Manuskript

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Musikstunde
Das turbulente Leben des Christian
Friedrich Daniel Schubart (4)
Von Stephan Hoffmann
Sendung:
Donnerstag, 01.09. 2016
Redaktion:
Bettina Winkler
9.05 – 10.00 Uhr
Bitte beachten Sie:
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„Musikstunde“ mit Stephan Hoffmann
Das turbulente Leben des Christian Friedrich Daniel Schubart (4)
SWR 2, 29. August – 2. September 2016, 9h05 – 10h00
Heute mit Stephan Hoffmann. In der vierten Folge der Musikstunde über das
Multitalent Christian Friedrich Daniel Schubart, den „Brauskopf und gewaltigen
Trinker“, geht es unter anderem um dessen journalistische Tätigkeit.
„Künftigen Montag, als am Schwörtage, wird im allhiesigen 'Baumstark' [gemeint
ist das Lokal 'Baumstark'] ein Konzert gegeben werden, in welchem ich mich
aufm Flügel und Klavikord hören lassen und dem Publikum einen Vorgeschmack
von der göttlichen Musik der Schweizerischen Alceste geben will. Zugleich wird
sich Herr Meergraf nach seiner schon bekannten Geschicklichkeit aufm
Violoncell produzieren.“ So war es im Ulmischen Intelligenzblatt am 3. August 1775
zu lesen. Am selben Tag erschien in der Deutschen Chronik folgende Nachricht:
„Ich werde den künftigen Schwörtag, d'ran sich in Ulm alles zu vergnügen pflegt,
nach meiner Art feiern. Das heißt, will'n Konzert anstellen und eins auf'm
Fortepiano und 'm Klavikord dudeln. Meister Schweizer hat gar'n schöns Stücklein
gemacht, Alceste benamst, will dir eins d'araus vorsingen. Auch Meister Meergraf
wird dabei gar liebliche Töne aus seiner Baßgeig ziehen und allerlei Zeugs
spielen.“ Auch wenn die Sprache beider Ankündigungen durchaus
unterschiedlich ist - der Autor im Ulmischen Intelligenzblatt und in der Deutschen
Chronik war der gleiche: Christian Friedrich Daniel Schubart. Nur schrieb er jeweils
in dem Ton, der den jeweiligen Leserschichten seiner Ansicht nach am
angemessensten war: eine etwas gestelzte, an der Amtsprache orientierte
Diktion im Ulmischen Intelligenzblatt („ich werde mich hören lassen“), eine
Alltagssprache, wie die einfacheren Leute sie benutzten, in der Deutschen
Chronik („ich will eins auf dem Fortepiano dudeln“). Auch im Ton sollte sich die
Deutsche Chronik von konventionellen Zeitungen unterscheiden. „Sein Stil
schüttelt den Puder aus den entfesselten Locken,“ sagte der Philosoph und
Theologe David Friedrich Strauss. Schubart schrieb im Volkston – und traf sich
darin mit seinem Zeitgenossen Johann Abraham Peter Schulz und dessen
„Liedern im Volkston“. Das bekannteste dieser Lieder wird bis heute Kindern zur
guten Nacht gesungen.
-----------Musik 1: Johann Abraham Peter Schulz, „Der Mond ist aufgegangen“. Christoph
Pregardien, Tenor; Juliane Ruf, Klavier.
Archiv-Nr. M0239425. 01-001. Dauer: 3'46“
-----------Juliane Ruf begleitete Christoph Pregardien bei Johann Abraham Peter Schulz'
Abendlied „Der Mond ist aufgegangen“ auf den berühmten Text von Matthias
Claudius, dem bekanntesten von Schulz' Liedern im Volkston.
