Deutsche Mittelstands Nachrichten

Ausgabe 35
09. September 2016
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Mittelstand
Deutschland gehört zu den größten Gewinnern der Globalisierung
Die internationale Vernetzung zwischen den Staaten hat abgenommen. Nichtsdestotrotz profitiert Deutschland
I
hinter Neuseeland und knapp vor Austram Zuge der TTIP- und CETA-Diskussion Studienautor Aart De Geus.
Die Gewinner der Globalisierung sind lien. Das Schlusslicht bilden die Schwelgeht es bei den Kritikern oft auch um
die Gefahren der zunehmenden Globali- jedoch nicht immer die vermeintlich gro- lenländer. Doch auch hier gibt es eine
sierung. Tatsächlich aber ist die Verflech- ßen Staaten. „Der Globalisierungsindex Einschränkung:
„Die schwachen Positionen der
tung der Staaten seit der Finanzkrise von zeigt, dass mit Irland, den Niederlanden
Schwellenländer im Hinblick auf
2007 kontinuierlich wieder zudie absoluten Globalisierungsrückgegangen. In 35 von 42 beobachteten Ländern schrumpfte
gewinne – insbesondere Chinas
der seit 1990 gepflegte Globali– sind unter anderem auf deren
niedrige Wirtschaftsleistung je
sierungsindex. Während er zwiEinwohner im Ausgangsjahr zuschen 1990 und 2007 von 46,4
auf 65,1 Punkte zulegte, liegt der
rückzuführen. Ein abweichendes
Index nun bei durchschnittlich
Bild zeigt die Betrachtung der
62,6 Punkten, so der Globalisierelativen Globalisierungsgewinrungsreport 2016.
ne: So beträgt der jahresdurchIn Deutschland sinkt der
schnittliche globalisierungsinGlobalisierungsgrad sogar beduzierte
Einkommensgewinn
je
Einwohner
in Relation zum
reits seit 2003. Er fiel von 72
Deutschland ist lang nicht so vernetzt wie Irland, profitiert aber dennoch stark von der Globalisierung.
Foto: Flickr/Keoni Cabral/Cc by 2.0
Bruttoinlandsprodukt je EinPunkten auf zuletzt 65,7 Punkte.
Pro Jahr hat die Globalisierung
wohner im Jahr 1990 für China
von 1990 bis 2014 das deutsche
rund 17 Prozent, für Deutschland
BIP durchschnittlich um 1.130 Euro pro und Belgien vor allem hoch entwickelte, hingegen gut 5 Prozent und für die USA
Kopf erhöht „Deutschland profitiert wie gut vernetzte und tendenziell kleinere lediglich 1,5 Prozent. (…)Die Gruppe der
kaum ein anderer Staat von der Vernet- Volkswirtschaften besonders hohe Aus- Schwellenländer hat relativ zur Gruppe
zung und zeigt, dass Globalisierung nicht prägungen des Globalisierungsniveaus der Industrieländer zwischen 1995 und
zu einem Wettrennen um die billigsten aufweisen“, so die Studie. Deutschland 2014 auf den Weltmärkten massiv an BeArbeitsplätze verkommen muss“, sagt beispielsweise befindet sich auf Rang 20, deutung gewonnen. Dabei zeigt sich, dass
Analyse
Deutschland überholt China mit Exportüberschuss
Deutschland löst nach Prognose
des Ifo-Instituts in diesem Jahr China als
Land mit dem weltweit größten Exportüberschuss ab. Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss summiere sich 2016
voraussichtlich auf 310 Milliarden Dollar,
sagte Ifo-Experte Christian Grimme der
Nachrichtenagentur Reuters. Das wären
25 Milliarden Dollar mehr als 2015. China
dürfte in diesem Jahr einen Überschuss
von etwa 260 Milliarden Dollar aufweisen. Auf Rang drei folgt demnach Japan
mit rund 170 Milliarden Dollar.
Allein im ersten Halbjahr übertrafen
die deutschen Warenexporte die Importe
um 159 Milliarden Dollar. „Haupttreiber
war der Anstieg der Warennachfrage aus
Europa“, sagte Grimme. In die Leistungsbilanz fließen neben dem Warenaustausch auch alle anderen Transfers mit
dem Ausland ein – von Dienstleistungen
bis zur Entwicklungshilfe.
Der deutsche Überschuss wird im
laufenden Jahr auf 8,9 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen, sagt das Ifo-Institut voraus. Die EU-Kommission stuft bereits Werte von dauerhaft mehr als sechs
Prozent als stabilitätsgefährdend ein. Sie
rügt die Bundesregierung daher regelmäßig und empfiehlt ihr, mehr zu investieren und so die Nachfrage im Inland zu
stärken. Das US-Finanzministerium pran-
gert die deutschen Überschüsse als Risiko
für die weltweite Finanzstabilität an. Das
Hauptargument lautet: Länder mit hohen Überschüssen tragen dazu bei, dass
andere Staaten sich hoch verschulden,
um ihre Importe zu finanzieren.
