus Afghanistan, mal aus Afrika oder aus der Türkei und dann die rechtliche Antwort darauf ist, dass wir diese Länder für sicher erklären und so tun, als ob wir uns des Problems entledigt haben, ist das eine falsche Politik. Das ist eine kurzfristige Politik, die ich in Deutschland nicht haben will. Ich wünsche mir deswegen vielmehr in der Zivilbevölkerung, aber auch in der Politik, dass die Politiker und Politikerinnen laut schreien und zwar nicht nur aus der Opposition heraus, sondern auch, wenn man in der Regierungsverantwortung ist. Denn nur, wenn man in der Regierungsverantwortung ist, kann man bestimme Dinge verändern. Es ist leider in letzter Zeit, seit Sommer letzten Jahres oder nachdem die Asylbewerber, Flüchtlinge auch vermehrt zu uns gekommen sind, eine schwierige Situation hier in Deutschland. Ich kann mir nur wünschen, dass sich die meisten Politiker und Politikerinnen, die seit Jahren mit den Themen Flucht und Asylpolitik unterwegs sind, mehr Gehör verschaffen, weil dort ist die Kompetenz und auch die fachpolitische Einschätzung. So kann man eher populistischen Strömungen entgegen wirken. Die Situation mit der Türkei, finde ich, wird immer schwieriger. Ich war jetzt in den letzten zwei Wochen in der Türkei und hatte die Möglichkeit, mit vielen Menschen zu sprechen. Wenn man mit den Menschen dort spricht Seite Innenpolitik auf die Fluchtsituation dieser Menschen? Inwiefern sind wir vorbereitet, dass wir sie strukturell aufnehmen können? Das heißt, sind unsere Schulen, unsere Kindergärten, unsere Ausländerbehörden vorbereitet? Ist unser Arbeitsmarkt darauf vorbereitet, sind unsere Bürger und Bürgerinnen darauf vorbereitet, dass die Gesellschaft in ein paar Jahren vielleicht bunter wird. Sie ist ja schon nach dem zweiten Weltkrieg immer bunter geworden, was uns stets gestärkt und bereichert hat. Daher war mir immer wichtig, dass es auch nach der Wiedervereinigung nicht diese Stimmung gibt, jetzt müssen sich erstmal Deutsche aufeinander konzentrieren, um ihre neue deutsche Identität zu finden. Es ist immer wichtig, dass zu diesem neuen Deutschland ein großer Teil von Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund dazu gehört. Sie waren schon über die Arbeitsmigration oder aber über humanitäre Flucht nach Deutschland gekommen. Mir war es immer wichtig, dass man in diesem neuen Deutschland die Vielfalt nach vorne stellt und kulturelle, ethnische sowie religiöse Vielfalt als eine Bereicherung versteht. In diesem Sinne habe ich immer meinen politischen Auftrag verstanden und habe auch stets in diese Richtung agiert. Deswegen habe ich auch immer einen engen Austausch mit Herrn Mesovic von Pro Asyl gehabt. Ich weiß noch genau, wie ich in der Härtefallkommission argumentieren musste. Es handelte sich konkret um einen syrischen Fall. Der Antragssteller ist abgeschoben worden und hat dann in Syrien Folter erlitten. Er ist nach Deutschland zurückgekommen und hat erneut einen Asylantrag gestellt. Dieser wurde jedoch wieder abgelehnt, obwohl er nachgewiesen hat, dass er in der kurzen Phase seiner Rückführung nach Syrien massiven staatlichen Repressionen ausgesetzt war. Wir hatten einen Rückübernahmeabkommen mit Syrien. Wenn die Flüchtlingspolitiker und Menschenrechtspolitiker in diesem Land ganz laut aufgeschrien haben und gesagt haben, es geht nicht, dass wir die Realität in bestimmten Ländern einfach ignorieren und diese Länder als sogenannte sichere behandeln nur, weil es uns Politikern so in den Kram passt. Das ist ein Bumerang. Das wird auf uns zurückfallen. Vor allem, weil die Menschen sowieso flüchten werden, und weil wir als ein Rechtsstaat und als eine europäische Gemeinschaft die Menschenrechtswerte hoch halten. Wenn wir sie ernsthaft vertreten wollen, dann können wir nicht in den Einzelsituationen die Realpolitik in den Vordergrund stellen und die reale Situation in manchen Ländern ignorieren. Das ist, finde ich, etwas wichtiges sowohl für eine europäische Union, die ich als ein richtiges und wichtiges Projekt sehe, als auch für eine starke Bundesrepublik Deutschland, die die Rechtstaatlichkeit immer im Vordergrund gehalten hat. Ich glaube, es ist jetzt die richtige Zeit, für diese Werte einzustehen und dafür zu kämpfen. Jetzt ist die Frage, wer hört uns? In der Zivilbevölkerung glaube ich, ist es, wie Bernd gesagt hat; ein Großteil der Menschen ist bereit zu helfen. Trotzdem sind Wahlen leider in der Politik ein treibender Faktor. Wenn Wahlen anstehen, wenn rechtspopulistische oder Das macht meiner Meinung nach die Situation nicht besser. Auch die Aussage vom Herrn Ministerpräsidenten Davutoglu „Ich finde, der Waffenstillstand ist für uns nicht bindend, weil dies ein Risikofaktor für die innenpolitische Situation der Türkei ist“ ist fatal und ist als Außenpolitik eine Bankrotterklärung. Deswegen bin ich darauf gespannt, wie wir in Deutschland darauf reagieren werden. Aber die Augen zu schließen aus Sicht der Bundesregierung oder aus Sicht des Außenministers heraus zu sagen „Das ist unser Kooperationspartner, unser Verbündeter, und wir mischen uns in deren inneren Angelegenheiten nicht ein.