Stellungnahme_Merkel_Energy (pdf / 365 KB)

Stellungnahme im Rahmen der Konsultation der
Beschlussentwürfe hinsichtlich der Festlegung
von Eigenkapitalzinssätzen für
Elektrizitätsnetzbetreiber und Gasnetzbetreiber
für die 3. Regulierungsperiode
Erstellt von:
Dr. Christoph Merkel, Merkel Energy GmbH, Essen
Michael Karasz, THE ENERGY HOUSE GmbH, Leipzig und
Dr. Dr. Andrej M. Pustišek, 2Pi-Energy GmbH, Stuttgart
Hintergrund
Mit den Beschlussvorschlägen vom 6. Juli 2016 empfiehlt die Bundesnetzagentur („BNetzA“) für Neuanlagen einen Eigenkapitalzinssatz von 6,91 %
vor Steuern und für Altanlagen einen Eigenkapitalzinssatz in Höhe von
5,12 % vor Steuern für die Bestimmung der Erlösobergrenzen für die
dritte Regulierungsperiode festzulegen.
Mit diesem Beschlussvorschlag soll gegenüber der derzeitigen Regulierungsperiode für Neuanlagen der Eigenkapitalzinssatz um 2,14 % und für
Altanlagen um 2,02 % abgesenkt werden.
Eine Absenkung in dieser Größenordnung halten wir sachlich für nicht angemessen und durch den von BNetzA beauftragten Gutachter Frontier
Economics („FE“) nicht als (wissenschaftlich) belegt.
Das gewählte Capital Asset Pricing Model („CAPM“) erlaubt zu ermitteln,
welcher Teil des Gesamtrisikos eines Investitionsobjekts nicht durch Risikostreuung (Diversifikation) zu beseitigen ist und erklärt, wie risikobehaftete Anlagemöglichkeiten im Kapitalmarkt zu bewerten sind.
Zinssatz = risikoloser Zinssatz + (Marktrisikoprämie * Risikofaktor)
Grundsätzlich erachten wir die gewählte Methode CAPM für geeignet, die
Bestimmung des Zuschlags zur Abdeckung netzbetriebsspezifischer unternehmerischer Wagnisse durchzuführen.
FE greift zur Ermittlung der netzbetriebsspezifischen unternehmerischen
Wagnisse auf die historische Entwicklung der Kapitalmärkte bzw. die historische Entwicklung von Unternehmen auf diesen Kapitalmärkten zurück.
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Anmerkungen
Hinsichtlich der Ausführung der Analyse bzw. der Daten haben wir jedoch
folgende Anmerkungen:
1. FE basiert ihre Berechnung auf der Statistik der Autoren Dimson,
Marsh und Staunton, kurz DMS genannt. DMS publizieren jährlich
ihre Zeitreihen, 2016 für 23 Länder, für die letzten 15, 50 und 115
Jahre. Es wird von FE letztlich nicht abgeleitet, warum nur die 115
Jahre Welt-Zeitreihe für die Ermittlung des ‚Market Risk Premium‘
(MRP) relevant ist. DMS zeigen, dass die länderspezifischen MRPs
erheblich vom Weltdurchschnitt abweichen und auch langfristig nicht
konvergieren. Die DMS Daten zeigen ferner, dass die MRP sowohl
der letzten 15 als auch 50 Jahre erheblich von den 115 Jahre Durchschnitten abweichen. Die Bestimmung der Risikofaktoren basiert FE
allerdings auf lediglich 5 Jahreszeitreihen. Beide Werte werden kombiniert mit der durchschnittlichen Umlaufrendite deutscher Emittenten der letzten 10 Jahre.
Diese Kombination nationaler und weltweiter Zinssätze unterschiedlichster Mittelungszeiträume wirft Zweifel an einer
angemessenen Konsistenz der Methodik bzw. Datengrundlage auf.
2. Die Risikofaktoren (Betas) werden von FE nur auf Grundlage von
Daten der letzten 5 Jahre ermittelt. In einem vergleichbaren Regulierungsverfahren für Elektrizitätsdistributionsnetze der OFGEM im
UK in 2014 wurde selbst eine Zeitreihe von mehr als 10 Jahren für
die Ermittlung der Betas als zu gering kritisiert. Die Vermutung,
dass die von FE verwandte 5 Jahres Datenbasis zu knapp bemessen
ist, wird auch von FE in ihren Gutachten für BNetzA selbst genährt.
FE kommt in ihrem 2016 Gutachten zu einem Beta von 0,83 während dieses in ihrem 2011 Gutachten lediglich 0,66 betrug.
Eine solche Veränderungsrate für die regulierte Netzindustrie
innerhalb von 5 Jahren wird von FE nicht plausibilisiert.