Chinas Leistungsbilanzüberschuss
dürfte in diesem Jahr um etwa 70 Milliarden Dollar schrumpfen –
vor allem wegen schwächerer Exporte. Sie fielen allein im ersten Quartal
um 35 Milliarden Dollar niedriger aus
als vor Jahresfrist. „Stärkere Rückgänge
wurden das letzte Mal in der Finanzkrise
2008/2009 verzeichnet“, sagte Ifo-Experte Grimme.
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der Zuwachs der Schwellenländer zu einem sehr großen Teil auf dem enormen
Wachstum Chinas beruht. Zudem ist zu
erkennen, dass sich einige Industrieländer – insbesondere Deutschland – trotz
der neuen Konkurrenz aus den aufstrebenden Volkswirtschaften gut behaupten
konnten.“
Der Gesamtindex zur Globalisierung
ist das Ergebnis von drei Teilindizes (Wirtschaft, Soziales und Politik). So sind die
Irland, die Niederlande und Belgien auf
den vorderen Plätzen, da sie vor allem bei
den Teilindizes Wirtschaft und Soziales
gut abgeschlossen haben. Andererseits
ist China auf einem der hinteren Ränge
im Gesamtindex, weil das Land im Teilindex Wirtschaft nicht so gut abschneidet.
Das liegt daran, dass es bei dem Teilindex
nicht nur um reine Transaktionen und
deren Größe geht, sondern beispielsweise auch um Restriktionen, die den Handel erschweren. Und davon gibt es in China etliche. „Am stärksten ausgeprägt ist
dies für den Indikator Kapitalkontrollen.
China weist für diesen Indikator mit 3,5
Punkten den fünftniedrigsten Wert aller
betrachteten Länder aus.“ Irland oder die
Niederlande verzeichnen hier Werte zwischen 8 und 9 Punkten. Darüber hinaus
sind die ausländischen Direktinvestitionen im Verhältnis zum BIP Chinas nicht
sehr hoch (18 Prozent), der Handel mit
Dienstleistungen erreicht hier sogar nur
5 Prozent zum BIP.
Deutschland belegt im Gesamtindex
und auch in den Teilindizes nur mittlere
09. September 2016
Ausprägungen des Globalisierungsindex für ausgewählte Länder im Zeitraum 1990 bis 2014.
Grafik: Bertelsmann Stiftung
Plätze, obwohl es lange Zeit den inoffiziellen Titel „Exportweltmeister“ trug. „Bei
der Interpretation solcher Ausprägungen
ist zu beachten, dass hohe oder niedrige
Werte nicht mit einer Wertung verbunden sind. Sie messen zunächst lediglich,
inwieweit ein Land (in den jeweiligen
Teilbereichen) mit der übrigen Welt vernetzt ist“, so die Studie. Unternehmen in
kleineren Ländern wie Irland und Tschechien etwa sind viel stärker von Zulieferern aus anderen Ländern abhängig als
Unternehmen in großen Volkswirtschaften wie Deutschland. Und so exportierte
und importierte Tschechien 2014 Waren
im Wert von 137 Prozent in Relation zur
Wirtschaftsleistung – Deutschland nur
69 Prozent.
Dennoch profitiert Deutschland von
der Globalisierung: Der Studie zufolge hat
Deutschland „bei einem durchschnittlichen Anstieg des Globalisierungsindex
von 0,53 Punkten pro Jahr zwischen 1990
und 2014 jährlich 0,16 Prozentpunkte
seines Pro-Kopf-Wachstums der fortschreitenden Vernetzung mit der übrigen Welt verdankt“. Insgesamt betrug das
durchschnittliche Wachstum des Bruttoinlandsprodukts je Einwohner im selben
Zeitraum 1,37 Prozent. „Damit kommt der
Globalisierung eine wichtige Bedeutung
zu.“
Das spiegelt sich auch bei den Einkommensgewinnen wieder. In Deutschland sind die Globalisierungsgewinne
der Einkommen doppelt so hoch wie in
den USA und auch höher als in Spanien,
Frankreich und Kanada.
Wirtschaft
Exporteure blicken sehnsuchtsvoll nach Russland
Seit 2013 sind die Exporte nach Russland um 40 Prozent gesunken. Die Sanktionen dauern an, die Ausfuhren gehen zurück
D
er Deutsche Industrie-und Handelskammertag (DIHK) zeigt Verständnis
für den Fortbestand der EU-Sanktionen gegen Russland. So verständlich die Sorgen
der betroffenen Unternehmen seien, weil
die Exporte nach Russland von 2013 bis
2015 um 40 Prozent zurückgegangen seien, „aber bei Krieg und Frieden gilt das Primat der Politik“, erklärte DIHK-Präsident
Eric Schweitzer der Neuen Osnabrücker
Zeitung. Es sei aber wichtig, mit Russland
im Gespräch zu bleiben.
Der Ost-Ausschuss sieht zumindest
eine kleine Besserung der aktuellen Lage.
In der Ukraine zum Beispiel gebe es deutliche Steigerungen. „Erstmals seit dem Rekordjahr 2012 wachsen die deutschen Exporte in die vom Ost-Ausschuss betreuten
Länder wieder stärker als die deutschen
Ausfuhren insgesamt. „Während die Gesamtausfuhren Deutschlands im ersten
Halbjahr um 1,5 Prozent zunahmen, lag
das Plus für die Länder Ost- und Südosteuropas im Durchschnitt bei 3,3 Prozent.