“, ist definitiv der falsche Weg. Das wird nicht funktionieren. Je früher die politische Spitze in Berlin wach wird, und endlich inhaltlich Politik macht, desto mehr ist den Menschen in der Region und den Menschen hier in Deutschland geholfen. In der Türkei ist es ganz klar, wenn man die Situation im Südosten der Türkei nicht friedlich löst, beziehungsweise, ob wir nun dazu Kurdenfrage sagen oder nicht sagen, das muss man hier nicht näher erläutern. In den kurdischen 14 Ich möchte aber auch sagen, dass der Anschlag in Ankara, der letzte vom 17. Januar, viele sehr erschüttert hat. Vor allem ging die Diskussion darüber, ob nun aus Kobane syrische oder kurdische Separatisten den Terror in die Türkei bringen würden, weil die Türkei das Bild zeichnen will, erst war es ein IS-Terror, jetzt ist es ein kurdischer Terrorist, der unser Land destabilisiert. Darüber waren viele schockiert und sie waren aber auch darüber schockiert, dass die TAK sich zu dem Anschlag bekannt hat. Das macht die Situation nicht besser. Meiner Meinung nach scheint mir die Situation sehr unübersichtlich, auch weil in der Türkei eine Kriegsrhetorik eskaliert. Gebieten im Südosten der Türkei kann die Zivilbevölkerung schon wieder nicht ihr alltägliches ziviles Leben führen. Diese Menschen flüchten. Ich will aber ganz klar sagen, diese Menschen flüchten auch aus dem einfachen Grund heraus, weil einige hatten die Hoffnung, dass es eine friedliche anerkennende kurdische Identität über die Partei der HDP geben wird. Die ganze kurdische Lösung ist seit dem April des letzten Jahres ad acta gelegt worden. Jetzt sprechen wieder die Waffen auf beiden Seiten. Das ist sehr bedauerlich, weil ich finde, in den 1990iger Jahren haben die Waffen schon mal gesprochen und die Menschen in die Flucht getrieben. Eine Lösung hat man damit nicht erreicht. Deswegen war es auch meine persönliche Hoffnung, dass endlich eine politische Lösung erreicht werden kann und die politischen Stimmen laut sein können. Es ist mit dem jetzigen Präsidenten geschafft worden, dass sowohl die politische Lösung ins Grab getragen wurde, als auch auf beiden Seiten wieder die Waffen sprechen. Das finde ich fatal und falsch. Ich finde es sehr wichtig, dass man sich Gedanken darüber macht, machen muss, wenn man den Staatsterror „Staatsterror“ nennen will, mit einem anderen Terror antworten. Bis wohin gehen denn wohl diese Terror-Eskalationen. Wo muss man dann sagen können, jetzt geht es aber gar nicht mehr, weil wir schon wieder Zivilisten verlieren. Sowohl türkische Zivilisten als auch kurdische Zivilisten. Auf jeden Fall sind Kurden, die sagen, ich will diesen Krieg dort nicht mehr haben, weder den Staatsterror noch von der bewaffneten Guerilla, diejenigen, die fliehen. Diejenigen, die dort bleiben, werden ganz klar als Separatisten und leider auch als Terroristen abgestempelt. Sie werden praktisch zum Freischuss frei gegeben. Das ist das schlimmste, dass man quasi einem EU Beitrittsland erlaubt, Menschen in einer Region, die sich mit ihrer kurdischen Identität beschäftigen, zum Abschuss freizugeben, weil sie politisch etwas anders haben wollen, als das, was die türkisch legitimierte Regierung will. Das finde ich sehr schlimm. Also flüchten sie. Ob sie dann alle nach Deutschland kommen werden, hängt von Pull- und Push-Faktoren ab. Ich glaube, diejenigen, die in Deutschland Beziehungen haben, werden natürlich nach Deutschland kommen wollen. Viele werden im Westen der Türkei ihre neue Existenz aufbauen wollen. Es gibt auch viele syrische Flüchtlinge, die aus der Region flüchten, die dann sagen, das ist für uns unsicher, wir bleiben da nicht mehr. Es ist oft auch so, dass diejenigen, die finanziell keine Möglichkeiten haben, dort bleiben und diejenigen, die die finanziellen Möglichkeiten haben, flüchten. Es ist wieder ein finanzieller Faktor; derjenige, der finanziell nicht in der Lage ist, kann sich keine Flucht leisten. Auch das finde ich aus menschenrechtlicher Sicht eine sehr schwierige Situation. Was aber in Deutschland oder in Europa immer mehr rechtlich und an Stimmung manifestiert wird, ist, wenn Menschen aus der Türkei kommen, will man es so drehen, dass diese keinen Asylgrund mehr haben werden, indem die Türkei als ein sicherer Drittstaat, ich glaube sogar, zu einem sicheren Herkunftsland erklärt wird. Ich habe politisch viel davon Seite und zurückkommt, ist es schon eine beklemmende Situation. Die Unzufriedenheit ist sehr groß; die Angst ist sehr groß, seine Meinung frei zu äußern. Die Angst ist sehr groß, aus unerklärlichen Gründen irgendwie ins Visier der staatlichen Organe zu geraten und aus irgendwelchen unerklärlichen Gründen seine Arbeit zu verlieren oder aber auch bedroht zu werden. Die Angst ist sehr groß, sich zu seinen kulturellen oder religiösen Ursprüngen zu bekennen und gleichzeitig als Separatist bezichtigt zu werden. Dies gilt nicht nur für Kurden. Dies gilt für sehr viele Minderheiten, die zurzeit dort leben oder politisch oppositionell sind. Die Angst ist groß, wenn man sich Beispielsweise für die Umwelt in seiner Region einsetzt, wie jetzt an der Schwarzmeer-Küste in der Türkei, dass man sofort entweder mit falschen Zugeständnissen über dem Tisch gezogen wird oder dass man eben sofort als Separatist identifiziert und irgendwo notiert wird. Es ist, was auch den Süd-Osten der Türkei betrifft, eine sehr beklemmende Situation. In Westen in den Metropolen sitzen sehr viele intellektuelle Menschen, denen die Hände gebunden sind. Sie möchten gerne die Zivilbevölkerung, die dort den Angriffen ausgesetzt ist, unterstützen, aber sie haben keine Möglichkeiten dazu. …………………………………………………………………….