KINDERRECHTE AFRIKA E.V. GRUNDRECHTE VON MÄDCHEN IN MALI LANDINFO Vor mehr als zehn Jahren wurden wir zum ersten Mal im Rahmen von Kinderrechtsarbeit in Mali mit jungen Mädchen im Gefängnis konfrontiert. Seit damals gibt es immer wieder die gleiche oder so ähnliche Geschichte. Junge Mädchen haben kam Zukunftschancen in ihren Heimatdörfern. Ohne Schulbildung oder frühzeitig von der Schule abgegangen sind ihre Tätigkeiten meist beschränkt auf häusliche Arbeiten und die Betreuung ihrer jüngeren Geschwister. Viele werden gezwungen, sich früh zu verheiraten, nicht selten mit einem Mann, der ihr Vater sein könnte. Daher verlassen viele dieser Mädchen ihre chronisch unterentwickelten und sehr traditionell geprägten ländlichen Regionen in Mali, eines der ärmsten Länder Afrikas. Sie machen sich auf die Suche nach bezahlter Arbeit, um ihre verarmten Familien zu unterstützen und um für sich selbst eine Aussteuer zu erwirtschaften. Für viele endet diese zeitweilige Landflucht zwangsläufig in der Katastrophe. Unvorbereitet auf die Herausforderungen der Hauptstadt Bamako, naiv, ohne Lebenserfahrung, ohne schulische oder berufliche Bildung – die meisten sind Analphabetinnen – verdingen sich diese Mädchen als ungelernte Arbeitskräfte gegen einen Hungerlohn von CFA 5 000 (7,60 EUR). Ausgebeutet, missachtet, den Verlockungen des Großstadtmilieus ausgesetzt, stranden viele, werden zum Spielball skrupelloser Arbeitgeber, oft sexuell missbraucht, werden Opfer einer ungewollten Schwangerschaft. Gemeinsam für Afrika Mali 1 MALI Fläche Bevölkerungszahl Hauptstadt Regierungsform Bevölkerung unter 15 Jahre Bruttonationaleink. pro Kopf 1.240.000km² 16 Mio. Bamako Republik 47 Prozent 1030 US$ Lebenserwartung bei Geburt 51 Jahre Anzahl untergewichtige Kinder 27 Prozent Der Teufelskreis führt jetzt viele in eine ausweglose Lage. Panik erfasst die Mädchen. Sie sind ja seit Jahren in ihrem Herkunftsmilieu, das an starren Traditionen festhält, von ihren Familien einem Mann aus dem gleichen Volksstamm versprochen. Als Schwangere kann es kein Zurück in das Heimatdorf geben. Die Schande ist zu groß! Der vermeintliche Ausweg: Abtreibung. Viele werden dabei entdeckt. Die Folge: Polizei, Verhör, das Elend einer Gefängnishaft. Dank unserer beharrlichen Arbeit hat sich da aber in den letzten Jahren vieles geändert. Die Polizei geht respektvoller mit diesen Mädchen um, Staatsanwälte und Richter erkennen immer mehr, dass diese Mädchen, wenn sie mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind (z. B. durch versuchte oder tatsächliche Abtreibung) auch Opfer sind, dass ihre „Vergehen“ keine jahrelange Haft rechtfertigt, dass sie stattdessen Hilfe brauchen. So haben wir Hunderte von Mädchen angetroffen: Alleingelassen mit ihren körperlichen und seelischen Verletzungen, mit ihren Schuldgefühlen, ihren Ängsten, von der Familie geächtet, verstoßen, verzweifelt. Als Kinderrechtsorganisation wollten wir, mussten wir dagegen etwas tun. Wie immer mit ganz konkreter Hilfe für diese Mädchen, die schon als 14 oder 15jährige so leicht Opfer ihrer Unerfahrenheit, ihrer Unwissenheit und ihrer Leichtgläubigkeit wurden und die jetzt mit der ganzen Härte des Gesetzes strafverfolgt werden. Schon der Versuch der Abtreibung gilt als Strafdelikt in Mali, auch im Falle von Minderjährigen. Konkrete Hilfe für Mädchen in Not Im Mutter- und Kind-Zentrum "Bamunan (Hoffnung und Leben) unserer Partnerorganisation GRADEM in der Hauptstadt Bamako bietet sich ihnen eine Alternative. Hier werden mehr als 70 schwangere Mädchen oder minderjährige Mütter aufgefangen. Sie erhalten psychosoziale Betreuung, medizinische Hilfen einschließlich