„Es geht endlich wieder aufwärts“, sagte der Geschäftsführer des Ausschusses,
Michael Harms. „Nach zwei rabenschwarzen Jahren geht eine lange Durststrecke zu
Ende. Osteuropa ist und bleibt ein Chancen-Raum für die deutsche Wirtschaft
und gewinnt als Absatzmarkt wieder an
Gewicht.“ Im Gesamtjahr 2015 waren die
Ausfuhren in die 21 Ost-Ausschuss-Staaten
noch um fast zwölf Prozent abgesackt.
Im Russlandgeschäft seien die Exporte im ersten Halbjahr 2016 nur noch um
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Der russische Präsident Wladimir Putin lässt sich von den Sanktionen nicht einschüchtern.
Foto: Flickr/Jedimentat44/CC by 2.0
3,2 Prozent gesunken. Im Vorjahreszeitraum war es ein Viertel. Der Ost-Ausschuss
sprach hier von einer absehbaren „Bodenbildung“. Die deutschen Handelsgeschäfte
mit Russland litten in den vergangenen
Jahren vor allem unter den Sanktionen,
die die EU wegen der Annexion der Krim
gegen Russland verhängt hatte, und den
russischen Gegenmaßnahmen. In die Ukraine lieferten die deutschen Exporteure fast ein Drittel mehr Waren im ersten
Halbjahr. Der Reformprozess in dem Land
trage erste Früchte, sagte Harms.
Besonders stark angestiegen sind den
Angaben zufolge die deutschen Lieferungen nach Südosteuropa, wo die Zahlen
09. September 2016
für Rumänien, Serbien und Kroatien um
jeweils rund 14 Prozent im Halbjahr zulegten. „Die Gesamtregion Südosteuropa ist
eine echte Wachstumslokomotive“, so der
Verband.
Schweitzer fordert außerdem den Abbau von Protektionismus. „Wir brauchen
dringend mehr Wachstum“, sagte Schweitzer. Deshalb sollte auf dem Spitzentreffen
der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer der Abbau von Handelshemmnissen ganz oben auf der Agenda stehen. Je
mehr freien Handel ein Land zulasse und
je mehr Qualifikation ermöglicht werde,
desto größer sei der Wohlstand.
Vor diesem Hintergrund warnte
Schweitzer dringend davor, bei den Verhandlungen über das TTIP-Freihandelsabkommen der EU mit den USA „vorzeitig
aufzugeben“. „Jetzt auf halber Strecke zu
sagen, die Gespräche seien gescheitert,
macht alles nur noch schwieriger“, meinte
er mit Blick auf jüngste Äußerungen von
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Oft werde der Knoten erst in
der Schlussrunde durchschlagen. Die USA
seien für Deutschland der wichtigste Exportpartner. „Je mehr wir verkaufen, desto
besser geht es den Menschen in unserem
Land“, betonte der DIHK-Präsident.
Innovation
Japan: 3D-Straßen für autonom fahrende Autos
Spezielle Karten sollen helfen, die Autos sicher durch den Verkehr zu manövrieren
N
eben dem Elektroantrieb steht bei
den Autoherstellern und Technologieunternehmen immer stärker das autonome Fahren im Vordergrund. Hier sind
derzeit vor allem deutsche Zulieferer und
Autoproduzenten führend. In Berlin soll
der fahrerlose Bus Olli aus dem 3D-Drucker entstehen. Google arbeitet weiterhin
an autonom fahrenden Autos, Russlands
Google-Nachahmer Yandex ebenfalls.
Und während in Singapur bereist die ersten autonomen Taxis unterwegs sind, testet Uber selbstfahrende Autos nun auch
in San Francisco.
Japan will hier in nichts nachstehen.
Die Regierung will bis 2020 autonome
Autos auf die Straßen bringen: zu Olympia. Um diese auch sicher fahren zu lassen, verlässt sich Japans Regierung nicht
Der russische Präsident Wladimir Putin lässt sich von den Sanktionen nicht einschüchtern.
Foto: Flickr/Jedimentat44/CC by 2.0
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nur auf das Können der Hersteller. Tatsächlich werden eigens dafür nun hochauflösende Straßenkarten in 3D erstellt.
Hinter den 3D-Karten steckt das
Joint-Venture Dynamic Map Planning, zu
dem Mitsubishi Electric , dem Landkartenverlag Zenrin und neun Automobilhersteller gehören, berichtet die Zeitung
Nikkei Asia Review. Zuerst sollen 300km
der wichtigsten Straßen des Landes kartografiert werden. Die 3D-Karten sollen
helfen, die Autos besser zur Umgebung
und Straße in Relation setzen zu können,
um deren Position bestimmen zu kön-
nen.
So sollen die Karten beispielsweise
das Auto darüber informieren, dass nach
einer scharfen Kurve eine Ampel auf Rot
geschaltet hat. Zuletzt hatte sich gezeigt,
dass Sensoren am Auto nicht fehlerfrei
gewährleisten können, dass Auto durch
den Verkehr zu bringen. Die Karten sollen
hier helfen.