……………. Impulsreferat YXK Handan Çiçek (YXK, Frankfurt a.M.) Niemandem fällt es leicht, seine Heimat zu verlassen. Doch weltweit sind 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Es sind Menschen, die vor Bürgerkriegen fliehen, vertrieben wurden oder der Armut entkommen wollen. Seit dem Zweiten Weltkrieg waren noch nie so viele Menschen gleichzeitig auf der Flucht. Die meisten Menschen bleiben innerhalb ihres Heimatlandes oder fliehen ins Nachbarland. Die größte Last der Konflikte in Syrien und dem Irak tragen deshalb die angrenzenden Staaten: Millionen sind in die Türkei und den Libanon, aber auch in die vergleichsweise sicheren Gebiete von Rojava geflüchtet. Hunderttausende machen sich auch auf den Weg nach Europa. Deutschland und Schweden sind dabei die beliebtesten Ziele der Flüchtlinge. Bis Ende 2015 sind mehr als eine Million Flüchtlinge in Deutschland eingetroffen. Das waren etwa fünfmal so viele wie im Jahr 2014. Wie viele Menschen 2016 einen Asylantrag stellen werden, lässt sich nicht abschätzen. Die größte Gruppe der Flüchtlinge stammt aus Syrien. Das Land wird seit mehreren Jahren von einem Bürgerkrieg erschüttert. 2015 wurden 428.000 Syrer registriert, davon konnten 162.000 einen Asylantrag stellen. Die derzeitige Situation dieser Geflüchteten in Europa ist geprägt durch Kriminalisierung und Abschottung. Abgelehnte AsylbewerberInnen werden in die Illegalität getrieben und Tausende Flüchtlinge sterben an den EU- 15 Was den Syrer betrifft; es gibt viele Menschen, die nach Deutschland kommen, um hier auch die Demokratie und die Rechtstaatlichkeit zu erleben. Es kommen nicht nur Menschen her, die aus Fluchtgründen oder wirtschaftlichen Gründen kommen, sondern es kommen Menschen hierhin, weil sie die Hoffnung haben, hier geschützt zu sein, in ihrer Identität und in ihrem persönlichen Schutz. Deswegen ist es wichtig, dass wir in Europa und in Deutschland nicht anfangen, unsere Errungenschaften so schnell auszuverkaufen, um Zustände zu schaffen, die eigentlich ein individuelles Recht wie das Asylrecht oder ein Schutz von Flüchtlingen nicht mehr gewährleisten. Das war schon in der Vergangenheit sehr schwierig. Dies wurde hier bereits auch von Herrn Turgut erklärt. Es sind auch sehr viele Asyl- und Menschenrechtspolitiker, die aktiv sind. Sie kennen die Situation. Es war aber trotzdem die Hoffnung da in den letzten fünf, sechs Jahren, dass sich die Situation politisch ins positive ändern wird. Jetzt sehe ich aber im Asylpaket, Menschen, die im Asylverfahren sind, sollen in den ersten sechs Monaten in diesen Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben. Das sind Einrichtungen, die teilweise bis zu 700 oder 1000 Menschen unterbringen. Man soll bis zu sechs Monate dort bleiben, und die Residenzpflicht soll gelten. Das heißt, wenn man irgendwo Arbeit findet, darf man nicht aus dem Bezirk heraus, dem man zugeteilt worden ist. Es war ein langer Kampf der Menschenrechts- und Asylpolitiker, die Residenzpflicht aufzuheben. Diese war gerade mal ein Jahr lang aufgehoben, und jetzt ist sie quasi wieder eingeführt. Beim Familiennachzug soll jetzt im Asylpaket II bei Personen, die einen subsidiären Schutz haben, dieser zwei Jahre ausgesetzt werden. Das ist kontraproduktiv. Alle, die das beklagen und sagen, Familien werden im Mittelmeer von Schlepperbanden ausgebeutet und quasi dem Tod ausgeliefert, betreiben das Geschäft dieser Menschen; weil wenn Menschen alleine kommen, als Minderjährige, ist es ihr Recht, dass sie ihre Familien nachholen können. Auch der Arbeitsmarktzugang, der nach drei Monaten möglich sein soll, war eine Errungenschaft der Menschenrechtspolitiker. Auch das ist auf wackeligen Füßen gestellt, weil die Integration in den Arbeitsmarkt nicht so einfach ist, wenn man nicht ausreichend Sprachkurse und Unterstützung bekommt. Viele Arbeitgeber sprechen mich an und sagen: „Frau Öztürk, ich würde gerne syrische Flüchtlinge oder andere Flüchtlinge einstellen, aber ich brauche begleitende Unterstützung.“ Das heißt also, wenn ich aufenthaltsrechtliche Fragen habe, wer hilft mir dann? Wenn jemand mit der Sprache oder mit den kulturellen Fragen nicht klar kommt, an wem kann ich mich denn wenden? Er ist ja auch am Anfang kein hundertprozentiger Auszubildender, den ich einsetzen kann. Kriege ich dann eine begleitende Unterstützung? Alle diese begleitenden Fragen sind nicht geklärt und auch die Anerkennung ihrer Abschlüsse ist nicht geklärt. Es sind viele Menschen mit Abschlüssen, die hierher flüchten. Sie müssen aber alles allein machen. Sie müssen die Gebühren allein tragen. Sie müssen sich durch den Dschungel der Anerkennung, wie sie hier erwartet wird, allein durchschlagen. Eine rechtsstaatliche Beratung, die finanziert wird, haben wir nicht, und wir haben auch keine unabhängige Rechtsberatung, die beispielsweise die Vereine machen. Auch die bekommen keine Unterstützung. Von daher hat man zu allem Rechte, aber man weiß ja nicht, welche sie sind, und man kann sie nicht durchsetzen, weil man keine Rechtsberatung bekommt. Also das sind alle Fallstrike, die ich gerne diskutieren möchte oder auch gerne politisch als Forderung gemeinsam mit den zivilgesellschaftlichen Akteuren stellen will und KURD-AKAD ist ein solcher zivilgesellschaftlicher Akteur, welcher sich stärker einsetzen kann. <|> Seite gehört; die gesagt haben, die Türkei ist ein EU