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Gleichgültig, ob Schubart die Oper „Alceste“ von Anton Schweitzer als „göttliche
Musik“ - im Intelligenzblatt – oder etwas hemdsärmeliger als „gar'n schöns
Stücklein“ - in der Deutschen Chronik – bezeichnet: als Schubart seine
Ankündigungen schrieb, war das zwei Jahre zuvor uraufgeführte Werk gerade
dabei, zur meist aufgeführten Oper auf deutschen Bühnen zu werden, bevor sie
aus unerfindlichen Gründen wieder vollständig von den Spielplänen verschwand,
um 2007 in Weimar wieder erweckt zu werden. Schubart lag also durchaus im
Trend, wenn er für diese „Alceste“ Reklame machte. Und die einzige Möglichkeit,
dies zu tun, bestand darin, „eins auf'm Fortepiano zu dudeln“. Tatsächlich hatten
Schweitzer und sein Textdichter Christoph Martin Wieland mit der „Alceste“
künstlerisches Neuland betreten, das Werk ist ein Meilenstein auf dem Weg hin zu
einer deutschsprachigen Oper. Und außerdem ein Werk von großer musikalischer
Tiefe.
------------Musik 2: Anton Schweitzer, Alceste. „Ihr heilgen unnennbaren Mächte“. Christoph
Genz (Admet), Cyndia Sieden (Parthenia), Kammerchor Michaelstein, Concerto
Köln, Dir: Michael Hofstetter.
Berlin Classics BC 0016222. CD 2, Tr. 9. Dauer: 8'14“
------------Das waren Christoph Genz als Admet, Cyndia Sieden als Parthenia, der
Kammerchor Michaelstein und Concerto Köln unter Michael Hofstetter mit dem
Ensemble „Ihr heilgen unnennbaren Mächte“ aus Anton Schweitzers Oper
„Alceste“.
Am allerwichtigsten war für Schubart aber die politisch kommentierende
Berichterstattung – im Gegensatz zu praktisch allen anderen Zeitungen dieser
Zeit, denen er vorwarf: „Alle unsere Zeitungen sind nichts anders als wiederkäute
Gewäsche von Alltagsgeschichten und Lobsprüchen auf Regenten, die wir nicht
einmal kennen. Den Zeitungsschreiben möcht' ich sehen, der vors Publikum
hinträte und mit Gewitterberedsamkeit spräche: Dieser Fürst legt seinen
Untertanen unerträgliche Lasten auf; jener Staat verkennt die Grundgesetze der
Menschlichkeit; dort klirren die Fesseln des schrecklichsten Despotismus.“ Solche
Sätze mussten fast zwangsläufig die nahezu allmächtigen Zensurbehörden auf
den Plan rufen, und genau das passierte auch, und auch das hat Schubart in
seiner Deutschen Chronik thematisiert: „Bei jedem kühnen Gedanken, der dem
Novellisten entwischt, muss er einen Seitenblick auf öffentliche Ahndungen
werfen; dann wird er furchtsam und kalt. Daher der schläfrige Ton der meisten
Zeitungsverfasser, der in schwülen Tagen so manchen Politiker im Großvaterstuhl
in Schlummer wiegt.“ Einer der Tricks, die Zensur zu umgehen, bestand darin, die
Kritik an den Machthabern in eine Fabel zu kleiden; denn hier wurde ja niemand
konkret mit Namen benannt. Zum Beispiel in der gereimten Fabel „Der gnädige
Löwe“: „Der Tiere schrecklichsten Despoten kam unter Knochenhügeln
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hingewürgter Toten ein Trieb zur Großmut plötzlich an. Komm, sprach der
gnädige Tyrann zu allen Tieren, die in Scharen vor seiner Majestät voll Angst
versammelt waren. Komm her, beglückter Untertan, nimm dieses Beispiel hier von
meiner Gnade an! Seht, diese Knochen schenk ich euch! - Dir, rief der Tiere
sklavisch Reich, ist kein Monarch an Gnade gleich! - Und nur ein Fuchs, der nie
den Ränken der Schüler Machiavells geglaubt, sprach in den Bart: Hm, was man
uns geraubt und bis aufs Bein verzehrt, ist leichtlich zu verschenken.“ Es geht in
dieser Fabel wie in Schubarts Biographie um Fürstenwillkür und die Fabel entstand
in der gleichen vorrevolutionären Zeit, die auch Beaumarchais' Komödie „Die
Hochzeit des Figaro“ und in der Folge Mozarts Vertonung dieses Stoffes
hervorbrachte. Lediglich die Ausprägungen der Willkür sind verschieden:
Schubart war mehr als zehn Jahre lang willkürlich eingekerkert, der Löwe in der
Fabel hat den anderen Tieren das Fressen geklaut, bei Beaumarchais und Mozart
geht es um das Ius primae noctis, das Graf Almaviva selber abgeschafft hatte
und das er zu gern wieder einführen würde. Das „din din“ und „don don“ steht für
das Glöckchen, mit dem der Graf Figaro und Susanna zur Bedienung ruft.