In Europa wird ebenfalls an hochauflösenden Karten gearbeitet. Im August
des letzten Jahres hatten BMW, Daimler
und Audi dafür den Kartendienst Here
gekauft. Here wird eine Schlüsselrolle
09. September 2016
bei der digitalen Revolution der Mobilität spielen und dabei hochpräzise Karten mit Daten aus dem Fahrzeugumfeld
kombinieren, um das Fahren für alle sicherer und einfacher zu machen“, sagte
BMW-Chef Harald Krüger damals.
Schätzungen zufolge werden vollautonom fahrende Autos ab 2040 die
herkömmlichen Diesel und Benziner
verdrängt haben. Aller Voraussicht nach
werden demzufolge LKWs zu den ersten
wie selbstverständlich autonom fahrenden Fahrzeugen auf den öffentlichen
Straßen gehören.
Innovation
2040 gibt es nicht genug Energie für alle Computer
Die Digitalisierung und Technisierung schafft immer mehr Geräte, die Strom verbrauchen
G
leichzeitig steigt die Zahl der Rechenzentren, mit denen Daten
gespeichert werden. Und auch diese Rechenzentren benötigen Energie, um zu
laufen. Wissenschaftler warnen davor,
dass wir unsere Computer schon 2040
gar nicht mehr mit ausreichend Strom
versorgen können. Wir kämen gar nicht
mehr hinterher, ausreichend Strom zu
produzieren.
Seit der Erfindung des ersten Personal Computers hat die Technologie eine
rasante Entwicklung genommen. Immer
mehr PCs und Macs wurden in den vergangenen Jahren gekauft. Selbst wenn
sie im Privaten langsam von Smartphones und Tablets abgelöst werden, so sind
Smartphones und Tablets ja auch nichts
anderes als Computer. Und all diese Geräte benötigen Strom: Rechner im Privaten Bereich, Rechner in Unternehmen,
intelligente Maschinen der Industrie
4.0 und Rechenzentren wie sie etwa von
Google genutzt werden. Das Wachstum
dieser Technologie ist jedoch so rasant,
dass wir in ein paar Jahren auf einige Probleme stoßen könnten.
Wissenschaftler des Branchenverbands Semiconductor Industry Association (SIA) kamen in der Studie „International Technology Roadmap for
Semiconductors 2.0′“ zu dem Schluss,
dass Computer 2040 weltweit mehr
Energie verbrauchen werden, als produziert werden kann. „Die größte IT-Infra-
Immer mehr, immer schneller, immer besser. Macht der Stromverbrauch der Digitalisierung ein Ende?
Foto: Flickr/You Bleong in Longmont/CC by nc nd 2.0
struktur der Welt nutzt bereits ein bedeutendes Stück der Weltenergie und die
Auswertungen zeigen, dass die Struktur
sich selbst begrenzt“, heißt es.
„Computer werden 2040 nicht mehr
nachhaltig sein, wenn die benötigte Energie für diese die geschätzte weltweite
Energie-Produktion überschreiten wird.“
Außerdem werde es ab 2012 auch kaum
mehr möglich sein, dass Computer noch
schneller und Transistoren noch viel
kleiner werden. Hier bedürfe es zukünftig neuer Technologien. „Ein minimaler
Energieverbrauch von Transistoren ist
durch das neue Ökosystem der Elektronikindustrie zur wichtigsten Voraussetzung für die Halbleiterindustrie geworden“, so die Studie. Gleichzeitig werde
nach einer immer größeren Anzahl von
Transistoren gefragt.
Entsprechend müssten ganz neue
Innovationen zum Stromsparen entwickelt werden, doch gleichzeitig steigt der
Bedarf an Strom weiter. Demzufolge bedürfte es, um weiterhin in der ElektronikWelt leben zu können, neuer effizienterer
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Energiequellen. Im Max Planck Institut
arbeitet man deshalb am Wendelstein
7-X. „Ziel der Fusionsforschung ist es, ein
klima- und umweltfreundliches Kraftwerk zu entwickeln. Ähnlich wie die Sonne soll es aus der Verschmelzung von
Atomkernen Energie gewinnen.“ Nach
etwa 2.200 Plasma-Pulsen seit Dezember
2015 soll die Forschungsanlage nun neu
aufgerüstet werden.
„Mit den Ergebnissen der ersten Experimentierkampagne sind wir mehr
als zufrieden“, sagt Projektleiter Thomas
Klinger. Am Anfang waren die erreichba-
09. September 2016
ren Pulsdauern der Wasserstoff-Plasmen
eine halben Sekunde lang, mittlerweile
sind Pulsdauern von sechs Sekunden
möglich. „Damit wurde viel mehr erreicht, als unsere eher vorsichtigen Vorhersagen erhoffen ließen“, so Thomas
Klinger.
Wirtschaft
Reederei-Pleite belastet US-Einzelhändler
US-Einzelhändler befürchten für die kommende Feiertagssaison leere Regale
E
in Ende sei noch nicht absehbar, doch
der Schaden erheblich, sagte Sandra
Kennedy, Präsidentin der Retail Leaders
Association dem WSJ. Die Insolvenz der
Großreederei stelle eine „enorme Herausforderung für US-Speditionen dar (…)“
und habe „erhebliche Auswirkungen auf
die Konsumenten und die Wirtschaft im
Allgemeinen“. Die Handelsgruppe drängt
die US-Regierung, Verhandlungen mit
den Häfen, Frachthändlern und der Regierung Süd-Koreas aufzunehmen, um die
weitreichende Krise des Containerhandels schnellstmöglich zu lösen. Denn nur
Südkorea selbst könne Klarheit in dem
Konkursverfahren bieten und dieses, falls
nötig, beschleunigen.