Beitrittsland; wenn sie kein sicheres Herkunftsland ist, was denn sonst? Und wenn sie aber zu einem sicheren Herkunftsland erklärt wird, dann wird die Fluchtursache eines Armeniers, eines Kurden, eines Eziden fast unmöglich sein, hier anerkannt zu werden. Das finde ich auch wieder sehr schwierig. Außengrenzen, z. B. im Mittelmeer vor Lampedusa oder am griechischen Grenzfluss Evros. In vielen Städten haben sich sogenannte Bürgerbewegungen gegründet, um gegen die Unterbringung der Geflüchteten zu protestieren und Bedrohungsängste vor den konstruierten Fremden in der Gesellschaft zu schüren. Doch hierbei bleibt es vielerorts nicht. So finden täglich verschiedene Angriffe auf Asylbewerberunterkünfte statt. Syrien kommen und das Überleben nur durch Flucht zu sichern war, scheint den Medien nicht genug zu sein, ihre Hetze einzustellen. Deshalb ist es wohl noch ein langer Weg, bis die Flucht vor Armut und die Suche nach einem besseren Leben auch für Nicht-EuropäerInnen als Migrationsgrund akzeptiert wird. Ein großer Teil der Menschen, die derzeit in Syrien auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg und Terror sind, stammen aus Rojava, dem kurdischen Gebiet im Norden Syriens. Diese sogenannten Unterkünfte oder auch Lager stellen sich zumeist als alte Schulen oder Kasernen heraus, welche nur notdürftig renoviert als Übergangslösung herhalten sollen. Die Geflüchteten müssen dort auf engstem Raum ausharren. In den meisten Fällen wird dies jedoch zum Dauerzustand. Weder Bund noch Kommunen haben offenbar ein Interesse daran, mehr Aufmerksamkeit und Geld für die Bedürfnisse der Geflüchteten aufzubringen. Die Geflüchteten selbst haben keine rechtliche Grundlage und wenig Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen. Dies ist wichtig, da die Unterbringung und Behandlung in den Sammelunterkünften der AsylbewerberInnen häufig menschenverachtend ist. Durch die beengten Verhältnisse führen Beschäftigungslosigkeit und eventuelle Traumata der Flucht in den Unterkünften häufig zu Konflikten. Die gängige Praxis, Asylsuchende an entlegene Orte zu schaffen, verhindert zusätzlich, dass sich andere Menschen mit den Geflüchteten solidarisieren, sich mit ihnen anfreunden und ihnen ein Leben ohne Anfeindungen und Isolation ermöglichen. Stattdessen ist es vielleicht ein gewünschter, zumindest aber geduldeter Nebeneffekt, dass die Bevölkerung vor Ort nur die möglichen Probleme sieht, sich gegen die HeimbewohnerInnen wendet und im schlimmsten Fall sogar Angriffe verübt. Gründe hierfür boten vor allem die Angst und die Vorurteile gegenüber der Anwesenheit der Geflüchteten in der Nachbarschaft. Es überwiegen Vorstellungen von Armutskriminalität und randalierenden, beschäftigungslosen Jugendlichen. Dabei hätte die Stadt diesen Vorurteilen durch Aufklärungsarbeit zuvor kommen können. Im Laufe ihrer Geschichte sind die Kurden immer wieder massiv verfolgt worden, in dessen Folge viele Menschen zur Flucht getrieben wurden, aber auch staatlich organisierten Deportationen ausgesetzt waren. Die Entstehung der kurdischen Diaspora in Europa reicht bis in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zurück. Die überwiegende Mehrheit der Kurden kam ab Beginn der sechziger Jahre als „Gastarbeiter“ aus der Türkei nach Deutschland, Österreich, in die Schweiz oder nach Frankreich. Hauptmigrationsziel blieb auch nach dem Anwerbestopp von 1973 die Bundesrepublik. Im Rahmen der Familienzusammenführung folgten zahlreiche kurdische Familien ihren Angehörigen. 16 Seite Auch stellen sich viele BürgerInnen gegen Diskussionen und Aussprachen und weigern sich, ihre vorgefassten Meinungen zu hinterfragen. Bestätigung finden sie auch in den etablierten Medien, welche die negative Stimmung immer weiter anheizen. In Politik und Medien wird das Bild konstruiert, dass „Ausländer Deutschen die Arbeitsplätze wegnehmen" und nur nach Deutschland kommen, um "unsere Sozialsysteme auszunutzen". So ist die "Das Boot ist voll"-Rhetorik der beginnenden 90er Jahre längst wieder in den bürgerlichen Medien angekommen. Hier wird nicht nur repetitiv das menschenverachtende Bild der "Flüchtlingsströme" und "wellen" beschworen, sondern auch der negativ besetzte Begriff des Wirtschaftsflüchtlings allzeit präsent gehalten. Dass die meisten Geflüchteten aus Krisengebieten wie Die Islamische Revolution im Iran (1979), der Militärputsch von 1980 in der Türkei, kriegsähnliche Zustände und die Ausrufung des Ausnahmezustandes in den kurdischen Gebieten sowie Ausrottungskampagnen des irakischen Regimes unter Saddam Hussein leiteten die verstärkte Flucht von Kurden aus diesen Staaten nach Deutschland ein. Diese politisch Verfolgten Kurden kamen in aufeinanderfolgenden Wellen vorrangig aus der Türkei und suchten Asyl. Durch die prekäre Situation in den Herkunftsstaaten hat die Einreise von politisch Verfolgten Kurden nach Deutschland und Europa nicht nachgelassen. Nach Aussage des damaligen Innenministers handelt es sich Mitte der 90er Jahre bei rund 80% der Asylbewerber in Deutschland um Menschen aus den kurdischen Gebieten. Und in Kurdistan herrscht immer noch Krieg. Die aktuell massive Kriegspolitik der AKP-Regierung gegenüber dem kurdischen Volk ist auf die Ergebnisse der Parlamentswahlen zurückzuführen. Im Sommer 2015 überschritt die HDP mit 13,1% die 10%-Hürde. Mit ihrem Wahlerfolg schenkte die HDP allen demokratischen und