3. Laut Macquarie Stellungnahme in dem o.g. UK Regulierungsfall ist
die erwartete Eigenkapitalverzinsung relativ stabil, auch wenn sich
Risikozuschläge und Fremdkapitalzins stark ändern. Diese Auffassung wird in dem o.g. Verfahren auch von dem von OFGEM eingeschalteten Experten Stephen Wright geteilt.
FE übergeht, dass die erwartete Eigenkapitalverzinsung eines
Investors nicht allein von den historischen Werten gespiegelt
wird.
4. Das Quantitative Easing der Europäischen Zentralbank hat zu sehr
niedrigen Zinsen im Anleihenmarkt geführt. Die durchschnittliche
Umlaufrendite deutscher Emittenten ist in der von der BNetzA zitierten Zeitreihe deutlich abgesunken. Dies resultiert in 2016 im Ver-
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gleich zu 2011 in einer 1,6 prozentigen Absenkung des Eigenkapitalzinssatzes. Diese Effekte wurde im Falle der UK Regulierung bereits
seit Jahren diskutiert und dabei die Position bezogen, dass die
marktüblichen Wagniszuschläge für Netzbetreiber ansteigen und den
Rückgang des risikolosen Zinssatzes zumindest teilweise kompensieren. Ferner wird aktuell auch diskutiert, ob die von den Zentralbanken induzierten niedrigen Zinsen für Anleihen noch dem sogenannten risikolosen Zinssatz entsprechen.
Die Bestimmung des risikolosen Zinssatzes bedarf vor dem
Hintergrund der aktuellen Niedrigzinspolitik und des Quantitative Easing einer weitergehenden Analyse.
5. Die Zahl der in dem Gutachten berücksichtigten Vergleichsfälle erscheint uns als statistisch wenig repräsentativ. Obwohl FE die Liste
der Unternehmen in der engeren Stichprobe von 9 in 2011 auf 14
erweitert hat, ist diese Datenbasis dennoch klein.
6. FE leitet aus der Datenbasis ab, dass es keine signifikanten Differenzen zwischen Eigenkapitalerfordernissen bei Strom- und Gasnetzen
gibt. Diese Aussage basiert auf einer nochmals verkleinerten Stichprobe von nur 8 Unternehmen aus den Ländern Belgien, Italien,
Spanien und USA. FE untersucht die Signifikanz der Betas von Gasund Elektrizitätsnetzbetreibern mit dem Mann-Whitney-U-Test bzw.
dem t-Test. In den 4 genannten Ländern wird zumindest nicht in
dem Ausmaß wie in Deutschland eine strikte Energiewende mit konsequenter Entkarbonisierung der Energieversorgung politisch unterstützt.
D.h. die Auswirkungen der Energiewende auf die Gas- und
Elektrizitätsnetzbetreiber in Deutschland sowie die für diese
Netzte (eventuell) bestehenden Unterschiede, können anhand der Stichprobe von FE auch nicht ansatzweise abgeleitet werden.
7. Im Verfahren der BNetzA zur Festlegung der Eigenkapitalzinssätze in
2011 hatte die BNetzA als Ergebnis der Beratungen das Ergebnis
des Gutachtens (2,9%) von FE in 2011 übergangen und den marktüblichen Wagniszuschlag für Netzbetreiber auf 3,59% festgesetzt.
Maßgebliche Gründe waren die deutsche Energiewende und die Konsequenzen der Finanzkrise.
In ihrem Gutachten 2016 ist FE wohl auf Fragen wie Art der Regulierung und auf Unterschiede der Risiken für Gas- und Elektrizitätsnetzbetreiber eingegangen, diskutiert aber die (mit-)entscheidenden
Faktoren wie Energiewende in Deutschland und Fortsetzung der
Auswirkungen der Finanzkrise in Form des Quantitative Easing der
Europäischen Zentralbank nicht.
FE übergeht in ihrem Gutachten ferner die weiteren neuen Herausforderungen wie bspw.
 CO2 freie Stromnetze
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 Smart Grids
 Power to Gas
Diese von FE vernachlässigten Fakten sind u.E. gemäß § 7
Abs. 5, Ziffer 3 GasNEV als „beobachtbare und quantifizierbare unternehmerische Wagnisse zu berücksichtigen“.
8. Im Gutachten für die BNetzA vertritt FE die Auffassung, dass ausschließlich historische langfristige Durchschnitte (DMS) als zentrale
Informationsquelle für die Schätzung der MRP relevant seien und
lehnt alternative Methoden ab, da diese entweder abhängig von Annahmen oder subjektiv seien. Bei OFGEM stellte FE 2014 in dem o.g.
Verfahren eine Marktrendite von 7,7% als erforderlich in den Raum
und bezeichnet die Daten von DMS als zu einseitig.
FE widerspricht in diesem Gutachten ihrem eigenen Gutachten zum gleichen Thema in UK in 2014.
Im August 2016
Dr. Christoph Merkel
Michael Karasz
Dr. Dr. Andrej M. Pustišek