Hanjin Shipping bedient etwa 7,8
Prozent des transpazifischen Handels für
den US-Markt, so Kennedy weiter. Wegen
des Insolvenzantrags in Seoul habe Hanjin
aus rechtlichen Gründen den Zahlungsverkehr stoppen müssen. Das wiederum
habe dazu geführt, dass beispielsweise
die Hafenschlepper nur noch gegen Bargeld ihre Arbeit aufnehmen wollten. Aus
Angst, nicht bezahlt zu werden, haben
auch andere logistische Einheiten ihre
Arbeit niedergelegt, was weltweit Konsequenzen nach sich zieht.
Vor allem in den USA kommt es zu
verspäteten Lieferungen, Schiffe von Hanjin dürfen nicht einlaufen, Ware wird in
den Häfen festgehalten, benötigte Container werden nicht ausgehändigt. Einige
Schiffe wurden sogar von den Reedern beschlagnahmt, weil Hanjin weder sie noch
die Gebühren noch die Arbeiter bezahlen
konnte. Kunden würde zwar mitgeteilt,
dass ihr Frachtgut in den Häfen sei, aber
„wie es von dort weitergehe, wisse niemand“, so Jeff Bergmann, Geschäftsfüh-
Hanjin muss also schnellstmöglich die Insolvenz in Europa und den USA anmelden.
Foto: Flickr/Je.T./CC by sa 2.0
rer der Toy Shippers Association. Zudem
säßen die Matrosen auf den Schiffen fest.
Nahrung und Wasser reiche zwar für einige Wochen, aber danach könnte ihnen nur
gegen bares Geld geholfen werden. Ob die
Verantwortlichen es jedoch rein menschlich wirklich so weit kommen lassen,
bleibt abzuwarten.
Da Hanjin Shipping Teil einer großen
Kooperative ist, gehen die Probleme noch
weiter. Ein Zwischenhändler verriet, dass
etwa 540.000 Container verspätet geliefert würden. Die Verspätung könne sich
dabei von einigen Tagen bis hin zu einem
Monat oder sogar noch mehr ziehen. Die
Frachtpreise erhöhen sich dadurch dramatisch. Ein US-Importeur musste Preise
von 2.000 US-Dollar pro Container zahlen – im Vergleich: 700 US-Dollar vor der
Hanjin-Krise.
Die Konsequenzen treffen vor allem Großhändler und das aufstrebende
E-Commerce zu einem sehr schlechten
Zeitpunkt in Hinblick auf die anstehende
Verkaufszeit bis zum Weihnachtsgeschäft,
die hauptsächlich Kunden der bankrotten
Großreederei sind. Die nächsten Feiertage
in den USA stehen an. Diese Zeit, die bis
in das Weihnachtsgeschäft reicht, macht
etwa 50 Prozent des Jahresumsatzes aus.
Die Unternehmen müssen nun andere Wege finden, um ihr Frachtgut auslösen
zu können. Leicht werde das jedoch nicht,
meinen Analysten des WSJ. Kunden könnten unter Umständen Monate auf ihre
Ware warten müssen. Als im Jahr 2001
eine viel kleinere Reederei, Cho Yang, bankrott gegangen war, habe es sechs Monate
gedauert, bis die „nur“ 200 Container ausgeliefert werden konnten, sagt Lars Jensen
von SeaIntelligence Consulting. „Es würde
mich nicht wundern, wenn Teile des gestrandeten Hanjin-Guts niemals er Ziel
erreichten“, so Jensen weiter.
Hanjin muss also schnellstmöglich
die Insolvenz in Europa und den USA an5
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melden, damit die Schiffe wieder fahren
dürfen, fordert Jensen. Die Großreederei hat zwar eine einstweilige Verfügung
erhalten, dass die eigenen Schiffe nicht
beschlagnahmt werden dürfen – allerdings nur in Korea. „Die meisten Schiffe
sind jedoch auf See oder im Ausland. Das
Beschlagnehmen wird weltweit anhalten, wenn das Konkursverfahren nicht
schnellstmöglich abgeschlossen wird“,
mahnt Jensen. Wie schnell diese Verfahren jedoch im Ausland bearbeitet wer-
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den, kann das Unternehmen nicht kontrollieren. Insgesamt werde Hanjin in 43
Ländern aktiv werden, um zu verhindern,
dass die Schiffe festgesetzt und von den
Gläubigern verwertet werden, teilte die
Behörde mit.
Finanzen
Neue Banken-Krise in Europa
Die neue Finanzkrise, von der immer wieder gewarnt wird, ist längst im Gang
A
uch Deutschland als Wirtschaftsprimus Europas ist vor einer europäischen Banken-Krise nicht gefeit. Der Internationale Währungsfonds fand Ende Juni
harte Worte für die Deutsche Bank: „Unter
den global tätigen Banken mit systemischer Bedeutung scheint die Deutsche
Bank am stärksten zu systemischen Risiken beizutragen.“
Die Notenbanker haben sich in Jackson Hole als hilflos erwiesen. Statt zu
agieren, wollen sie den bekannten, falschen Weg weitergehen – wohl bis zum
bitteren Ende.