fortschrittlichen Kräften eine neue Perspektive auf ein friedliches Zusammenleben zwischen allen Völkern. Recep Tayyip Erdogan erschlug jedoch den Wunsch der Bevölkerung, da ihm dadurch die absolute Mehrheit für die Errichtung des Präsidialsystems fehlte. Aufgrund dessen ließ er die Koalitionsgespräche mit den Oppositionsparteien scheitern und erzwang Neuwahlen, die am 1.November 2015 stattfanden. Die neu eingeschlagenen Methoden für Neuwahlen basierten auf Vergeltung, Abschreckung und militärischen Angriffen gegen das kurdische Volk. Die verloren gegangenen Stimmen wurden wieder errungen und das Land befand sich erneut in den Klauen des Despoten Erdogans. Die Die Türkei hat durch ihre Unterstützung von dschihadistischen Gruppen wie dem IS, der Al-Nusra Front oder der Gruppe Ahrar al-Sham und mit der Bekämpfung der basisdemokratischen Selbstverwaltung in Rojava/Westkurdistan den Krieg in Syrien maßgeblich mit befördert und so dazu beigetragen, dass abertausende Menschen ihre Heimat verlassen mussten. Die AKP gewährte zudem dem IS, innerhalb der Türkei Anschläge zu verüben, die gegen RegierungskritikerInnen gerichtet sind. Sowohl die Anschläge auf das Meeting der HDP in Diyarbakir, in Suruc, die Friedensdemonstration in Ankara und die TouristInnen in Istanbul wurden von Islamisten verübt, die als Handlanger des AKP Regimes gelten. Diese Anschläge sind keine Zufälle! Darüber hinaus werden jegliche Dechiffrierungsversuche gegen die AKP-IS Kooperation und die Solidarisierungsversuche mit dem kurdischen Volk innerhalb des Staates im Keim erstickt. Die bekanntesten Beispiele hierfür sind der türkische Journalist Can Dündar , der Vorsitzende der Rechtsanwaltskammer von Diyarbakir Tahri Elci, der von türkischen Polizisten auf offener Straße hingerichtet wurde und die AkademikerInnen, die sich gegen die Angriffe auf das kurdische Volk aussprachen, wobei 30 wegen angeblicher Unterstützung der PKK verhaftet wurden. Der Krieg in der Türkei nimmt von Tag zu Tag immer schlimmere Ausmaße an. Deutschland hält am Pakt mit dem Diktator noch immer fest. Die sogenannte "Flüchtlingskrise", die Deutschland und die Bundeskanzlerin Angela Merkel so verschreckt, sorgt dafür, dass die türkische Regierung mit Geldern unterstützt wird und im Gegenzug die Zahl der nach Europa flüchtenden Menschen radikal reduziert. Es scheint schon etwas absurd, dass die EU mit dem Staat einen Deal in der Flüchtlingsfrage eingeht, der zu den größten Davon unbeeindruckt erklärt Innenminister Thomas de Maizière auf die Frage eines Journalisten, warum eine Kritik der Bundesregierung am Vorgehen der türkischen Regierung ausbleibe: „Alle, die uns jetzt sagen, man muss die Türkei von morgens bis abends kritisieren, denen rate ich, das nicht fortzusetzen. Wir haben Interessen. Die Türkei hat Interessen. Das ist ein wichtiger Punkt.“ Und weiter: „Natürlich gibt es in der Türkei Dinge, die wir zu kritisieren haben. Aber die Türkei, wenn wir von ihr etwas wollen, wie, dass sie die illegale Migration unterbindet, dann muss man auch Verständnis dafür haben, dass es im Zuge des Interessenausgleichs auch Gegenleistungen gibt.“ Wir als Studierendenverband aus Kurdistan sagen sowohl Stopp zu der Unterstützung der Türkei gegenüber dem IS und anderer islamistischer Gruppierungen in Syrien als auch zu einer Zusammenarbeit mit der AKP-Regierung durch die EU, allen voran durch die Bundesrepublik Deutschland, die die Kriegsverbrechen und Verbrechen an 17 Während der insgesamt 52 Ausgangssperren war die kurdische Bevölkerung vom Zugang zu lebensnotwendigen Gütern und der Stromversorgung beschnitten. Zeitgleich stand das Volk unter schwerem Artilleriebeschuss. Weiterhin befinden sich Städte wie Sûr und Cizîr unter der Ausgangssperre. Die Bevölkerung vor Ort hingegen wird nicht nur ihrem Schicksal überlassen, tagtäglich werden vor allem Jugendliche und Frauen ermordet. Das AKP Regime ermordete in den letzen Monaten mehr als 400 Menschen und vertrieb bis zu 250.000 KurdInnen innerhalb der Grenzen der Türkei in die Flucht. Wie jedoch kann eine Partei in einem Land so mächtig werden, sodass jegliche Entscheidungsund Handlungsgewalt bei ihr liegt, ohne Rechenschaft abgeben zu müssen? Wie können westliche PolitikerInnen so ein Verhalten dulden und auch noch unterstützen? Urhebern der Flüchtlingskrise zählt. Doch auch wenn sich Erdoğan und seine AKP derzeit von der hässlichsten Seite zeigen, von Europa und Deutschland aus hat die Führungsebene der Türkei keinen Widerspruch zu befürchten. Denn man ist auf Erdoğan angewiesen, wenn man in der „Flüchtlingskrise“ Lösungen finden will. Da nimmt man wohl in Kauf, dass der türkische Partner im Kurdenkonflikt auf einen Krieg gegen die Zivilbevölkerung setzt. Wie zu erwarten, zeigt sich die deutsche Bundesregierung besonders übereifrig die Türkei zu umgarnen. Noch vor den Parlamentswahlen am 1. November stattete Bundeskanzlerin Merkel quasi als Wahlkampfhelferin dem türkischen Staatspräsidenten einen Besuch in dessen Palast ab. Die Regierung in Ankara hatte unter anderem zugesagt, die Grenzen besser zu schützen. Im Gegenzug versprach die EU mindestens 3 Milliarden Euro für die Versorgung der Flüchtlinge in der Türkei. Zudem sollen die EU-Beitrittsverhandlungen und die Gespräche zur visa-freien Einreise der türkischen Staatsbürger beschleunigt werden. Darüber hinaus scheint die Bundesregierung den