Sindschar - Konrad-Adenauer

VERANSTALTUNGSBEITRAG
Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.
S Y R I EN / I R A K
NILS WÖRMER
August 2016
www.kas.de
www.kas.de/syrien-irak
„Improved Integration Capacity
for Returnees in Sinjar”
W EO U N D KA S V E RA N S TA LT EN KO N F E RE N Z Ü B E R M Ö GL IC H K E IT EN Z U R
R E I N T E G RA T I O N V O N V ER T R IE B E N E N J ES ID E N I N S IN DS C H A R
Vor zwei Jahren gingen die schreckli-
Infrastruktur, (2) Konflikte zwischen ver-
chen Bilder um die Welt und versetzten
schiedenen politischen Gruppierungen und
auch Deutschland in einen Schockzu-
den lokalen Autoritäten, (3) die Missachtung
stand: Flüchtende Jesiden, vom soge-
rechtsstaatlicher Strukturen durch lokale
nannten Islamischen Staat (IS) auf
Milizen, (4) Misstrauen gegenüber der ver-
dem
bliebenen
Berg Sindschar eingeschlossen,
sunnitisch-arabischen
Bevölke-
Opfer unvorstellbarer Gräueltaten. Der
rung sowie (5) der Präsenz des IS unweit
Genozid an den Jesiden – mittlerweile
der befreiten Gebiete erschwert. Die Vertre-
offiziell von den Vereinten Nationen als
ter der WEO sprachen sich für umfangreiche
solcher anerkannt – ist eines der dun-
Wiederaufbauprogramme in Sindschar, eine
kelsten Kapitel in der jüngeren Ge-
Stärkung
schichte des Nahen und Mittleren Os-
rechtsstaatlicher Behörden wie Polizei und
tens. Mehrere hunderttausend Jesiden
Justiz sowie eine bessere Einbindung von
mussten damals fliehen. Seit der Be-
weiblichen Vertriebenen in die Zukunftspla-
freiung der Stadt Sindschar im Novem-
nung für Sindschar aus.
der
lokalen
Autoritäten
und
ber 2015 gibt es Hoffnung auf eine baldige Rückkehr. Die hochrangig besetzte
Der Präsentation schlossen sich zwei Podi-
Konferenz, die am 22. August in Erbil
umsdiskussionen an.
stattfand und auf ein großes mediales
Interesse stieß, befasste sich mit den
Die erste Diskussion beschäftigte sich mit
Hindernissen, Chancen und Perspekti-
der Rolle der wichtigsten Akteure in Sind-
ven einer Reintegration der Jesiden in
schar – lokale Autoritäten, politische Partei-
Sindschar. Sie bildete den Abschluss
en und bewaffnete Milizen. Vian Dakheel,
einer Reihe von Workshops, welche die
die einzige jesidische Abgeordnete des ira-
Women
Organisation
kischen Parlaments in Bagdad, kritisierte,
(WEO) 2016 mit Unterstützung der KAS
dass Sindschar zunehmend zum Spielball
in den zurückeroberten Gebieten in der
widerstreitender Interessen von politischen
nordirakischen Provinz Ninawa mit lo-
Parteien werde. Sie warb für die Schaffung
kalen Behörden, politischen Parteien,
einer unabhängigen Provinz Sindschar, um
bewaffneten Milizen und Vertriebenen
den Jesiden eine Entscheidung über ihre ei-
durchgeführt hat.
gene Zukunft zu ermöglichen.
Nach der Eröffnung der Konferenz durch
Bashar Kiki, Vorsitzender des Provinzrates
Vertreter der WEO, der KAS und des iraki-
von Ninawa, gab zu bedenken, dass sich die
sch-kurdischen Innenministeriums präsen-
Verbrechen gegen die Jesiden tief in das
tierte die WEO die Ergebnisse der durchge-
kollektive Gedächtnis der Bevölkerung Sind-
führten Workshops. Diesen zufolge wird die
schars eingebrannt haben. Dies mache ei-
Rückkehr der vertriebenen Jesiden durch
nen Dialog zwischen den lokalen sunniti-
die (1) fehlende beziehungsweise zerstörte
schen Arabern und den Jesiden, bei dem die
Empowerment
2
Verbrechen gegen die Jesiden klar ange-
unter den Gräueltaten des IS gelitten hät-
sprochen und verurteilt werden, unumgäng-
ten. Tavga Rasheed vom Independent
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lich für einen Prozess der Aussöhnung. Er
Board of Human Rights hob hervor, dass es
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kritisierte, dass die türkisch-kurdische PKK
vielfache Anstrengungen zur Stärkung der
viele öffentliche Gebäude besetzt halte, was
Rolle der jesidischen Frauen gebe. Diese
eine Bereitstellung öffentlicher Dienstleis-
müssten fortgeführt und intensiviert wer-
tungen erschwere. Darüber hinaus unter-
den.
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nehme die Zentralregierung in Bagdad keine
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ausreichenden Anstrengungen, um einen
Die Konferenz schloss mit einer Zusammen-
Wiederaufbau von Sindschar zu ermögli-
fassung der Hauptergebnisse. Gefordert
chen. Kiki forderte, dass sich die politischen
wurde, die Jesiden direkt in die Zukunfts-
Parteien an rechtsstaatliche Prinzipien hal-
planungen für Sindschar einzubinden und
ten müssen. Er appellierte an die internati-
die politischen Parteien stärker an ihre Ver-
onale Gemeinschaft, zwischen den ver-
antwortung gegenüber der lokalen Bevölke-
schiedenen politischen und militärischen
rung zu erinnern. Weiterhin sollten die Ko-
Kräften in Sindschar zu vermitteln und ihre
ordination der lokalen Behörden in der Pro-
humanitäre Hilfe aufzustocken.
vinz Ninawa und Dohuk, in der sich ein
Großteil der Vertriebenen aufhält, verbes-
Pakhshan Zangana vom High Council of
sert und für eine stärkere Rolle der interna-
Women Affairs warb insbesondere für eine
tionalen Gemeinschaft geworben werden.
stärkere Einbindung der jesidischen Frauen
in den Wiederaufbau von Sindschar. Sie argumentierte, dass die Frauen am stärksten
unter der Gewalt des IS gelitten hätten. Der
kollektive Missbrauch von jesidischen Mädchen und Frauen müsse dokumentiert und
aufgearbeitet werden. Zudem sollten Frauen
in den Auffanglagern in der ARK ausgebildet
und unterstützt werden, um über die Zukunft Sindschars mitentscheiden zu können.
Die zweite Podiumsdiskussion drehte sich
um die wichtigsten Herausforderungen im
Hinblick auf die Reintegration von Vertriebenen und die Rolle der jesidischen Frauen.
Ali Omer Gabo, stellvertretender Gouverneur von Ninawa für Flüchtlingsangelegenheiten, stellte heraus, dass es insbesondere
an der Bereitstellung der öffentlichen
Grundversorgung fehle, es weiterhin Konflikte zwischen den politischen Parteien in
Sindschar gebe und die zerstörte Infrastruktur viele Jesiden davon abschrecke, nach
Hause zurückzukehren. Abdurrahman Sidiq,
Aktivist für religiöse Toleranz, argumentierte, dass durch die Bereitstellung von Bildung extremistischen Entwicklungen vorgebeugt werden müsse. Der IS könne nicht
militärisch, sondern nur intellektuell besiegt
werden. Gewalttäter, die sich Verbrechen
gegenüber den Jesiden schuldig gemacht
hätten, müssten ihre Schuld klar bekennen.
Den Frauen müsse eine wichtige Rolle beim
Wiederaufbau zufallen, da sie am meisten