Die Verantwortlichen könnten reagieren. Könnten. Es hat aber nicht den
Anschein, als ob in der EU-Kommission,
im EU-Parlament oder in der EZB die Dimension der Gefahr erkannt wird. Bis vor
kurzem haben sich auch die Unternehmerverbände und die Finanzwirtschaft
nicht mit angemessenen Warnungen zu
Wort gemeldet. Mittlerweile sind die Probleme so gravierend geworden, dass die
Alarmrufe immer zahlreicher und deutlicher werden.
Der Katalog der Krisenherde ist lang.
Die Liste der notwendigen Korrekturen
etwas kürzer.
Krisenherd Nummer 1: Die niedrigen
Zinsen ruinieren die Sparer
Die von der Europäischen Zentralbank unter Präsident Mario Draghi erzwungenen Niedrigzinsen belasten alle
Vorsorge-Maßnahmen. Die Sparguthaben sind unattraktiv. Die klassischen
Lebensversicherungen können in der
gewohnten Form nicht mehr angeboten
werden, bei den bestehenden Verträgen
ist die Einhaltung der Kapital- und Renten-Garantien unter Druck. Hier finden
eine stille Enteignung der Sparer und
eine Demontage der Altersvorsorge statt.
Krisenherd Nummer 2: Die offizielle
Enteignung der Einleger
Die EU hat im Rahmen der Bankenunion beschlossen, dass Einlagen grundsätzlich verloren sind, wenn eine Bank
kracht. Die Einleger werden mit den Eigentümern der Bank gleichgestellt. Dem
Publikum wird erklärt, man müsse sich
eben ansehen, welcher Bank man seine
Einlagen anvertraut. Allerdings besteht
gleichzeitig der Grundsatz, dass Einlagen
bis zu 100.000 Euro garantiert sind, wobei vorwiegend die Sparer gemeint sind.
Unternehmen werden meist als weniger
schutzbedürftig angesehen, obwohl Firmen, die den Zugriff auf ihre Einlagen
verlieren, zahlungsunfähig sind und ihre
Mitarbeiter und Lieferanten nicht bezahlen können. Die bestehenden, nationalen Einlagensicherungssysteme sind
unter Druck, weil die Banken Ertragsprobleme haben und die Staaten nur mehr
beschränkt bereit sind zu helfen. Angestrebt wird eine Europäische Einlagensicherung, bei der alle Banken für alle Banken haften würden. Da fragen aber die
gesunden Institute, warum sie für PleiteBanken irgendwo in Europa einspringen
sollen. Die Einlagensicherung wird zur
Illusion.
Krisenherd Nummer 3: Die Ertragsschwäche der Banken
Die niedrigen Zinsen ruinieren nicht
nur die Sparer, sie ruinieren gemeinsam
mit anderen, falschen Maßnahmen der
Finanzpolitik die Ertragslage der Banken. Bei niedrigen Zinsen ist die Spanne zwischen den Einlagenzinsen und
den Kreditzinsen besonders stark unter
Druck, weil die Kreditnehmer ebenfalls
auf günstige Konditionen pochen. Das
Problem verliert nur an Schärfe, wenn
die Konjunktur blüht und die Nachfrage
nach Krediten groß ist. Das ist aber derzeit nicht der Fall. Außerdem haben die
EU-Behörden erzwungen, dass die Banken enorm hohe Barmittel vorzuhalten
haben. Eine Bank muss für einen dreißigtägigen Run gerüstet sein, obwohl man
weiß, dass bei einem tatsächlichen Run
innerhalb weniger Stunden und Tage
jede Barreserve von aufgeregten Einlegern aufgezehrt wird. Die Barmittel bringen aber keine Zinsen und belasten die
Ertragslage zusätzlich.
Krisenherd Nummer 4: Die Kreditbremse Basel III verstärkt die Flaute
Mit dem Regelwerk Basel III sollten
die Banken sicherer gegen Krisen gemacht werden. Tatsächlich trägt Basel III
entscheidend zur Krise bei. Die Grundregel beruht auf einer Doppelformel: Kredite dürfen nur an Kunden mit guter Bonität gegeben werden und zudem müssen
die Banken zur Absicherung des Risikos
die Kredite mit hohen Eigenmittelpolstern absichern. Dies gilt für alle Kredite –
seit einigen Monaten wirken zusätzliche
Einschränkungen bei der Finanzierung
von Wohnungen und Eigenheimen. Was
nach mehr Sicherheit aussieht, bedeutet
in der Praxis die Kürzung bestehender
Finanzierungen und eine Bremse bei der
Vergabe neuer Kredite und Darlehen.
Den Unternehmen und Privathaushalten
fehlen die Kredite, wodurch die Konjunktur gebremst wird. Den Banken fehlen
die Zinserträge aus den Krediten. Damit
nicht genug: Die Bonitätsregeln bewirken, dass Kreditnehmern, die in Schwierigkeiten geraten, nicht geholfen werden
darf, weil in dieser Situation das Risiko
größer ist. Lösbare Probleme werden unweigerlich zu Pleiten.