----------Musik 3: W. A. Mozart, Die Hochzeit des Figaro. Barbara Bonney (Susanna), Anton
Scharinger (Figaro). Concertgebouw Orchestra, Dir. Nikolaus Harnoncourt.
Archiv-Nr. 19-077831. CD 1, Tr. 4. Dauer: 2'52“
----------Das waren Barbara Bonney als Susanna, Anton Scharinger als Figaro und das
Concertgebouw Orchestra unter Nikolaus Harnoncourt mit dem Duettino „Se a
caso madama“ aus Mozarts erstem Figaro-Akt.
In Schubarts Deutscher Chronik spielten politische Kommentare zwar eine enorm
wichtige, aber nicht die einzige Rolle. Viele seiner Artikel würde man heute auf
den Kulturseiten finden. Die Deutsche Chronik war auch eine Kulturzeitung, in der
über die neuesten Entwicklungen in der Musik und Literatur berichtet wurde. Im
September 1774 war ein Roman des 25jährigen Juristen Johann Wolfgang von
Goethe erschienen, der mit brillanter Genauigkeit den Nerv der Zeit traf und von
dessen Breitenwirkung wir uns heute nur eine unzureichende Vorstellung machen
können. „Die Leiden des jungen Werther“ ist die Geschichte eines an übergroßer
Liebe zugrunde gehenden jungen Mannes und war nicht nur sofort ein Bestseller,
wegen der vielen Suizide und Suizid-Versuche in der Folgezeit spricht man in der
Psychologie im Falle von „medial vermittelten Nachahmungs-Suiziden“ vom
Werther-Effekt. Auch Schubart war von der Neuerscheinung hin und weg und
schrieb im Dezember 1774, also gerade mal drei Monate nach der
Buchveröffentlichung: „Da sitz ich mit zerflossnem Herzen, mit klopfender Brust
und mit Augen, aus welchen wollüstiger Schmerz tröpfelt, und sag dir, Leser, dass
ich eben die Leiden des jungen Werthers von meinem lieben Goethe – gelesen?
- nein, verschlungen habe. Kritisieren soll ich? Könnt ich's, so hätt ich kein Herz.
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Göttin Critica steht ja selbst vor diesem Meisterstücke des allerfeinsten
Menschengefühls aufgetaut da.“
------------Musik 4: Jules Massenet, Werther. Ramón Vargas, Werther; Vesselina Kasarova,
Charlotte. Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Dir. Vladimir Jurowski.
RCA 74321 58224 2. CD 2, Tr. 15. Dauer: 4'17“
-----------Ramón Vargas als Werther und Vesselina Kasarova als Charlotte sangen die
Schluss-Szene aus Jules Massenets Oper „Werther“. Sie wurden begleitet vom
Deutschen Symphonie-Orchester Berlin unter Vladimir Jurowski.