Repressionshebel gegen die kurdischen AktivistInnen in Deutschland angehoben zu haben. Derzeit sitzen in deutschen Gefängnissen sieben kurdische Politiker in Haft, so viele wie schon lange nicht mehr. Am Vorabend des Besuches der Bundeskanzlerin in der Türkei meldeten die Agenturen ein neues Massaker in der seit Monaten belagerten und zum größten Teil zerstörten kurdischen Stadt Cizre. Im Kellerraum eines Gebäudes sollen mehr als 60 Menschen getötet worden sein, die dort seit mehreren Wochen ausharrten. Mittlerweile liegt die Zahl der Toten in Cizre bei knapp 200. Viele der Opfer konnten noch nicht identifiziert werden, weil das Militär die Keller, in denen die Menschen Schutz suchten, in Brand setzte und viele Leichname bis zur Unkenntlichkeit ausgebrannt sind. Seite Ausgangssperren und Angriffe auf ZivilistInnen in den letzten Monaten wurden als Vergeltungsschlag bis ins kleinste Detail geplant, um die KurdInnen zu demoralisieren. ABSCHLUSSDISKUSSION Flucht – ein unbeherrschbares Problem?! Es gibt unterschiedliche Gründe, warum Menschen sich auf dem Weg machen. Der eine Grund ist die wirtschaftliche Situation. Dann sind wir als europäische Länder und auch Deutschland als Mitglied der europäischen Gemeinschaft sehr aktiv unterwegs und bekommen mit, in welchen Ländern die wirtschaftliche Situation schwierig wird, und wo wir auch sehen können, wer dann eventuell nach Deutschland kommt, wie es bei den Balkanstaaten der Fall war. Dann erwarte ich, dass man Aufnahmekontingente schafft oder Aufnahmeprogramme mit solchen Ländern vereinbart; dass man sagt, ok, bevor ihr alle über das Asylrecht kommt, möchten wir mit euch Möglichkeiten finden, wie wir Ausbildungs- und Bildungskooperationen hinbekommen, damit die Menschen, wenn sie zu uns kommen, Bildung oder Ausbildung bekommen, um sich eine eigene Existenz aufbauen zu können. Also da würde ich mir eine andere Migrationsmöglichkeit schaffen. Das kann von mir aus ein anderes Einwanderungsgesetz sein. Bei humanitären Fragen, wenn international Kriege herrschen, dann gab es schon immer die Möglichkeit über den UNHCR Kontingente zu vereinbaren, um Flüchtlinge aufzunehmen, siehe Resettlement-Programme, und sie bei uns anzusiedeln, was die USA und Kanada stets gemacht haben. Wir haben als Deutschland die Contenance bewahrt, weil wir gesagt haben, in den 1990iger Jahren haben wir die großen Last der Balkanflüchtlinge getragen. Das heißt, man hat es bloß Ich glaube aber, dass es sich in Deutschland verändern wird. Außenpolitisch gesehen ist es wichtig, dass wir nicht Waffen in Regionen liefern, die Krisenherde sind oder die keine Menschenrechtsstandards einhalten. Wenn wir eben Länder wie Saudi-Arabien oder die Türkei, welche mit Waffen beliefert werden, rausnehmen, auch wenn viele es nicht so sehen. Wenn beispielsweise in Länder Waffen geliefert werden, damit sie die Bevölkerung diskriminieren und umbringen, da schließe ich die Türkei wieder mit ein, darf das nicht geduldet werden. Da kann keine Erwerbspolitik über die Menschenrechts- und Wertepolitik stehen, weil dies eine falsche kurzfristige Erwerbspolitik ist. Diese löst genau die Ursachen aus, die man ja verhindern will. So einfach muss man sehen, wie die Waffenlieferung funktioniert. Außenpolitisch gesehen sind wir ein sehr aktives Land, was Wirtschaftsbeziehungen betrifft. Ich 18 ……………………………………………………………………………….. mit Last verbunden, anstatt zu sagen, die Menschen, die zu uns gekommen sind, haben uns auch bereichert. Kurz zur Asylfrage. Das ist das Individualrecht, da würde ich die Finger davon lassen und dieses Recht nicht aushöhlen lassen. Das heißt, man muss der Bevölkerung erklären, welche Möglichkeiten der Lieferzone gibt es. Welche sind eine Art Arbeitsmigration? Funktioniert sie nach Deutschland oder müssen wir gesetzlich positiv, progressiv damit umgehen? Dann kann man auch die ganze Frage der Hiebhaus Struktur stellen. Da kann man sich fragen, ob dies über ein Punktesystem zu erreichen ist. Auch schon in den 1990iger Jahren wurde dies diskutiert. Es wurde auch darüber debattiert, wen wollen wir haben? Wer kommt zu uns? Wobei ich dagegen bin, dass man, wie in den 1950iger Jahren, wenn man unausgebildete Gastarbeiter brauchte, sie beurteilt. Jetzt brauchen wir gebildete Gastarbeiter und wir wollen nur gebildete haben. Ich finde, dass man auch den Menschen die Chance geben muss, seines Glücks Schmied zu sein und in das Land zu gehen, wo man Chancen einer lebenswerten Existenz hat. Auch Lebensqualität ist ein Menschenrecht. Es ist ja gar nicht dazu gekommen, dass wir ein Gesetzt dazu gemacht haben, sondern wir haben in Deutschland immer mehr auf organisierte Verantwortungslosigkeit gesetzt. Das finde ich, ist der falsche Weg. Wir sollten ab heute damit anfangen, nachzudenken, wie man eine humanitäre Aufnahme organisieren kann, wie man die Asylfrage organisieren kann und wie man die Arbeitsintegration organisieren kann. Was der deutsche Bürger wissen will und dass ist auch in der Türkei nicht anders, hat die Politik noch einen Überblick über die Situation? Ist die Politik noch Herr im Hause oder ist die Politik überfordert und will fliehen vor äußeren Umständen. Wenn man das Gefühl hat, wir haben keine Kontrolle über die Situation, dann geht es ganz schnell, dass es komische Reflexe gibt. Das gibt es auch in anderen Ländern. Was ich aber stark kritisiere ist; im Herbst 2015 war eine große Aufnahmebereitschaft da, die hat man mehr oder weniger kaputt gemacht, indem man einfach die Situation hat eskalieren lassen oder die organisierte Verantwortungslosigkeit hat weit verbreiten lassen. Seite der Menschlichkeit der Türkei duldet und damit unterstützt. Die sogenannte „Flüchtlingskrise“ in Europa ist unmittelbar auf diese falschen außenund innenpolitischen Strategien und Kooperationen mit der Türkei zurückzuführen. Wenn Menschenrechte zur Verhandlungssache in taktischen Manövern werden, ist das Bekenntnis zu ihnen nur noch eine Farce. Es ist ein offener Bruch der Verfassung. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! <|> Ich glaube, dass wir hier in Europa einmal laut dafür werben, dass wir mehr Flüchtlinge aufnehmen können. Also wenn man es mit den Nachbarregionen von Syrien vergleicht, wieviel Flüchtlinge sie aufgenommen haben. Aber dass wir dann generell sagen, wir sind in der Lage jährlich knapp eine Million oder was auch immer Flüchtlinge aufzunehmen. In Europa würde es gehen, wenn die Strukturen dazu geschaffen sind, und dass man diese Strukturen auch schafft. Von daher finde ich, dass die Zahl der Aufnahmen der Flüchtlinge in Europa erhöht werden muss. Das wünsche ich mir. Was die Türkei betrifft, ich bin auf keinen Fall dafür, dass man nicht mit der Türkei spricht. Um Gottes Willen, man muss mit der Türkei sprechen und Erdogan kann immer wieder sagen; ich bin der direkt gewählte Präsident der Türkei. Er ist zum zweiten Mal gewählt worden, und er ist dabei, es vielleicht zum dritten Mal zu organisieren. Also Wahlen gibt es in der Türkei und die Ergebnisse sind die Ergebnisse, mit den wir umgehen müssen. Da können wir nicht sagen; du bist aber nicht der Partner, den ich haben will, also rede ich nicht mit dir. Was kann man aber zum Beispiel aus deutscher Sicht oder aus flüchtlingspolitischer Sicht in der Türkei realisieren? In der Türkei gibt es gar keine Idee darüber, wie Flucht und Aufnahme von Flüchtlingen organisiert werden kann, wie die Teilhabe von Flüchtlingen in der Türkei organisiert werden kann. Da stelle ich mir immer die ketzerische Frage; lohnt es sich darüber zu streiten wegen den drei Milliarden oder ist besser zu sagen; natürlich müsste die europäische Union auch der Türkei finanziell helfen, um Ansonsten, was Syrien betrifft, bin ich auch nicht dafür, dass man in Syrien den Konflikt ohne Waffen löst. Das geht gar nicht mehr. Ich glaube, dass ist sehr wichtig, dass man in Syrien die Kurden am Tisch sitzen hat und der IS auf keinen Fall am Tisch sitzt. Wenn es sein muss, hat man die Al Nusra am Tisch sitzen. Ansonsten muss man mit allen verhandeln. Auch alle anderen Stellvertreter, die gerade als Akteure aktiv sind, werden am Tisch sitzen. Was man aber nicht akzeptieren sollte, hundert Jahre nach dem ersten Weltkrieg, ist der Zusammenbruch der künstlich geschaffenen Grenzen in dieser Region. Das man jetzt nicht beispielsweise erneut sagt, wie die türkischen Verhandlungsakteure es sagen, ihr Kurden seid kein Akteur und wir setzen euch nicht an den Tisch, und dass man mehr oder weniger die Kurden dazu zwingt, sich mit der Nutzung der Waffengewalt an den Tisch zu verhandeln. Das wäre meiner Meinung nach fatal und deswegen sollte man die Kurden auch an dem Tisch sitzen lassen. Die Kurdenfrage innerhalb der Türkei, die würde ich nicht mit Waffen lösen wollen. Da bin ich eine Idealistin und keine Pazifistin. Wir werden sie in der Türkei auch anders lösen können. Das müssen wir differenzieren. Auch wenn es uns nicht gefällt. Wir müssen aber politische Verhandlungspartner haben, die dies akzeptieren. Dabei ist die politische Struktur immer eine wichtige Frage; stellt man also diese Bedingung am Anfang der Verhandlung oder stellt man diese am Ende der Verhandlung, wenn man sie erreichen will. Da ist also das politische Feingefühl wichtig. Die Strategie ist wichtig und da kann ich jetzt nicht für Kurden als Repräsentant dieser sprechen, ich kann aber als Außenbeobachter etwas dazu sagen. Ich habe Syrien erlebt und kenne die Situation in Syrien. Es ist super schwierig für die Kurden in Syrien gewesen. In der Türkei ist die Situation auch schwierig. Aber ich glaube, wir müssen aktuell die Lage in beiden Ländern politisch anders betrachten, als zu sagen, was die 19 Ich weiß nicht, ob Syrien sich in drei Teile teilen würde und ob dann die Konflikte gelöst werden können. Ich möchte den Fokus darauf lenken, selbst wenn ethnische oder religiöse Konflikte nicht mehr als Fluchtursachen bestehen, wird es Umwelt und Klima bedingte Fluchtursachen geben. Also Fluchtursachen wird es immer geben. Wir sollten uns als ein reiches europäisches Land darauf einstellen, dass sie zu uns kommen werden. Als altes Europa sollten wir eigentlich ganz glücklich darüber sein, wenn sie zu uns kommen wollen. Also sollen wir morgen anfangen, Strukturen zu schaffen, um mit dieser Vielfalt positiv umgehen zu können. Strukturen zu schaffen, um Flüchtlinge dort aufzunehmen? Man muss aber darauf bestehen, dass es kein Kuhhandel wird, dass es kein Diel wird, so nach dem Motto: Geld bekommst du und die Gegenleistung ist, dass du uns die Flüchtlinge vom Hals schaffst. Sondern der Diel kann nur sein; ich habe länger Erfahrung mit Integration oder Teilhabe von Flüchtlingen und ich habe Strukturen, die ich hier gerade verändere, und auch neue, die ich schaffe. Da