Krisenherd Nummer 5: Die Banken
werden zur Spekulation gedrängt
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Auch bei den europäischen Banken ist auf dem ersten Blick nicht zu erkennen, wie tief sie wirklich in der Krise stecken.
Die Basel-III-Regeln und die Vorgaben der Bankenaufsicht und der Bankenabwicklungsbehörde zwingen die
Banken, eine extrem hohe Eigenkapitaldeckung vorzuhalten. Die Ertragsprobleme bewirken, dass das Kapitalerfordernis
nicht aus den Gewinnen gedeckt werden
kann. Die schwache Ertragskraft der Institute dämpft aber naturgemäß auch die
Bereitschaft der Anleger, Bankaktien zu
kaufen. Unter diesen Umständen stellt
die Spekulation eine attraktive Verführung dar, mit großen Risiken doch hohe
Gewinne zu erzielen, um auf diese Weise
das erforderliche Kapital zu generieren.
Dass die Finanzkrise 2008 durch verlustreiche Spekulationen ausgelöst wurde,
rückt nicht selten in den Hintergrund.
Und so kommt es zur grotesken Situation, dass das Regelwerk Basel III, das dafür sorgen soll, dass eine Krise wie 2008
sich nicht wiederholt, genau diese Gefahr
verschärft: Die Kreditfinanzierung, die
die Krise nicht verursacht hat, wird gebremst, die Banken werden zur Spekulation animiert.
Krisenherd Nummer 6: Kapitalanlage bedeutet Risiko, also Chance und
Gefahr. MiFID erzwingt die „risikolose“
Kapitalanlage
Die Finanzpolitik ruiniert derzeit das
traditionelle Bankgeschäft – die Sparer
bringen ihr Geld zur Bank, die Bank vergibt Kredite. Nur: Die Sparer bekommen
keine oder minimale Zinsen, die Unternehmen und die Privathaushalte bekommen keine oder kaum Kredite. Unter
diesen Umständen wäre es naheliegend,
das Beteiligungskapital zu forcieren. Das
Modell würde also besagen: Die Sparer
kaufen Aktien oder sonstige Anteile an
Unternehmen, die Unternehmen schütten an die Kapitalgeber Gewinne aus. In
Europa dominiert zwar traditionell die
Kreditfinanzierung, doch wäre eine Umstellung möglich, wenn auch nur über
einen längeren Zeitraum, da Gewohnheiten sich nicht rasch ändern lassen. Eine
derartige Entwicklung wird aber durch
eine weitere, falsche Maßnahme der Politik verhindert. Das Regelwerk MiFID
zwingt die Berater in den Banken, alle Ri-
09. September 2016
Foto: Flickr/Rita Willaert/CC by 2.0
siken einer Veranlagung zu kennen und
dem Kunden mitzuteilen. Geschieht dies
nicht, besteht die Möglichkeit, die Bank
zum Ersatz etwaiger Verluste zu zwingen.
Es gibt schon eine Reihe entsprechender
Gerichtsurteile. Da aber Bankmitarbeiter keine Hellseher sind und der Markt
ständig für nicht vorhersehbare Überraschungen sorgt, ist eine aktive, die Chancen nutzende Anlageberatung nur mehr
schwer möglich – die extreme Vorsicht
nimmt überhand. Für die Kunden wird
der Aufbau eines Vermögens erschwert,
den Banken fehlen die Provisionserträge.
Krisenherd Nummer 7: Die Staatshaushalte lähmen die Wirtschaft
Die Staatsverschuldung in Europa
bildet aus mehreren Gründen einen Krisenherd. Die Schulden sind in Relation
zum BIP und zur Wertschöpfung zu sehen. Die aktuelle Stagnation in Europa
bewirkt, dass das BIP nicht oder kaum
wächst. Mit Ausnahme von Deutschland
haben aber die meisten Staaten weiterhin beträchtliche Defizite, die die Schulden ständig ansteigen lassen. Somit ver7
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schlechtert sich die Relation Schulden zu
BIP und somit die Bonität der Staaten.
Wenn die Flaute länger anhält, werden
unweigerlich die Anleger das Vertrauen
in Staatsanleihen verlieren, das bereits
durch die niedrigen Zinsen erschüttert
ist. Die Staaten müssen dann andere Finanzquellen erschließen, also werden
sie die ohnehin in Europa viel zu hohen
Steuern weiter anheben, folglich die Wirtschaft zusätzlich bremsen, wodurch das
Steueraufkommen weiter sinken muss.
Derzeit übernimmt die Europäische Zentralbank Milliarden an Staatsanleihen
und erleichtert außerdem den Staaten
durch die niedrigen Zinsen die Finanzierung der laufenden Defizite. Die EZB ist
aber nun als Großgläubiger der Staaten in
der ständigen Gefahr, dass ein Land trotz
aller Hilfen nicht mehr zahlen kann und
damit die Zentralbank Europas und den
Euro in die Krise stürzt.
Die Liste der notwendigen Korrekturen
ist kürzer.
Korrektur Nummer 1: Die Reform
von Basel III
Basel III muss auf einige Vorschriften
beschränkt werden, der Wust an Regeln
ist zu beseitigen, die übertriebenen Kapitalvorgaben sind zu korrigieren. Für ein
gesundes und somit ertragreiches Kreditgeschäft einer Bank ist vor allem die
Streuung sowie die Begrenzung der Höhe
der einzelnen Ausleihung entscheidend.