Auch wenn Schubart manche musikalischen Werke mit ähnlichem Überschwang
begrüßte wie Goethes „Werther“, beurteilte er grundsätzliche Fragen der Musik
eher kulturpessimistisch. Es gibt einen Artikel, erschienen im September 1775 in der
Deutschen Chronik, der die Vermutung nahe legt, das Ende aller vernünftigen
Musik stünde unmittelbar bevor. Dabei lebte zu dieser Zeit Carl Philipp Emanuel
noch, Schubarts Lieblings-Mitglied der Bach-Familie – auch wenn er
kompositorisch nicht mehr sonderlich aktiv gewesen sein mag. Jedenfalls schüttet
Schubart öffentlich sein empfindsames Herz aus: „Hätte wohl Lust, mich um
Mitternacht, vom Vollmond beglänzt, an meinen Flügel zu sitzen und das
kläglichste Lamento in es-Moll über den Verfall der Tonkunst in Deutschland zu
spielen. Wenn's so fortgeht, so haben wir bald keinen Meister mehr, der der
sterbenden Musik unter uns ein Requiem schreibt... Wo sind die großen
Komponisten, die ehmals unser Stolz und unsre Ehre waren? Hasse ist vor der Welt
tot; Gluck schreibt vor's Ausland und nimmt seine Hermannsschlacht mit ins Grab;
der Londner Bach ist nicht mehr unser; Schweizers Genie wird durch die elende
Belohnung seiner Zeitgenossen unterdrückt; der große Bach in Hamburg schläft
auf seinen Lorbeern; Hiller läuft dem Leipziger Modegeschmack nach und fängt
– Schmetterlinge; Homilius wird von wenigen gekostet; und unsre übrigen guten
Köpfe essen englische Rindsbraten oder schlürfen französische Brühen oder sitzen
unter italienischen Pomeranzenbäumen und studieren welsche Triller.“
Wenigstens was Gottfried August Homilius angeht, der vor wenigen Jahrzehnten
eine zaghafte Wiederbelebung erfuhr, können wir hier in der Musikstunde dafür
sorgen, dass er ein wenig mehr gekostet wird.
-----------Musik 5: Gottfried August Homilius, Motette „Die mit Tränen säen“. Kammerchor
Stuttgart, Dir. Frieder Bernius.
Carus 83210. Tr. 2. Dauer: 5'46“
-----------Der Kammerchor Stuttgart unter Frieder Bernius war das mit Gottfried August
Homilius' Motette „Die mit Tränen säen“.
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Ganz besonders lag Schubart die Pflege des Gesangs am Herzen – womit er
ausdrücklich nicht die Marotten vieler Opernsänger meinte und deren Schnörkel
und Triller. „Wohltat ist's, wenn ihr Sang im Strom der Begleitung ersäuft“, befand
er sarkastisch. Nein, er meinte, wie er sich ausdrückte, „die Wohltat des
Menschengesangs“ und Komponisten wie Johann Friedrich Reichardt, „der so
glücklich... den Mittelweg zwischen steifer, todkalter theoretischer Gravität und
zwischen dem Harlekinsgenuss der neuesten Zeit auffand.“
----------Musik 6: Johann Friedrich Reichardt/Johannes Brahms, „Wach auf, mein's Herzens
Schöne“.
[RB] C007319-014, 2'05 Müller-Brachmann, Hanno
-----------Hanno Müller-Brachmann sang Johann Friedrich Reichardts Vertonung des
Volkslieds „Wach auf, mein's Herzens schöne“.
„Gluck starb kürzlich zu Wien im 73sten Jahr seines Alters. Unter den
Epochenmachern der neuern Tonkunst ist er einer der größten. Was Lully für
Frankreich, Jommelli für Italien, Händel für Engelland. Graun und Bach für
Deutschland taten, das tat Gluck für das ganze musikalische Europa. ...Er wagt'
es, den ausgearteten Geist unserer Zeitgenossen wieder an die alte harmonische
Einfalt zu gewöhnen, und es gelang ihm dies, in seiner 'Iphigenie' sonderlich, mit
erstaunendem Erfolge.“ Natürlich schrieb Schubart, der selber Dichter und
Komponist war, mit besonderer Inbrunst über andere Dichter und Komponisten –
über solche, die er nicht mochte, aber viel mehr noch über solche, die ihm
besonders nahe standen: Über Johann Sebastian Bach und seine Söhne, aber
auch über Lully, Händel und Gluck. Es ist erstaunlich, dass diejenigen
Komponisten, die vor fast 250 Jahren Schubarts Lieblinge waren, auch heute
noch an prominenter Stelle im allgemeinen musikalischen Bewusstsein stehen.
Zum Beispiel Gluck und seine „Iphigenie in Tauris“.
-----------Musik 7: Christoph Willibald Gluck, Iphigenie in Tauris. Introduction und 1. Szene.
Christine Goerke. Boston Baroque, Dir: Martin Pearlman.