gesundheitlicher Aufklärung u.a. zur Vorbeugung von Krankheiten (AIDS) und ungewollter Schwangerschaften, Schwangerschaftsberatung und Unterstützung vor, während und nach der Geburt ihres Kindes in der nahegelegenen Entbindungsstation. Diese Betreuung entdramatisiert ihre Situation und gibt den Mädchen wieder Hoffnung und Zuversicht. Sie erwerben lebensnahe Fertigkeiten, die ihnen helfen, ein Leben in Selbständigkeit mit ihrem Neugeborenen zu meistern und sich besser auf ihre soziale Reintegration vorzubereiten. Alphabetisierungskurse eröffnen neue Horizonte. Der Alltag im Mädchenschutzzentrum ist geprägt vom praktischen Erlernen der Säuglingspflege und der Beschäftigung mit dem Kind, der Erledigung von Gemeinschaftsaufgaben (kochen, putzen waschen) von Singen und Tanz und natürlich auch von der wichtigen Zeremonie des Teekochens. Nach und nach akzeptieren die Mädchen auch ihr Kind, das sie in ihrer Lage so nicht gewollt haben. Sie werden auch bereit, mit Unterstützung des Projektes sich auf eine Initiative zur Versöhnung mit ihrer Familie einzulassen. Gemeinsam für Afrika Mali 2 Maßnahmen im Milieu der Mädchen Ganz wichtig ist uns auch – soweit möglich – der oben beschriebenen Situation vorzubeugen. Den Teufelskreis frühzeitig zu unterbrechen. Daher unterstützen wir auch die vorbeugende Arbeit im Herkunftsmilieu der Mädchen. Aufklärung der Mädchen, ihrer Familien, der Bevölkerung, behutsames Einwirken auf die Dorfchefs und –ältesten, um überkommene Traditionen zu verändern. Arbeit aber auch mit den Medien, mit den GRIOS, damit ein gesellschaftliches Umfeld entsteht, das diesen Wandel fördert. Vieles wurde schon erreicht. Es gibt hoffnungsvolle Anzeichen. Gemeinsam mit den Dorfältesten, mit lebenserfahrenen und aufgeschlossenen Frauen in den Herkungsdörfern der Mädchen wurden Alternativen zur Landflucht besprochen und durchgeführt, so z.B. die Integration dieser Mädchen in vorgenossenschaftliche Frauenvereinigungen. Die Mädchen erhalten so die Chance, in der vertrauten Sozialgemeinschaft Neues zu erlernen und für sich Einkommen zu schaffen. Sie erwerben neue Kenntnisse und Fertigkeiten, z.B. wie man Seife herstellen kann. Es gibt eine große Nachfrage nach Seife, und die Nüsse des weitverbreiteten Karité-Baumes liefern dafür die wesentlichen Bestandteile. Andere Mädchen erlernen Techniken des Gemüseanbaus auf Bewässerungsbasis. Dies ist ebenfalls eine wichtige Nische in der Sahelregion mit immer wiederkehrenden Hungersnöten. Kartoffel, Auberginen, Salat, Zwiebeln, Kohl, Karotten und Tomaten sind darüber hinaus eine gute Ergänzung zu der Hauptnahrungsquelle Hirse. So wird die Herstellung von Seife und der Anbau von Gemüse zu einer wichtigen Einnahmequelle für die Mädchen und deren Mütter, die in der Regel das erwirtschaftete Einkommen wieder in die schulische Bildung ihrer Kinder und damit auch der Mädchen stecken. Gleichzeitig unterstützt das Projekt die Frauen- und Mädchenvereinigungen bei der zum Teil gemeinschaftlichen Verwaltung ihrer Einkünfte, berät sie in finanziellen Fra- gen bei der Vermarktung und Anschaffung der notwendigen Utensilien für die Arbeit (Formen für die Seifenherstellung, Gießkannen). Zudem werden die Mädchen schon in ihrem Heimatmilieu über die Gefahren der Großstadt aufgeklärt. Jene, die sich doch auf dieses Abenteuer einlassen, werden vorbereitet auf das, was sie dort erwartet, um in einer fremden, großstädtischen Umgebung besser bestehen zu können. Auch diese Mädchen mit ihren Neugeborenen haben ein Recht auf Zukunft. Gemeinsam für Afrika Mali 3 Bilder Copyrights: Elisabeth Munsch/Kinderrechte Afrika e.V.
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