Diese beiden Bestimmungen stellen eine
bessere Absicherung dar als jede noch
so hohe Kapitalausstattung, die letztlich
wenig nützt, wenn das Kreditgeschäft
nicht gesund ist. Womit nicht in Frage
gestellt sei, dass Banken eine solide Kapitalausstattung brauchen. Nur die derzeit
betriebene Überschätzung hoher Kapitalpolster ist abzulehnen. Für solide Ausleihungen können nur die Kreditreferenten
sorgen, die die Kunden kennen und kontinuierlich begleiten. Das traditionelle
Kreditgeschäft hat auch nicht zur Krise
2008 geführt. Die von Basel III erzwungenen, extremen Bonitätsanforderungen
an die Kreditnehmer bewirken, dass letzt-
lich Kredite nur an Firmen und Personen
vergeben werden, die, überspitzt formuliert, keinen Kredit brauchen. Unter
diesen Umständen kann auch die größte Geldschwemme der EZB nicht in der
Wirtschaft ankommen.
Korrektur Nummer 2: Das Verbot
von Spekulationen für Einlagen-Banken
Banken, die mit Einlagen von Kunden arbeiten, müssten einem Spekulationsverbot unterliegen. Der Einsatz
der Derivate, die als Spekulationsinstrumente missbraucht werden, wäre auf die
Absicherung konkret bestehender Forderungen zu beschränken und auch da nur
in einem begrenzten Umfang. Spekulationsgeschäfte mögen Banken betreiben,
die dies mit eigenem Geld tun oder von
risikobereiten Kunden explizit entsprechende Aufträge bekommen. Banken,
die mit Einlagen spekulieren, nehmen
bei Verlusten unweigerlich die Regierung
und die Steuerzahler mit dem Argument
in Geiselhaft, der Staat müsse doch die
Einlagen der Sparer und der Unternehmen retten. Diese Praxis hat die Politik
erfolglos versucht mit hohen Kapitalerfordernissen zu bekämpfen – ein Spekulationsverbot wäre wirksamer.
Korrektur Nummer 3: Der Verkauf
von Krediten müsste verboten sein
Ebenfalls zu verbieten wäre der Verkauf von Krediten, der maßgeblich zur
Krise 2008 beigetragen hat und jetzt
paradoxerweise von der Bankenaufsicht
den Instituten nahe gelegt wird, um
das Risiko zu minimieren. Kredite, die
in Fonds oder Anleihen gebündelt sind,
werden nicht betreut. Bei Problemen der
Schuldner stellen Computer ohne weitere Diskussion die gesamten Außenstände
fällig, eine Sanierung ist somit unmöglich.
Korrektur Nummer 4: Die Niedrigzinspolitik ist zur Falle geworden. Eine
Korrektur erfordert großes Geschick.
Zinsen haben eine offenbar vergessene Aufgabe: Sie müssen die Inflation
abgelten, um das eingesetzte Vermögen
zu erhalten, und darüber hinaus einen
Ertrag abwerfen, um den Einsatz des
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09. September 2016
Vermögens zu rechtfertigen. Die Zentralbank kann und muss diese Grundregel
verletzen, wenn die Wirtschaftsentwicklung dies erfordert. Die Grundregel selbst
bleibt aber jedenfalls das Maß. Sicher ist
eine überhitzte Wirtschaft zu bremsen,
also mögen höhere Zinsen die Aufnahme
von Krediten erschweren. Umgekehrt ist
eine Flaute bekämpfbar, wenn niedrige
Zinsen die Kreditfinanzierung erleichtern. Dass dieses Rezept derzeit nicht
funktioniert, ist durch die Kreditbremse
Basel III verursacht. Die Grundregel Inflationsabgeltung plus Ertrag kann aber
nicht außer Kraft gesetzt werden – und
genau das betreibt die EZB mit ihrer
Niedrig- und Minuszinspolitik.
Die lange Dauer der Niedrigzinspolitik hat allerdings zur Verzerrung aller
Strukturen geführt, sodass eine rasche
Rückkehr zu einem realistischen Zinsniveau enormen Schaden anrichten
müsste: Alle in letzter Zeit begebenen
Anleihen würden bei einer stärkeren
Zinsanhebung sofort dramatisch an Wert
verlieren. Der Zinssatz der Anleihen ist
auch die Referenzgröße für viele andere
Vermögenswerte, insbesondere für Aktien und für Immobilien. Folglich würde
ein plötzlicher starker Anstieg der Zinsen
unweigerlich zu einem Verfall der Aktienkurse und der Immobilienpreise führen
und die Krise verschärfen. Die Rückkehr
zu einer realistischen Zinspolitik muss
Schritt für Schritt erfolgen und wird dennoch für zusätzliche Belastungen sorgen.
Die offenbar unmögliche Korrektur
Nummer 5
Die Staaten sorgen für eine effiziente Verwaltung, kommen mit 30 Prozent
des BIP aus und brauchen nicht knapp 50
Prozent der Wertschöpfung.
Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er
ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“
sowie Moderator beim ORF.
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