Telarc CD-80546. CD 1, Tr. 1. Dauer: 6'57“
-----------Die erste Szene aus Christoph Willibald Glucks „Iphigenie in Tauris“ mit Christine
Goerke als Iphigenie und dem Ensemble Boston Baroque unter Martin Pearlman.
Doch die Meldung von Glucks Tod stammt aus einer anderen Zeit als Schubarts
überschwengliche Werther-Besprechung oder sein Lob auf Johann Friedrich
Reichardt, die beide Mitte der 1770er Jahre entstanden. Zwischen diesen Artikeln
und dem über Glucks Tod von 1787 liegt die dunkelste Periode in Schubarts
Leben: Die mehr als zehnjährige Haft in der Festung Hohenasperg, davon das
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erste Jahr in absoluter Isolation ohne Kontakt zur Außenwelt, ohne die Möglichkeit
zu schreiben. Eine Inhaftierung im übrigen ohne Anklage, ohne Prozess und ohne
Urteil. Weil es kein Urteil gab, war auch die Dauer der Haft unbestimmt. Zwar
erhielt Schubart immer mehr Hafterleichterungen bis hin zur Möglichkeit, in
geselligem Kreis zu feiern, Wein zu trinken und Lieder zu singen, die Schubart
spontan komponiert und gedichtet hatte. Ein späterer Herausgeber dieser Lieder
merkt allerdings an: „Leider musste ich mehrere ihres allzu schlüpfrigen Inhalts
halber unterdrücken.“ Natürlich ist es Schubart während der ganzen Haftzeit
auch unmöglich, seine Arbeit an der Deutschen Chronik weiterzuführen. Dafür
schrieb er in dieser Zeit seine schärfste Anklage gegen feudale Willkür. Um die
Jahreswende 1779/80 verfasste er sein Gedicht „Die Fürstengruft“ - nachdem
Herzog Carl Eugen einen konkreten Freilassungstermin zugesagt, aber diese
Zusage nicht gehalten hatte. „Niedergezürnt“ habe er dieses Gedicht, schreibt
der sprachgewaltige Schubart, für den es ein gewisser Trost gewesen sein mag,
dass es ihm gelang, das Gedicht aus der Festung zu schmuggeln, worauf das
Gedicht eine rasante Karriere machte – sehr zum Ärger des Herzogs. Beschrieben
wird in den immerhin 22 vierzeiligen Strophen eine fürstliche Grabstätte,
durchsetzt von zahlreichen Rückblicken auf das irdische Treiben der
Feudalherren.
„Da liegen Schädel mit verloschnen Blicken, die ehmals hoch herabgedroht – der
Menschheit Schrecken!- Denn an ihrem Nicken hing Leben oder Tod.
Nun ist die Hand herabgefault zum Knochen, die oft mit kaltem Federzug den
Weisen, der am Thron zu laut gesprochen, in harte Fesseln schlug.“ Und die
beiden letzten Strophen lauten: „Damit die Quäler nicht zu früh erwachen, seid
menschlicher, erweckt sie nicht. Ha! Früh genug wird über ihnen krachen der
Donner am Gericht.
Wo Todesengel nach Tyrannen greifen, wenn sie im Grimm der Richter weckt,
und ihre Greu'l zu einem Berge häufen, der flammend sie bedeckt.“
---------Musik 8: Chr. Fr. D. Schubart, Die Fürstengruft. Andreas Hermann, Tenor; Thomas
Ruf, Bariton; Christoph Sökler, Bariton; Markus Hadulla, Klavier.
Archiv-Nr. M0024242. 01-008. Nach 3'16“ schnell ausblenden. Dauer: 3'16“
----------Das waren Andreas Hermann, Tenor; Thomas Ruf und Christoph Sökler, Bariton,
und der Pianist Markus Hadulla mit einigen Strophen von Christian Friedrich Daniel
Schubarts Vertonung seines eigenen Gedichts „Die Fürstengruft“.
Und das war auch die vierte Folge der Musikstunde über Christian Friedrich Daniel
Schubart. Stephan Hoffmann sagt Dankeschön fürs Zuhören und würde sich
freuen, wenn Sie auch morgen wieder dabei wären, bei der letzten Folge über
den „Brauskopf und gewaltigen Trinker.“