rede ich nicht von Aufnahmezentren oder von sowas, was an den EU Außengrenzen ist, sondern ich rede darüber, wie soziale Standards geschaffen werden können, damit Flüchtlinge in der Türkei auf dem dritten oder vierten Arbeitsmarkt nicht komplett ausgebeutet werden. Also wie kann man diese Standards, die wir hier haben, also die EUAufnahmerichtlinien, auch wenn man sie nicht alle einhält, zum Beispiel in die Türkei transportieren und versuchen, dort lebenswerte Zustände zu schaffen für Menschen, die dort im Moment keinen lebenswerten Schutz haben. Das wäre zum Beispiel eine Kooperation, die man aufbauen könnte. Seite habe mir immer gedacht, überall, wo man Wirtschaftsvertreter mitnimmt, muss man auch Menschenrechtsvertreter mitnehmen. Man muss sich die Situation in diesen Ländern anschauen, und man kann nicht mit den Ländern Geschäfte machen, die ihre Bevölkerung arbeitsrechtlich ausbeuten und nur quasi das Wirtschaftliche aufputschen sowie hochstellen. Das ist mir zu kurzfristig. Das sind Werte, die ich mir in der Politik wünsche. Es ist in der Politik eine große Minderheit da, die diesen Standards gerne einhalten will. Aber sie sind leider nicht immer die lautesten. Sie arbeiten nicht fraktionell zusammen. Eigentlich muss man viel stärker international zusammenarbeiten und viel stärker mit der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten. Kurden in Kobane geschafft haben, können sie eins zu eins in der Türkei schaffen. Auf der anderen Seite haben wir aber einen Regressor, der dies nutzt, um die Kurden auf jeden Fall zu diskreditieren, sie zum Terrorfaktor zu machen und sie auf diese Weise komplett abfegen zu können. Die NSU Frage; es ist eine Schande und was soll ich dazu sagen, das ist in Deutschland leider eine tiefe Wunde, die viel zu spät anerkannt worden ist. Jetzt versuchen wir dies aufzuarbeiten. Auch die Aufarbeitung funktioniert nicht so gut. Das ist etwas, was sich in Deutschland nicht nur durch die Politik oder die Gerichte verbessern kann, sondern auch in den Landtagen gibt es Untersuchungsausschüsse. Es gibt sogar in Hessen einen Untersuchungsausschuss, weil Morde an hessischen Bürgern, wie an Simsek und Yozgat, ausgeübt worden sind. Da würde ich sagen – jetzt am Freitag war in Hessen NSU Untersuchungsausschuss – setzt euch dahin und schaut euch die Anhörungen an; auch dafür, um sich ein eigenes Bild darüber zu machen, was da gerade so passiert. Da kann man dann immer wieder versuchen, wie man als politischer Akteur darauf Einfluss nimmt. ehrlich gesagt, in den aktuellen Grenzen, wie die gezogen sind, wo es mehrere parlamentarische Ebenen gibt, ob es uns gefällt oder nicht, weil ich mich mit dem Thema gerade auseinander setze. Das kann jeder so sehen, wie er will, das heißt sie können es als Kurdistan sehen, ich sehe es anders und das gehört mit zur Vielfalt der kurdischen Identität. Wichtig ist, dass wir trotzdem miteinander leben und unsere Ziele gemeinsam verwirklichen können. Ansonsten ist es immer die Frage der Emanzipation, eine Frage der Demokratisierung der eigenen Identität und der eigenen Persönlichkeit. Je mehr die Menschen anfangen, sich selbst und ihre Umfeld zu emanzipieren, Geschlechtergerechtigkeitsfragen stellen, das heißt Fragen bezüglich der Umwelt, der Hierarchien, der alten feudalen Strukturen stellen und diese auch abschaffen. Das sind so kleine Prozesse, die wir hier miteinander angehen können. Ich finde es fast noch wichtiger als über die nationalstaatlichen Strukturen zu reden. Das ist so meine Antwort dazu. <|> Seite Wie die Türkei demokratisiert werden soll; also es ist so, dieses Land ist da und die fünf anderen Länder sind auch da, wobei eins zusammengebrochen ist. Das andere ist neu konstruiert worden. Ich glaube, dass wir es nicht schaffen werden von außen, sei es durch die USA, die EU oder Russland, einen neuen kurdischen Staat hinzukriegen. Allein wird es keinen kurdischen Staat geben. Die anderen Nachbarn machen es nicht mit. So das ist einfach eine ganz reelle Frage. Ich als jemand, der in Deutschland geboren und aufgewachsen ist und nicht Fan von großen Nationalstaatlichkeiten ist, bin eher ein Fan von dezentralen Selbstverwaltungsstrukturen oder eben einer Europäischen Union, die Grenzen und Nationalstaatlichkeiten langsam ablösen lässt, und es versucht über etwas Größeres wie das Supranationale. Mehr Konzentration auf die kommunalen Ebenen, dass die kommunalen Ebenen mehr Rechte bekommen, das wäre meine Vorstellung. Ich nenne es nicht Kurdistan, weil ich 20 Was die Flüchtlingsheime betrifft, das finde ich sehr erschreckend. Das ist in den 1990iger Jahren nach der Wiedervereinigung auch immer wieder passiert. Ich glaube, da müssen wir uns als Zivilgesellschaft wieder besser organisieren und sagen, wir erwarten von der Politik, von der Regierung und von den staatlichen Einheiten mehr Schutz, mehr Kontrolle, aber auch mehr Transparenz, wie die Flüchtlingsheime geschützt werden und was man dagegen unternimmt, um solche Vorfälle zu vermeiden. Was den rechten Mob in Deutschland und in Europa betrifft, welcher immer steigt, da brauchen wir eine mutige Gegenbewegung. Die gibt es zwar, aber sie sind vielleicht nicht laut genug. Da gibt es so wenige mit sogenanntem Migrationshintergrund. Wir müssen da viel stärker rein mit unseren Schwarzköpfen, finde ich.
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